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Den Menschen als vernunftbegabtes Wesen, als animal rationale, zu begreifen heißt, ihn als rechtfertigendes Wesen anzusehen. Die Vernunft ist die Fähigkeit, sich anhand rechtfertigender Gründe in der Welt zu orientieren. Denn „ratio, raison, reason bedeutet“, wie Tugendhat hervorhebt, „ebenso sehr ‚Grund‘ wie ‚Vernunft‘. Das Vermögen der Vernunft ist die Fähigkeit, für seine Meinungen und für seine Handlungen Rede und Antwort stehen zu können; lat. rationem reddere, griech. logon didonai.“ Dieses Rede-und-Antwort-Stehen ist eine soziale Praxis kulturell und historisch situierter Wesen, die einerseits frei sind, ihre Gründe zu wählen und zu prüfen, andererseits aber daran gebunden, welche Gründe ihnen zur Verfügung stehen und welche als gut oder rechtfertigend gelten. Der Raum der Gründe ist ein Raum der Rechtfertigungen, die nicht nur Einzelhandlungen, sondern auch komplexe Handlungsordnungen, also soziale Verhältnisse und politische Institutionen, legitimieren.
Menschen sind aber auch erzählende Wesen. Der Raum der Gründe, in dem sie sich orientieren, ist kein nackter Raum einzelner Sätze oder gar Normen, sondern bevölkert von Narrativen.
Obgleich Staaten im Kontext asymmetrischer Konflikte prinzipiell danach streben, nicht-staatlichen Gewaltakteuren Anerkennung und Legitimität vorzuenthalten, wird dieser Doktrin des Nicht-Dialogs weltweit zunehmend zuwider gehandelt. Der Doktrin der Nicht-Anerkennung steht eine Praxis der internationalen, politischen Anerkennung solcher Gruppen entgegen. Doch welchen Einfluss haben die Nicht-Anerkennung und die von internationalen Drittparteien gewährte Anerkennung auf die Gewaltanwendung nicht-staatlicher Gewaltakteure? Die Geschichte der palästinensischen Widerstandsgruppen Fatah (1962 bis 1993) und Hamas (1987 bis 2008) eignet sich, diesen Fragen auf den Grund zu gehen, da sie durch Akte der Anerkennung und Nicht-Anerkennung einerseits und Prozesse der Eskalation und De-Eskalation andererseits geprägt ist. Es zeigt sich, dass eine Strategie der graduellen Anerkennung unter bestimmten Bedingungen zur De-Eskalation nicht-staatlicher Gewalt beitragen kann.
Über Ägypten hört man dieser Tage viel. Aber selten scheint es mir derart zum Verständnis beizutragen, wie dann, wenn die Ägypten-Expertin Irene Weipert-Fenner spricht. Im Bretterblog-Interview erläutert sie vor allem ökonomische Hintergründe, die erst die ganze Dimension der Revolutionen von 2011 und 2013 erahnen lassen.
Dass in Ägypten und Tunesien der sogenannte Arabische Frühling weitgehend friedlich die jeweiligen Diktatoren zu Fall brachte, hängt unter anderem damit zusammen, dass in beiden Ländern die Armee gegen die Proteste nicht gewaltsam vorging. Doch während in Ägypten das Militär direkt nach der Revolution politische Ämter übernahm und im Juli 2013 erneut intervenierte, um Präsident Mursi abzusetzen, hält sich in Tunesien die Armee aus dem politischen Prozess heraus. Doch welche Rolle genau spielen die Generäle in den beiden Ländern und wie hängt diese mit den zum Teil turbulenten Demokratisierungsprozessen zusammen? Hier ein Vergleich der unterschiedlichen, historisch gewachsenen Positionen der Streitkräfte im Staat, der deren politisches Eingreifen beziehungsweise Zurückhaltung aus dem politischen Prozess verständlich macht. Dabei zeigt sich, dass sowohl die Rolle der Streitkräfte bei der Gründung der Republiken in den 1950er Jahren als auch Strukturreformen in den 1960er Jahren die Grundlagen dafür legten, dass die ägyptische Armee mit Politik und Wirtschaft heute aufs engste verbunden ist, das tunesische Militär dagegen eine Randfigur im politischen Machtgefüge darstellt...
