Neuronale Korrelate der Wiedererkennung im visuellen Arbeitsgedächtnis : eine MEG-Studie

Neural correlates of recogniton in visual working memory

  • Das visuelle Arbeitsgedächtnis (AG) kann visuelle Information enkodieren, über eine kurze Zeitperiode aktiv halten und mit neu wahrgenommener Information vergleichen. Dadurch ermöglicht es eine Reihe höherer kognitiver Funktionen ( z.B. Kopfrechnen). Störungen des visuellen AGs sind ein relevantes Symptom neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen. Die funktionellen und neuronalen Prozesse, die dem visuellen AG unterliegen, stellen eine fundamentale Frage der kognitiven Neurowissenschaft dar. Bisherige Forschung hat bereits einen großen Beitrag zum Verständnis der Vorgänge während der Enkodierungs- und Halte-Phase des AGs geleistet. Die neuronalen Korrelate der Wiedererkennung (WE) hingegen sind relativ unbekannt. Ziel der vorliegenden Studie war es, die neuronalen Mechanismen der WE anhand zweier Modulationen (Gedächtnisbelastung und Ähnlichkeit zwischen Merk- und Test-Stimulus) zu erforschen. Den neuronalen Grundlagen von Ähnlichkeit zwischen wurde bislang nahezu keine Beachtung geschenkt, ihre Untersuchung stellte deshalb eine wesentliche Motivation der Arbeit dar. Da erhöhte Gedächtnislast bei einer endlichen Anzahl an Stimuli zu einer erhöhten Anzahl an möglichen ähnlichen Test-Stimuli und auf diese Weise zu einer erhöhten Ähnlichkeit zwischen Merk- und Test-Stimulus führen kann, sind die Effekte beider Modulationen konfundiert. Es sollte deshalb zusätzlich der Nachweis für einen ähnlichkeitsunabhängigen Lasteffekt erbracht werden. Im Rahmen der vorliegenden Dissertation stand der zeitliche Ablauf der zu erwartenden kortikalen Aktivationen im Mittelpunkt des Interesses. Aus diesem Grund kam die Magnetenzephalographie (MEG) mit ihrem hervorragenden zeitlichen und guten räumlichen Auflösungsvermögen zum Einsatz. Die neuronale Aktivität von 17 Probanden wurde mittels MEG erfasst. Zusätzlich wurden Verhaltensdaten (VD) in Form von Reaktionszeit (RZ) und Korrektheit (KH) der Antworten aufgezeichnet. Als Stimuli dienten 15 verschiedene Farben, die einmal den gesamten Farbkreis abbildeten. 1 oder 3 verschiedenfarbige Quadrate dienten als Merk-Stimuli und ein farbiges Quadrat, das einem der vorher gezeigten glich (G), ihm ähnlich (Ä) oder unähnlich (U) war, folgte als Test-Stimulus. Die Probanden antworteten per Fingerheben aus einer Lichtschranke, ob der Test-Stimulus dem Merk-Stimulus glich (G) oder nicht glich (Ä, U). Insgesamt führten die 2 Belastungsmodulationen und die 3 Ähnlichkeitsmodulationen zu einem 2 x 3 Design, das eine Untersuchung der Haupteffekte und Interaktionen von Ähnlichkeit und Last ermöglichte. Die Ergebnisse der VD decken sich mit früheren Erkenntnissen, die mit ansteigender Gedächtnislast und Ähnlichkeit von einer signifikanten Verminderung der KH der Antworten sowie einer signifikanten Zunahme der RZ berichteten. Zusätzlich konnte eine signifikante Interaktion beider Modulationen beobachtet werden. Mit zunehmender Gedächtnislast verlängerte sich die RZ, bzw. verminderte sich die KH der Antworten für gleiche Testreize stärker als für ungleiche (Ä, U). Es konnten wesentliche neue Erkenntnisse über die neuronalen Korrelate der WE im visuellen AG gewonnen werden. Für die Ähnlichkeits-Modulation konnten drei zeitlich, räumlich und funktionell distinkte Ereigniskorrelierte-Felder (EKF)-Komponenten detektiert werden: eine frühe Komponente, die stärker auf U im Vergleich zu Ä und G Stimuli ansprach, eine mittlere, die mit der Schwierigkeit der Aufgabe assoziiert war sowie eine späte Komponente, die als Korrelat einer kategorialen Entscheidung interpretiert wurde. Diese Ergebnisse replizieren Befunde von Studien über die Entscheidungsfindung und die summierte Ähnlichkeit im Langzeitgedächtnis (LZG) und liefern gleichzeitig neue Hinweise für eine funktionelle Dissoziation verschiedener Komponenten der WE im visuellen AG. Die WE scheint aus der Berechnung der summierten Ähnlichkeit, der Entscheidungsfindung sowie der Evidenzevaluation unter schwierigeren Bedingungen zu bestehen. Es gelang außerdem der Nachweis eines ähnlichkeitsunabhängigen Effektes der Lastmodulation. Es konnte eine bilateral parieto-okzipitale sowie eine linksseitig fronto-temporale Aktivierung erfasst werden, die wahrscheinlich allgemeinen Schwierigkeitseffekten entsprechen. Unter ansteigender Gedächtnisbelastung kam es zu einer Zunahme der Amplitude beider Aktivitäten. Diese Ergebnisse bestätigen Befunde über die Amplitudenentwicklung während der Halte-Phase, die als Heranziehung zusätzlicher Ressourcen unter schwierigeren Bedingungen gedeutet wurden. Die EKF-Daten konnten jedoch keine Bestätigung des in den VD nachgewiesenen Interaktionseffektes bringen. Vielversprechende Ansätze für zukünftige Studien bieten eine präzisere Bestimmung der räumlichen Verteilung sowie eine weitere Evaluation der kognitiven Funktion der neuronalen Aktivität der Ähnlichkeit, da die Ähnlichkeit zwischen Merk- und Test-Stimulus eine entscheidende Rolle bei der Beschränkung der WE-Leistung einzunehmen scheint.
