CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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Dass zu den erfolgreichsten Wörtern in der Zeit der Aufklärung die Begriffe Gespenst und Geist zählen, unterstreicht Elisa Leonzio in ihren Ausführungen. Je entschlossener die Rationalisierungsversuche solcher Phänomene in Angriff genommen werden, desto mehr verbreitet sich paradoxerweise die (technische) Geisterseherei und steigt die Faszination für das Übernatürliche. Ausgehend von dem dualistischen Einschluss des Unheimlichen in die Gattung des Romans untersucht Leonzio Christoph Martin Wielands "Agathon" (1766) und Jean Pauls "Unsichtbare Loge" (1793). Dabei wird erkennbar, wie wesentlich für Jean Pauls Poetologie das zeitgenössische Wissen über technische Apparaturen war, mit denen Geister aus dem Jenseits 'herbeigerufen' wurden.
Wie wir unseren Tod verloren : Biopolitik, Raum und Unheimlichkeit zwischen Neuzeit und Moderne
(2011)
Matthias Korn befasst sich mit einem Phänomen, das für gewöhnlich unter dem Signum der 'Verdrängung des Todes' gefasst wird. Er argumentiert jedoch, dass in Anbetracht der historischen Dokumente über den Umgang mit dem Tod und den Toten seit dem Mittelalter präziser von einem Ausschleichprozess gesprochen werden muss. Am Beispiel des neuzeitlichen Verhältnisses zum eigenen Tod als einem Gegenüber (Descartes) zeichnet Korn die biopolitischen Maßnahmen nach, die zu seiner allmählichen gesellschaftlichen Marginalisierung geführt haben und in die Errichtung von Friedhöfen außerhalb der Städte mündeten. Dies wird anschließend mit der Methode des Physiologen Xavier Bichat verglichen, wobei der Nachweis erbracht wird, dass die 'medizinisch-experimentelle' Dezentralisierung des Todes als analoger Versuch zu verstehen ist, dessen Unheimlichkeit zu bannen.
Eine Interpretation des relativ unbekannten Fragments "Clara, oder Zusammenhang der Natur mit der Geisterwelt" (1810-1811), das Friedrich Wilhelm Joseph Schelling kurz nach dem Tod seiner Frau Caroline schrieb, leistet Laurie Johnson. Obwohl dieses Fragment auch als Teil der damals aktuellen Diskussion über Techniken des Hellsehens und die Möglichkeit der Unsterblichkeit verstanden werden kann, richtet es sich vor allem auf die unheimliche Integration der Toten in den Alltag der Lebendigen. Johnson argumentiert, dass Clara als legitimer Bestandteil von Schellings Philosophie gelesen werden kann und daher als bedeutungsvoller Beitrag sowohl zum romantischen Theorie-Diskurs als auch zur Geschichte des Unheimlichen.
Jan Niklas Howe untersucht Freuds Modell des Unheimlichen im Hinblick auf ästhetische und reale Emotionen und bezieht sich dabei auf neuere psychologische Forschungen von 'mere exposure', 'prototypicality' und 'cognitive fluency'. Das Gefühl des Unheimlichen lässt sich Howe zufolge auf Wiederholungsprozesse zurückführen und als Rekontextualisierung ästhetischer Lust beschreiben, die notwendig zu höchst realer ästhetischer Unlust führt.
Von Okkultisten und Spiritisten an- und aufgeführte 'Geister-Zitationen' waren auch Sigmund Freud nicht entgangen. Sein Begriff einer 'Technik der Magie' nimmt in mehrfacher Hinsicht, so Rupert Gaderer in seinen Überlegungen, eine zentrale Rolle für das 'dynamische' Modell des Unheimlichen ein. Einerseits ist die 'Technik der Magie' ein Referenzpunkt zum 'primitiven' Zeitalter des Animismus, andererseits kann sie als spezifische Operation verstanden werden, die ein ambivalentes Wissen über das Unheimliche entstehen lässt. Dem folgend weist Gaderer darauf hin, dass Freuds Analyse der 'Technik der Magie' die Psychoanalyse selbst hat unheimlich werden lassen.
Konstruierte urbane Räume : zur unheim(e)lichen Interaktion und Interdependenz von Emotion und Beton
(2011)
Sandra Evans konzentriert sich in ihren Ausführungen auf sogenannte 'gated communities' und fragt, warum Menschen sich in selbstverwaltete Wohnkomplexe mit schützenden Mauern und Überwachungstechnologien zurückziehen. Um die in diesem Kontext häufig genannten Ursachen - Gefühle des Bedrohtseins, der Furcht und der Angst - genauer beleuchten zu können, rekurriert sie auf das Unheimliche in seiner sozio-politischen Dimension. Vor diesem Hintergrund kann sie erklären, dass das Vertraute - unabhängig etwa von der tatsächlichen Kriminalitätsrate - nicht selten mit Sicherheit in eins gesetzt wird, während das Unvertraute oder Unbekannte als unheimliche Bedrohung empfunden wird. Anstatt sich aber mit den eigentlichen Faktoren der Angst auseinanderzusetzen, verfallen Bewohner von 'gated communities' selbsttäuschenden Vermeidungstaktiken.
Geister versammeln : Vorwort
(2011)
Bereits zu Beginn seiner Abhandlung "Das Unheimliche" (1919) weist Sigmund Freud darauf hin, dass "dies Wort nicht immer in einem scharf zu bestimmenden Sinne gebraucht wird". Entsprechend charakterisiert sich für Freud das Unheimliche durch eine Vielzahl an schwer zu fassenden Eigenschaften: Es bezeichnet eine seltsame Nähe zwischen Wissen und Nichtwissen, erscheint als etwas Vertrautes in fremder Gestalt oder als etwas Fremdes mit vertrauten Eigenschaften. Diese Unfassbarkeit und Definitionsresistenz führt Freud implizit darauf zurück, dass das Unheimliche als "abseits liegendes" Thema vom ästhetischen Fachdiskurs weitgehend vernachlässigt wurde. Dieser Vorwurf hat mittlerweile deutlich an Aktualität eingebüßt: Längst fehlt es nicht mehr an einschlägigen Abhandlungen, deren Faszination für das Thema sich allerdings nicht daraus speist, dass das Unheimliche inzwischen eine eindeutige Bestimmung erfahren hätte, sondern umgekehrt daraus, dass es so vielgestaltig und schwer zu fassen ist.
Innerhalb des kulturellen Kontextes des vereinten Italien ist die unmittelbare Nähe von Wissenschaft und Unterhaltung von primärer Bedeutung. Einer der Gründe dafür war die "Theatralisierung der Wissenschaft" - ein Phänomen, das im neunzehnten Jahrhundert weit verbreitet war. In den 1860er und 70er Jahren gab es besonders in Mailand eine große Anzahl von Vorführungen, bei denen Phantaskope eingesetzt wurden und die sich außerordentlicher Beliebtheit erfreuten. Die überraschende Wirkung phantasmagorischer Aufführungen wurde durch Phänomene wie Magnetismus und Spiritismus verstärkt. Beide Kuriosa verbreiteten sich zu jener Zeit in Italien und stellten eine strikte Scheidung zwischen Wissenschaft und Unterhaltung in Frage. Im Folgenden werden die aufschlussreichsten Äußerungen dieser kulturellen Situation in einer Reihe populärer und politischer Zeitschriften der 1860er und 70er Jahre untersucht. Dabei ist von Interesse, dass mittels eben dieser Zeitschriften zum ersten Mal phantastische Literatur Eingang in die literarische Szene Italiens fand. Untersucht werden insbesondere Formen des Phantastischen, die durch die Interpretation von Phantasmagorien in einer Auswahl nicht-fiktionaler Texte noch verstärkt wurden. Es wird deutlich, dass in Italien zu dieser Zeit Phantasmagorien-Vorstellungen mit der politischen Rhetorik eng verwoben waren.
Voltaires Verwirrung
(2011)
Ausgehend von einer Anekdote über den 80 Jahre alten Voltaire hebt Fabio Camilletti die Wiederholungserfahrung als zentralen Aspekt des Unheimlichen hervor. Den Philosophen Voltaire, der durch den Anblick eines abendlich betenden Mädchens plötzlich beunruhigt und schockiert wird, versteht Camilletti als eine vielsagende Figur der ängstlichen Verzauberung. Dieser Begebenheit folgend untersucht der Beitrag das Unheimliche im Primitivismus des 19. Jahrhunderts und macht deutlich, dass die jeweiligen Bestrebungen, die Vergangenheit wiederzubeleben, mit Rückgriff auf die Struktur des Verdrängungsprozesses interpretiert werden können.