Die Entscheidung scheint gefallen: die Bundesregierung wird bald bewaffnete Drohnen anschaffen. Dass die Politik sich den Wünschen des Militärs nach bewaffneten Systemen beugen würde, war letztlich nicht eine Frage des ob sondern nur noch des wann. Aber schon die Art und Weise, wie die Entscheidung an die Öffentlichkeit gelangt ist, zeigt, was die Bundesregierung offensichtlich vermeiden möchte. Anstelle eines „gesellschaftlichen Diskurses“ über Kampfdrohnen, den Verteidigungsminister de Maizière stets angekündigt hatte, war es eine kleine Anfrage der Bundestagsfraktion der Linkspartei, die Klarheit über die deutschen Absichten brachte. Völlig überrumpelt musste das Verteidigungsministerium schnell klarstellen, bewaffnete Drohnen seien „unbedingt erforderlich“. Diese dienten dem Schutz der deutschen Soldatinnen und Soldaten, in internationalen Einsätzen und jeder, der die Anschaffung bewaffneter Drohnen in Frage stelle, unterwandere die Sicherheit unserer Streitkräfte, so die offizielle Argumentation. Man könne einfach nicht auf diese Fähigkeit verzichten – nicht gerade ein Diskussionsangebot aus dem Verteidigungsministerium...
Mit dem Dreiteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“ hat das ZDF eine neue Diskussion über das Verhalten und die Verantwortung der Deutschen während des Zweiten Weltkrieges ausgelöst. Doch die Hoffnung auf eine Differenzierung der öffentlichen Diskussion wurde in den Talkshows des Senders rasch enttäuscht.
Je besser Forscher es verstehen, defekte Gene zu reparieren oder beliebige Körperzellen zu reprogrammieren, desto gefahrloser wird die Gen- und Stammzell-Therapie für Patienten, die an heute noch unheilbaren Krankheiten leiden. Gleichzeitig zeichnet sich damit die Möglichkeit ab, in ferner Zukunft vielleicht das Genom kommender Generationen zu verändern oder Menschen zu klonieren. Der Internist Prof. Hubert Serve und die Politikwissenschaftlerin Dr. Anja Karnein wagen im Gespräch mit den beiden Redakteurinnen des Wissenschaftsmagazins »Forschung Frankfurt« Dr. Anne Hardy und Ulrike Jaspers einen Ausblick jenseits aller aktuellen Debatten. Sie diskutieren aber auch über die Themen, die Patienten wie Wissenschaftler zurzeit unmittelbar berühren.
Die Frankfurter SozialwissenschaftlerInnen haben eine neue Bibliothek. Auch wenn man den alten Charme des „Turms“ mit all seiner kritischen Geschichte vermissen kann: die neue Bibliothek ist wirklich wunderbar geworden. Originell ist jedoch eine Posse um ein altes Gemäuer in der Mitte des Lesesaals…
Bereits heute werden bewaffnete Drohnen von vielen Armeen eingesetzt, um Gegner über tausende Kilometer hinweg per Joystick zu töten. Auch die Bundesregierung hat Anfang dieses Jahres vorgeschlagen, diese Systeme für die Bundeswehr anzuschaffen und ist sich offenbar auch schon mit den Amerikanern einig. Doch die Pläne stießen auf große öffentliche Kritik und offensichtlich sah man sich gezwungen, die Entscheidung über den Kauf bewaffneter unbemannter Kampfsysteme zumindest offiziell in die nächste Legislaturperiode zu verschieben...
So eindrucksvoll moderne Waffensysteme auch sein mögen, die größte Schwachstelle im Krieg waren, sind und bleiben die Soldaten selbst. Bewaffnete Konflikte werden schließlich immer noch von Menschen gekämpft. Es ist allerdings fraglich, wie lange das noch der Fall sein wird. Auf der einen Seite wird immer stärker auf Drohnen (bisherige Beiträge zum Thema “Drohnen”: hier und hier) und andere unbemannte Systeme gesetzt, auf der anderen Seite wird aber auch bei den physischen und psychischen Schwachstellen angesetzt und versucht, den menschlichen Körper durch den zielgerichteten Einsatz von Technik zu verbessern. Die Technik ist heute schon viel weiter als wir glauben möchten – wie sind auf dem Weg die Grenzen des Menschenmöglichen zu verschieben...
