Eine qualitative und quantitative Studie zum Einsatz der virtuellen Mikroskopie in der Schule

  • Das Mikroskop stellt in der Alltagswelt ein Sinnbild für naturwissenschaftliches Arbeiten dar (Coleman 2009, Paulsen 2010). Im Bereich der Lehre eröffnet dieses Laborgerät das Eintauchen in die mikroskopische Dimension und besitzt eine wesentliche Rolle bei der damit verbundenen Erkenntnisgewinnung, insbesondere von funktionsmorphologischen Konzepten (Gropengießer & Kattmann 2008, Kremer 2002). Jedoch wird die Durchführung der klassischen Mikroskopie und damit die aktive Auseinandersetzung mit mikroskopischen Präparaten im schulischen (Biologie-)Unterricht durch verschiedene Faktoren erschwert. Zu den Limitierungen gehören beispielsweise die Verfügbarkeit geeigneter Mikroskope und Dauerpräparate, die aufwendige Vor- und Nachbereitungszeit sowie der zeitliche Aufwand bei der Herstellung hochwertiger mikroskopischer Frischpräparate. Die virtuelle Mikroskopie könnte diese Schwierigkeiten umgehen. Das virtuelle Mikroskop kann als eine Simulation verstanden werden, bei der die bildanalytischen Vorgehensweisen bei mikroskopischen Präparaten analog zur klassischen Mikroskopie nachvollzogen werden können (Gu & Oglivie 2005, Hentschel 2009). Hierbei umfasst das virtuelle Mikroskop ein Akquisitionssystem zum Einscannen und Digitalisieren mikroskopischer Präparate, einen Server zum Speichern und Bereitstellen der entstandenen virtuellen hochauflösenden Aufnahmen (WSI) sowie eine Bildbetrachtungssoftware auf einem Anwendungsrechner (Kalinski et al. 2006). Basierend auf einer Nutzerbefragung wurde eine Betrachtungssoftware programmiert, die hinsicht¬lich ihrer Benutzerfreundlichkeit und ihren Eigenschaften auf den schulischen Einsatz angepasst wurde. Um die Relevanz in diesem Anwendungsfeld zu testen, wurden die Untersuchungen der vorliegenden Arbeit sowohl im Schülerlabor Goethe BioLab als auch in der universitären Lehre der Abteilung für Didaktik der Biowissen¬schaften der Goethe–Universität Frankfurt am Main durchgeführt. Der Schülerlabortag „Blut und das virtuelle Mikroskop“ wurde entwickelt, um die computerbasierte virtuelle Mikroskopie mit Schülern ergänzend zur klassischen Mikroskopie in einem fachlichen Kontext anzuwenden und zu erforschen. Beruhend auf der Vergleichbarkeit beider Mikroskopiemethoden (Paulsen et al. 2010) lagen die Forschungsschwerpunkte neben der Nutzung der Software durch Schülerinnen und Schülern auf einer gegenüberstellenden Beurteilung beider mikroskopischer Verfahren von Schülern und Lehramtsstudierenden. Es wurden in diesem Zusammenhang drei zentrale Forschungsfragen formuliert. Die erste Forschungsfrage untersucht das Nutzerverhalten der Schüler (n = 123) bei der virtuellen Mikroskopie mittels automatisch generierter Datensätze während der Anwendung der Bildbetrachtungssoftware. Die Analyse der Anwendungsdaten zeigt, dass das mikroskopische Sehen, insbesondere das Fokussieren auf relevante Bildbereiche, im virtuellen Humanblutausstrich angewandt wurde. Die zweite Forschungsfrage untersuchte das aktuelle Interesses bei Schülern (n = 293) im direkten Vergleich zwischen virtueller und klassischer Mikroskopie. Dabei wurde das aktuelle Interesse aufgrund des engen Zusammenhangs zum Lernen (vgl. Krapp 1992a) als Indikator der Lernwirksamkeit gewählt. Die Erhebung erfolgte mittels eines Fragebogens. Die Ergebnisse dieser Untersuchung zeigen, dass der Einsatz beider mikroskopischer Verfahren das aktuelle Interesse fördert, das emotionale und das wertbezogene Merkmal sich jedoch zugunsten der klassischen Mikroskopie signifikant unterscheiden. Im Rahmen der dritten Forschungsfrage erfolgte eine Beurteilung der Vorteile virtueller Mikroskopie gegenüber der klassischen Mikroskopie von Schülern (n = 504) sowie Lehramtsstudierenden (n = 247). Hierbei diente ebenfalls ein Fragebogen als Grundlage der Erhebung. Die Auswertung zeigt, dass sowohl die Schüler als auch die Studierenden die Vorteile der virtuellen Mikroskopie klar erkennen. Es liegen jedoch signifikante Unterschiede zwischen den Versuchsgruppen vor. Die Schüler bewerten die Vorteile betreffend der Förderung von Lernprozessen, des Erkennens von Strukturen und des mikroskopischen Zeichnens höher. Zusammenfassend bestärken die Ergebnisse dieser Studie die Ansicht, dass das virtuelle Mikroskop nicht als Ersatz, sondern als sinnvolle Ergänzung zu der klassischen Lichtmikroskopie angesehen werden sollte (Bloodgood et al. 2006, Berg et al. 2016, Braun & Kearns 2008, Hufnagl et al. 2012, Mione et al. 2013, Santiago 2018, Scoville & Buskirk 2007). Dabei sollte die vorliegende Arbeit als Einstieg verstanden werden, um bestehende Forschungslücken zu verkleinern, damit ein Transfer der virtuellen Mikroskopie in den schulischen Kontext möglichst lernwirksam erfolgen kann.