Dinge besitzen eine Ausstrahlung, sie können bezaubern und erschrecken, faszinieren und bannen. Diese Erfahrung machen Menschen nicht nur mit 'auratischen' oder 'authentischen' Kunstwerken, auch im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit scheinen Dinge ein Eigenleben zu führen. Nachdem konstruktivistische Zugänge versuchten, ihnen genau dieses auszutreiben, kehrt es seit einiger Zeit wieder: in der Rede von der Aktivität der Objekte und der Macht der Dinge. Dies lässt sich mit der Vokabel 'Fetischismus' ideologiekritisch brandmarken oder kulturtheoretisch verherrlichen. In diesem Beitrag wird ein anderer Weg beschritten. Zu Beginn konstatiert er eine Sehnsucht nach dem unmittelbaren Gegebensein der Dinge und präsentiert sodann einen Zugriff, der diesen Befund berücksichtigt, ohne auf den Bereich des Sakralen zurückzugreifen: sei dies in magischer, mythischer oder fetischistischer Form. Vielmehr baut er auf die Phantasmagorie, die sich im Profanen ansiedelt und es erlaubt, systematisch Ästhetik und Ökonomie, Technik und Politik aufeinander zu beziehen. Die Ausführungen laufen auf die These hinaus, dass sich mit der Phantasmagorie eine kritische Alternative zum Fetisch formulieren lässt, welche die profane Moderne mit ihren produktiven Möglichkeiten und Risiken in all ihrer Ambivalenz auf den Begriff zu bringen vermag.
Schiller sagt in seinem - laut Thomas Mann - "tiefsten und glänzendsten Essay": "Der Dichter [...] ist entweder Natur, oder er wird sie suchen. Jenes macht den naiven, dieses den sentimentalischen Dichter." Der naive Poet könne sich auf die "Nachahmung des Wirklichen" beschränken und habe deshalb "zu seinem Gegenstand auch nur ein einziges Verhältnis"; Aufgabe des sentimentalischen Schriftstellers hingegen sei "die Darstellung des Ideals", und hierfür gebe es "drei [...] mögliche Arten": "Satyre, Elegie und Idylle". Schiller verwendet hier Bezeichnungen für literarische Gattungen, die aus der Antike stammen und im 18. Jahrhundert noch in hohem Ansehen standen, betont aber mehrfach, daß er diese Bezeichnungen "in einem weiteren Sinne [...] als gewöhnlich" verstehen wolle: nämlich als "Empfindungsweise[n]" oder "Dichtungsweise[n]". Der satirische Dichter schildere "die Entfernung von der Natur und den Widerspruch der "Wirklichkeit mit dem Ideale"; der elegische Dichter setze "die Natur der Kunst und das Ideal der Wirklichkeit [...] entgegen" und stelle dabei die "Natur" als "verloren" und das "Ideal" als "unerreicht" dar; der idyllische Dichter schließlich gestalte die "Uebereinstimmung" zwischen Ideal und Realität (20,436-467).
Schiller hat damit den in den drei literarischen Gattungen dominierenden Merkmalen eine übergreifende Bedeutung gegeben. Gewiss treten die einzelnen künstlerischen Verfahrensweisen nicht rein auf und sollten deshalb nicht verabsolutiert werden - der Dichter selbst hat in seinen Werken diese Elemente durchaus miteinander vermischt Dennoch hat er - wie schon bei der grundsätzlichen Unterscheidung zwischen "naiver" und "sentimentalischer" Dichtung - heuristisch äußerst fruchtbare Distinktionen getroffen. Ich möchte seine Untergliederung zum Ausgangspunkt nehmen, um eine konkrete Problematik des Schillerschen Werkes zu untersuchen - nämlich das Verhältnis zwischen idyllischen und elegischen Zügen in seinem Antike-, insbesondere seinem Griechenbild - und darüber hinaus die Vielschichtigkeit dieses Bildes überhaupt herausstellen. (Satirische Elemente sind seinem Werk nicht fremd, spielen aber keine dominierende Rolle.)
Daß die Gesellschaft der Bundesrepublik eine Angestelltengesellschaft und ihre Kultur auch eine Bürokultur ist, belegt noch Volker Reiches erst kürzlich eingesteller STRIZZ-Comic in der FAZ mit seiner Hauptfigur, einer Karikatur auf die topischen Manien und Hypertrophien des Büroalltags und seines Personals: "Bürokultur muss verteidigt werden! Gepflegter Leerlauf hat auch seinen stillen Glanz!" - so der Titelheld in der Episode vom 3. Mai 2007. Mit solchen Attributen der Bürokultur spielt der Comictext sowohl an auf Rilkes "Glanz aus Innen", der die Armut sei, wie auch auf Hesses Schmetterling, der dem lyrischen Ich als "stiller Glanz" vom Paradies bleibe. Und solche Poetisierung des Büroalltags entspricht dem Julian Schmidt entlehnten Postulat und Motto von Gustav Freytags 'Soll und Haben' (1855), daß "der Roman [...] das deutsche Volk dort suchen [soll], wo es in seiner Tüchtigkeit zu finden ist, nämlich bei seiner Arbeit"; im gleichen Atemzug aber widerspricht dies einer Festtäglichkeit der Poesie, wie sie etwa Theodor Storm im Gedicht Märchen beschworen hat: "Ein Sonntagskind ist immer der Poet".
Was in der Literatur des bürgerlichen Realismus unter der Opposition von Alltag/Werktag und Festtag erscheint, ist in der westdeutschen Literatur der späten 1950er bis 1990er Jahre etwas anderes: Büroalltag ist hier erstens Allegorie der bundesrepublikanischen, voraussetzungsreichen und unwahrscheinlichen Normalität. Zweitens wird die Büroliteratur der Bundesrepublik lesbar als Reflexion über Rolle und Funktion des Intellektuellen in der bundesrepublikanischen Kultur, die als konformistische und normalistische und transzendenzlose in Erscheinung tritt. Die literarischen Mitschriften der westdeutschen Bürokratie sind, so die These dieses Beitrags, in viel stärkerem Maße von der Beobachtung und Reflexion dieser Trends motiviert als von den Bemühungen, die 'Arbeitswelt' zu literarisieren.
Das Pathos, mit dem die Intellektuellen seit 200 Jahren als moralische Autoritäten angerufen oder als 'Verräter' oder 'Volksfeinde' mißachtet wurden, ist einer generellen Ernüchterung gewichen. "Ich möchte nicht, daß Männer für mich denken", schrieb Sibylle Berg 2009 in Literaturen. Mit Habermas, Luhmann und Adorno weiß sie nichts mehr anzufangen. Vorstellen kann sie sich als Intellektuelle allenfalls "Susan Sontag, Hannah Arendt oder Oriana Fallaci [... ] Alle nicht deutsch. Alle eine Mischung aus Publizistinnen und Philosophinnen. Und Frauen." Immerhin gesteht sie auch den in ihrer Sicht langweiligen und wirkungslosen männlichen Intellektuellen eines zu: Zwar sei es "möglicherweise egal, ob es sie gibt oder nicht, die Intellektuellen. Nur so langweilig ist es ohne sie. So grau und reduziert auf unsere Grundbedürfnisse: Fernsehen schauen, essen und meckern." Was hier eher leichtgewichtig als Kultur- und Patriarchatskritik daherkommt, findet sein positives Pendant im Konzept des 'nomadischen Intellektuellen', wie es Toni Tholen Enzensberger zuschreibt. Dessen Unterhaltungswert bleibt auch hier im Zentrum: Von besonderem Interesse sei "das Verfahren des Sich-Aussetzens", das das Ich zum Schauplatz innerer Erfahrung, nicht notwendigerweise aber prinzipienfester Selbstbehauptung mache. Damit aber ist jenes Moment des Posierens, Inszenierens und Skandalisierens ausgesprochen, das die intellektuelle Intervention von allem Anfang an begleitet hat - und vielleicht ihr zentrales Charakteristikum bildet. Zwischen Arbeitszimmer und Literatencafé, punktuellem Engagement und "Distanz gegenüber allen festen Positionen und ihren Inhabern", zwischen Bekenntnis und Verrat profiliert sich der/die Intellektuelle als "Paria und Privilegierter" gleichermaßen.
Nach der Wende ins 21. Jahrhundert gilt deutsche Geschichte für deutsche Schriftsteller nach wie vor als ein privilegiertes Experimentierfeld für Erkundungen, Infragestellungen, Neubesinnungen. Wie bei Günter Grass' Novelle 'Im Krebsgang' (2002) oder bei Christoph Heins Roman 'Landnahme' (2004) wird die deutende Sinngebung des Vergangenen als ein Beitrag zum kollektiven Gedächtnis der Nation konzipiert. Immer wieder stößt man bei näherer Betrachtung auch der literarischen Produktion aus den 1990er Jahren auf Texte, die erkennen lassen, in welchem Maße Erinnerung an deutsche Vergangenheit immer noch als eine unerlässliche Voraussetzung für das Verständnis der Gegenwart angesehen wird. Auch die Debatte um den Luftkrieg, die von W. G. Sebald ausgelöst wurde, gehört in diesen Kontext als ein Versuch, ein schmerzhaftes Kapitel der Kriegsgeschichte ohne Ressentiments und mit der nötigen Einfühlung in das Leid der eigenen Nation nachzuholen. Wissenschaftliche Forschung hat diese neue Aufarbeitungswelle pünktlich registriert und analysiert, essayistisch-kritisches, engagiertes Denken hat, unter sehr verschiedenem Vorzeichen, ihre Legitimität in Bezug auf die Notwendigkeit, ein nationales Gedächtnis zu bilden und zu pflegen, bestätigt. Wie kann nun aber im Medium der Fiktionsliteratur - so lautet die Ausgangsfrage dieses Beitrags - ein in sich gekehrtes, notwendigerweise einsames Erinnern den Weg zum kollektiven Gedächtnis suchen und finden, um repräsentativ zu sein, ohne sich auf den an sich zwar verständlichen, doch beschränkten Anspruch des Dabeigewesenseins oder des Dazugehörenwollens reduzieren zu lassen?