  • Visual working memory (WM) encodes and maintains visual information for a short period of time and allows for a comparison to currently perceived informa-tion. Thus, it enables the execution of various higher cognitive functions, such as mental arithmetic and language comprehension. Disorders of visual WM constitute a serious symptom of neurological and psychiatric diseases. Func-tional and neuronal processes underlying visual WM, as well as the nature of its limited capacity, are basic issues of cognitive neuroscience. Neuroscientific research has already contributed to the knowledge about information encoding and retention. In contrast the nature of recognition is comparatively unknown. The present dissertation aimed to investigate the neural correlates of recogni-tion on the basis of independent modulations of memory load and sample-probe similarity. Since increased memory load induces an increase of sample-probe similarity when using a finite number of stimuli, the effects of load and similarity may be confounded. We therefore aimed to identify both the neural correlates of sample-probe similarity independent of load and of memory load independent of similarity. As this thesis focused on the temporal dynamics of neural activity, we used magnetoencephalography (MEG) because of its excellent temporal and good spatial resolution. MEG was recorded in seventeen participants during performance of a visual match-to-sample memory task. We also collected behavioral performance data such as accuracy and reaction time. Stimuli were squares at fifteen isoluminant colors varying along the whole range of hues. One or three colored squares were presented as sample stimuli and one colored square followed as a test stimulus that either matched the sample (M), was similar (S) or dissimilar (D) to the sample. Participants responded by finger lifting triggering a light barrier to indicate whether the probe did (M) or did not match the sample (S, D). The combination of two load and three similarity modulations constituted a 2 x 3 design, allowing to test main effects and interactions of the two factors. The behavioral results were in line with previous findings reporting decreased accuracy and increased reaction times with increasing memory load and sam-ple-probe similarity. Furthermore a significant interaction of both factors was observed. Higher memory load reduced recognition performance only for match and similar probes, whereas dissimilar probes were almost perfectly recognized regardless of memory load. The analysis of magnetic event-related fields (ERF) showed that sample-probe similarity elicited three temporally, spatially and functionally dissociable MEG components: an early ERF component responded more strongly to dissimilar than similar or same stimuli, an intermediate component reflected recognition difficulty, and a late component reflected the type of categorical decision. These results support findings from studies about decision making and summed similarity in long term memory (LTM) and WM and provide new evidence for a functional dissociation of different components of working memory recognition. This includes processes contributing to the computation of summed similarity, the evaluation of evidence in a perceptually difficult situation, and decision making. The modulation of memory load was associated with activations independent of similarity. Two components reflected general difficulty effects with higher amplitudes for increasing memory load. These results are consistent with previous findings concerning the delay phase which were interpreted as recruitment of additional resources under more difficult conditions. During the delay interval a sustained activity appeared, whose amplitude was enhanced for higher compared to lower memory load. We found no interaction between memory load and sample-probe similarity in the ERF data. Future studies should investigate the reported similarity-independent load ef-fects as well as the interaction between both modulations. The source distribu-tion of similarity-associated neural magnetic activity at the sensor level should be estimated. Moreover, the relationship between the observed components and specific cognitive processes should be examined further, as sample-probe similarity constitutes an important determinant of visual working memory.

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Metadaten
Author:Kathrin Yildiz-Erzberger
URN:urn:nbn:de:hebis:30-104357
Referee:Jochen KaiserORCiDGND, Josef Unterreiner
Document Type:Doctoral Thesis
Language:German
Date of Publication (online):2011/08/05
Year of first Publication:2010
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Granting Institution:Johann Wolfgang Goethe-Universität
Date of final exam:2011/04/19
Release Date:2011/08/05
Tag:Entscheidungsfindung; Ereigniskorrelierte Felder; Gedächtnisbelastung; Sternberg-Aufgabe; Wiedererkennung
event-related fields; load; recognition; similarity; working memory
GND Keyword:Arbeitsgedächtnis; Ähnlichkeit; Abruf; Reaktionszeit; Korrektheit; Vertrautheit
Page Number:V, 92 S.
HeBIS-PPN:272311022
Institutes:Medizin / Medizin
Dewey Decimal Classification:6 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften / 61 Medizin und Gesundheit / 610 Medizin und Gesundheit
Sammlungen:Universitätspublikationen
Licence (German):License LogoDeutsches Urheberrecht