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"A fallen man" : leidenschaftlicher Geschlechtertwist in Camille

  • 1996 gab es auf dem jährlich in Bologna stattfindenden Festival 'Il Cinema Ritrovato' eine Retrospektive zu Rudolph Valentino. In meinen Aufzeichnungen finde ich den Eindruck von Valentino in 'Camille' notiert. Ich erinnere mich, wie ich hingerissen, ergriffen war von einer Geste des Sich-fallen-Lassens vor der Geliebten, an der Geliebten. Eine Geste, von der ich versuchsweise sagen könnte, dass sich in ihr absolute Verehrung und vollständige physische Hingabe mischen. Doch ist jede Deutung unzureichend, denn die Geste ergreift mich schließlich ganz physisch, wird in der Ergriffenheit unbegreiflich. Ich suchte das damals notierte Phänomen auf einer kümmerlichen DVD-Reproduktion des Films wieder auf. Es ist der Moment, da sich der Held des Films, Armand/Valentino, aus seiner Befangenheit in noch unerwiderter Liebe auf einmal löst - jedoch eben nicht, um zu handeln, vielmehr um sich erschütternd in seiner Ohnmacht zu offenbaren. Wenn er Marguerites/Nazimovas Knie unter dem kostbaren Stoff des Kleides umfasst, den Kopf an diesen Schleier über der Haut lehnt oder schmiegt, dann hat er in der Bewegung zuvor schon auf unerhörte Weise unbedingtes erotisches Verlangen mitgeteilt. Derart ist dieser Körper, diese männliche Person, die wir sehen, dem Begehren ausgeliefert, dass jeder Akt unmöglich wird. Wohin sollte er sich auch richten? Nach außen, auf die Frau, oder auf dies Ungeheure im Innern? Was bleibt, ist das Sich-fallen-Lassen in die Passivität, in ein Niedergleiten an der Oberfläche von Marguerite, das zugleich ein Hineingleiten in das eigene Innerste ist. 'A fallen man' - der Film verweilt bei dem hingegebenen Valentino. Das löst eine Fülle von Assoziationen aus: Ein Geschlechterwechsel scheint auf - nicht die Frau, der Mann gibt sich hin, wird ein Gefallener, prostituiert sich als Schauspieler (etwas, was Fans wie Kritiker an Valentino bemerkt haben) -, ebenso erscheint eine Empathie des Mannes mit der Prostituierten. Im Kino, anders als in Alexandre Dumas' Roman, teilt sich die Anteilnahme nicht durch viele Worte mit, sondern durch Mimesis.

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Metadaten
Verfasserangaben:Heide SchlüpmannGND
URN:urn:nbn:de:hebis:30:3-426426
ISBN:978-3-7705-5006-7
Titel des übergeordneten Werkes (Deutsch):Passionen : Objekte – Schauplätze – Denkstile / Corina Caduff ; Anne-Kathrin Reulecke ; Ulrike Vedder (Hrsg.)
Verlag:Wilhelm Fink
Verlagsort:München
Herausgeber*in:Corina Caduff, Anne-Kathrin Reulecke, Ulrike Vedder
Dokumentart:Teil eines Buches (Kapitel)
Sprache:Deutsch
Datum der Veröffentlichung (online):18.01.2017
Jahr der Erstveröffentlichung:2010
Veröffentlichende Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Datum der Freischaltung:19.01.2017
Freies Schlagwort / Tag:Camille <Film, 1921>
GND-Schlagwort:Verfilmung; Leidenschaft; Geschlechterrolle <Motiv>; La dame aux camélias; Rezeption
Seitenzahl:13
Erste Seite:235
Letzte Seite:243
HeBIS-PPN:399332294
Institute:Neuere Philologien / Neuere Philologien
DDC-Klassifikation:7 Künste und Unterhaltung / 79 Sport, Spiele, Unterhaltung / 791 Öffentliche Darbietungen, Film, Rundfunk
Sammlungen:CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft / Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung, Berlin
Lizenz (Deutsch):License LogoDeutsches Urheberrecht