Am 23. Januar finden Parlamentswahlen in Jordanien statt. Erst im Juni letzten Jahres wurde im Rahmen des Reformprozesses ein neues Wahlgesetz verabschiedet; es folgten politische Machtkämpfe zur Ausgestaltung des Gesetzes, Boykottaufrufe, die Auflösung des Parlaments und die Ankündigung vorgezogener Parlamentswahlen sowie die mehrfache Verschiebung des Wahltermins. Im November erlebte das Land, nachdem die Preise für Öl und Gas erhöht wurden, landesweit die größten Demonstrationen seit Ausbruch des „Arabischen Frühlings”, die diesmal mitunter – und das war neu – gegen den König gerichtet waren. Ein Großteil der jordanischen Bevölkerung beklagt, das neue Wahlgesetz kaum zu verstehen. Unterdessen hat die Opposition, bestehend aus dem politischen Arm der Muslimbrüder sowie linken und unabhängigen Vereinigungen, ihren Boykott der Wahl bestätigt. Das politische Klima Jordaniens könnte dieser Tage kaum diffuser sein, doch gleichzeitig ist der Ausgang der gegenwärtigen Machtkämpfe im Kontext des breiteren Reformprozesses wegweisend für die Zukunft des Landes.
Wenn die Rede auf China kommt, dann fällt meist sehr schnell ein Name: Ai Weiwei, der bekannteste Gegenwartskünstler des „Reichs der Mitte“. Aber wer ist dieser Mann? Zwei Bücher und ein Film zeichnen ein umfassendes Bild eines beeindruckenden Mannes – unsere „Medien des Monats“ statt eines einzelnen „Buchs des Monats“.
Der Opfer der NS-Gewaltherrschaft hat sich Deutschland in der zurückliegenden Zeit häufig erinnert. Die Einweihungen von nationalen Mahnmalen für den Holocaust an den Juden sowie den Sinti und Roma steht dafür stellvertretend. Völlig vergessen werden jedoch die Gräber der Opfer. Sie werden einfach entsorgt und die Bundesregierung weigert sich zu handeln.
Über die Machtstrukturen der Kommunistischen Partei Chinas, die allmächtig über das Reich der Mitte herrscht, weiß man erstaunlich wenig. In seinem beeindruckend detailreichen Buch „Der rote Apparat“ gelingt es Richard McGregor nun sowohl diese Intransparenz vorzuführen als auch erste Breschen in das Dickicht unserer Unwissenheit zu schlagen.
Worin besteht das Politische? Wie wird Politik gemacht? Max Weber verglich es mit dem Bohren harter Bretter mit Leidenschaft und Augenmaß. Aber was ist daraus geworden? In unserer ersten Buchbesprechung in der neuen Rubrik „Buch des Monats“ werden die Antworten des Soziologen Alexander Kluge vorgestellt.
Yang Jisheng, langjähriger Journalist der staatlichen chinesischen Nachrichtenagentur, hat ein erschütterndes Buch über den „Großen Sprung nach vorn“ geschrieben. Millionen ChinesInnen verhungerten 1958-62. Bis heute wird darüber geschwiegen. Nicht so Yang, der mit seinem Buch ein nie da gewesenes Bild der Katastrophe zeichnet und den Toten gedenkend einen „Grabstein“ setzt.
Am vergangenen Freitag näherte sich eine Langstreckenrakete der Westküste der USA. Vom Luftwaffenstützpunkt im kalifornischen Vandenberg stieg sogleich eine Abwehrrakete auf. Ihre Mission: die sich nähernde Bedrohung noch vor Wiedereintritt in die Atmosphäre abzufangen und durch die kinetische Energie des Aufpralls zu zerstören. Doch der Abfangversuch – seit 2010 der erste Test des bodengestützten US-Raketenabwehrsystems – missglückte. Das Programm ist teuer, gefährdet die strategische Stabilität – und funktioniert nicht. Stephen Schwartz (@SchwartzCNS), Herausgeber der Nonproliferation Review und Mitarbeiter am James Martin Center for Nonproliferation Studies (Monterey), brachte es Freitag in einem Tweet auf den Punkt:...
Rezension zu: Marina Weisband (2013): Wir nennen es Politik. Ideen für eine zeitgemäße Demokratie. Stuttgart: Tropen. ISBN: 978-3-608-50319-7.
Marina Weisband hat ein Buch über die Demokratie im Zeitalter des Internets geschrieben. Es ist ein hoffnungsvoller Entwurf geworden, den manche naiv nennen mögen. Eine solche Perspektive verkennt, wie wichtig es ist, eine gesellschaftliche Debatte zu diesem Thema anzustoßen. Dazu eignet sich dieses Buch vortrefflich – unbedingt lesen und debattieren!
