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"Es geht, denkt man Büchner zu Ende, um einen Wendepunkt in der Literatur, um eine Drehung der Perspektiven in genau dem Augenblick, da ein deutscher Philosoph ein Gespenst an die Wand malte. Und dieses Gespenst hieß 'Der Tod der Kunst'. Wenn der Urteilspruch stimmt, dann war Büchner einer der ersten am Grab, dann ist sein Werk der früheste Kommentar zum eröffneten Testament. Büchner hat [...] einen Ausfall gewagt, einen Befreiungsschlag in höchster Bedrängnis. Mit einem Salto mortale hat er die Dichtung von der Zumutung befreit, hinwegspielen zu müssen gleichermaßen über das elende Reale wie über das reale Elend. Was ihm gelang, war nichts Geringeres als eine vollständige Transformation: Physiologie aufgegangen in Dichtung. Und es war nicht ein Sonderweg, wie sich herausgestellt hat, es war der Anfang einer Versuchsreihe, die bis zum heutigen Tag fortgeführt wird. [...] Zum Vorschein kam eine härtere Grammatik, ein kälterer Ton: das geeignete Werkzeug für die vom Herzen amputierte Intelligenz." Die Beziehung, die Durs Grünbein zwischen Naturwissenschaft - insbesondere Physiologie und Medizin - einerseits und ästhetischer Erfahrung andererseits erblickt, ist für das Verständnis seiner Poetik von entscheidender Bedeutung. Sie entzündet sich an der Kritik des ästhetischen Scheins. In der Ästhetik bestimmt Hegel den Schein als eine Überwindung des sinnlich Unmittelbaren durch die ästhetische Formverleihung, die das Sinnliche zur Manifestation von Wahrheit macht und dadurch vom vorästhetisch Sinnlichen abhebt, das in einem Zustand opaker Faktizität verbleibt, unfähig, an sich das Wahre durchschimmern zu lassen: "In der gewöhnlichen äußeren und inneren Welt erscheint die Wesenheit wohl auch, jedoch in der Gestalt eines Chaos von Zufälligkeiten, verkümmert durch die Unmittelbarkeit des Sinnlichen und durch die Willkür in Zuständen, Begebenheiten, Charakteren usf. [...] die Täuschung dieser schlechten, vergänglichen Welt nimmt die Kunst von jenem wahrhaften Gehalt der Erscheinungen fort und gibt ihnen eine höhere, geistgeborene Wirklichkeit." Dadurch entkräftet Hegel meisterhaft die Vorwürfe von Unwahrheit und Betrug, die an die Adresse des ästhetischen Scheins erhoben werden, indem er zeigt, daß die "ganze Sphäre der empirischen inneren und äußeren Welt [...] in strengerem Sinne als die Kunst ein bloßer Schein und eine härtere Täuschung zu nennen ist".
Bekanntlich profitierte die Ästhetik des expressionistischen Stummfilms auf maßgebliche Weise von der bildenden Kunst. [...] Im Folgenden Beitrag möchte ich einem umgekehrten Fall von Transmedialität nachgehen, der als synergetischer Re-Import die Ausstrahlung der Stummfilmästhetik auf die spätexpressionistische Kunst belegt: die Adaptation von Robert Wienes Stummfilm "Raskolnikow" (1923) im xylographischen "Raskolnikoff-Zyklus" (1926) des Schweizer Expressionisten Hermann Scherer (1893-1927). Zunächst soll Wienes Stummfilm selbst in seiner Dostojewskij-Transposition kurz besprochen und anschließend dessen transmediale Rezeption bei Scherer untersucht werden. Getragen wird der Aufsatz von einer doppelten, medienkomparatistischen und medienhistorischen Fragestellung. In medienkomparatistischer Perspektive gilt der Fokus des Beitrags einem Fall von Transmedialität, welche Literatur, Stummfilm und bildende Kunst betrifft. Gefragt wird nach den Differenzen, die aus der transmedialen Transposition des literarischen Werkes in das filmische Medium und dann in die Druckgraphik gezeitigt werden. In historischer Perspektive soll Scherers "Raskolnikoff-Zyklus" vor dem Hintergrund der durchaus agonalen Wechselbeziehung zwischen Film und bildender Kunst im medialen Umbruch der zwanziger Jahre kontextualisiert werden, als der Siegeszug des Films das Bildmonopol der bildenden Kunst endgültig aufhob.