Viel Sicheres ist über das Institut zum Studium des Faschismus/L'institut pour l'étude du Fascisme (INFA) nicht bekannt. Den Grundstock unseres Wissens bilden noch immer die Erinnerungen von Arthur Koestler und Manès Sperber, die natürlich auch Ungenauigkeiten aufweisen, zumal beide nur zeitweise zum Institut gehörten. Eine bis heute nicht übertroffene Gesamtdarstellung der Aktivitäten des Instituts gibt die sorgfältig und umfangreich recherchierte wissenschaftliche Studie von Jacques Omnès. Auch sie ist zum größten Teil auf das Gedächtnis ehemaliger Mitarbeiter angewiesen, kann sich aber auch auf Archivquellen und einige zeitgenössische Publikationen aus dem Umkreis des Instituts stützen. Sofern nicht wesentlich neue Materialien aufgefunden werden können, wird sich jede künftige Aussage zum INFA auf diese Darstellung beziehen müssen. Das gilt auch für den vorliegenden Text, der den von Omnès zusammengetragenen Quellen weitgehend verpflichtet ist und nur wenige - aber immerhin einige - bisher unbekannte oder nicht ausgewertete Belege und Hinweise hinzufügen kann.
Die allegorischen Figuren Raufebold, Habebald und Haltefest aus Goethes 'Faust' sind nicht nur wegen der sprechenden Namen in die 'Dritte Walpurgisnacht' von Karl Kraus eingegangen. Das zeigt die Auswahl der Zitate, die ihren Auftritt einleiten. Er steht inmitten einer Collage aus dokumentarischen und literarischen Passagen, die mit dem Hinweis heginnt, daß "das sichere Bett der Evolution keinen ruhigen Schlaf" gewähre: "Elemente treten auf den Plan. Rütteln an der Illusion, mit der Staat gemacht wurde. Schauen nach, was dahinter steckt Faustnaturen drohen zu vollenden, wo Ungesetz gesetzlich überwaltet, und wie auch verordnet sei - 'Indessen wogt, in grimmigem Schwalle / Des Aufruhrs wachsendes Gewühl.'") Kraus verknüpft hier Textstellen aus der 'Arbeiter-Zeitung' und dem zweiten Teil der Goetheschen Tragödie. Das Zentralorgan der österreichischen Sozialdemokratie berichtete am 8. Juli 1933 von einer Rede, die Hitler bei einer Konferenz der Reichsstatthalter gehalten hatte: "Man müsse den freigewordenen Strom der Revolution", zitierte das Blatt den deutschen Reichskanzler, "in das sichere Bett der Evolution hinüberleiten." Das wichtigste Mittel für diese Kultivierung sei "die Erziehung der Menschen [...] zur nationalsozialistischen Staatsauffassung". Es ist die im Titel des Artikels genannte "Angst vor der 'zweiten Revolution'", die den Hintergrund der Krausschen Schilderung bildet, wonach die "Elemente", die großteils proletarischen SA-Männer, nicht allein die politischen Gegner, sondern auch "den Plan" der NS-Führung mit Füßen zu treten beginnen und auf der Erfüllung jener sozialistischen Versprechungen beharren, mit denen man sie in die Partei gelockt hatte. Sie, die "Faustnaturen", drohen damit, das Programm der NSDAP in einer Situation zu verwirklichen, wo ohnehin das "Ungesetz gesetzlich überwaltet", sich also kurzer Hand bzw. auf eigene Faust zu holen, was ihnen zusteht, während die Wortführer mit der Gegenseite, den Junkern und Industriellen, paktieren. In Goethes Originaltext spricht der Kanzler den eingefügten wie die abgesetzten Verse vor dem Staatsrat, um dem Kaiser ein Bild von den chaotischen Zuständen im Reich zu geben, die später, im vierten Akt, zum Bürgerkrieg führen.
In der Essayistik und Publizistik wie in den Briefen Heinrich Bölls ist der Dichter Heinrich von Kleist vielfach gegenwärtig. Das erklärt sich wohl nicht zuletzt daraus, dass Kleist zu den Lieblingsautoren vor allem des jungen Schriftstellers gehörte. Auch im dichterischen Werk Bölls fehlt Kleist bekanntermaßen nicht. An einer zentralen Stelle im Roman 'Ansichten eines Clowns' aus dem Jahr 1963 nennt ihn die Hauptgestalt Hans Schnier beim Namen und spielt auf dessen Text 'Über das Marionettentheater' an und somit auch auf das Problem der Mechanik, das dann eine lebhafte wissenschaftliche Diskussion ausgelöst hat. Im schriftstellerischen Werk wie in den Briefen Bölls sucht man indessen vergebens nach dem Namen Henri Bergson. Auch im Schrifttum zu Böll kommt der Name meines Wissens nur zweimal vor, wie noch zu zeigen ist. Das verwundert, denn Bergson hat einen starken Einfluss auf 'le renouveau catholique' ausgeübt, jene religiöse, künstlerische und auch sozial gefärbte Strömung des späteren 19. und frühen 20. Jahrhunderts, zu deren Vertretern nicht zuletzt auch die Romanschriftsteller Leon Bloy und Georges Bernanos zählen, deren Namen in den Schriften und Briefen Bölls häufig vorkommen und die die Weltsicht und den literarischen Stil des angehenden Autors bekanntlich beeinflusst haben. Auch bei Bergson nehmen Mechanik und Puppe, wie man weiß, eine bedeutende Stelle ein. Es wird sich zeigen, dass ein zentraler Zug in Bölls Denken über Mensch und Gesellschaft eine deutliche Parallele in dem Bergsons findet, und diese ideelle Gemeinsamkeit prägt trotz punktueller Unterschiede teils ganz grundsätzlicher und eingehender zu untersuchender Art sowohl die ästhetische Theorie des Franzosen wie auch Thematik und Motivik des Deutschen stark mit. Darüber hinaus wird sich erweisen, dass Böll in diesem Zusammenhang dem französischen Philosophen näher steht als dem deutschen Dichter.
In einem Brief vom 15.10.1907 an Clara Rilke beschreibt Rainer Maria Rilke die Zeichnungen und Aquarelle der kambodschanischen Tänzerinnen, die Auguste Rodin voller Bewunderung in Paris und Marseille im Jahr 1906 angefertigt hatte: "Da waren sie, diese kleinen grazilen Tänzerinnen, wie verwandelte Gazellen; die beiden langen, schlanken Arme wie aus einem Stück durch die Schultern durchgezogen, durch den schlankmassiven Torso (mit der vollen Schlankheit von Buddhabildern), wie aus einem einzigen langgehämmerten Stück bis an die Handgelenke heran, auf denen die Hände auftraten wie Akteure, beweglich und selbständig in ihrer Handlung. Und was für Hände: Buddhahände, die zu schlafen wissen, die nach alledem sich glatt hinlegen, Finger neben Finger, um jahrhundertelang am Rande von Schonen zu verweilen, liegend, mit dem Innern nach oben, oder im Gelenk steil aufgestellt, unendlich stilleheischend. Diese Hände im "Wachen: denk Dir. Diese Finger gespreizt, offen, strahlig oder zueinander gebogen wie in einer Jericho-Rose; diese Finger entzückt und glücklich oder bange ganz am Ende der langen Arme aufgezeigt: sie tanzend. Und der ganze Körper verwendet, diesen äußersten Tanz im Gleichgewicht zu halten in der Luft, in der Atmosphäre des eigenen Leibes, im Gold einer östlichen Umgebung."
In einer poetologisch reflektierenden und dabei, charakteristisch für den Dichter, äußerst begeisterten Sprache ("Da waren sie ... ", "Und was für Hände") holt Rilke durch den überraschenden Vergleich der lebhaften Tänzerinnen mit der Buddhagestalt das Sakrale in die Sphäre der Kunst und die Kunst in die Sphäre des Sakralen. Der Tanz als ein Ausdruck des Sakralen und Tänzer als die Beschwörer des Heiligen haben seit je in vielen Traditionen der Welt, vor allem aber im Orient, tiefe kulturelle Wurzeln. Dabei zeigt sich bereits die enge Verbindung von ästhetischer Religiosität und religiöser Ästhetik.
