Blätter der Rilke-Gesellschaft - 30.2010
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Kleine Planeten oder Planetoiden, zu denen auch der Planetoid "Rilke" gehört, sind Überreste aus der Zeit der Entstehung unseres Sonnensystems. In den Bereichen, in denen sich die Mehrzahl der kleinen Planeten auch jetzt noch befindet (dem Planetoidengürtel), sind sie auch entstanden - vor etwa fünf Milliarden Jahren. In diesen Bereichen unseres Sonnensystems hatte die Menge des für die Bildung fester Körper verfügbaren Materials nicht einen einzigen großen Körper, sondern eine Vielzahl kleiner Körper gebildet.
In einer oft zitierten Aussage aus dem Jahr 1924 hat Rilke erklärt, daß unter allen seinen Inspiratoren Cézanne der Wichtigste war, und er diesem "stärkste[n] Vorbild" "seit 1906" "auf allen Spuren nachging." In seinem Vortrag versucht Peter Por, diese Aussage so zu deuten, wie Rilke sie gelten lassen wollte, also im Bezug auf das ganze Lebenswerk; und Por versucht gerade die Wendung darzulegen, die Rilke von der Poetik, die er in seiner Auseinandersetzung mit Cézannes Raumschöpfung und besonders mit Cézannes Perspektivenbehandlung erarbeitet hatte, zu jener Poetik führte, die er sich aufgrund seiner Auseinandersetzung mit Klees Raumschöpfung und besonders mit dessen Perspektivenbehandlung angeeignet hatte.
Ausgehend von den Karussell-Gedichten Lessings und Rilkes sowie vor dem Hintergrund des Lessing'schen Laokoon und brieflicher Äußerungen Rilkes sollten einige Übereinstimmungen und Abgrenzungen ihrer ästhetischen Positionen sichtbar werden - man kann die angedeuteten Koinzidenzen für überraschend halten oder für längst bekannt: manchmal gleichen die Versuche, Relationen zwischen zwei Künstlern auszuloten, dem zufälligen Gespräch im Eisenbahnabteil: man muß nur lange genug miteinander sprechen, dann trifft man auf gemeinsame Bekannte. Und doch scheint etwas mehr im Spiel zu sein: Paradox formuliert, zeigt sich die Gemeinsamkeit zwischen Lessing und Rilke, diesen so weit auseinander liegenden Gestalten, eben darin, daß sie voneinander nichts wußten. Daß beide die ästhetische Erfahrung, auf die es hier ankommt, unabhängig voneinander, und aus unterschiedlichsten Zeit- und Lebenszusammenhängen machen, spricht für ein 'fundamentum in re' dieser Erfahrung, einer entscheidenden und unbedingten Erfahrung aus der Arbeit in der Sprache.
Es ist erstaunlich, daß die umfangreiche und hoch entwickelte Literatur zu Rainer Maria Rilke bislang noch kaum die Beziehung zwischen der auf die 'Dinge' bezogenen Lyrik seiner mittleren Phase und der anglo-amerikanischen Bewegung des Imagismus in den Blick genommenen hat, obwohl Affinitäten zwischen dem "image" des Imagismus und dem "Ding" Rilkes auf der Hand liegen. Ein Grund dafür ist sicher, daß es keine nachweisbaren Beziehungen zwischen den Imagisten und Rilke gibt. Englische und amerikanische Lyriker wie T. E. Hulme, Richard Aldington, Ezra Pound und William Carlos Williams wußten nichts von der Existenz des deutschen Lyrikers Rilke und Rilke seinerseits war die Lyrik der englischen und amerikanischen Imagisten unbekannt. Es ist aber dennoch für eine angemessene Würdigung Rilkes im Kontext des Modernismus unabdingbar, seine "Neuen Gedichte" vergleichend mit avantgardistischen zeitgenössischen Gedichten des englischen Sprachraums zu betrachten. Dabei sind verwandte Kunstprinzipien und kompositorische Eigenheiten zu eruieren, die es erlauben, die in Rede stehende Lyrik dem Frühmodernismus zuzuordnen. [...] Wolfgang G. Müller stellt in seinen Darlegungen zunächst die Begriffe "image" und "Ding" einander gegenüberstellen und an einigen Texten veranschaulichen. Danach kommt er auf das Phänomen der Epiphanie zu sprechen, das in der imagistischen Lyrik und in Rilkes "Neuen Gedichten" gleichermaßen gegenwärtig ist. Schließlich behandelt er Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Verwendung der Ikonizität bei den Imagisten und Rilke.
