Kleinräumige Unterschiede in Zeitraum und Ausmaß des Bestandseinbruchs bei Wiener Amseln ("Turdus merula" L.) nach Auftreten des Usutu Virus

Local differences in time and extent of mass mortality in Blackbirds ("Turdus merula" L.) after emergence of Usutu virus (USUV; Flaviviridae) in Vienna, Austria

  • Das Usutu Virus ( = USUV; Flaviviridae), vorher nur in Afrika nachgewiesen, wo es keine fatalen Auswirkungen auf Vögel oder Säugetiere hatte, verursachte erstmals im Sommer 2001 in Wien und Umgebung ein dramatisches Amselsterben. Andere Vogelarten schienen nicht vergleichbar betroffen zu sein. Als Überträger fungieren wahrscheinlich Stechmücken (Culicidae). Die Epidemie erreichte im Sommer 2003 einen Höhepunkt, anschließend entwickelte sich Immunität: Der Anteil Usutu-positiver Totfunde ging rasch zurück, zunehmend viele lebende Vögel besitzen seither Usutu-spezifische Antikörper im Blutserum. Dank unserer vor und nach dem Ereignis erhobenen Amseldichten können wir die Verluste von Teilpopulationen quantitativ belegen und nachweisen, dass es darin in Ausmaß und Zeitraum auffallend kleinräumige Unterschiede gibt. Die Zählungen wurden von den Autoren unabhängig und mit verschiedenen Methoden durchgeführt: Steiner erhob ab 1993 mittels 324 Transektzählungen (TZ) von Sept bis Juni in vier ökologisch z.T. verschiedenen Probeflächen innerhalb des Wiener Siedlungsgebietes am linken Donauufer 1993-97 und 2002-07 relative Vogeldichten (Tab.1). Holzer zählte in den Wintern 2000/01 und 2003/04 Vögel innerhalb von 41 Innenhöfen (IHZ) in zwei Flächen (eine überlappte gering mit einer von Steiner untersuchten, die zweite lag auf der anderen Donauseite), wobei eine praktisch vollständige Erfassung der Amseln möglich war (Abb.1 und 2). Die Ergebnisse bezüglich des Winterbestandes decken sich weitestgehend: Die Amseldichten waren zwischen 85 und 89% (TZ Mühlschüttel, Tab.4) bzw. 88% (IHZ, Abb.1) zurückgegangen. Für die Erhebung der Brutbestände liegen nur Zahlen aus TZ vor, als methodisch günstigster Zeitraum wurde dafür der April gewählt; Tab.5 gibt relative Abundanzen (Amseln je 1.000 m Transektlänge) an, Tab.6 Ergebnisse von Signifikanztests. In den vier Flächen war die Brutzeitdichte im gleichen Verhältnis zurückgegangen wie die im Winter (Tab.3 und 5). Aus dem für die Art am wenigsten geeigneten Teilgebiet Donaufeld liegt zwischen 2004 und 06 keine Amselfeststellung vor (Tab.1); Aussagen von zwei interessierten Familien, die am Transekt Futterstellen betreiben, erhärten diesen Befund. Erste Vögel zeigten sich dort erst wieder 2007. Auch die geringen Restbestände der übrigen drei Flächen konnten sich bis 2007 nicht erholen. Anders verlief die Entwicklung in Kaisermühlen, das nur 2,0-2,6 km von den anderen Donau-nahen Flächen entfernt liegt. Hier wurde 1998/99 und ab 2002 gezählt (35 TZ): Der Aprilbestand war 2002 um ein Drittel zurückgegangen, 2005 weniger drastisch als in den anderen Flächen eingebrochen und bereits 2006 wieder in alter Dichte vorhanden (Tab.2 und 5). Noch weniger stark wurden die Amseln der sechsten TZFläche (Wiener Innenstadt 70 TZ) betroffen, die Aprildichte war dort erst 2004 etwa auf die Hälfte reduziert und hatte sich zwei Jahre später wieder erholt (Tab.2 und 5). In beiden Fällen ging der Bestand zur Brutzeit erst zumindest ein Jahr nach Zusammenbruch des Winterbestandes zurück (Tab.3). Aus unseren Befunden lässt sich schließen, dass sich vier der untersuchten Amsel-Teilpopulationen als isolierte Standvögel verhielten, da ein winterlicher Zuzug dort praktisch nicht stattfand (in allen Monaten gleichmäßiger Rückgang) und zwischen