"Ich gehöre nirgends hin. Im traditionellen thailändischen Theater bin ich nicht zu Haus, und mit dem westlichen Theater, das die gegenwärtige Theaterszene Thailands prägt, bin ich auch wenig vertraut. Wie komme ich weiter?" Das war die Äußerung eines jungen Schauspielers, der an der vom Humboldt-Club, Thailand, und vom Goethe-Institut, Bangkok, veranstalteten Rundtischdiskussion am 2. November 2007 teilnahm. Unter den Teilnehmern waren führende Regisseure, Schauspieler und Theaterwissenschaftler Thailands und Gäste aus Deutschland, Professor Gabriele Brandstetter vom Institut für Theaterwissenschaft der Freien Universität Berlin und Dr. Georg Schütte, Generalsekretär der Alexander von Humboldt-Stiftung. Die Diskussion war auf Englisch und verlief aufs Beste, da eine gemeinsame Basis von Theatererfahrungen vorhanden war und ein höchst lebendiger und fruchtbarer deutschthailändischer Dialog entstand. Die Frage des jungen Schauspielers wurde keineswegs als ein disruptives Element in einem sonst harmonischen Gedankenaustausch empfunden, sondern eher als ein Ansporn zur wahrhaften Konfrontation mit einem gewichtigen zeitgenössischen Phänomen: Die Welt von heute ist so reich an Erlebnissen und Bildungschancen, daß ein Autodidakt sich, aus seiner Umwelt schöpfend, entwickeln kann, und zwar ohne Bindung an bestimmte Traditionen oder Institutionen. Der junge Mann hat Erfolg gehabt, und seine Befürchtung, daß das "Niemandsland", auf dem er gewachsen ist, bar sicherer Bildungsbasis sei, ist vielleicht "unzeitgemäß".
Die Poesie hat es im Streit der Künste nicht leicht, sich gegen die Macht der Musik zu behaupten. Die Überlegenheit der Musik steht mit Monteverdi schon am Anfang der Operngeschichte. Die Operngeschichte ist voller Beispiele vom Streit zwischen Dichtern und Musikern. Nur ein transdisziplinärer Meister wie Dieter Borchmeyer vermag dieses Wechselspiel zu überschauen. Immer wieder strebte die Kunst zum Gesamtkunstwerk und zur Fusion von Wort und Ton. Richard Wagner gab aller neueren Kunst das Beispiel vor. Friedrich Nietzsche nahm den ungleichen Kampf mit Wagner auf. Sein Gegenprojekt war eng mit dem Mythos von Dionysos und Ariadne verbunden. Zuletzt sah er in Cosima Wagner seine Ariadne verkörpert Im 'Ecce homo' fragte er noch: "Wer weiss ausser mir, was Ariadne ist!" (KSA 6, 348) Seine letzten Zeilen an Cosima lauteten dann wohl: "Ariadne, ich liebe Dich. Dionysos". Auf Dionysos und Ariadne lief seine Wiedergeburt der Antike im Kampf mit Wagner hinaus.
Tierfilme und -reportagen haben Konjunktur, neue Bildtechnologien ermöglichen immer differenziertere Einblicke in Verhaltens- und Lebensweisen bekannter und unbekannter Tierarten. Wir fühlen uns als teilnehmende Beobachter in scheinbar gewagtester Nähe. Das "Privatleben" der Tiere wird bis in den letzten Winkel verfolgt, die Entdeckung der Tierindividualitäten schreitet voran, Tiere bekommen ein Schicksal und wecken Empathie, der vor über 2000 Jahren entstandene Tier-Mensch-Verwandtschafts-Topos, dem noch jeder Gedanke an die Abstammung der Arten fern lag, wird neu belebt. Doch das kulturelle Interesse am Tier erschöpft sich nicht im Fasziniertsein durch perfekt visualisierte Verhaltensstudien oder durch neueste Lesarten der Tiermetaphorik, in der es stets weniger um Tiere als um Menschen geht. Der historische Wandel der menschlichen Tierbeziehung wird in der Tierethik reflektiert.
Seit der Antike umstrittene kognitive Fähigkeiten verschiedener Tierarten bilden heute einen einzelwissenschaftlich fundierten philosophischen Diskussions- und Forschungsgegenstand ("Der Geist der Tiere"). Die Biosemiotik macht große Fortschritte, der Tier-Mensch-Vergleich - bereits ein Kernstück antiker Anthropologie und Ethik - erfährt eine tiefgreifende Umwertung. Dabei steht nicht mehr von vornherein der Mensch im Mittelpunkt; vielmehr wird versucht, das Animalische in seiner Artenvielfalt als eine vielgestaltige eigene Lebensform zu beschreiben; diese ist nicht länger an Maßstäben einer Anthropozentrik zu messen, die im innersten teleologisch geblieben ist. Der Tier-Mensch-Vergleich wird heute nicht mehr so einseitig und ausschließlich auf kognitive Fähigkeiten bezogen. Vielmehr werden weitere Aspekte wie Emotionalität, Wertungs- bzw. Präferenzverhalten, moralanaloge Verhaltensweisen, Antriebsstrukturen, Soziabilität, Zeichenverhalten mit einbezogen. Diese Komplexität der Vergleichspunkte oder Vergleichseinheiten war erst mit dem neuzeitlichen Rationalismus immer mehr eingeschränkt worden. Die gegenwärtig wiedergewonnene Komplexität lässt nach historischen Vorbildern Ausschau halten; da verwundert es nicht, wenn eine Anthropologie ins Blickfeld rückt, die im Tier-Mensch-Vergleich einen ihrer wichtigsten Ausgangspunkte hatte: die antike Anthropologie.
Die parteiamtliche Kulturpolitik der Deutschen Demokratischen Republik hat der Literatur mit Beginn der Eigenstaatlichkeit der DDR das Ziel gesetzt, eine eigene "sozialistische Nationalliteratur" zu schaffen, die dem neu gegründeten Staat durch Bereitstellung kollektiv verbindlicher Narrative gesellschaftlichen Rückhalt verleihen soll. In der Tat hat die DDR nicht nur ein literarisches Feld mit groben Unterschieden zur Bundesrepublik hervorgebracht, sondern auch eine Literatur, die insbesondere im Bereich der Epik seit den sechziger Jahren als solche "klar konturiert" ist. Diese Literatur - ich beschränke mich im folgenden gattungsmäßig auf die Erzählliteratur und literaturgeschichtlich auf die sechziger Jahre, in denen der Literaturbetrieb der DDR relativ störungsfrei abgeschottet und durchreguliert war - ist zwar nicht notwendigerweise programmatisch "sozialistisch" und muß auch nicht als Beitrag zu einer separaten Nationalliteratur intendiert sein, aber sie ist über gemeinsame Rahmenbedingungen, die artikulierbaren und tatsächlich artikulierten Fragestellungen und ästhetischen Vorentscheidungen sowie durch intertextuelle Verknüpfungen in hohem Maße verbunden. Im Kontext der DDR-Kulturgeschichte ist dieser Befund nicht überraschend. So wie sich spätestens seit dem Mauerbau eine eigene Konsumkultur entwickelt, so bildet sich eine eigene literarische Kultur, deren Werke durch die regionalen Sonderbedingungen geprägt sind - und zwar sowohl dort, wo sie sich staatlichen Direktiven vorsichtig zu entziehen versuchen, als auch dort, wo sie ihren Beitrag zur 'Planerfüllung' weitgehend leisten.
Daß in Italien im Laufe der Jahrhunderte nicht nur "Zitronen" und "Orangen", sondern auch - mit "vollkommener Unverschämtheit" - "Pomeranzen", "Anemonen", "Faschisten" und sogar "Zertissen" blühten, mag jedem Literaturwissenschaftler, der sich entweder mit parodistischen Texten oder mit dem Thema der Italienreise beschäftigt (hat), bekannt sein. Aber daß dort auch einmal Gastarbeiter (nicht) haben blühen können, mutet vielleicht etwas unerwartet an. Die chronologisch jüngste Parodie zu Goethes berühmtem Mignon-Lied ist tatsächlich eine weitgehend unbekannte und erschien lautlos in der 1984 veröffentlichten Gedichtsammlung 'Mein fremder Alltag' vom italienischen deutschschreibenden Dichter Gino Chiellino.
Hier Chiellinos Parodie 'Listige Gesichter' / (für J.W.v.G. in voller Wut):
Weißt du von einem Land, wo
das Leben billig, sehr billig für dich ist
und Sonne dazu?
Siehst du das Land
durch das du mit dem Film im Kopf
die Kamera am Hals
von der Sonnenbrille abgeschirmt
läufst?
Frauen am Fluß
Männer auf der Piazza
Kinder, die im Dreck spielen
listige Gesichter
auf leuchtenden Dias
stillen deine ästhetische
Sehnsucht nach Armut.
Nicht dies,
nicht dies ist das Land
wo die Gastarbeiter blühen!