Was beinhaltet die völkerrechtliche Umsetzung eines „Konzepts“ bzw. einer politischen Norm? Die Hintergründe dieser Frage diskutierten Anfang der Woche Sassan Gholiagha und Antje Wiener in einem lesenswerten Beitrag im Verfassungsblog. Ausgangspunkt waren dabei die Formulierungen zur Schutzverantwortung (Responsibility to Protect oder kurz R2P) im Koalitionsvertrag der Großen Koalition. Mit diesem Kommentar verfolge ich zwei Absichten: Ich möchte kurz auf Unklarheiten in Gholiaghas und Wieners Konzeption von Umstrittenheit eingehen. Zudem bleiben die beiden eine Antwort schuldig, welche Foren geeignet sind, um internationale Normen wie die R2P mittels „radikaldemokratischer“ Kontestation breitestmöglich zu legitimieren...
Die Frage, ob und in welcher Hinsicht ADORNO als Vorbereiter eines Paradigmas qualitativer Sozialforschung verstanden werden kann, wird diskutiert anhand zweier Briefe ADORNOs an Paul LAZARSFELD aus dem Jahre 1938, als er in dessen "Radio Research Project" an der Universität Princeton mitzuarbeiten begann. ADORNO musste sich hier erstmals mit empirischer Sozialforschung amerikanischer Prägung ins Verhältnis setzen, wobei er in Ermangelung praktischer Erfahrung auf diesem Gebiet zunächst ganz auf seine Bordmittel als Philosoph und Künstler angewiesen war. In der Korrespondenz mit LAZARSFELD artikulierten sich erstmals Überlegungen, die in ADORNOs Schriften zur Sozialforschung aus der Nachkriegszeit ihre kanonische Gestalt fanden. Die quantifizierenden Verfahren kritisierend, entwickelte er gleichsam naturwüchsig ein Modell qualitativer Forschung, das aber zugleich bestimmten, auch später nicht überwundenen Restriktionen unterlag, die ihren Grund vor allem in Vorbehalten gegenüber methodisch geregelten Vorgehen überhaupt hatten.
Aus dem Opfer-Ghetto will er raus, will keine Sonderrolle, sondern dass Sinti und Roma endlich als normaler Bestandteil unserer Gesellschaft angesehen werden. Der das im Bretterbloginterview sagt, ist Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, von dessen Familie 13 Personen während des Holocausts ermordet wurden. Für mich war es ein sehr bewegendes Gespräch über Geschichte und Gegenwart, Demokratie, Europa, NSU-Mordserie und vieles mehr…
Was wird aus dem Staat und der Souveränität? Dieser Frage geht eine viel versprechende Kasseler Tagung im Januar nach. Das Konferenzthema passt auch hervorragend zu einem der beliebtesten Bretterblog-Beiträge vom Oktober 2012 als ich fragte: Was bleibt von der Souveränität? Ein kurzer Aus- und Rückblick.
Rezension zu: Mark Leonard (2009): Was denkt China? München: dtv Taschenbuch. ISBN 978-3-423-24738-2. Preis: ca. 14,90 Euro.
Was denkt China? Das fragt sich Mark Leonard, Leiter des European Council on Foreign Relations, und besuchte die führenden Denkfabriken Chinas. Herausgekommen ist das vielleicht aufschlussreichste populärwissenschaftliche Buch über das gegenwärtige politische Denken in der Volksrepublik.
Gleichheit und Freiheit
(2013)
Ute Gerhard unterstreicht, dass das Recht auf Gleichheit, die Anerkennung der Menschen als Gleiche, bei aller Anerkennung gleicher Freiheit immer erst der Konkretisierung oder einer Verständigung darüber bedarf, wie viel Gleichheit oder in welcher Hinsicht Gleichheit herzustellen ist. Laut Ulrike Ackermann ist Ungleichheit Ausdruck von sozialer Differenzierung und Bedingung für Vielfalt und damit Innovationskraft für gesellschaftlichen Fortschritt. Für Jasper von Altenbockum besteht die Herausforderung der Freiheit im Widerstreit zwischen Dezentralisierung und Zentralisierung; zwar werde gerne die befreiende Kraft des Kleinteiligen beschworen, doch am Ende siege die Nivellierung der Provinz (Anm. d. Red.).
Über Freiheit und Gleichheit
(2013)
In der Debatte über die internationale Schutzverantwortung, die Libyen-Intervention der NATO und auch über Syrien spiegelt sich die theoretische Debatte über die Existenz einer universellen Moral und einer Verpflichtung zur „Rettung Fremder“ wieder. Um die gesamte Thematik in ihrer Komplexität zu erfassen, muss die moralische Argumentation von Befürwortern und Gegner betrachtet werden, und zwar auch anhand der praktischen politischen Diskurse und nicht nur in den abstrakten Sphären der politischen Theorie. Auch muss anerkannt werden, dass Menschenrechtsschutz immer Einmischung bedeutet, allerdings nicht zwingend militärischer Art.
