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Einmal zu einer Zeit, als der Krieg sich in Bosnien-Herzegowina fortzusetzen begann, bekam ich von einer deutschenWochenzeitung den Auftrag, einen Beitrag über das Profil des Krieg führenden jugoslawischen Personals zu schreiben. Was sind das für Offiziere, die auf Zivilbevölkerung, Städte, Kirchen, Moscheen schießen lassen, ganze Dörfer platt machen und Gegenden entvölkern – muss man sich gefragt haben. Während meiner Jugend war ich vielen Kindern und Jugendlichen begegnet, die aus Offiziersfamilien kamen, und kannte so auch eine Menge Geschichten mit Elementen, die mir als charakteristisch für diese besondere Mentalität erschienen. Aber die Idee, aus solchen erinnerten Erfahrungen so etwas wie ein Täterprofil zu skizzieren, gab ich bald auf. Obwohl es dabei eindeutige Hinweise gab – so war ich mit der Leidenserfahrung einer Schulkameradin vertraut, deren brutaler Vater nach dem Kasernenregiment zu Hause herrschte –, stand keine brauchbare Mentalitätsforschung zusätzlich zur Verfügung, die die eigene Beobachtung hätte untermauern können. Das andere unüberwindbare Problem war, dass es sich bei dieser Gruppe fast ausnahmslos um Serben handelte und eine Generalisierung Gefahr gelaufen wäre, als ethnizistisch einseitig missverstanden zu werden. ...
Wissenschaftliche Literatur über Serbien zählt im Westen zur Mangelware. Auf dem Büchermarkt überwogen bis vor kurzem geschichtliche Abrisse von Journalisten und dilettierenden Historikern. Montenegro ist ein noch seltenerer Gegenstand wissenschaftlicher Geschichtsschreibung. Daher weckt ein Sammelband zur Gesellschafts-, Kultur-, Politik- und Staatsgeschichte, der von einem wissenschaftlichen Institut und ausgewiesenen Kennern der serbischen Geschichte herausgegeben wurde, hohe Erwartungen. ...
Am anderen Ende derWelt, in einem argentinischen Städtchen im Bundesstaat Buenos Aires, versetzten die epochalen Ereignisse in Europa nach dem Fall des Eisernen Vorhangs den Bürger Dinko Šakić in Entzücken. Fünfzig Jahre nachdem er aus seiner Heimat geflüchtet war, führten die tektonischen Umwälzungen nach dem Ende des Kommunismus und der europäischen Teilung sogar zur staatlichen Verselbständigung seiner einstigen Heimat Kroatien – zu einer jahrzehntelang nicht einmal im Traum denkbaren Entwicklung. Dinko Šakić setzte sich daraufhin öffentlich für seine frühere Heimat ein. Es fiel ihm gar nicht ein, dass ihn seine Vergangenheit einholen könnte. Wahrscheinlich weil er "ein gutes Gewissen" hatte, ein von ihm gern benutzter Ausdruck, oder weil er in der jungen Republik Kroatien eine Art Fortsetzung jenes Staatsgebildes sah, dem er in seiner Jugend "gedient" hatte (auch ein beliebter Ausdruck Šakićs). In der größten lateinamerikanischen Kroatengemeinde in Argentinien gab es wahrscheinlich nichts, was ihn zur Vorsicht hätte mahnen können. Er schien die Öffentlichkeit geradezu gesucht, womöglich sogar eine Anerkennung erwartet zu haben. Bei einem Empfang zu Ehren des kroatischen Präsidenten während dessen Staatsbesuchs in Argentinien wurde Šakić von Journalisten beobachtet, wie er Tudjman nicht von der Seite weichen wollte, was diesen sichtlich irritierte und zu Hause für Empörung sorgte. Šakić, der sich selbst bei mehreren Gelegenheiten als glühenden kroatischen Nationalisten schilderte, weshalb er schon als Jugendlicher Anhänger der Ustascha-Organisation geworden sei, ahnte offensichtlich nicht, dass seine Art der Heimatliebe dort Entsetzen hervorrufen würde. ...