nahe liegenden Flächen kein wesentlicher Austausch zur Auffüllung der Bestände erfolgte. Die Amseldichte dieser Flächen verblieb zumindest bis 2007 trotz der ab 2004 in Ostösterreich zunehmenden Immunität gegen USUV auf extrem niederem Niveau. Möglicherweise reduzierten überstandene USUV-Infektionen die Fitness überlebender Vögel und setzten solcherart deren Fortpflanzungerfolg herab. – Für die Bestände der restlichen beiden Gebiete hat dies offenbar geringere oder keine Bedeutung. Wenn in anderen Teilen Mitteleuropas in den Sommermonaten Totfunde von Amseln gehäuft auftreten, sollten diese mit genauer Fundortangabe versehen unverzüglich Virologen übermittelt oder bis dahin tiefgekühlt zwischengelagert werden.
  • USUV, previously known from Africa only, never before had been associated with fatal disease in vertebrates. Beginning with summer 2001, it caused mass mortality from mid-July to September in Blackbirds of Vienna and surroundings. From 2003 to 05 herd immunity developed and the proportion of USUV-positive dead Blackbirds decreased. As we have counted urban birds before and after summer 2001, we analysed population decrease of the species quantitatively. We used different methods: Steiner counted birds from September to June in established transects in six urban areas, beginning with 1993. Holzer in two districts recorded absolute numbers of birds in courts completely enclosed by buildings, in winters 2000/01 and 2003/04 respectively. For transect-counts density in January and February was considered to be typical for winter, in April for breeding time. To an unexpected scale, we found differences between subpopulations in time and extent of mortality: In six of the eight areas, with nearest distances from 0,2 to 2,9 km to river Danube, results are identical, regardless of method. In all months and subpopulations in 2002 decrease was between 58 and 94%, in one area after 2002 the species disappeared completely for four years, as late as 2007 two birds had been found again. As decrease in all months was very similar (Tab.4) it can be concluded, that the birds are strictly resident. Four of these subpopulations investigated at breeding time also, were unable for six years to increase their very low densities – in spite of herd immunity developing in Vienna after 2003. Reduced fitness of surviving individuals could explain this phenomenon. In remaining two areas, one being situated close to river Danube and to the six cited above, decrease was recorded (1) first in winter, in April in later years only, (2) decrease was not as dramatically, (3) increase to original densities occurred within one or two years. As USUV meanwhile emerged in Hungary, northern Italy and Switzerland, in case of mass mortality in summer, it is recommended to store dead birds in frozen condition or to bring it to a veterinary institution immediately.

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Metadaten
Author:Hans M. Steiner, Thomas Holzer
URN:urn:nbn:de:hebis:30:3-271040
ISSN:0049-6650
Parent Title (German):Vogelwarte : Zeitschrift für Vogelkunde
Publisher:DO-G-Geschäftsstelle
Place of publication:Wilhelmshaven
Document Type:Article
Language:German
Year of first Publication:2008
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Release Date:2013/04/26
Volume:46
Issue:1
Page Number:11
First Page:25
Last Page:35
HeBIS-PPN:338116133
Dewey Decimal Classification:5 Naturwissenschaften und Mathematik / 59 Tiere (Zoologie) / 590 Tiere (Zoologie)
Sammlungen:Sammlung Biologie / Sondersammelgebiets-Volltexte
Licence (German):License LogoDeutsches Urheberrecht