Im Zuge des Postkolonialismus ist die Migrationsliteratur ein eigenständiges Arbeitsfeld literaturwissenschaftlicher Praxis geworden. Viele Artikel, etliche Sammelbände, einige Monographien und Handbücher widmen sich sowohl Literatur von Migrantinnen und Migranten als auch Literatur, die Migration thematisiert. Migration wird in diesen diversen Beiträgen überwiegend in einem kulturwissenschaftlichen Paradigma analysiert, das im Begriff der 'interkulturellen Literatur' sogar die Bezeichnung des Untersuchungsgegenstands prägt. Migration wird insofern vorrangig auf Fragen der kulturellen Identität bezogen. Verstanden wird Migrationsliteratur als Vehikel, das kulturelle Differenzen erfahrbar macht. Die verschiedenen Kulturen der Migration bezeugen in diesem Szenario den hybriden Status kultureller Räume, der die Dichotomie zwischen Fremdem und Eigenem unterläuft. Die performative Dimension kultureller Identitäten wird oftmals ins Zentrum der Untersuchung gestellt. Dies gilt auch in Bezug auf die 'Leitkultur'. Denn Fragen nach der Zugehörigkeit von Autorinnen und Autoren mit beispielsweise türkischem Migrationshintergrund zum 'deutschen' Kanon irritieren feste Identitätszuschreibungen. Manuela Günter zufolge liegt die kulturelle Leistung des Hybriden genau in dieser Irritation: "Was die neuere 'deutsch-türkische' Literatur der deutschen Kultur aufgibt, ist nichts weniger als das Problem, wie sie sich selbst als soziale Einheit konstituiert". Migrationsliteratur wird so zum Stachel im Fleische literaturwissenschaftlicher Einheitsphantasien. Der Postkolonialismus hat ohne Zweifel einen wichtigen Beitrag zur literaturwissenschaftlichen Analyse der Migrationsliteratur geleistet: Ein dynamischer und performativer Kulturbegriff ist entwickelt sowie die Heterogenität und Hybridität von Kultur betont worden.
Mehr als einmal hat Ilse Aichinger in den vergangenen Jahrzehnten ihre Vorliebe für Joseph Conrad bekannt: "Ich lese immer wieder Joseph Conrad, obwohl mich weder die Gegenden noch die Handlungen seiner Romane im geringsten interessieren", erklärte sie beispielsweise in einem Interview von 1996. Bereits in einem Fragebogen von 1993 hatte sie auf die Frage nach ihrem "Lieblingsschriftsteller: Joseph Conrad" genannt, und, daß er "zu meinen Liebsten gehört", unterstreicht Aichinger nochmals in einem weiteren Interview zehn Jahre später. Diese gelegentlichen, aber kontinuierlich wiederholten Äußerungen verweisen auf eine bemerkenswerte literarische Genealogie (auf Conrad beziehen sich unter anderen Andre Gidé, T. S. Eliot, Graham Greene, Ernest Hemingway ebenso wie zahlreiche Autoren der Gegenwartsliteratur, so etwa Italo Calvino, V. S. Naipaul, J. M. Coetzee, W. G. Sebald).
Weimarer Beiträge 57/2011
(2011)
Die Weimarer Beiträge sind eine Zeitschrift für Literaturwissenschaft, aktuelle ästhetische Theorie und Kulturwissenschaft. Zu Ihren Schwerpunkten gehören moderne Literatur im Rahmen anderer Künste und Medien, die Wechselbeziehungen von Literatur, philosophischer und ästhetischer Reflexion sowie die kritische Analyse der Gegenwartskultur.
In this brief excursion into the poetry of Dante and Montale, Rebecca West suggests some approaches to only a few issues that emerge out of the creation of both the primary beloveds of Dante and Montale and of those feminine figures that have been characterized as ostensibly 'antitranscendental' and more secondary in their roles and meanings. As regards Montale's primary feminine figure, Clizia, West argues that she is, to use Teodolinda Barolini's term for Beatrice, a 'hybrid' poetic character, and ultimately exceeds the limits of the poetic beloved as traditionally conceived and read, not only in the courtly tradition upon which she is modelled but well beyond it. In the case of the so-called secondary 'other women' in Dante's and Montale's poetry, West seeks to show that they are much less separable from the primary feminine figures than such binaries as major/minor, transcendent/erotic, soul/body, and traditional/experimental may lead us to believe. Lastly, West considers specifically the wife-figure, in her conspicuous absence from Dante's corpus and in her late appearance in Montale's. For both poets, there are complex intertwinings, interferences, and non-dualistic patterns that form a densely textured poetic weave, in which both the primary and the secondary feminine figures provide "fili rossi" as well as not so easily graspable dangling threads of meaning. These threads have to do with the preoccupation of both poets with the possible integration of immanence and transcendence, embodiment and abstraction, and with the very limits of poetic language. West's topic is also motivated by a feminist-oriented search for modes of deciphering the figure of the feminine beloved in lyric poetry that are not conditioned exclusively by the traditional emphasis on the male poet-creator, but which allow for a shift in focus onto the female figure who is, of course, the creature of the poet's imagination and skill, but who also often takes him into regions in which the excesses (commonly associated with the female) of non-binary thought and the mysteries of alterity - the feminine symbolic sphere, in short - do not so much allow the emergence of neatly squared-off meanings as the evolution of more oblique, circular conduits of potential significance. As a specialist of modern literature, Rebecca West concentrates on Montale more than on Dante, mainly noting the Dantesque aspects of the former's poetry.
Even if the title of Wolfgang Koeppen's last novel, "Der Tod in Rom", alludes quite obviously to Thomas Mann's novella, "Der Tod in Venedig", Koeppen's text must be understood first and foremost as a response to Mann's most controversial novel, "Doktor Faustus". The novels of Mann and Koeppen rank among the most well-known literary examinations of National Socialism but stand in a complementary relation to each other. "Doktor Faustus", published in 1947, analyses the cultural and intellectual origins of German fascism, while "Der Tod in Rom", published only seven years later in 1954, criticizes the continuity of National Socialist ideologies in post-war Germany. Both authors focus their analyses of fascism on fictional avant-garde composers who seem at first glance detached from any political context. [...] The actual starting point of Florian Trabert's paper, however, is the fact that both novels are preceded by epigraphs taken from Dante's "Inferno". Trabert begins by commenting on the references to Dante in "Doktor Faustus" and then continues by analysing the allusions to the "Commedia" in Koeppen's novel, which constitute, as Trabert demonstrates, a complex constellation among the three texts.
This paper is a study of language disorders in two works by twentieth-century poets in dialogue with Dante's Paradiso: Vittorio Sereni's "Un posto di vacanza" (1971) and Andrea Zanzotto's 'Oltranza oltraggio' (1968). The constellations that Francesca Southerden focuses on are linguistic, and the specific 'disorder' she wants to consider is aphasia - the dissolution of language. Charting the way in which Sereni and Zanzotto construct the universes of their poems as 'per-tras-versioni' of their Dantean counterpart - something 'turned aside' or 'diverted', which 'cuts across' the ideal, Dantean scheme - she shows how, in different ways, the intertextual dialogue between modern and medieval author manifests itself as a 'resemanticization' of the language of "Paradiso" or, better, of that coming-into-language of desire and the poem which, textually speaking, Dante's third canticle takes as its alpha and omega.
The subject of this paper is a recent comic movie version of Dante's "Comedy": a 2007 puppet and toy theatre adaptation of the "Inferno" directed by Sean Meredith. It is certainly not the first time that Dante and his theatre of hell appear in this kind of environment. Mickey Mouse has followed Dante's footsteps and very recently a weird bunch of prehistoric animals went a similar path: in part three of the blockbuster "Ice Age" (2009), a new, lippy guide character named Buck uses several Dante quotes and the whole strange voyage can be described as a Dantesque descent into dinosaur hell. In the following pages Ronald de Rooy argues that Meredith's version of Dante's "Inferno" is not only funny and entertaining, but that it is also surprisingly innovative if we compare it to other literature and movies which project Dante's hell or parts of it onto the modern metropolis.
Although Dante’s influence on modernism has been widely explored and examined from different points of view, the aspects of Virginia Woolf's relationship with the Florentine author have not yet been extensively considered. Woolf's use of Dante is certainly less evident and ponderous than that of authors such as T.S. Eliot and James Joyce; nonetheless, this connection should not be disregarded, since Woolf's reading of Dante and her meditations on his work are inextricably fused with her creative process. As Teresa Prudente shows in this essay, Woolf's appreciation of Dante is closely connected to major features of her narrative experimentation, ranging from her conception of the structure and design of the literary work to her reflections concerning the meaning and function of literary language.
Dante's 'Strangeness' : the "Commedia" and the late twentieth-century debate on the literary canon
(2011)
A reflection on Dante and the literary canon may appear tautological since nowadays his belonging to the canon seems a self-evident matter of fact and an indisputable truth. It is for this very reason, though, that a paradigmatic role has been conferred on Dante in the contemporary debate both by those who consider the canon a stable structure based on inner aesthetic values and by those who see it as a cultural and social construction. For instance, Harold Bloom suggests that 'Dante invented our modern idea of the canonical', and Edward Said, in his reading of Auerbach, seems to imply that Dante provided foundations for what we call literature "tout court". While his influence on other poets never ceased, the story of Dante's explicit canonization through the centuries revolved around the same critical points we are still discussing today: his anti-classical 'strangeness' in language and style, the trouble he occasions in genre hierarchies and distinctions, and the vastness of the philosophical and theological knowledge embraced by the "Commedia" (and, as a consequence, the relationship between literature and other realms of human experience). Dante's canonicity is also evinced by the ceaseless debates that he has inspired and the many cultural tensions of which he is the focus. In the next few pages Federica Pich tries to reflect on the features that make the "Commedia" central both to the arguments of the defenders of the aesthetic approach, such as Bloom and Steiner, and to the political claims of the so-called 'culture of complaint'.
