Nachidealistisches Kontingenzbewusstsein : zum Verhältnis von Handlung und Kontingenz in Grabbes "Herzog Theodor von Gothland", "Napoleon oder die hundert Tage" und in Büchners "Danton's Tod"

  • Antonio Roselli nähert sich dem Verhältnis von Handlung und Kontingenz. Im Mittelpunkt seiner Analysen stehen Grabbes "Herzog Theodor von Gothland" und "Napoleon oder die hundert Tage" sowie Büchners "Danton's Tod". Er betrachtet sie mit Blick auf ihre kritische Verarbeitung der Implikationen der Großformation 'Geschichtsphilosophie', weil diese in ihrer idealistischen Ausprägung als Stabilisierungsverfahren auf die Erfahrung der Beschleunigung und der damit einhergehenden wachsenden Kontingenzerfahrung reagiert, dabei aber die Gründe für ihr eigenes Scheitern mitproduziert. Wenn man das "Modell des Zerrissenen" als symptomatisch nicht nur für die Problematisierung des 'Helden' im Bildungsroman, sondern auch für eine grundlegende Problemlage der Übergangszeit zwischen Restauration und Revolution annimmt, dann zeigen sich "Antriebsschwäche und Tatenlosigkeit, aber auch eruptive Ausbrüche und Aggression" als Modi der Thematisierung von Handlung im Drama. Das Schwanken zwischen diesen beiden Polen kann man bei Büchner und Grabbe als Inszenierung von Handlungsverweigerung (Fatalismus) und Handlungsermächtigung (Dezisionismus) wiederfinden. Christoph Menke unterscheidet bezüglich des Theaters zwischen 'eine Handlung ausführen' und 'eine Handlung vorführen': Das Ausführen einer Handlung ist zweckorientiert; in der im Theater stattfindenden Vorführung der Handlung soll dagegen "nicht durch ihre Ausführung der Zweck der Handlung erreicht, sondern die Form der Handlung sichtbar werden". Durch die Sichtbarmachung der Handlungsformen kann das Zusammenwirken verschiedener Elemente wie Zweck und Mittel, Akteur und Adressat, Akt und Situation erkennbar gemacht werden. An diese Unterscheidung anknüpfend geht Roselli davon aus, dass im Drama Wandlungen in den Handlungsmodellen sichtbar werden. So kann die Auswirkung einer gesteigerten Kontingenzerfahrung, wie sie besonders die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts kennzeichnet, nachgewiesen werden. Am Ende geht Roselli in einem Ausblick auf die Frage nach der Identifizierung von "Kontingenz-Gattungen" ein und skizziert kurz eine Entwicklungslinie im Übergang zum Realismus.

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Metadaten
Author:Antonio Roselli
URN:urn:nbn:de:hebis:30:3-522041
ISBN:978-3-89528-924-8
Parent Title (German):Jahrbuch / FVF, Forum Vormärz Forschung
Publisher:Aisthesis Verlag
Place of publication:Bielefeld
Document Type:Article
Language:German
Year of first Publication:2012
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Contributing Corporation:Forum Vormärz Forschung
Release Date:2020/07/01
GND Keyword:Grabbe, Christian Dietrich; Napoleon; Herzog Theodor von Gothland; Büchner, Georg; Dantons Tod; Geschichtsphilosophie; Kontingenz; Handlung
Volume:17.2011
Page Number:44
First Page:138
Last Page:181
HeBIS-PPN:46748337X
Dewey Decimal Classification:8 Literatur / 83 Deutsche und verwandte Literaturen / 830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
Sammlungen:Germanistik / GiNDok
CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft / Aisthesis Verlag
BDSL-Klassifikation:15.00.00 19. Jahrhundert / BDSL-Klassifikation: 15.00.00 19. Jahrhundert > 15.15.00 Zu einzelnen Autoren
Zeitschriften / Jahresberichte:Jahrbuch / FVF, Forum Vormärz Forschung / Jahrbuch / FVF, Forum Vormärz Forschung - 17.2011
:urn:nbn:de:hebis:30:3-522003
Licence (German):License LogoDeutsches Urheberrecht