Die blauen Sensen : Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Sensenschmiedezunft zu Kirchdorf-Micheldorf bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts

  • Vorwort Daß ein einzelnes Kleineisengewerbe zum Gegenstand einer eingehenden Untersuchung gemacht wurde, mag zunächst überraschen. Der Ausspruch von Kaser (K. Kaser, Eisenverarbeitung und Eisenhandel [Wien-Berlin-Düsseldorf 1932], S. 165), daß das eigentliche Haupt- und Prachtstück des gesamten Eisenwesens die Sensenfabrikation gewesen ist unterstreicht schon die Bedeutung dieses Handwerks im österreichishen Gewerbewesen. Innerhalb der einzelnen Sensenschmiedezünfte nahm aber die von Kirchdorf-Micheldorf in Oberösterreich eine führende Stelllung ein. Durch die Anzahl der bei dieser Zunft einverleibten Werkstätten, durch technische Verbesserungen sowie durch besondere Privilegien hatte sich diese Zunft eine Stellung verschafft, die über die Bedeutung hinausgeht, die sonst allgemein einem Kleineisenhandwerk zukommt. Sie erzeugte wie die übrigen österreichisch-steirischen Sensenschmiedzünfte die ,,blauen Sensen", deren Blautönung das allgemein bekannte Herkunfts- wie auch Unterscheidungsmerkmal zu den „weißen Sensen" der norddeutschen Werke bildete. Obzwar hauptsächlich die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Handwerks berücksichtigt werden sollte, war es doch unumgänglich notwendig, kulturelle, verfassungsgeschichtliche und rechtliche Fragen hereinzuziehen. Soweit es möglich war, wurde in der Untersuchung versucht festzustellen, ob das Handwerk gedieh oder mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatte und welche Stellung es im Rahmen des gesamten Eisenwesens im allgemeinen und unter den Sensenschmiedezünften im besonderen sowie in der Wirtschaft des Sensenschmiedebezirks innegehabt hat. Gleichzeitig galt es, das Funktionieren und die Bedeutung des zünftischen Lebens für die Handwerksmitglieder darzustellen. Die zeitliche Abgrenzung der Arbeit nach unten war mit den ersten Nachrichten über das Aufkommen der Sensensschmiedewerkstätten ziemlich klar vorgezeichnet. Nach oben erfolgte die Abgrenzung durch die Mitte des 18. Jahrhunderts, oder genauer durch das Jahr 1748. Wenn auch in dieser Zeit für die allgemeine Gewerbegeschichte keine einschneidende Zäsur vorliegt, so ist diese Abgrenzung in der Geschichte des Kirchdorf-Micheldorfer Handwerks selbst vorgezeichnet. Es zeigt sich nämlich gerade in den 40er und 50er Jahren des 18. Jahrhunderts eine Änderung nicht nur in den Produktionsbedingungen, sondern auch im Handel und in der gesamten Lebensordnung des Handwerks, so daß dieses Datum vollkommen gerechtfertigt erscheint. Daß das Jahr 1748 als Abgrenzung genommen wurde, hat seine Ursache in äußeren, allgemein staatlichen Umwälzungen, die das Kirchdorf-Micheldorfer Handwerk nur indirekt berührt haben. Mit der Unterstellung des Eisenobmanns unter das 1747 geschaffene Oberkarnmergrafenamt und mit der Übertragung aller Zunftangelegenheiten an das Directorium in publicis et cameralibus und an die ihm unterstellten Repräsentationen in den Landern im Jahre 1748 begannen nämlich jene Reformen, die zunächst zur Auflockerung und schließlich zur Aufhebung des gesamten staatlichen Montansystems unter Josef II. führten. Ein weiterer Grund für die Abgrenzung der Arbeit in dieser Zeit ergab sich aus der Fülle des Quellenrnaterials, die die Bearbeitung eines größeren Zeitraumes im Rahmen einer Dissertation schwer zuließ. Reiche Aufschlüsse ergab vor allem die stattliche Reihe von Faszikeln des Archives der Kirchdorf-Micheldorfer Zunft. Daneben wurden besonders die verschiedenen Herrschaftsarchive herangezogen. Einige Aufschlüsse ergaben auch die Landschaftsakten und Akten aus dem Hofkammerarchiv. Das Eisenobmannschaftsarchiv sowie einige Stadt- und Marktarchive boten ebenfalls interessante Einzelheiten. Für die Feststellung des Exportes der Sensen wurde hauptsächlich das Stadtarchiv Freistadt und das Depot Harrach sowie das Stadtarchiv Steyr herangezogen. Die Angaben über die Vermögen wurden aus den Verlassenschaftsabhandlungen der Herrschaften Spital am Pyhrn und Klaus gewonnen. Als äußerst wertvoll bei der Benützung der Literatur erwies sich die Wirtschaftsgeschichte von Oberösterreich von Hoffmann. Sie ließ stets die Zusammenhänge erkennen, die bei der Einordnung einzelner Fakten in einen allgemeinen Rahmen notwendig sind. Auf dem Gebiet der Spezialliteratur waren ohne Zweifel die Arbeiten von E. Frieß, H. Holter, F, Tremel und J. Zeitlinger am ergiebigsten. Wertvolle Hinweise gaben auch die Arbeiten von E. Baumgartinger. Erfreuliche Seitenblicke zu anderen Eisengewerben boten eine Reihe von Grazer Dissertationen. Die Arbeiten von L. Bittner und A. Pantz über das Innerberger Eisenwesen bildeten von vornherein eine Grundvoraussetzung für die ganze Arbeit. Daneben wurde noch die allgemeine, für die Abrundung des Bildes über das Handwerk notwendige Literatur benützt. Wenn manche Einzelheiten zu ausführlich und andere wichtige Faktoren zu wenig oder überhaupt nicht behandelt wurden, so liegt dies nicht zuletzt an der Oberlieferung der Quellen, die über bestimmte Tatsachen (religiöse Bedeutung der Zunft) überhaupt nichts bieten. Für die Oberwindung von Schwierigkeiten während der Arbeit und für wertvolle Hinweise fühlt sich der Verfasser vor allem Herrn Universitätsprofessor Dr. Franz Huter sowie den Damen und Herren des oberösterreichischen Landesarchivs in Liiz zu Dank verbunden. Die hier gedruckte Arbeit fußt auf des Verfassers Innsrucker Dissertation vom Jahre 1962, die in mancher Hinsicht ergänzt, jedoch in anderen Teilen auch gekürzt wurde.

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Metadaten
Author:Franz FischerGND
URN:urn:nbn:de:hebis:30-46610
Parent Title (German):Forschungen zur Geschichte Oberösterreichs ; 9
Publisher:Oberösterreichisches Landesarchiv und Böhlau in Komm.
Place of publication:Linz und Graz ; Köln
Document Type:Book
Language:German
Date of Publication (online):2007/08/20
Year of first Publication:1966
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Release Date:2007/08/20
Page Number:260
Note:
Zugl.: Innsbruck, Univ., überarb. Diss., 1962
HeBIS-PPN:189825715
Institutes:Zentrale Einrichtung / Universitätsbibliothek
Dewey Decimal Classification:9 Geschichte und Geografie / 94 Geschichte Europas / 940 Geschichte Europas
Licence (German):License LogoDeutsches Urheberrecht