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Sibylle Schmidt untersucht die Sozialität einer Wissenspraxis, in der der Zeuge deshalb zur zentralen Figur wird, weil wir nicht alles selbst erfahren können. Nach Schmidt ist die interpersonale Struktur der Zeugenschaft und die intentionale Dimension des Bezeugens "das Spezifikum und zugleich die Crux des Zeugnisses", und in diesem Sinne ist von einer epistemischen Kooperation zwischen Zeuge und Zuhörer zu sprechen. Die interpersonale Struktur der Zeugenschaft unterscheidet das Zeugnis von der Spur oder dem Indiz. Nach Ricœur liegt die Valenz des Zeugnisses im Echo, das es findet - von hier ist es nicht weit zu der Überlegung, dass bei gelingender Zeugenschaft immer Aspekte der Überzeugung eine Rolle spielen müssen. Es reicht nicht, dass der Rezipient das Zeugnis hört und versteht, er muss von der Aufrichtigkeit des Zeugen und der Wahrheit der Aussage überzeugt sein: Ein Zeugnis "ist nie vollständig ohne die Akkreditierung und den Glauben der Rezipienten". Darüber hinaus wirft diese Dimension die grundlegende Frage auf, inwiefern die ethischen Gründe, die mit dem Vertrauen in den Zeugen und wiederum dessen Selbstverpflichtung seinem Adressaten gegenüber "auch als Prinzipien von Erkenntnis und Wissenschaft relevant werden können".
Henning Theißen entwirft das Modell einer religiösen Zeugenschaft, die eine Alternative darstellen soll zu den vorherrschenden Kategorien: der Mission als persuasivem Zeugnis und dem Martyrium als einem Zeugnis der existentiellen Involviertheit. Er diskutiert dies zunächst vor der Folie juridischer und epistemischer Zeugenschaft. So thematisiert er die Vereidigung des Zeugen vor Gericht als eine Metastruktur, als Zeugnis für die Glaubwürdigkeit des Zeugen, das die Aussage überzeugend machen soll. Theißen verwendet hier den aus dem Neuen Testament (Hebr. 12:2) stammenden Begriff der "Wolke von Zeugen", in die der beeidigende Zeuge eintritt und in der wiederum Gott zum Zeugen angerufen wird. Wir finden hier eine ähnliche Struktur wie beim Zeugenschaftshelfer und bei den Überzeugungsfiguren. Glaubwürdigkeit muss selbst in irgendeiner Weise bezeugt sein. Das bedeutet, dass Szenarien und Konstellationen von Zeugenschaft notwendigerweise immer eine komplexe Struktur haben; beim religiösen Bekenntniszeugen, der in eine "Wolke von Zeugen" eintritt, ist dies durch Zeugenketten gewährleistet. Schließlich entwickelt Theißen das Modell einer 'angenommenen' (adoptierten) Gewissheit, der er eine unmittelbar gezeugte Gewissheit gegenüberstellt: Gewissheit entsteht durch einen Vertrauensvorschuss; das Zeugnis muss sich in einem dynamischen Prozess in der Folge (zum Beispiel im Abgleich mit anderen Zeugnissen) bewähren.