Jahres- und tageszeitliche Phänologie der Vogelrufaktivität über der Deutschen Bucht
Annual and diurnal phenology of birdcall activity above the German Bight
- Im Hinblick auf potenzielle Standorte für Offshore-Windenergieanlagen
und die von ihnen ausgehende mögliche
Gefährdung von Vögeln ist es erforderlich, die Kenntnisse
über den Vogelzug über See - insbesondere über den nächtlichen
- zu erweitern. Im Rahmen einer umfassenden ökologischen
Begleitforschung zur Offshore-Windenergienutzung
wurden daher auf einer Forschungsplattform in der südöstlichen
Nordsee auch die Rufe von Vögeln automatisch erfasst.
Die genaue Artzugehörigkeit insbesondere nachts ziehender
Vögel automatisch zu erfassen und zu bestimmen, ist bis auf
wenige Ausnahmen nur anhand von Rufen möglich. Hier wird
erstmals das artspezifische Vogelaufkommen in der Nähe
einer anthropogenen Offshore-Struktur im gesamten Tagesund
Jahresverlauf dargestellt (Pentadenmittel von zwölf Arten).
Von 2004 bis 2007 wurden insgesamt 100 Arten identifiziert
und die Rufe von 95.318 Individuen (ohne Großmöwen)
analysiert. Drei Viertel aller Registrierungen betrafen Passeres
(überwiegend Drosseln), ferner wurden vor allem Limikolen,
Seeschwalben und Kleinmöwen nachgewiesen. 79,4 % aller
Individuen wurden in der Nacht registriert. Hohe Individuenzahlen,
meist von vielen Arten gleichzeitig, konzentrierten
sich oft auf wenige Tage/Nächte oder gar Stunden. Zur Wegzugzeit
war das Vogelaufkommen wesentlich höher als zur
Heimzugzeit, maximal wurden in der Nacht vom 28. auf den
29.10.2005 über 5.236 Vögel (entsprechend 392 Ind./h) verschiedener
Arten identifiziert. Die Zugzeiten der Kurz/Mittelstreckenzieher
waren anhand der Rufe deutlich, die der Langstreckenzieher unter den Passeres wahrscheinlich wegen
ihrer geringen Ruffreude nicht zu erkennen. Im Juli wurden
überwiegend Kleinmöwen und Seeschwalben, im August vor
allem Seeschwalben und Limikolen (insbesondere Rotschenkel)
und im Winter spät wegziehende Kleinmöwen und Drosseln
registriert. Generell stieg die Häufigkeit mit Beginn der
Nacht stetig an und erreichte ihr Maximum vor Sonnenaufgang,
die wenigsten Vögel wurden am späten Nachmittag
registriert.
Trotz methodischer Einschränkungen stimmen die gezeigten
artspezifischen Phänologien im Großen und Ganzen mit den
Zugzeiten im Offshore-Bereich der Deutschen Bucht nach
Fangzahlen sowie nach Zugplan- und Zufallsbeobachtungen
überein. Wie mit diesen Erfassungsmethoden ist aber auch mit
der akustischen Aufzeichnung eine vollständige Quantifizierung
des Vogelaufkommens nicht möglich. Vermutlich wird
die Zahl der Vögel bei gutem Wetter unterschätzt und bei
schlechtem überschätzt. Wir gehen aber davon aus, dass die auf
der Plattform akustisch erfassten Vögel zumindest den niedrig
fliegenden Anteil der rufenden Arten im jahreszeitlichen Verlauf
und in seiner täglichen Variabilität reflektieren.
Die Möglichkeit, anhand der Rufe auf die Zahl der niedrig
und damit in der Nähe eines anthropogenen Hindernisses
fliegenden Vögel schließen zu können, ist in Hinblick auf die
Beurteilung ihres Kollisionsrisikos und der Einleitung von
Verminderungs- oder Vermeidungsmaßnahmen (Standort,
kurzzeitiges Abschalten der Anlagen und Beleuchtungsoptimierung)
nicht unerheblich.
- With regard to potential sites for the construction of offshore wind farms and to their possible threats for birds it is essential
to enlarge the current knowledge on bird migration above the sea – especially during the night. Within a comprehensive study
for the evaluation of offshore wind farms bird calls were registered automatically on a research platform in the south-eastern
North Sea. The species identification of nocturnally migrating birds is almost exclusively possible only by means of their calls.
Here, we present species-specific bird occurrence near an anthropogenic offshore structure in the total daily and yearly course
on the basis of automatically registered calls.
From 2004 to 2007, a total of 100 species was identified. Calls from 95,318 individuals (excluding the large gulls) were used
for analyses. Three quarters were passerines (predominantly thrushes), furthermore mainly waders, terns and smaller gulls
were detected. 79.4% of all individuals were registered during the night. High numbers of individuals, mostly of several species
occurring together, were concentrated in only a few days/nights or even hours. Bird occurrence was much higher during autumn
migration than during spring migration. A maximum of 5,236 birds of different species (corresponding to 392 Ind./h) was
identified in the night from 28th to 29th October 2005. The migration periods of the short-/medium distance migrants were
clearly distinguishable, otherwise not those of the long-distance passerine migrants, presumably due to their much minor
ambition to call. In July mainly smaller gulls and terns, in August above all terns and waders (especially Redshank) and in
winter some late smaller gulls and thrushes were registered. Generally, numbers increased continually with the beginning of
the night and reached a maximum before sunrise. The fewest birds were detected in the late afternoon.
Despite methodological constraints, the shown species-specific phenologies broadly match the migration times in the offshore
area of the German Bight as recovered by trapping and/or by scheduled or coincidental visual observations of bird migration.
Like these methods the acoustic recording cannot cover the whole occurrence of birds. Presumably, the number of birds is
underestimated during fine and overestimated during adverse weather when birds reduce flight altitude. However, we assume
that the birds registered acoustically on the platform reflect at least the low flying proportion of the calling species in the course
of the year and in their daily variability.
The opportunity to estimate numbers of low and thereby close to an anthropogenic obstruction flying birds using calls is
– with regard to the evaluation of its collision risk and the introduction of mitigation and avoidance measures (site, short-term
shutdown of the construction and optimization of illumination) – not exiguous.