Fieber während chemotherapiebedingter Neutropenie: Ätiologie, diagnostische Evaluation und antimikrobielle Therapie

  • Im Rahmen einer prospektiven Kohortenstudie wurde in der vorliegenden Arbeit die Epidemiologie und Ätiologie von Fieber während chemotherapiebedingter Neutropenie bei Patienten mit hämatologischen Neoplasien untersucht. Das diagnostische und therapeutische Vorgehen wurde beschrieben und die Übereinstimmung mit den Vorgaben einer hausinternen Leitlinie wurde evaluiert und der Verbrauch an antimikrobiellen Substanzen dokumentiert. Febrile Episoden konnten in 74% der Neutropenieepisoden dokumentiert werden; in 51% der Neutropenieepisoden kam es zu persistierendem Fieber ≥ 3 Tage. Eine dem Fieber zugrunde liegende Infektion wurde in 55% der Chemotherapiezyklen (Neutropeniedauer Median 16 Tage) mittels klinischer, apparativer und mikrobiologischer Diagnostik gefunden. Die häufigsten infektiösen Komplikationen waren Enteritiden mit Nachweis von C. difficile (11%), Enteritiden ohne Nachweis von C. difficile (29%), Pneumonien mit pilztypischen Infiltraten (12%) und Pneumonien mit unspezifischen Infiltraten (11%), sowie mikrobiologisch bestätigte Septikämien (18%). Im Vergleich zu Angaben in der Literatur wurde FUO in der vorliegenden Untersuchung häufiger diagnostiziert (11,8 Tage pro 1000 Patiententage vs. 8,2 Tage pro 1000 Patiententage). Die Gesamtmortalität des Kollektivs lag bei 7%. Die häufigste Todesursache war der septische Schock (8 von 5 Patienten; 63%), welcher sich auf dem Boden einer gramnegativen Septikämie mit multiresistenten Keimen entwickelt hatte (3 von 5 Septikämien; 60%). Die Mortalitätsrate war ähnlich hoch wie im Literaturvergleich bei Studien mit akuten myeloischen Leukämien. Prognoserelevante Faktoren, welche im Rahmen der vorliegenden Studie evaluiert wurden, sind durch schwer therapierbare Grunderkrankungen hervorgerufene prolongierte Neutropeniezeiten, sowie infektiöse Komplikationen, vor allem bei Nachweis multiresistenter Erreger. Die Compliance bezüglich des diagnostischen und therapeutischen Vorgehens bei persistierendem Fieber betrug in der vorliegenden Arbeit zwischen 47% und 82%. Die Compliance mit den in der Leitlinie vorgeschlagenen antimikrobiellen prophylaktischen und initialen empirischen Therapien lag zwischen 83% und 85%. Der Gesamtverbrauch an antibiotischen und antimykotischen Substanzen war in der vorliegenden Studie höher als im Literaturvergleich (1647 DDD vs. 1140 DDD und 650 DDD vs. 430 DDD). Dabei fällt insbesondere der hohe Verbrauch an Reservemedikamenten gegen grampositive Bakterien auf. Allerdings fehlen aktuelle Vergleichsdaten vergleichbarer Patientenkollektive. Bezüglich der Optimierung der diagnostischen Maßnahmen ist vor allem die Erhöhung der Sensitivität der Bronchoalveolären Lavage bei Pilzinfektionen, rechtzeitig und regelmäßig durchgeführte Surveillanceabstriche bei febriler Neutropenie, sowie die Diskussion der diagnostischen Ergebnisse und des weiteren therapeutischen Vorgehens mit infektiologischen Experten zu fordern. Patienten mit persistierendem Fieber - vor allem bei positivem Blutkulturnachweis - sollten, aufgrund des positiven prädiktiven Wertes erregerpositiver Blutkulturen für die Notwendigkeit einer intensivmedizinischen Betreuung und einer erhöhten Mortalität, Anlass sein, diagnostische und therapeutische Maßnahmen zu verbessern. Ziel ist es, durch verstärkten Einsatz diagnostischer Maßnahmen und Diskussion mikrobiologischer Befunde im Einzelfall, Reservesubstanzen seltener einzusetzen, gegebenenfalls Breitspektrum-Antibiotika oder ihre Kombinationen zu deeskalieren und somit die Kolonisation mit resistenten Erregern positiv zu beeinflussen, sowie das Ansprechen auf antimikrobielle Therapien zu optimieren. Die Teilnahme an multizentrischen Surveillancestudien zur Inzidenzerfassung wichtiger, eindeutig definierter neutropener nosokomialer Infektionen wie radiologisch detektierter Pneumonien, mikrobiologisch bestätigter Septikämien und C. difficilepositiver Enteritiden, sowie zur Generierung von Antiinfektivaverbrauchszahlen, könnte helfen, die Beratung und Entscheidungsfindung am Krankenbett zu unterstützen. Auch könnten in diesem Rahmen Zahlen generiert werden, welche bisher zum Vergleich fehlten. Die vorliegende Arbeit versteht sich im Rahmen der Erfassung von Ätiologie, Diagnostik und antimikrobieller Therapien bei febriler Neutropenie als Teil eines solchen Surveillanceprogrammes und hat somit eine Grundlagen für zukünftige Datenerhebungen geliefert.
