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Im Zentrum der folgenden Überlegungen stehen die (fiktionalen, idealen) Entwürfe von „Männlichkeit“ und „Weiblichkeit“ in der deutschen Literatur des Mittelalters im allgemeinen und speziell im Werk Ulrichs von Liechtenstein, die dort beobachtenden literarischen Konstruktionen von sozialen Rollen, aber auch von männlichen und weiblichen Körpern – und (...) das Spiel mit diesen Konstruktionen und ihrer Montage.
Das Lied MF 159,1 interessiert die Minnesang-Philologie vorrangig als einer der beiden Ausgangspunkte für Walthers Reinmar-Parodie L 111,23. (...) Doch weder (...) Abweichungen in der Strophenfolge noch die – zum Teil eklatanten – Unterschiede im Wortlaut vermochten das Interesse der Forschung recht zu wecken.
Die Sehnsucht nach wahren Geschichten : Mittelalter-Rezeption in der deutschen Gegenwartsliteratur
(2008)
In einer Zeit, in der einerseits die Vermittlung der zentralen Mythen und Texte des europäischen Abendlandes – der Antike ebenso wie des Mittelalters – immer stärker aus dem kanonischen Inhalten der Bildungsinstitutionen (...) verdrängt wird, (...) sind es nicht zuletzt die Autorinnen und Autoren der Gegenwartsliteratur, denen das Verdienst zukommt, die Werke ihrer mittelalterlichen Vorgänger wieder in das ‚kulturelle Gedächtnis’ der Jetztzeit einzuschreiben. Eben deshalb verdient diese Spurensuche mediävistisches Interesse (...)
Die folgenden Ausführungen thematisieren die Voraussetzungen und Besonderheiten, die es bei der Anwendung dieses methodischen Ansatzes auf die deutsche Literatur des Mittelalters und der frühen Neuzeit zu beobachten gilt. Dabei kommt die Literatur dieses Zeitraums schon deshalb ein besonderer Stellenwert zu, da hier vielfach die ersten (deutschsprachigen) Belege für die fiktionale Festschreibung der traditionellen Geschlechterrollen zu finden sind.
Das Paradoxon weiblichen Sprechens im Minnesang : Überlegungen zur Funktion der sog. Frauenstrophen
(1991)
Nur in der Apotheose eines weiblichen Ich, das unerreichbar für sein männliches Gegenüber bleibt und in größtmöglicher Distanz zur sozialen Lebenswirklichkeit von Frauen gedacht wird, kann Stärke und Macht glaubhaft symbolisieren. (…) In der Prägung und im Gebrauch des Begriffs ‚Frauenstrophe’ kulminiert ein Phänomen, das – oberflächlich betrachtet – zuerst einmal die ältere deutsche Literatur und ihre Philologie wenig zu tangieren scheint: die kontroverse Diskussion um die Existenz, historische Nachweisbarkeit und Beschaffenheit einer ‚weiblichen’ Ästhetik, Literatur und Sprache.
Die Literatur des Mittelalters produziert unterschiedliche Konzeptionen von ‚Weiblichkeit’ und weiblichen Körpern. Mich interessieren an dieser Stelle weniger die kanonischen Entwürfe des schönen (…) Frauenkörpers durch männliche Autoren als vielmehr der angestrengte Versuch einer normativen Konditionierung, die sich im wesentlichen der Strategien raumzeitlicher und mentaler De-Mobilisierung sowie physischer und intellektueller Reduktionierung bedient. (…) Es geht (…) um eine Kenntlichmachung des Sonderfalls ‚weiblicher Körper’ über das Medium der Literatur, deren Ziel – nur scheinbar paradoxerweise – sein Unsichtbarmachen zu sein scheint.
In der deutschsprachigen Literatur des Mittelalters und der frühen Neuzeit entfällt – für fast alle Bereiche der weltlichen Literatur und so auch für die moralisch-didaktischen Werken – die Möglichkeit eines Vergleichs von Texten männlicher und weiblicher Autoren, wie sie für den französischen Sprachraum der gleichen Zeit etwa durch die Ausnahmeerscheinung einer Autorin wie Christine de Pizan möglich ist. Ihre Werke lassen deutlich werden, daß es für Frauen, die eine entsprechende Bildung und Selbstständigkeit aufzuweisen hatten, durchaus möglich war, andere Idealbilder weiblichen Verhaltens und weiblicher Lebensformen zu entwerfen, selbst unter der Voraussetzung einer grundsätzlich Gültigkeit und Akzeptanz christlicher Wertvorstellungen.
Im Falle jenes Textes, dem die (...) Überlegungen gelten sollen, handelt es sich freilich um eine fatale Verknüpfung von Umständen, die seiner editorischen Erschließung entgegenwirken, obwohl der ‚Ritter vom Thurn’ mit zu den erfolgreichen und immer wieder neu aufgelegten Werken der frühen Druckgeschichte zu zählen ist: (...) Der autobiographische Fiktionsrahmen um seine Übersetzung des ‚Livre du Chivalier de la Tour pour l’enseignment de ses filles’ wird durch die Existenz der Töchter Elsa und Jakobea (...) bestärkt.
Die Geburtsstunde der ‚Hexe’ als populäres Identifikationsmuster für weiblichen Widerstand gegen die fortdauernde gesellschaftliche Diskriminierung und Unterdrückung der Frau liegt mittlerweile mehr als ein Jahrzehnt zurück. (...) Im Zentrum dieser Widerstandaktion stand als wesentliches Interesse das Selbstbestimmungsrecht der Frau über sich selbst und ihren Körper im umfassenden Sinne. (...) Die feministische Bewegung der siebziger und achtziger Jahre war in erster Linie ein teils loses, teils enges Netzwerk intellektueller Frauen, zumindest was ihre prägenden Vertreterinnern und besonders ihr theoretisches Fundament betrifft (...)