In der Forschung zu Rilkes posthum erschienenen Briefen über Cézanne wird einhellig die Pionierleistung des Dichters in der tiefen Durchdringung von Cézannes Werk und dem Erkennen der epochalen Bedeutung hervorgehoben. Die kunsthistorische Forschung gelangte dagegen erst Jahrzehnte später auf denselben Stand. Katharina Kippenberg meinte gar, die Kunsthistoriker müßten sich beschämt vor der Lektüre der Briefe zurückziehen. Aber trifft diese für die Fachwissenschaft wenig schmeichelhafte Einschätzung wirklich zu? Hat Rilke allein aus sich heraus und im intensiven Austausch mit den Werken Cézannes und der Beschäftigung mit dem Leben des "Sonderlings aus Aix" seine Erkenntnisse gewonnen? Die folgenden Ausführungen versuchen einmal den Blickwinkel zu wechseln und von der Kunstgeschichte auf den Dichter zu schauen. Die Sichtung der kunsthistorischen Forschung zu Rilkes Zeit soll die Besonderheit der Seh-Erfahrungen des Dichters herausarbeiten. Die Betrachtung der darauf folgenden kunstwissenschaftlichen Literatur kann darüber hinaus aufzeigen, inwieweit Rilkes Äußerungen über Cézanne tatsächlich wegweisend waren.
Wahrnehmen wahrnehmen, das Sehen sehen - solche Wendungen gehören mittlerweile zum Jargon des (radikalen) Konstruktivismus und der Systemtheorie ebenso wie zum universitätsgeschulten Kunstjournalismus und klingen so vertraut, als ob sie immer schon dagewesen wären. Dabei haben diese Konzepte ihre Geschichte, die um 1900 beginnt. Mit dem Dreieck, das der Biologe Jakob von Uexküll, der Mathematiker und Phänomenologe Edmund Husserl und Rainer Maria Rilke bilden, ist zu zeigen, daß es mehrere Disziplinen waren, die sich um das Problem der Wahrnehmung gekümmert haben - alle drei sind noch obendrein geschult am erkenntniskritischen Werk Kants, das sie mehr oder weniger gründlich kennen und das immer wieder anklingt. Im Zentrum steht dabei die Frage der Wahrnehmung von Welt und der Ausbildung eines symbolischen Zwischenraums, der Kunst sein kann - und den man im Projekt des "neuen Sehens" von unterschiedlicher Seite aus konstituieren möchte. Die 'Neuen Gedichte' erscheinen dann in einem Commercium vielfältiger Wissensgebiete, die Rilke auch sucht, um der Skepsis gegenüber dem eigenen Ausdruckmedium zu begegnen. Aus diesen Kontexten heraus sollen nicht nur Begriffe des "sachlichen Sagens" und "neuen Sehens", sondern einige Charakteristika dieser selbstbezüglichen, antimimetischen Wortgebilde kommentiert werden, die trotz aller Selbstreferenz der Eigenwelt durchaus auf eine Umwelt gerichtet sind und an einer Zwischenwelt zur Wirklichkeit arbeiten.
Die "Neuen Gedichte" von 1907 und "Der Neuen Gedichte anderer Teil" von 1908 bilden einen Einschnitt in Rilkes Lebenswerk. Auf der einen Seite stehen die großen Arbeiten der früheren Jahre: "Das Stundenbuch" (1899-1903) und "Das Buch der Bilder" (1902-1906), auf der anderen aber weht ein neuer Wind: härter vielleicht, ein wenig schärfer, jedenfalls aber ein Wind, der von der Vergangenheit in die Zukunft weht. Am Ende, vierzehn Jahre später, stehen die vollendeten "Duineser Elegien" und die "Sonette an Orpheus" und mit ihnen ein anderer Geist. Doch die "Neuen Gedichte" bildeten schon lange vorher einen Unterbau für das Gebäude mit einer neuen Architektur der dichterischen Sprache. [...] Die sich nun entwickelnde Weltanschauung in Rilkes Werk, die zu dieser Zeit Gestalt annahm, kann unter anderem durch seine neue Auffassung der bildenden Künste erklärt werden.
