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Diagramme im Handumdrehen - der Gebrauch von Gesten beim Mathematiklernen

  • Ausgangspunkt der Forschungsarbeit ist der Gebrauch von Gesten in mathematischen Interaktionen von Lernenden. Es wird untersucht, inwiefern Gesten Teil des mathematischen Aushandlungsprozesses sind. Damit ist die Rekonstruktion einer potentiell fachlichen Bedeutung des Gestengebrauchs beim Mathematiklernen das zentrale Forschungsanliegen. Theoretisch gerahmt wird die Arbeit von Erkenntnissen aus der psychologisch-linguistischen Gestenforschung zur systematischen Beschreibung von Gestik im Zusammenspiel mit der gleichzeitig geäußerten Lautsprache (McNeill, 1992; Kendon, 2004). Es werden ebenso ausgewählte Forschungen zur Gestik beim Mathematiklernen beleuchtet (Arzarello, 2006; Wille, 2020; Kiesow, 2016). Die mathematikdidaktische Interaktionstheorie begründet den sozial-konstruktivistischen Lernbegriff (Krummheuer, 1992). Ausgewählte Aspekte der Semiotik nach C. S. Peirce bieten eine theoretische Fundierung des Zeichenbegriffs und des Kerns mathematischen Agierens, verstanden als diagrammatisches Arbeiten (Peirce, 1931, CP 1.54 u. 1932, CP 2.228). Von besonderer Bedeutung für die vorliegende Forschungsarbeit ist der linguistische Ansatz der Code-Integration und -Manifestation von redebegleitenden Gesten im Sprachsystem nach Fricke (2007, 2012) in Verbindung mit dem Peirce’schen Diagrammbegriff. Diese Perspektive ermöglicht eine theoretische Fundierung der zunächst empirisch beobachtbaren Multimodalität der Ausdrucksweisen von Lernenden beim gemeinsamen Mathematiktreiben. Der Peirce’sche Diagrammbegriff dient hierbei zur Rekonstruktion einer systemischen Relevanz von Gesten für das Betreiben von Mathematik: Bestimmte Gesten sind semiotisch als mathematische Zeichen beschreibbar und haben potentiell konstituierende Funktion für das diagrammatische Arbeiten der Lernenden. Der übergeordnete Forschungsfokus lautet: Wie nutzen Grundschüler*innen Gestik und Lautsprache, insbesondere in deren Zusammenspiel, um ihre mathematischen Ideen in den interaktiven Aushandlungsprozess einzubringen und über den Verlauf der Interaktion aufzugreifen, möglicherweise weiterzuentwickeln oder auch zu verwerfen? In der Ausdifferenzierung wird die Funktion der verwendeten Gesten und die Rekonstruktion von potentiell gemeinsam gebrauchten Gesten der Interagierenden in den Blick genommen. Methodisch lässt sich die Forschungsarbeit der qualitativen Sozialforschung (Bohnsack, 2008) bzw. der interpretativen mathematikdidaktischen Unterrichtsforschung zuordnen (Krummheuer & Naujok, 1999). Es werden Beispiele aus mathematischen Interaktionssituationen ausgewertet, in denen sich Paare von Zweitklässler*innen mit einem mathematischen Problem aus der Kombinatorik und der Geometrie beschäftigen. Eine eigens theoriekonform entwickelte Transkriptpartitur dient zur Aufarbeitung der Videodaten. Mit der textbasierten Interaktionsanalyse (Krummheuer, 1992) und der grafisch angelegten Semiotischen Analyse (Schreiber, 2010) in einer Weiterentwicklung der Semiotischen Prozess-Karten (Huth, 2014) werden zwei hierarchisch aufeinander aufbauende Analyseverfahren verwendet. Zentrale Forschungsergebnisse sind 1) die funktionale und gestalterische Flexibilität des Gestengebrauchs beim diagrammatischen Arbeiten der Lernenden, 2) die Rekonstruktion von Modusschnittstellen der Gesten mit anderen Ausdrucksmodi in Funktion, interaktionaler Bedeutungszuschreibung und Chronologie, und 3) die häufige Verwendung der Gesten als Modus der Wahl der Lernenden in mathematischen Interaktionen. Gesten weisen eine unmittelbare und voraussetzungslose Verfügbarkeit auf, eine funktionale und gestalterische Flexibilität in der mathematischen Auseinandersetzung und die Möglichkeit, Funktionen anderer Modi (vorübergehen) zu übernehmen. Es zeigt sich eine konstitutive und fachliche Bedeutung der Gestik für das mathematisch-diagrammatische Agieren der Lernenden. In der Arbeit wird daraus schließlich das doppelte Kontinuum der Gesten für das Mathematiklernen entwickelt. Es zeigt in der Dimension der Funktion des Gestengebrauchs und der Dimension des Objektbezugs der Gestengestalt die Vielfältigkeit der Gestenfunktionen im gemeinsamen diagrammatischen Arbeiten der Lernenden und gibt Einblick in die verwendeten Gestengestalten. Die Forschungsarbeit offenbart den Bedarf einer Beachtung von Gesten in der fachdidaktischen Planung und Gestaltung von Mathematikunterricht und in der Erforschung und Diagnostik der mathematischen Entwicklung von Lernenden. Es handelt sich bei Gesten in mathematischen Interaktionen nicht um ein reines Beiwerk der Äußerung, sondern um einen fachlich bedeutsamen Modus in Bezug auf das Mathematiklernen. Der Gebrauch von Gestik ermöglicht die Erzeugung von Diagrammen im Handumdrehen und eröffnet perspektivisch eine Erforschung ihrer Bedeutung für mathematische Lehr-Lern-Prozesse. Die in dieser Zusammenfassung angegebene Literatur findet sich im Literaturverzeichnis der vorgelegten Forschungsarbeit.
