Die Touristenführer bei den Dogon

  • Die Dogon sind eine kleine, akephale, in Dorfgemeinschaften und Großfamilien unterteilte Gesellschaft von ca. 300.000 Mitgliedern, die am südlichen Rande des Sahel ganz im Osten Zentralmalis siedelt. Die Großfamilie ist patrilinear sowie patrilokal organisiert und in acht Altersklassen gegliedert. Der Dorfalltag wird von einer strikten Trennung der Geschlechter bestimmt. Anfangs angelockt durch ethnographische Berichte der französischen Ethnologen um Marcel Griaule, später durch Filme und Reportagen, besuchen jedes Jahr Zehntausende von reisehungrigen Alternativ- und Bildungstouristen das Land der Dogon. Es empfängt sie eine pittoreske Felslandschaft voll exotischer, kultureller Vielfalt und geheimnisvoller Authentizität, die von der UNESCO 1989 in das Verzeichnis des Weltkulturerbes und Weltnaturerbes aufgenommen wird. In Folge des anwachsenden Tourismus hat sich im Laufe der letzten vier Jahrzehnte ein neuer Berufstand herausgebildet, die Touristenführer. Im Rahmen der Lehrforschung Mali des Instituts für Historische Ethnologie der Johann Wolfgang von Goethe Universität Frankfurt werden während zweier Forschungsaufenthalte im Sommer 2006 und im Oktober 2007 in verschiedenen Dörfern an der Falaise von Bandiagara Touristenführer und Dorfbewohner mehrerer Generationen interviewt. So werden Guides befragt, die ihren Beruf bereits seit Beginn des Tourismus in den 1960ern ausüben – bzw. ausgeübt haben. Damals besuchen nur einige Hundert, meist ethnologisch interessierte Touristen das Pays Dogon. Die Mehrzahl der Gesprächspartner beginnt in den 80er und 90er Jahren des vorherigen Jahrhunderts mit der guidage der ausländischen Gäste. Ebenfalls interviewt werden junge Guides, die erst seit wenigen Jahren Touristenführer sind. Aus den Interwiews ergibt sich ein vielfältiges Spektrum von Aussagen und Erzählungen über die Berufsfindung, den Umgang mit den fremden Besuchern, den Status eines Touristenführers bei der Dorfbevölkerung. Zentrales Element im Austausch mit den internationalen Gästen ist die eigene Kultur, die die Dogon mit Selbstbewusstsein vorzeigen und gegen das Geld der Touristen eintauschen. Und sind es normalerweise die Alten, die für die Jüngeren im Dorf und in den Familien Kultur und Tradition interpretieren, sind es im Tourismus nun die Jungen, die den fremden Gästen die eigene Gesellschaft präsentieren. Der Tourismus eröffnet der bäuerisch geprägten Dogongesellschaft einträgliche Nebentätigkeiten und –geschäfte und trägt, trotz seiner saisonalen und regionalen Begrenztheit, wesentlich zur Verbesserung der materiellen Lebensbedingungen im Pays Dogon bei. Die Einkünfte der so genannten Antiquitätenhändler, der Träger, Maskentänzer, Köche, Holzschnitzer und nicht zuletzt die der Guides werden von ihren Familien dringend benötigt. Deshalb zeigen sich die Dogon dem Tourismus meist recht positiv gegenüber und verfolgen mit großem Stolz das wachsende Interesse an ihrer Kultur. Mit den Associations des Guides haben sich erste Strukturen der Selbstorganisation etabliert, Beratungsgremien, die repräsentative Aufgaben, aber auch Kontrollfunktion haben und bei schlechter guidage sogar Sanktionen gegen ihre Mitglieder veranlassen können. Der Tourismus im Pays Dogon hat zu einem positiven Trend geführt. So konnte beispielsweise die Landflucht der jungen Leute vermindert, die Infrastrunktur verbessert und die Ausbildung – insbesondere auch die der Touristenführer – intensiviert werden.

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Metadaten
Author:Norbert Klesel
URN:urn:nbn:de:hebis:30-62116
Referee:Mamadou Diawara, Karl-Heinz Kohl
Document Type:magisterthesis
Language:German
Date of Publication (online):2009/01/28
Year of first Publication:2008
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Granting Institution:Johann Wolfgang Goethe-Universität
Release Date:2009/01/28
HeBIS-PPN:208574646
Institutes:Philosophie und Geschichtswissenschaften / Geschichtswissenschaften
Dewey Decimal Classification:3 Sozialwissenschaften / 39 Bräuche, Etikette, Folklore / 390 Bräuche, Etikette, Folklore
Licence (German):License LogoDeutsches Urheberrecht