'Perhaps the sodomites should be written out of Dante's "Inferno"', Jarman wrote in his journal on 1 August 1990: 'I'll offer myself as the ghostwriter.' What does he mean by 'ghostwriter' here? How queer is this odd speech-act? What is he offering to do to the homophobic landscape of the "Inferno", that forbiddingly sealed textual prison, with his Hollywood pitchman's casual bid to 'write out' the sodomites as if they were a slight embarrassment to the divine justice system? Is he speaking in jest as a writer of gay satires and sacrilegious memoirs, or in deadly earnest as an activist who had renounced the middle-class pretensions and frivolities of the pre-AIDS gay world? [...] Jarman counters the trope of homosexual theft visually with the triumphant figure of Man with Snake. The Dantesque merging of snake and thief is replaced by an erotic dance in which the gilded youth raises his phallic partner above his head and seductively kisses it on the mouth. Whereas Dante would have us notice the grotesque parody of the Trinity played out in the seventh bolgia - with the unchanging Puccio as God the Father, the two-natured Agnello-Cianfa as Christ, and the fume-veiled Buoso receiving his forked tongue from the serpent Francesco in a demonic replay of the gift of tongues from the Spirit - Jarman clears away all overdetermined theological meanings to revel in the purely aesthetic impact of the phallic dancer. All the ghosts from Dante's snakepit are conjured away in the film and replaced with the solid presence of a single gorgeously spotlit male body. Ghostwriting Dante, for Jarman, meant more than a mere appropriation of homoerotic scenes from the "Inferno" into his screenplay. It meant a complete reimagining of their aesthetic significance within the filmscape of his Dantean transformations.
Dante's "Inferno" and Walter Benjamin's cities : considerations of place, experience, and media
(2011)
When Walter Benjamin wrote his main texts, the theme of the city as hell was extremely popular. Some of his German contemporaries, such as Brecht or Döblin, also used it. Benjamin was aware of these examples, as well as of examples outside Germany, including Joyce's "Ulysses" and Baudelaire's "poetry". And he was - at least in some way - familiar with Dante's "Inferno" and used it, and in particular Dante's conception of hell, for his own purposes. Benjamin's appropriation of the topos of the Inferno has been seen as a critique of capitalism and as a general critique of modernism by means of allegory. In the following analysis, Angela Merte-Rankin takes a slightly different approach and, despite Benjamin's status as an expert on allegory, considers hell in its literal sense as a place and examines the issues of implacement that might follow from this standpoint.
Manuela Marchesini brings Agamben's ideas to bear on Gadda's "Pasticciaccio" and vice versa. While preserving the specificity of their different fields of operation, this mutual exposure contributes to reframing the Culture War of yore. On the one hand, we have a novel published after World War II with a tortuous gestation and convoluted publication history and reception, written by an author who happened to outlive his creative 'canto del cigno'; on the other, a philosophical and essayistic speculation on contemporary events. The function of Dante's "Comedy" in each author spans from the textual to the allegorical, but rests upon one single crucial common denominator: both Gadda and Agamben take literature seriously. [...] The present essay, part of a larger project unfolding along the same lines, attempts a 'close reading' in the spirit that Edward Said has solicited from the humanities in his lectures at Columbia - or, to put it differently, a tentative 'exercise' of critica in the wake of modern Italian Romance philology and textual criticism from Pasquali through Contini and Debenedetti (a lineage of which Agamben's approach appears to be mindful). [...] Marchesini passes over the general Dantesque infernal allegory of "Pasticciaccio" in order to expand on its final scene. Her thesis is that "Pasticciaccio's" allegorical use of Dante's "Comedy" does not just unravel its interpretive knot. It also points to a utopian overcoming of binarism that concurs with Agamben's reflections. "Pasticciaccio's" closure is neither an epiphany (in the sense of a final celebration of the missing piece that completes the puzzle of the novel), nor does it signal a collapse into ambiguity or irrationality (in the sense that everything is left undecided, wavering between one possibility and its opposite). Gadda maintains his interpellation of wholeness unequivocally throughout the novel.
During the Black Revolution, LeRoi Jones used a radical adaptation of Dante to express a new militant identity, turning himself into a new man with a new name, Amiri Baraka, whose experimental literary project culminated in "The System of Dante's Hell" in 1965. Dante’s poem (specifically, John Sinclair's translation) provides a grid for the narrative of Baraka's autobiographical novel; at the same time, the Italian poet's description of hell functions for Baraka as a gloss on many of his own experiences. Whereas for Ralph Ellison and Richard Wright, Dante marks a way into the world of European culture, Baraka uses Dante first to measure the growing distance between himself and European literature and then, paradoxically, to separate himself totally from it. Baraka's response to the poet at once confirms and belies Edward Said's claim that Dante's "Divine Comedy" is essentially an imperial text that is foundational to the imperial discipline of comparative literature. That Baraka can found his struggle against imperialist culture, as he sees it, on none other than this specific poem suggests the extent to which it is a richer and more complex text than even Said imagined. To see exactly how Baraka does this, Dennis Looney proposes to read several extended passages from "The System of Dante's Hell" to take stock of its allusiveness to the Italian model. For all the critical attention to Baraka, surprisingly no one has undertaken the necessary work of sorting out his allusions to Dante in any systematic way.
Early in his life Pasolini showed interest in Dante: in a letter sent to Luciano Serra in 1945, he declared that 'la questione di Dante è importantissima'. He later reaffirmed his interest in Dante in two attempts to rewrite the "Commedia": "La Mortaccia" and "La Divina Mimesis". [...] In 1963 he mentioned "La Divina Mimesis" for the first time. [...] Critics have mostly focused on the work's unfinished condition as a sign of the poetic crisis which Pasolini experienced at the end of his life. Scholarly interpretations of "La Divina Mimesis" can be divided into three main groups: the first strain can be primarily attributed to a 1979 essay by Giorgio Bàrberi Squarotti, four years after the publication of La Divina Mimesis. Bàrberi Squarotti attributes Pasolini's difficulty in completing his rewriting of the "Divine Comedy" to the author's ideology. The work's intermittent irony and its unfinished state are good indicators of the impossibility of recreating Dante's achievement, in particular the Dantean ideology. [...] The second strain of interpretation stresses the work's linguistic dimensions. The period when Pasolini conceives of the project of "La Divina Mimesis" corresponds, according to his repeated declarations, to a time of dramatic change in the Italian linguistic context. [...] Finally, the third type of interpretation locates "La Divina Mimesis" in the theoretical context of Pasolini's final conception of poetry. Here critics stress in particular the difference between the poet's intentions and the final result.[...] These three interpretative strains share the conviction that, in comparison with its model, Pasolini's project ends in failure. It is a failure in at least three senses: on the level of its ideology (not as strong as Dante's), on the level of reality (because of the linguistic standardization of Italian society), and on the level of aesthetics (even though the author pretends that his failure possesses an aesthetic value). This paper would like to question this conclusion: by redefining the object of mimesis and its conditions Davide Luglio tries to understand the reason why the author decided to print his work in a form that at first sight appears ill-defined and fragmentary.
In a 1949 letter, Cesare Pavese describes with great zeal the genesis of a new work - one he compares, albeit with a certain amount of irony, to Dante's Commedia. [...] This embryonic project would quickly become the novel "La luna e i falò", completed in less than two months and published shortly before Pavese's suicide in 1950. On the surface, there would seem little reason to take seriously the analogy drawn by the author between "La luna" and the "Commedia", for the novel in question contains no explicit references to the medieval poet. Tristan Kay argues in this essay, however, that the presence of Dante in "La luna" is both more pervasive and more significant than has previously been suggested. While critics have noted in passing several narrative and structural parallels between the two texts, which Kay details in Section II, no attempt has been made to consider their wider significance in our understanding of Pavese's novel. What follows is a reading of "La luna" which shows that the "Commedia" functions not simply as a formal model for Pavese, but, more importantly, as an ideological anti-model, in dialogue with which the author articulates his deeply pessimistic understanding of the human condition.
The 'fortuna di Dante' among English and American poets of the twentieth century is a rich story that continues on into this millennium with new permutations and undiminished energies. Pound and Eliot canonized Dante for more than one generation of poets and readers. It was "Purgatorio" rather than "Inferno" that both Pound and Eliot valorized, its charged and affectionate poetic encounters serving as a model for key moments in both their works. [...] Yet it was two American poets, James Merrill and Charles Wright, who focused their attention and delight specifically on the "Paradiso", a much less common predilection for both poets and general readers. [...] Wright says that he writes for the dead; sometimes he seems to write as the dead. It is this premature identification with the dead, even if sporadic, which makes Wright so different from both Dante and Merrill, for whom the afterlife is ultimately an affirmation of life. Both Dante and Merrill make us understand the usefulness of the fiction of the afterlife as a way of staging a dialogue with the dead - which is what much of poetry, perhaps much of life, is about. What all three poets share is a dream of paradise as a site that emboldens the imagination.