  • Background: In Germany the incidence of leukaemia and malignant lymphomas is nearly 24.000. Most of these patients undergo cytotoxic chemotherapy. As a result there is often a prolonged neutropenia > 7 days which is the cause of nosocomial infections. These infections limit the prognosis of the patients. For the dealing with neutropenic patients local and international guidelines were developed. Methods: In a prospective cohort study between January 2008 and December 2008 all haematology-oncology patients from the Johann Wolfgang Goethe university hospital in Frankfurt am Main who suffered from neutropenia > 5 days were included. The epidemiology und etiology of nosocomial infections as well as the diagnostic investigations and the antimicrobial therapies were documented. Results: Between January 2008 and December 2008 were 116 patients (74 male, 42 female) and 226 episodes of neutropenia > 5 days. Fever of ≥ 3 days was noticed in 51% of the episodes of neutropenia. The most frequent detected infections were enteritis (49%), pneumonia (23%) and sepsis (18%). In 45% of the neutropenic episodes the cause of the fever could not be evaluated (FUO=fever of unknown origin). The mortality in this study was 7%. The compliance with the guidelines regarding diagnostic and therapeutic strategies in persistent fever was 47% - 82%. The compliance regarding prophylactic and initial empiric therapeutic strategies was 83% - 85%. The use of antibiotic agents was 1647 DDD per 1000 patient days; the use of antifungal agents was 650 DDD per 1000 patient days. Conclusions: The diagnosis of FUO was more frequent than in the reference literature (11,8 days per 1000 patient days vs. 8,2 days per 1000 patient days). The rate of mortality was with 7% as high as in the reference literature. The main cause of death was the septic shock with multiresistant gram-negative pathogens. Patients with persistent fever and positive blood cultures showed a statistical significant higher need for intensive care and increased mortality. Especially these patients are a rational approach to intensify the diagnostic strategies and to discuss the microbiological results for decreasing the colonisation with resistant pathogens and for increasing the response to antimicrobial therapies. The participation in multicentre surveillance studies for documentation of well-defined nosocomial infections and consumption of antimicrobial agents could help to find the optimal decision for the individual patient.

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Metadaten
Author:Susanne Kett
URN:urn:nbn:de:hebis:30:3-290509
Publisher:Univ.-Bibliothek
Place of publication:Frankfurt am Main
Referee:Hans-Reinhard BrodtGND, Volkhard A. J. KempfORCiDGND
Document Type:Doctoral Thesis
Language:German
Year of first Publication:2013
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Granting Institution:Johann Wolfgang Goethe-Universität
Date of final exam:2012/12/14
Release Date:2013/03/11
Page Number:117
HeBIS-PPN:334147778
Institutes:Medizin / Medizin
Dewey Decimal Classification:6 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften / 61 Medizin und Gesundheit / 610 Medizin und Gesundheit
Sammlungen:Universitätspublikationen
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