BDSL-Klassifikation: 14.00.00 Romantik > 14.12.00 Zu einzelnen Autoren
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Im Folgenden möchte ich durch Einordnung von Brentanos "Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl" in eine Geschichte des Wissens (Medizin, Recht, Mythologie) zeigen, dass die Organisation der Erzählung der Dynamik zweier gegenlaufiger Textbewegungen geschuldet ist: erstens dem Ausbruch einer rechtlichen Krise als Folge einer fehlenden (in einem gewissen Sinne unmöglichen) sozialen Integration von Sexualität, Kriminalität und Psychopathologie, zweitens den Versuchen, mit einer neuen Ordnung auf diese Krise zu reagieren. Auf der einen Seite stehen die Verbrechen von Kasperl und Annerl, Selbstmord und Kindsmord, ihre psychische und (außer-)gesellschaftliche Genese sowie ihre Folgen, auf der anderen Seite die narrative Bewältigung der Ereignisse durch den Erzähler und die rechtliche durch den Fürsten.
[...] "der Artushof" ist eine Passage, die als Verbindung zweier belebter Straßen in einem Hauptgeschäftsgebiet einer Stadt liegt, sie ist nur dem Fußgänger zugänglich und schützt ihn vor Witterungseinflüssen. Auch wenn im Artushof noch keine, die Passage des 19. Jahrhunderts prägende, nach Innen gekehrte Ladenstraße verwirklicht ist, so ist doch seine seit den 80er Jahren des 18. Jahrhunderts nachweisbare Umwidmung vom Festsaal zur Börse ein Zeichen dafür, daß auch schon in der Danziger Passage "die Kunst in den Dienst des Kaufmanns" getreten ist.
Rezension zu Auf Dornen oder Rosen hingesunken? Eros und Poesie bei Clemens Brentano. Im Auftrag des Freien Deutschen Hochstifts – Frankfurter Goethe-Museum hrsg. von Hartwig Schultz. Berlin: Saint Albin Verlag, 2003 [und] Laura Benzi: Resakralisierung und Allegorie im Spätwerk Clemens Brentanos. Das Märchen von Gockel, Hinkel und Gackeleia (1838) und Das bittere Leiden unsers Herrn Jesu Christi (1833). Bern u.a.: Peter Lang, 2002.
Die Angst des Menschen, daß sich seine Maschinenschöpfung gegen ihn richten könnte, hat im Motivkomplex des Auges einen wesentlichen Bezugspunkt. So eröffnet E.T.A. Hoffmanns Sandmann jenes poetologische Feld, das Ridley Scotts Blade Runner unter verkehrten Vorzeichen zum Fanal für das "göttliche" Auge des (Maschinen)Schöpfers werden läßt. Während im romantischen Nachtstück Hoffmanns die Menschmaschine Olimpia vom Ingenieur ihrer Hardware der Augen und damit einer imaginierten Einsichtsfähigkeit beraubt wird, ist es im postmodernen Zukunftsentwurf Scotts die Maschine in Form des Replikanten, der seinen Schöpfer zunächst blendet und schließlich gar tötet, indem er ihm die Augen in den Schädel drückt. Im Hinblick auf den prämedialen Vorläufer des Sandmann verkehrt Scott in einem chiastischen Motivzitat nicht nur das Gewaltverhältnis von Geschöpf und Schöpfer, sondern auch die Stoßrichtung des Gewaltaktes.
Wenn sich die Fortschreibung von Kants Kritik in der Anthropologie mit der Grundfrage "Was ist der Mensch?" doch wenigstens auf die biologischen und rein kognitiven Bedingungen der Spezies homo sapiens beschränkt hätte, um wie vieles einfacher wäre es (bei aller Schwierigkeit), das wenigstens einmal zu umreißen, was menschliches Sein im psycho-physischen Sinne heute - bald vier Jahrhunderte nach Descartes - ausmachen könnte. Doch steht nicht einfach nur die Physis des Menschen seiner - wie wir seit Karl Philip Moritzens Erfahrungsseelenkunde ahnen, spätestens aber seit Freud (zu) wissen (glauben) - ebenfalls nahezu undurchdringlich komplexen Psyche gegenüber. Vielmehr schafft der Entwurf eines genuin "menschlichen", transzendentalen Subjekts, das sich nicht nur selbst beschreibt, sondern über die Bedingung der Möglichkeit seiner Erkenntnis nachsinnt, etwas Drittes. Dieses Dritte, der epistemologische Entwurf des "Menschen", ist alsbald schon einem Ende preisgegeben. Dennoch steht er als Phantasma weiterhin zur Disposition.