The 1935 Fox Films "Dante's Inferno" (directed by Harry Lachman) traces the rise and fall of an entrepreneur. Its protagonist, Jim Carter (played by Spencer Tracy), begins the story as a stoker on a cruise liner. The narrative opens with a burst of flames from the ship's boiler, and the ensuing scene goes on to show the protagonist competing at shovelling coal for a bet in the sweltering engine-room. Interspersed are shots of the superstructure directly above with a number of elegant and vapid passengers following the game below. This initial sequence thus concisely conveys the main features of the film's social agenda through imagery that anticipates that of two of its later 'infernal' sequences. [...] Spectacular admonition and concern about the ruthless pursuit of wealth are the main features which link this "Inferno" of the thirties to the one that had appeared some six hundred years earlier. Wealth and avarice were, of course, demonstrably serious concerns for Dante: as Peter Armour, for example, has shown, there is a recurrent and pervasive concern with money, its meaning, and its misuse throughout the "Commedia". So it is not surprising that the "Inferno" should also have been appropriated by social critics some hundred years before the 1935 Hollywood fable. [...] Some of the narrative and visual patterns in "Dante's Inferno" imply an uneasy underlying vision of the movie industry and its practices. Other productions, publicity, and journalism of the time reinforce suggestions of such a metafictional approach to movies, morality, and the market in the 1935 "Dante's Inferno".
"Nel regno oscuro" is the first part of a planned trilogy inspired by the "Divine Comedy", integrating the Middle European style of Giorgio Pressburger's previous works with the attempt to engage with the first part of Dante's poem. The role of Virgil, Dante's guide in the "Inferno", is taken by Sigmund Freud, and the journey of the melancholic protagonist begins as psychoanalytic therapy to enable him to come to terms with the loss of his father and his twin brother, but soon turns into a journey through the realm of the dead which, like the "Divine Comedy", takes the shape of a series of encounters with the shades of historical figures. Thus Dante's descent to hell metamorphoses into a phantasmagoric voyage to the most intimate and obscure dimensions of the human psyche as well as a journey through the tragic events of history in the twentieth century - and the Shoah in particular. The combination of the personal, the collective, and even the universal is one of the most interesting aspects Pressburger takes from Dante's poem. In the following analysis Manuele Gragnolati explores how both Dante's "Divine Comedy" and Pressburger's "Nel regno oscuro" place personal and collective suffering at the centre of their own narratives and stage writing as a political, ethical, and possibly 'salvific' way to deal with this dual suffering, even as they differ in their concepts of identity and selfhood on the one hand and in their models of history on the other.
Dante as a gay poet
(2011)
The reception of the "Vita nuova" among contemporary Italian poets is not based on the love theme. The "Vita nuova" provides Italian twentieth-century poets more with a model of autobiographical writing than with an erotic paradigm. What is essential is that the imitation of the "Vita nuova" expresses a clearly polemical anti-Petrarchan poetics - something which, of course, one would have no reason to look for in American poets. The American poet Frank Bidart's idiosyncratic appropriation of the young Dante, as opposed to the Dante-versus-Petrarch-based interpretation of Italian poets, is peculiar but by no means as exceptional in the American panorama as it might at first appear. Other gay American poets also treat Dante as a model: Robert Duncan, J. D. McClatchy, and James Merrill. In this essay Nicola Gardini attempts to explore, however rapidly, the grounds on which Dante may have become so essential for such poets. To be sure, the Dantism of these gay American poets may be viewed as a particular moment of the well-established American interest in Dante which goes as far back as Emerson and Longfellow and had its peak in Pound and Eliot. But Gardini argues that such gay Dantism - which no survey of Dante's twentieth-century influence has yet brought to the fore - is a kind of cultural allegiance stemming originally and specifically from the soil of gay discourses and gender preoccupations. Interestingly, Dante, not Petrarch, also serves as a model for some Italian homosexual poets: Michelangelo, Pier Paolo Pasolini, and Giovanni Testori. What, then, is it in the work of a poet like Dante, who confined the sodomites in hell and mostly sang the praises of one woman, that is so compatible with, indeed inspiring for, gay views?
In December 1960 the Leo Castelli Gallery in New York displayed a series of thirty-four illustrations of the "Inferno" by the avant-garde artist Robert Rauschenberg. Rauschenberg had developed this project over the previous two years, working on it almost exclusively, first in New York City, and then in an isolated storage room in Treasure Island, Florida, where he retreated to concentrate on the last half of the cycle. [...] Whatever the spark that set the project in motion, we find Rauschenberg's reply to his detractors here: the refuse that crowded his "Combines" was no joke, nor was it there to undermine or deride high art in the spirit of Dada. With his collection of things, he was composing a new language, turning fragments - the ruins of his environment and culture - into emblems. And what is an emblem if not a composite figure, an assemblage of diverse fragments into a new unity and order? As such, it is an elusive visual allegory whose pictorial image tends to lose its consistency and become a sign open to interpretations; in it, the different narratives springing from its multiple nature come together and give birth to a polysemic language. It is with this language, abstract and referential at the same time, that Rauschenberg translates Dante's poem and makes it new by linking it to something in existence, present in the viewer’s reality of mechanically reproduced images. By choosing 'to ennoble the ordinary', he, perhaps unconsciously, became the hermeneutist of his age and gave durability to what was trivial and precarious.
Between 1816 and 1821, the philologist François Raynouard (1761–1836) published a "Choix des poésies originales des troubadours". His connections with Madame de Staël's cultural circle at Coppet determined the construction of the myth of courtly love as a forerunner of Romantic love. [...] Acording to this cultural tradition, Dante is an intermediate (although pre-eminent) step in the history of Western desire, a process begun in medieval Provence and revitalized by European Romanticism. When Lacan approaches Dante, it is therefore one Dante - this Dante - that he is approaching. The present essay, in which Fabio Camilletti analyses three tightly interwoven texts, explores some of the reverberations of this encounter. In 1958, Lacan published in "Critique" an article entitled 'La jeunesse d'André Gide, ou la lettre et le désir'. This text, later included in Lacan's "Écrits", was meant to be a review of a biography of the young Gide published in 1956 by Jean Delay, entitled "La jeunesse d'André Gide". In comparing Gide's life with his works of youth, Delay notably focused on Gide's novel of 1891, "Les Cahiers d'André Walter", the third text on which Camilletti focuses his inquiry. These three texts evoke in various ways the relationship between Dante and Beatrice, using it as a cultural allusion through which specific problems of sexuality (or, better, of the absence of sexuality) are conveyed. This essay aims therefore to be a study in the rhapsodic and subterranean presence of Dante and the "Vita Nova" between the end of the nineteenth and the twentieth centuries, as well as in the relationship between literature and psychoanalysis through the quartet Dante-Gide-Delay-Lacan.
'Dante and Ireland', or 'Dante and Irish Writers', is an extremely vast topic, and to cover it a book rather than an essay would be necessary. If the relationship between the poet and Ireland did not begin in the fourteenth century - when Dante himself may have had some knowledge of, and been inspired by, the "Vision of Adamnán", the "Vision of Tungdal", and the "Tractatus de purgatorio Sancti Patricii" - the story certainly had started by the eighteenth, when the Irish man of letters Henry Boyd was the first to produce a complete English translation of the "Comedy", published in 1802. Even if one restricts the field to twentieth-century literature alone, which is the aim in the present piece, the list of authors who are influenced by Dante includes Yeats, Joyce, Beckett, and Heaney - that is to say, four of the major writers not only of Ireland, but of Europe and the entire West. To these should then be added other Irish poets of the first magnitude, such as Louis MacNeice, Ciaran Carson, Eiléan Ní Cuilleanáin, and Thomas Kinsella. Therefore Piero Boitani treats this theme in a somewhat cursory manner, privileging the episodes he considers most relevant and the themes which he thinks form a coherent and intricate pattern of literary history, where every author is not only metamorphosing Dante but also rewriting his predecessor, or predecessors, who had rewritten Dante. Distinct from the English and American Dante of Pound and Eliot, an 'Irish Dante', whom Joyce was to call 'ersed irredent', slowly grows out of this pattern.
Transforming a text - narrative or poetic - into a play, made of dialogues and organized into scenes, has been one of the most frequent forms of literary transcodification both in the past and in the present. We can find examples of this procedure at the very origins of Italian theatre, which indeed began as the rewriting of earlier texts, both in the "sacre rappresentazioni" and in the profane field: the Bible in the first case and the Ovidian mythologies in the second. Poliziano's "Fabula d'Orfeo" and "Cefalo e Procri" by Niccolò da Correggio are the first well-known examples of this process. Thus, the metamorphosis of a text into a dramatization has many models in the history of theatre and literature. It would be of great interest to start with an overview of the different types, aims, and forms of transcodification of texts that are enacted in order to create dramatizations capable of being performed on stage. Erminia Ardissino attempts to offer an introduction to her study of Giovanni Giudici's play about Dante's "Paradiso" with a brief discussion of three different practices of theatrical transcodification. She looks at three pièces written at the request of the Italian scenographer Federico Tiezzi between 1989 and 1990 as stage productions of the three cantiche of the Divine Comedy. Although they belong to the same project, are inspired by the same person, and share a unified aim, the three pièces created by Edoardo Sanguineti, Mario Luzi, and Giovanni Giudici show three different approaches to the task of transcodifying a text in order to produce a drama - the task, in Genette's words, of creating a theatrical palimpsest.
