Travens 'Baumwollpflücker' : Ein Nobody verfertigt seine do-it-yourself-Poetik

  • Wie sah die neue Erzählstrategie aus, die Ret Marut entwickelt hat, seitdem er in Mexiko saß und sich Traven nannte? Welchen neuen Pakt mit den Lesern bot er an und schloss er faktisch für die Dauer seiner weiteren Produktion? [...] Er suchte (um es erst einmal pauschal zusammenzuraffen) von den Erfahrungen seiner neuen Existenz aus, mit Zuhilfenahme sozialer Imagination, ein verlässliches Kontinuum von Situationen zu schaffen, das ein Publikum fesselnd unterhalten und dabei noch anschaulich politisch belehren konnte. Die Tradition der Abenteuerstory aus fremden Weltteilen bot ihm dazu ein hin-reichend ausbaufähiges Muster. Geeignet für seine Zwecke wurde dieses Muster aber erst dadurch, dass er es gegen den Strich bürstet: Er reduziert die Exotik auf solche Merkwürdigkeiten, die die tatsächliche (etwa tropische oder maritime) Besonderheit einer fremden Welt unterstreichen (mit kleinen Übertreibungen). Er versetzt keine Helden: keine besonders starken, mutigen oder edelmütigen Wesen dort hinein, sondern x-beliebige Menschen. Und er konzentriert das Abenteuerliche auf das wirkliche Abenteuer, sich in kapitalistisch organisierten Arbeitsverhältnissen durchzuschlagen und dabei, so gut es geht, Mensch zu bleiben. Dieses eigenständige Schreibziel, das Traven mit nur wenigen Abenteuerschriftstellern sowie mit Upton Sinclair und Egon Erwin Kisch teilt, machte ein ganzes Bündel von Änderungen an dem gut eingeführten und nach wie vor vitalen Genre der abenteuerlichen Geschichte erforderlich. Die Lebensstellung und die Haltung des Helden, die Seriosität des Erzählers, der keine Lust hat zu diktieren oder geheimes Wissen, geschweige denn Allwissenheit vorzuflunkern, die Lockerheit oder Straffheit des Handlungsfadens mussten ebenso neu konzipiert werden wie der Umgang mit den auf die Pelle rückenden, aber notwendig zu bändigenden Gegebenheiten des Dschungels und der Prärie und mit der Vielfalt von Unterhaltsmöglichkeiten, die alle nach dem eintönigen ökonomischen Muster der Ausbeutung gestrickt waren. Um die tragenden Pfeiler dieser narratologischen Poetik zu untersuchen, die im Wesentlichen von den frühen vier oder fünf Romanen des neuen Erzählgestirns Traven bis zu seinem 'Caoba'-Zyklus vorhielt (von 1925 bis 1940), halte ich mich an den Roman 'Der Wobbly' (1926), der als 'Die Baumwollpflücker' (von 1928 an) berühmt wurde. Da jeder Roman Travens als selbständige Einheit für sich konzipiert ist, gelten meine Ausführungen streng genommen nur für diesen einen Roman. Immerhin liefert er, den Traven vermutlich als ersten ausgearbeitet hat, wichtige Vorentscheidungen für das ganze neugestaltete Genre und ein Kaleidoskop von Erzähl-künsten, die der Autor weiterhin eingesetzt hat.

Download full text files

Export metadata

Additional Services

Share in Twitter Search Google Scholar
Metadaten
Author:Gerhard Bauer
URN:urn:nbn:de:hebis:30:3-361407
ISBN:978-3-8260-4797-8
ISBN:3-8260-4797-4
Parent Title (German):B. Traven : Autor – Werk – Werkgeschichte / hrsg. von Günter Dammann
Publisher:Königshausen & Neumann
Place of publication:Würzburg
Editor:Günter Dammann
Document Type:Part of a Book
Language:German
Year of Completion:2012
Year of first Publication:2012
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Release Date:2014/12/17
GND Keyword:Traven, B. / Die Baumwollpflücker; Erzähltheorie; Poetik
Page Number:17
First Page:165
Last Page:181
HeBIS-PPN:385092822
Dewey Decimal Classification:8 Literatur / 83 Deutsche und verwandte Literaturen / 830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
Sammlungen:Germanistik / GiNDok
BDSL-Klassifikation:17.00.00 20. Jahrhundert (1914-1945) / BDSL-Klassifikation: 17.00.00 20. Jahrhundert (1914-1945) > 17.18.00 Zu einzelnen Autoren
Licence (German):License LogoDeutsches Urheberrecht