830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
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Ursula Renner rezensiert Waltraud Wiethölters Tübinger Habilitationsschrift "Hofmannsthal oder Die Geometrie des Subjekts", in der ein Zugang zu Hofmannsthals Erzählprosa erprobt wird, der über die Grenzen der abgeschlossenen Texte hinausgreift und sie als ein chronologisch sich entwickelndes Textkontinuum versteht. Neben den Erzählungen werden die essayistische Prosa und die Notizen aus dem Nachlaß einbezogen, welche in ihrem Umfang - und auch ihrer Bedeutung - erst nach und nach durch die Bände der kritischen Ausgabe ans Licht kommen. Die Verfasserin macht einen Zusammenhang sichtbar, der von dem frühen autobiographischen Fragment "Age of Innocence" und dem "Märchen der 672. Nacht" und den vieldiskutierten "Brief" des Lord Chandos, das Kunstmärchen "Frau ohne Schatten" bis hin zum "Andreas"-Fragment reicht, an dem Hofmannsthal seit 1907 bis zu seinen letzten Lebensjahren "laborierte". Die Anlayse dieses Romanentwurfs beansprucht den größten Raum - mehr als 100 Seiten - in Wiethölters Untersuchung.
Hans-Georg Soldat rezensiert für die Eßlinger Zeitung die 1997 in der wissenschaftlichen Reihe des "Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der Ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik" erschiene Studie "Sicherungsbereich Literatur. Schriftsteller und Staatssicherheit in der Deutschen Demokratischen Republik" von Joachim Walther. In drei großen Kapiteln - "Der Auftrag", "Der Apparat", die "Methoden" - legt Joachim Walther das Beziehunggeflecht von Stasi und Literaturszene offen. Vier Jahre hat der Schriftsteller dafür in der Berliner Gauck-Behörde die Ablagen der Stasi durchforscht, hat die Akten der Täter, der "Inoffiziellen Mitarbeiter" (IM) und ihrer Führungsoffiziere geschichtet und (sofern es ihm die Betroffenen erlaubten), auch Einsicht genommen in prominente Opferakten: "Operative Personenkontrollen" (OPK) oder "Operative Vorgänge" (OV). Welch eine tief deprimierende Lektüre. Natürlich wird die Literaturgeschichte der DDR nicht neu geschrieben werden müssen, aber kräftige Korrekturen an den Interpretationen sind wohl nötig. In kühler uns manchmal schon unerträglicher Sachlichkeit referiert das Buch Tatsachen, die zu wissen wichtig sind, um diktatorische Mechanismen zu verstehen.
Hans-Georg Soldat rezensiert für DIE ZEIT die 1995 im Aufbau-Verlag Berlin erschiene und von Angela Drescher herausgegebene Briefsammlung zwischen Christa Wolf und Franz Fühmann: "Monsieur - wir finden uns wieder. Briefe 1968 - 1984". Man kann sich darüber streiten, ob es in diesem Briefwechsel mehr um persönliche Stimmungen und literarische Entwicklungen geht oder nicht doch eher um das Zickzack der SED-Kulturpolitik - also das, was stereotyp zu den "Mühen der Ebenen" verniedlicht wurde, die Brecht in seinem 1949 verfaßten Epigramm "Wahrnehmung" beschworen hatte. Auf jeden Fall versammelt das Buch des Aufbau-Verlages 83 Dokumente zu den Schwierigkeiten, Literatur in der DDR zu schreiben, einschließlich der Anlagen, die Christa Wolf oder Franz Fühmann den einzelnen Briefen beilegten. Natürlich enthält der Band einen Anmerkungsapparat; weiter Lebensdaten der beiden Autoren; die Trauerrede Christa Wolfs beim Begräbnis des Schriftstellerkollegen; ihre Festansprache anläßlich der Namensgebung der Franz-Fühmann-Schlule in Jeserig und ein kurzes Nachwort von ihr; zuletzt steht eine editorische Notiz der Herausgeberin Angela Drescher. Gut ein Drittel des Bandes beanspruchen also sekundäre Texte - ein wohl notwendiges Zugeständnis an die Historizität der reflektierten Ereignisse, der damaligen Überlegungen und handelnden Personen.
Hans-Georg Soldat rezensiert für die Berliner Zeitung die 1996 im Fischer-Verlag erschiene Autobiographie "Vierzig Jahre. Ein Lebensbericht" von Günter de Bruyn. Tatsächlich ist dieser zweite Band seiner Autobiographie viel stärker als der erste ein offener Selbstverständigungsversuch de Bruyns. Der Autor bemüht sich, zum einen, seine Integration in der Gesellschaft der DDR zu verstehen, mehr noch allerdings, zum anderen, seine Stellung innerhalb des Staates DDR zu begreifen. Während er mit ersterem nur bedingt Schwierigkeiten hat, schlägt er sich mit dem zweiten Punkt weidlich herum - wobei allerdings nicht ganz klar wird, ob er zwischen diesen beiden Aspekten selbst genau trennt. Nur mittelbar wird die Unterscheidung deutlich: An seiner liebevollen Beschreibung der Menschen in seinem Umkreis und an der eher harschen Beurteilung parteipolitisch-staatlicher Willkür, die sich naturgemäß bei ihm zuallererst an der Kulturpolitik der Hager, Höpcke oder Kant festmacht.
Hans-Georg Soldat rezensiert für die Eßlinger Zeitung die 1997 im Carl Hanser Verlag erschiene Autobiographie "Erwachsenenspiele" von Günter Kunert. Das Buch ist übervoll von skurrilen Erlebnissen, Begegnungen, Gesprächen mit Prominenten und weniger Prominenten. Kunerts Reisen in Ost und West sind Fundgruben staunenswerter Geschehnisse, selbst seine Übersiedlung 1979 nach Westdeutschland ist bei der Schilderung der bürokratischen Abläufe, des Verhaltens der offiziellen Stellen eine Satire in sich. Günter Kunerts gelassene, humorvolle Erzählweise entlarvt das eigentliche Böse, nämlich die unglaubliche Mittelmäßigkeit der Funktionäre und Schreibtischtäter - Hermann Kant wird einmal so apostrophiert - fast wie von selbst. Ähnlich wie im Pointillismus entsteht aus Einzelbeobachtungen das klare Bild einer DDR, die sich auf nichts so gut verstand, wie ihre anfangs gutgläubigen Verteidiger immer neu zu enttäuschen und schließlich in die Opposition zu treiben. »So ein "Vaterland" wie die DDR kriege ich zum herabgesetzten Preis im nächsten Spermarkt«, schreibt Günter Kunert grimmig gegen Ende des Buches, wenn er die Bemühungen von Klaus Höpcke, des DDR-"Literaturministers", schildert, ihn mit einem Apell ans Vaterlandsbewußtsein im Lande zu halten.