Wenn man die Broch'schen Betrachtungen durchblättert, wie auch jene einiger Zeitgenossen, scheinen sie nicht nur ideengeschichtliche Resonanz, also rein akademisch-historisches Interesse, auszulösen, vielmehr erinnern viele Äußerungen an die Gegenwart oder regen zu Vergleichen mit der späteren Moderne (oder eben: mit der Postmoderne, Spätmoderne oder zweiten Moderne) an. Man stolpert über Beobachtungen, die sich in gegenwärtigen zeitdiagnostischen Studien wiederfinden, zum Teil bis in die Wortwahl hinein. Natürlich könnte man beide Arten von Literatur, damals wie heute, damit abtun, dass sich kulturpessimistisches Vokabular immer in gleicher Weise darstelle und demgemäß die verwendeten Denkfiguren immer ziemlich ähnlich seien. Man könnte aber auch dem Gedanken nachgehen, ob es sich nicht bei den beschriebenen Phänomenen um solche handelt, die seinerzeit, schon an der Wende zum 20. Jahrhundert, ihren ersten "Anlauf" zu verzeichnen hatten, während sie, nach mancherlei Bremsversuchen in der ersten Hälfte des Jahrhunderts erst in der Gegenwart zur vollen Entfaltung gelangt sind. Es könnte ja sein, dass schon in jener Zeit, als die Moderne erst so recht zu sich selbst gekommen ist, kräftige Tendenzen hin zu jener Welt spürbar und wahrnehmbar geworden sind, die als Postmoderne zu bezeichnen man sich mittlerweile angewöhnt hat. Die historische Zeitdiagnose könnte sich mit der aktuellen Zeitdiagnose überlagern. Es könnte - schon damals - von "uns" die Rede gewesen sein. Wie "postmodern" war Broch?
In diesem Aufsatz geht es um einen Teil jener Ansätze von Karl Kraus, die bei der Entfaltung der Wiener historischen Avantgarde eine besondere, jedoch kaum geachtete Rolle gespielt haben. Denn er war es, der, nach den 1896 begonnenen Attacken auf den etablierten Pol des literarischen Feldes (der Kleinproduktion), sich ab 1912 auch gegen die Avantgarde richtete: nicht nur gegen den Expressionismus, wie oft behauptet wird, sondern auch gegen den Aktivismus, Dadaismus und Konstruktivismus. Er übernahm also zuerst die anderswo den Avantgardisten zukommende Rolle - nämlich die Zurückdrängung der klassischen Moderne - und anschließend versuchte er, auch jene überflüssig erscheinen zu lassen. All dies vollzog er nicht ausschließlich, doch überwiegend in seiner eigenen Zeitschrift "Die Fackel"; in einem Einzelunternehmen, das dazu da war, die Kraus’sche Sichtweise einem breiten Publikum zugänglich zu machen, sprich: eine selbstständige Position zu etablieren. Das war ihm auch gelungen und er wurde dabei selten und nur geringfügig von dem einen oder anderen Netzwerk unterstützt oder getragen. [...] Im Anschluss an die Analyse des in dieser Arbeit vorerst aus undetaillierten Bestimmungen bestehenden Kontextes wurde eine Analyse der Fackel in ihren Verknüpfungen zu den Ismen unternommen. Die digitale Ausgabe der Fackel wurde durch zahlreiche Begriffe, die dem Vokabular der Avantgarde angehören, gefiltert. Der Bericht diskutiert einen Teil der Ergebnisse, die mit den Suchbegriffen "Expressionismus", "Futurismus", "Dadaismus", "Konstruktivismus", "Raumbühne" sowie "Neutöner", "Hans Arp" und "Friedrich Kiesler" erzielt wurden.
Das Weibliche als Natur, Rolle und Posse : sozio-theatrale Tableaus zwischen Shakespeare und Nestroy
(2011)
Es wäre viel zu einfach, die in einer bestimmten historischen Konstellation verbreitete Rede davon, was "weiblich" und was "männlich" sei (eine Rede, der die Alltagsrealität des Einzelnen ohnehin entgegengesetzt sein kann), und die in einem Bühnenstück vorgeführten Verhaltensweisen von Frauen und Männern in eins zu setzen. Zu bedenken ist vielmehr, was Walter Obermaier über die Frauen bei Nestroy schreibt: dass sie nämlich "generell einer Welt der Fiktion zugehörig [sind], in der Possentradition und Theaterkonventionen eine entscheidende Rolle spielen" - oder allgemeiner formuliert, dass Kunst, Alltagswissen und die Autorität wissenschaftlicher Rede je spezifische Funktionen für einen Diskurs besitzen und dabei in verschiedene Beziehungen zueinander treten können. Dies vorausgesetzt, möchte Marion Linhardt im Folgenden einem traditionellen Thema des komischen Theaters nachgehen: dem Aufeinandertreffen von geschlechtsbezogener Norm einerseits und Abweichung von dieser Norm andererseits. Das genre- wie geschlechtergeschichtliche Feld wird dabei durch William Shakespeares "The Taming of the Shrew" (um 1592) und Nestroys "Gewürzkrämer-Kleeblatt" (Theater an der Wien 1845) aufgespannt. Die Verschiebungen im Geschlechterdiskurs, die sich innerhalb dieses Feldes vollzogen, und das jeweilige Potenzial dieses Diskurses im Hinblick auf komische Genres lassen sich beispielhaft anhand der maßgeblichen Wiener Shrew-Adaption des 19. Jahrhunderts nachvollziehen: gemeint ist "Die Widerspänstige" (Burgtheater 1838) des Nestroy-Zeitgenossen Johann Ludwig Deinhardstein, ein Stück, das seinerseits nach zwei Richtungen hin kontextualisiert werden soll - zunächst durch einen Blick auf die im deutschsprachigen Raum viel gespielten älteren Shrew-Bearbeitungen von Johann Friedrich Schink und Franz Ignaz von Holbein, dann durch Beobachtungen zu einem programmatischen Stück aus dem unmittelbaren Umfeld der "Widerspänstigen", nämlich Wilhelm Marchlands Lustspiel "Frauen-Emancipation" (Theater in der Josephstadt 1839). Der Ausgangspunkt der Überlegungen ist ein doppelter: Es wird gefragt, wie sich die aus dem erwähnten Aufeinandertreffen von Norm und Abweichung resultierende Komik zur - historisch bedingten - Disposition von Genres verhält und welche Dimensionen das Phänomen des Rollenspiels in diesem sozio-theatralen Tableau gewinnt.
Wer ist Margherita Salicola? Man erfährt über sie in den einschlägigen Lexika nur, sie sei die Schwester der Sängerin Angiola (oder Angela) Salicola und die berühmtere der beiden gewesen, daß aber sich kaum Nachrichten über sie erhalten hätten, außer jener daß sie, wie ihre Schwester, in den Diensten des Herzogs Ferdinando Carlo (IV.) Gonzaga von Mantua gestanden habe und dann mit Johann Georg III. nach Dresden gegangen sei. Schon Lorenzo Bianconi und Thomas Walker hatten in einem langen Artikel, der noch heute die Grundlage aller sozialgeschichtlichen Arbeiten zur Operngeschichte des 17. Jahrhunderts ist, herausgearbeitet, daß die ca. 1660 geborene Sängerin in den 1680er Jahren zu den international berühmtesten italienischen Sängerinnen gehörte und ihr Ruhm auch jenseits der Alpen noch am Anfang des 18. Jahrhunderts nicht verblaßt war. 1682 begegnet Salicola zum erstenmal als Sängerin am Teatro San Salvatore in Venedig in einer Oper Giovanni Legrenzis und trat im folgenden Jahr in Pietro Andrea Zianis "Il talamo preservato dalla fedeltà d’Eudossa" in Reggio Emilia auf. Kurz darauf sang sie in Venedig, wo ihr der sächsische Kurfürst begegnete, der sie - davon handelt der folgende Text - mit nach Dresden nahm, wo sie, die erste Primadonna jenseits der Alpen wurde. 1693, nachdem sie Dresden verlassen hatte, trat sie in Wien auf und ist ab 1696 erneut in Italien nachweisbar. [...] War Salicola bei den Zeitgenossen berühmt wegen ihres Gesangs, so wurde sie musikhistorisch vor allem bekannt durch ihre angebliche Entführung aus Venedig, die noch im 19. Jahrhundert und bis heute immer wieder erzählt wurde. Aber auch außerhalb der musikwissenschaftlichen Literatur werden die im folgenden dargestellten Ereignisse anekdotisch erzählt und mit der "Theaterbegeisterung der höfischen Gesellschaft" erklärt. Im folgenden soll dem, im Detail gelegentlich verwirrenden, "Salicola incident" erneut nachgegangen werden, um ihn dann innerhalb des politisch-kulturellen Rahmens zu erklären.