  • In the research project, the use of gestures in mathematical interactions of learners is considered. It is investigated to what extent gestures are part of the mathematical negotiation process. Thus, the reconstruction of a potentially subject specific meaning of gestures used in mathematics learning is the central research concern. Theoretically, the dissertation is framed by findings from psychological-linguistic gesture research on the systematic description of gestures in interaction with simultaneously uttered speech (McNeill, 1992; Kendon, 2004). Selected research results on the significance of gestures in mathematics learning are described (Arzarello, 2006; Wille, 2020; Kiesow, 2016). The interactional theory to the learning of mathematics coins the social constructivist concept of learning used (Krummheuer, 1992). Selected aspects of the semiotics according to C. S. Peirce offer a theoretical foundation of the concept of signs and the core of mathematical acting, understood as diagrammatic reasoning (Peirce, 1931, CP 1.54 u. 1932, CP 2.228). Of particular importance for the present research is the linguistic approach of code-integration and -manifestation of co-speech gestures in the language system according to Fricke (2007, 2012) in connection with Peirce's diagrammatic notion. This perspective provides a theoretical foundation for the initially empirically observable multimodality of learners' expressions when doing mathematics together. Peirce's notion of diagrams serves to reconstruct a systemic relevance of gestures for doing mathematics: certain gestures are semiotically describable as mathematical signs and have a potentially constituting function for the diagrammatic work of the learners. The overarching research focus is: How do elementary school kids use their gestures and their spoken language, especially in their interplay, to bring their mathematical ideas into the interactive negotiation process; do they take them up, possibly develop them further, or even discard them over the course of interaction? In the differentiation of this research focus, the function of the gestures used and the reconstruction of potentially jointly used gesture signs of the interactants are taken into account. Methodologically, the research work can be classified as qualitative social research (Bohnsack, 2008) or interpretative mathematics education research (Krummheuer & Naujok, 1999). Examples from mathematical interaction situations are analyzed in which pairs of second graders deal with mathematical problems from combinatorics or geometry. A transcript score developed in accordance with the theory is used to process the video data. With the text-based interaction analysis (Krummheuer, 1992) and the graphical semiotic analysis (Schreiber, 2010) in a further development of the semiotic process cards (Huth, 2014), two hierarchical analysis methods are used. Central research findings are 1) the functional and formative flexibility of gesture use in learners' diagrammatic reasoning, 2) the reconstruction of mode interfaces of gestures with other modes of expression in function, interactional meaning attribution, and chronology, and 3) the frequent use of gestures as a mode of learners' choice in mathematical interactions. Gestures exhibit immediate and presuppositionless availability, functional and formative flexibility in mathematical engagement, and the possibility of (temporarily) taking over functions of other modes. A constitutive and subject specific importance of gestures for the mathematical-diagrammatic action of learners is revealed. As a theoretical result, the double continuum of gestures for mathematics learning is developed in the dissertation. It shows in the dimension of the function of gesture use and the dimension of the object reference of the gesture shape the diversity of gesture functions in the common diagrammatic work of the learners and gives insight into the gesture shapes used. The research work reveals the need for attention to gestures in the didactical planning and design of mathematics education and in the research and diagnostics of learners' mathematical development. Gestures in mathematical interactions are not a mere accessory of utterance, but are of subject significance in relation to mathematics learning. The use of gestures enables the generation of handmade diagrams and opens up, in perspective, an exploration of their significance for mathematical teaching and learning processes. The literature cited in this summary can be found in the reference list of the dissertation.

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Metadaten
Author:Melanie Christine Maria HuthGND
URN:urn:nbn:de:hebis:30:3-721065
DOI:https://doi.org/10.21248/gups.72106
Place of publication:Frankfurt am Main
Referee:Rose VogelGND, Christof SchreiberORCiDGND
Advisor:Rose Vogel
Document Type:Doctoral Thesis
Language:German
Date of Publication (online):2023/02/13
Year of first Publication:2023
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Granting Institution:Johann Wolfgang Goethe-Universität
Date of final exam:2022/03/24
Release Date:2023/02/17
Tag:Diagramme und Mathematiklernen; Gesten beim Mathematiklernen; Gesten-Lautsprache-Relationen; Semiotik nach C. S. Peirce
Page Number:1074
HeBIS-PPN:505128284
Institutes:Informatik und Mathematik
Dewey Decimal Classification:3 Sozialwissenschaften / 37 Bildung und Erziehung / 370 Bildung und Erziehung
5 Naturwissenschaften und Mathematik / 51 Mathematik / 510 Mathematik
Sammlungen:Universitätspublikationen
Licence (German):License LogoDeutsches Urheberrecht