Vielfach ist argumentiert worden, China sei einer der Hauptprofiteure von den Enthüllungen des ehemaligen amerikanischen Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden. Amerikas früherer Vizepräsident Dick Cheney sieht in ihm gar einen Spion der Volksrepublik China. Peking wies das sofort zurück. Ein Blick auf die chinesische Diskussion um Edward Snowden zeigt: Nicht nur Cheneys Vermutung schießt deutlich über das Ziel hinaus. Denn die chinesische Führung beobachtet die Entwicklung gleichsam aufmerksam und nervös. Sie fürchtet um ihre eigene Legitimität...
Teil IX unserer aktuellen Artikelserie zum Syrienkonflikt.
Am 21. August ereignete sich in der Nähe vonDamaskus der schwerste Angriff mit chemischenWaffen seit 25 Jahren – dies bestätigte eininternationales Expertenteam nun offiziell in einem Bericht an den UN-Generalsekretär. Kurz zuvor hatte Syrien seinen Beitritt zum Chemiewaffen-Übereinkommen (CWÜ) erklärt, das Herstellung, Besitz und Einsatzchemischer Kampfstoffe verbietet und ihre Abrüstung vorschreibt. DieVorhersage eines syrischen Beitritts hätte noch vor kurzem bei den meistenExperten ein müdes Abwinken oder Kopfschütteln hervorgerufen, galt Syriendoch als einer der hard cases für das Abkommen, dessen 190. Mitglied es am14. Oktober nun aber wird. Die internationale Gemeinschaft steht jetzt vorder Aufgabe, eines der weltweit größten Chemiewaffenarsenale abzurüstenund gleichzeitig den erfolgten Einsatz chemischer Waffen zu ahnden – unddas alles vor dem Hintergrund eines brutalen Bürgerkriegs, in dem keinEnde der Gewalt in Sicht ist.
Resolution ohne Schutzwirkung: Warum die Zerstörung der syrischen Chemiewaffen nicht ausreicht
(2013)
Als 190. Mitglied ist Syrien am 14. Oktober 2013 der Chemiewaffenkonvention beigetreten. Die Zerstörungder syrischen Chemiewaffen durch die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) wäre historisch. Von der UN-Resolution 2188 des 27.Septembers 2013 lässt sich das nicht behaupten. Die UN-Resolution und der Beitritt Syriens zur OPCW werden weder den Bürgerkrieg entscheidend beeinflussen, noch die Sterberate merkbar senken. Denn wie Kenneth Roth, Direktor der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, in seiner Reaktion aufdie Verleihung des Friedensnobelpreises treffenderweise bei Twitter deutlich machte, sterben 98% der Syrer nicht durch chemische, sondern durchkonventionelle Waffen.
Wissenschaftliches Bloggen ist, gerade in Deutschland, nicht immer einfach. Mal fehlt es an “Grundoffenheit” gegenüber offenen Formaten, dann wiederum ist “populärwissenschaftliches Bloggen” nicht gut angesehen. Maximilian Steinbeis hingegen hat als Rechtswissenschaftler und Journalist ein Blog auf die Beine gestellt, das die wissenschaftliche Bloglandschaft Deutschlands bereichert und andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf das Format Blog aufmerksam macht. Sein Verfassungsblog, den Steinbeis in Kooperation mit dem Forschungsverbund zur Rechtskultur “Recht im Kontext” betreibt, wird nun sogar zum kommunikativen Versuchslabor des Forschungsprojekts „Verfassungsblog:Perspektiven der Wissenschaftskommunikation in der Rechtswissenschaft“. Grund genug, uns mit ihm über all diese Fragen zu unterhalten.
Hilfreiche Drohung
(2013)
Teil VIII unserer aktuellen Artikelserie zum Syrienkonflikt.
Die Debatte über Militärschläge hat die furchtbareLage der Bevölkerung in Syrien in den Hintergrundgedrängt. Falsch ist die Analogie zum Irak-Krieg.Damals war Präsident Bush entschlossen, Saddam Hussein mit Gewalt zustürzen, die Weltöffentlichkeit wurde mit angeblichenMassenvernichtungswaffen irregeführt. Dieses Mal ist es genau umgekehrt.Präsident Obama ist damit beschäftigt, zwei Kriege zu beenden, seineAversionen gegen Militärinterventionen sind bekannt. DerChemiewaffeneinsatz setzte ihn unter Zugzwang.