[Rezension zu:] Franck Mercier, La Vauderie d’Arras. Une chasse aux sorcières à l’automne du Moyen Âge, Rennes (Presses universitaires de Rennes) 2006, 414 S., 13 Abb., ISBN 2­-7535-­0191-­2, EUR 22,00

  • Trotz des enggefassten Titels bietet die vorl. Arbeit mehr als nur eine Untersuchung der angesprochenen "Waldenserprozesse", die in den Jahren 1459–60 die Einwohner von Arras und über die Stadt hinaus auch die umgebenden Territorien erschütterten. In einem breiten Panorama versucht der Autor eine Neudeutung der Häretiker- und Hexenprozesse, die über eine rein ideologiekritische Analyse materieller Interessen der Verfolger hinausgeht. In drei großen Abschnitten zum "Trugbild der Verfolgung", zum "Weg der burgundischen Herzöge zur Souveränität" und zur "Logik der Inquisition" werden Ablauf und Umfeld der Prozesse entwickelt, in denen 34 Personen verschiedenster sozialer Situierung eines Paktes mit dem Teufel beschuldigt und als Ketzer verurteilt wurden. Von besonderem Interesse mag hier die über weite Gebiete ausgreifende Entwicklung des Imaginaire eines "Hexensabbats" sein, welche den behandelten artesischen Raum mit den Randgebieten Savoyens verbindet, wo ebenfalls die Figur des magischen Flugs auf einem Stock und des Bündnisses mit dem Teufel früh präsent wird. Grundlage der Ausführungen zu Arras sind u. a. der jüngst neu edierte "Waldensertraktat" des Johannes Tinctorius sowie die bereits von Hansen publizierte Recollectio casus, status et condicionis Valdensium eines anonymen Autors, der Mitglied des Inquisitionstribunals war und vielleicht mit Jacques du Bois identifiziert werden kann, dem Dekan des Domkapitels von Arras. Wie aber lässt sich die frenetische Verfolgung von randständigen Personen ebenso wie von städtischen Honoratioren erklären, die der Stadt als ganzer massive Nachteile brachte, da die unsichere Situation ihren Ruf soweit schädigte, dass auswärtige Händler den Kontakt vermieden? Folgt man Mercier, so stand mehr im Hintergrund als eine spontane Aufwallung religiösen Fanatismus’ oder der Versuch, sich einzelner Personen unter einem unangreifbaren Vorwand zu entledigen. Detailliert geht er dem Prozessverlauf nach (soweit dies angesichts der großen Brandverluste des lokalen Archivs möglich ist), über weite Passagen anhand der chronikalischen Überlieferung Jacques du Clercqs. Diese Quelle zeigt in Verbindung mit der anonymen Recollectio den Weg zu einem geradezu entgrenzten juristischen Verfahren auf, in dessen Verlauf das Wort der Angeklagten immer mehr an Zeugniswert verlor und lediglich das gesuchte Eingeständnis der dämonischen Verbindung als vollwertige und wahrheitsgemäße Aussage akzeptiert wurde. Wenn hier die üblichen Schranken und Vorsichtsmaßnahmen beim Einsatz der Folter fallen, so ist dies in erster Linie mit dem Stellenwert zu erklären, den die Vorstellung der Majestätsbeleidigung, der "lèse-majesté", erhält. ...

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Metadaten
Author:Klaus Oschema
URN:urn:nbn:de:hebis:30:3-492589
URL:https://prae.perspectivia.net/publikationen/francia/francia-recensio/2008-2/MA/Mercier_Oschema
ISSN:2425-3510
Parent Title (German):Francia Recensio
Publisher:Thorbecke ; Deutsches Historisches Institut
Place of publication:Ostfildern ; Paris
Contributor(s):Franck Mercier
Document Type:Review
Language:German
Year of Completion:2008
Date of first Publication:2008/10/26
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Release Date:2019/03/12
Tag:1459-1461
GND Keyword:Arras; Hexenprozess
Volume:35
Issue:2, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500)
Page Number:3
Note:
Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de
HeBIS-PPN:447279777
Institutes:Philosophie und Geschichtswissenschaften / Geschichtswissenschaften
Dewey Decimal Classification:2 Religion / 20 Religion / 200 Religion
3 Sozialwissenschaften / 30 Sozialwissenschaften, Soziologie / 300 Sozialwissenschaften
3 Sozialwissenschaften / 34 Recht / 340 Recht
9 Geschichte und Geografie / 94 Geschichte Europas / 940 Geschichte Europas
Sammlungen:Universitätspublikationen
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