In den "Neuen Gedichten" tritt bekanntlich das Subjektive zurück. So hatte sich Rilke bereits in dem 1899 erschienenen Gedichtband "Mir zur Feier" von der Erlebnislyrik abgewandt. An deren Stelle waren Rollengedichte oder auch evokative Landschaften getreten. Im "Stunden-Buch" setzen sich die Rollengedichte fort. Ähnlich im 1902 erschienenen "Buch der Bilder". In vielem bereitet sich in diesem Werk aber auch schon die Poetik der "Neuen Gedichte" vor: Das einzelne "Ding" - oder besser: ein scharf abgegrenzter Gegenstand, ein Thema - gerät in den Blickpunkt. Dabei wird nun auch das Häßliche, Abstoßende, Widerwärtige nicht länger ausgespart. Rilke beginnt, wie er sagt, "sehen zu lernen". Dabei handelt es sich um ein Geöffnetsein, das an Selbstverlust grenzt, jedoch gerade dadurch die kreativen inneren Kräfte weckt und aktiviert - ein "von sich Fortsehen", wie Rilke es 1900 schon nennt. Die dergestalt am Sehen orientierte Poetik zeigt sich, wie gesagt, bereits in manchen Gedichten des "Buchs der Bilder", vor allem in der zweiten Ausgabe von 1906. Für die "Neuen Gedichte", die zwischen 1903 und 1908 entstehen, wird sie dann konstitutiv.
Kein Thema, so scheint es, ist bei einem Rilke-Kolloquium in Paris besser angebracht als das der Beziehung Bonnefoys zu Rilke. Yves Bonnefoy, Jahrgang 1923, der bereits 1953 mit dem Gedichtband "Du mouvement et de l'immobilité de Douve" auftrat, ist die heute bedeutendste Dichterfigur Frankreichs. Sein Werk ist weit über die Nationalgrenzen hinaus gedrungen. Im Besonderen genießt es einen hohen Ruf in Deutschland, wo es in großem Umfang übersetzt wurde. Es besteht nicht nur aus Gedichten, sondern auch aus zahlreichen Essay-Bänden zur Kunst- und Literaturkritik, Monographien zu Giacometti oder Goya und einer nicht geringen Zahl an Übersetzungen. Damit steht er an Rang und Breite Rilke zur Seite. Befaßt man sich nun mit seiner Lyrik und Dichtung, so wird man vieler Parallelen mit Rilke gewahr. Um nur einige davon zu nennen: Bei beiden nimmt das "Offene", das "Einfache", gar der Tod einen zentralen Stellenwert ein, beide Lyriker lehnen die Erlöserfigur des christlichen Gottes ab, messen dem Unsichtbaren hohen Wert bei und bekennen sich entschieden zum Hiesigen. Beinahe neigt man zu der Annahme, daß die Frage der Beziehung von Yves Bonnefoy zu Rilke sich aus seinen Gedichten und seinem Werk geradezu aufdrängt.
Personne, à ma connaissance, ne s'est encore intéressé aux rapports que Rainer Maria Rilke a entretenus avec la revue 'Commerce' qui, à la fin de 1924, fut la première à publier quelquesuns de ses poèmes français. Les nombreuses études consacrées à cet auteur ne s'étendent pas sur cette question et par conséquent, les données qui figurent dans les lettres et les notes des textes édités n’ont pas encore été présentées dans un ensemble cohérent. Dans cet article, je me propose de mettre en lumière les rapports entre Rilke et 'Commerce' en me basant sur seize lettres inédites de Rilke à Marguerite Caetani, la mécène de la revue, conservées dans des archives privées, à Rome. Ceci me permettra d'ajouter quelques éléments à l'image existante de la vie et de l'oeuvre de Rilke à Paris, qui, quoique minutieusement documentée, ne cesse de s'affiner. Pour cela, il faut d'abord que je réponde à la question de savoir quelle est la stratégie suivie par 'Commerce' dans ses rapports avec les auteurs et leurs contributions.