TY - JOUR A1 - Wohlfarth, Irving T1 - Christa Wolf oder Die Arbeit des blinden Flecks T2 - Weimarer Beiträge : Zeitschrift für Literaturwissenschaft, Ästhetik und Kulturwissenschaften N2 - Ein blinder Fleck mag eine vereinzelte Fehlerquelle sein: ein weißer Fleck auf einer sonst gut kartographierten Fläche. Der blinde Fleck, mit dem es Christa Wolf zu tun hat, ist eher Teil und Makel der menschlichen Konstitution. Zu nahe(liegend), um in unseren Blickkreis treten zu können, gehört er der Anatomie unseres Wissens und Unwissens an; und was es mit diesem 'unser' und 'Un'- auf sich hat, liegt ebenfalls im Dunkeln. Wüssten wir, was und wo er ist, wäre er - wären wir - nicht mehr blind. Nicht, dass er uns ganz so unzugänglich ist wie Kants Ding an sich; er ist vielmehr 'an und für uns' da. Dank vor allem der breiten Rezeption der Psychoanalyse ist er uns, zumindest als Redensart, geläufig. Inwieweit er sich aufklären lässt, steht auf einem anderen Blatt. Dessen Erforschung stellt eine unabschließbare Aufgabe im Sinne von Freuds "unendlicher Analyse" dar. Als literarische Erbin deutsch-protestantischer Seelenprüfung ist Christa Wolf dieser 'Berufspflicht' beharrlich nachgegangen. Oder besser: sie wurde von ihr umgetrieben. Denn ihre Arbeit am blinden Fleck ist immer zugleich die daes blinden Flecks gewesen. Daher die böse Erfahrung, die sie eines Tages mit ihm machen sollte. Trotz einer jahrzehntelang geübten Gewissensforschung, die den Verhören der Stasi in nichts nachstand, stieß sie in deren Archiven eines Tages auf einen eigenen blinden Fleck. Und zwar einen, den sie am allerwenigsten an sich dulden konnte. Für solche Begegnungen hat Freud die Begriffe des "Unheimlichen" und der "Nachträglichkeit" geprägt. Es geht dabei immer um die "Arbeit" des Unbewussten. KW - Wolf, Christa KW - Vergangenheitsbewältigung KW - Wolf, Christa: Nachdenken über den blinden Fleck KW - Erinnerungsarbeit Y1 - 2020 UR - http://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/frontdoor/index/index/docId/49574 UR - https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hebis:30:3-495743 UR - http://www.passagen.at/cms/index.php?id=350 SN - 978-3-7092-0296-8 SN - 0043-2199 SN - 2510-7291 VL - 63 IS - 4 SP - 562 EP - 593 PB - Passagen Verlag CY - Wien ER -