  • In everyday life, the microscope is the allegory of natural science (Coleman 2009, Paulsen 2010). In academia, this laboratory instrument plays a decisive role in opening up microscopic perspectives and the associated acquisition of knowledge, particularly of functional morphological concepts (Gropengießer & Kattmann 2008, Kremer 2002). However, the application of classical microscopy and hence, the active examination of microscopic preparations as part of scholastic (biology) lessons is limited by various factors. These do not only include a lack in availability of suitable microscopes and durable preparations, the time-consuming preparation and post-processing time as well as the time required to prepare high-quality microscopic fresh preparations. Virtual microscopy has the ability to avoid such complications. The virtual microscope can be understood as a simulation in which the image analytical procedures of microscopic preparations can be reproduced analogously to classical microscopy (Gu & Oglivie 2005, Hentschel 2009). Here, virtual microscopy consists of an acquisition system for scanning and digitalizing microscopic compounds, a server for saving and providing the resulting high-definition whole slide images (WSI), as well as an image viewing software installed on a client computer (Kalinski et al. 2006). Based on a user survey, a separate image viewing software has been programmed and adapted to suit scholastic usage. In order to test the relevance in this field of application, the research of the present work was conducted both in the out-of-school laboratory Goethe BioLab as well as in the university doctrine of the Department of Didactics – Biological Science at the Goethe University Frankfurt am Main. The laboratory day “Blood and the virtual microscope” was designed to apply and explore computer-based virtual microscopy, in addition to classical light microscopy. Based on the comparability of both microscopic methods (Paulsen et al. 2010), the main focus of the research, apart from the use of the software by pupils, was on a comparative assessment of these two methods by pupils and teacher trainees. In this context, three major questions of research were raised. The first research question examined the user behavior of students (n = 123) in virtual microscopy analysed automatically generated data sets while using the image viewing software. The evaluation reveals that microscopic vision has applied, in particular when focusing on relevant image regions of the virtual human blood smear. The second research question investigated the current level of the pupils´ interest (n = 293), directly comparing virtual and classical microscopy. Due to its close connection to learning (cf. Krapp 1992a), the current level of interest was chosen as an indicator of effectiveness in learning. This study was conducted using a questionnaire. Results show that both methods of microscopy advance the current level of interest. However, the emotional and the value-related valences significantly differ in favour towards classical microscopy. Within the scope of the third research question, the advantages of virtual microscopy compared to classical microscopy of pupils (n = 504) and teacher trainees (n = 247) were assessed. Analysis shows that both pupils and teacher trainees recognize the advantages of virtual microscopy. However, there are significant differences in the pupils´ evaluation regarding the furtherance of learning processes, the recognition of structures and microscopic sketching. In summary, the results of this study confirm the position that virtual microscopy should not be seen as a replacement but as a sensible addition to the traditional light microscopy (Bloodgood et al. 2006, Berg et al. 2016, Braun & Kearns 2008, Hufnagl et al. 2012, Mione et al. 2013, Santiago 2018, Scoville & Buskirk 2007). This thesis should be understood as an introduction in order to close existing research gaps assure and to ensure a possible transfer of virtual microscopy into scholastic setting in the most learning efficient way.

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Metadaten
Author:Alena Greßler
URN:urn:nbn:de:hebis:30:3-526355
Place of publication:Frankfurt am Main
Referee:Paul W. DierkesORCiD, Andreas Christian
Advisor:Paul W. Dierkes
Document Type:Doctoral Thesis
Language:German
Year of Completion:2019
Year of first Publication:2019
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Granting Institution:Johann Wolfgang Goethe-Universität
Date of final exam:2019/12/18
Release Date:2020/01/09
Tag:Digitalisierung; Mikroskopie; Schülerlabor; aktuelles Interesse; virtuelles Mikroskop
Page Number:263
HeBIS-PPN:457457139
Institutes:Biowissenschaften
Dewey Decimal Classification:5 Naturwissenschaften und Mathematik / 57 Biowissenschaften; Biologie / 570 Biowissenschaften; Biologie
Sammlungen:Universitätspublikationen
Sammlung Biologie / Biologische Hochschulschriften (Goethe-Universität)
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