Ähnlich den Romanen "Die Leiden des jungen Werthers" und "Wilhelm Meisters Lehrjahre" von Goethe hat Novalis’ Fragmentroman "Heinrich von Ofterdingen" die Geschichte der deutschen Literatur geprägt. Dieser Roman ist vor allem bedeutsam in der deutschen Literaturgeschichte, weil Novalis eine 'blaue Blume' in den Roman eingefügt hat. Dieser Artikel untersucht die Bedeutung der blauen Blume in Novalis' "Heinrich von Ofterdingen" als Symbol für die Suche nach dem Glück in der deutschen Literatur. Dafür werden die folgenden Fragen behandelt: die Verbindung zwischen dem Menschen und der Natur, die Farbe blau nach Goethes Lehre, die blaue Blume als Motiv der Natur und Heinrichs Träume.
This article suggests a possible meaning of the concept of "Bildungsroman". It analyzes Goethe's "Wilhelm Meister Lehrjahre", a novel that is considered the model of this kind of narrative and argues that Goethe shows how the union of action and contemplation is an ideal required to create a balanced humanist man. It also discusses Novalis' "Heinrich von Ofterdingen" as an anti-model to Goethe.
Dieser Beitrag verhandelt die poetische Bildlichkeit in Eichendorffs Märchennovelle "Die Zauberei im Herbste". Dabei werden verschiedene Ebenen der Bildlichkeit voneinander unterschieden. Zum einen die Ebene einer rhetorischen Bildlichkeit, die sich in dem erfüllt, was Theodor W. Adorno mit antiökonomische Entgrenzung umschrieben hat. Als "zweite Natur" eröffnet Eichendorffs Sprache eine Dimension des Sinnlichen, die sich aus der Gegenüberstellung stereotypisierter Bildelemente ergibt. Neben dieser rhetorischen Ebene lässt sich eine Ebene der bildlichen Textur ausmachen, die einmal zur bildererzeugenden Tätigkeit des Unbewussten der agierenden Personen ins Verhältnis gesetzt und schließlich in einem poetologischen Ausgriff auf die Selbstreflexivität romantischer Kunstproduktion bezogen wird.
Das literarische Werk des Novalis umkreist mit nahezu einzigartiger Intensität das Wesen der romantischen Dichtung. Nicht nur der Heinrich von Ofterdingen läßt sich als komplexes und kunstvolles autopoetisches Manifest interpretieren. Auch die Lehrlinge zu Sais sowie verschiedene Gedichte thematisieren wiederholt poetologische Fragen, die nicht selten mit geschichtsphilosophischen Spe-kulationen korrelieren. Da der Poesie eine weltverwandelnde und zeitaufhebende Dimension zugeschrieben wird, rückt die Reflexion über ihr Wesen häufig in einen eschatologischen Horizont. Der Dichter trägt im Werk des Novalis die Züge des antiken Sängers Orpheus. Wie dieser tritt er als mächtiger Magier auf, der die Gesetze von Raum und Zeit außer Kraft setzt, entlegenste Wirklichkeitsbereiche miteinander verbindet und alle Geschöpfe in einen umfassenden Dialog eintreten läßt. Das poetologische Gedicht Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren gehört in den Kontext des Heinrich von Ofterdingen und ist vermutlich in den Sommermonaten des Jahres 1800 entstanden. Wie ein Brennglas bündelt es die unterschiedlichen Überlegungen des Novalis zum Wesen sowie zur Funktion der Dichtkunst. Da es poetologische und geschichtsphilosophische Aspekte eng miteinander verknüpft, muß zunächst das triadische Geschichtsmodell des Novalis sowie seine Auffassung vom historisch-eschatologischen Auftrag des Dichters skizziert werden.
Das Drama der deutschen Romantik : ein Überblick (Tieck, Brentano, Arnim, Fouqué und Eichendorff)
(2005)
Wie steht es um die Aufführbarkeit des romantischen Dramas, von Theaterpraktikern wie Goethe vehement bestritten? Tatsächlich ist es so gut wie nie aufgeführt worden – eine Konsequenz seiner gattungspoetologischen Voraussetzungen: Das romantische Drama nämlich ist, verkürzt gesagt, für eine "imaginäre Bühne" geschrieben worden, selbst wenn Tieck oder Fouqué den theatralischen Effekt immer im Blick behielten. A. W. Schlegel zufolge kann ein dramatischer Text nur dann einen „lebendigen Eindruck“ hervorrufen, wenn der Lektüre Theatererfahrungen zugrunde liegen. Voraussetzung dafür ist ein probates Publikum, das auf Aufführungen verzichten kann, weil es in der Lage ist, sich die theatralische Umsetzung vorzustellen. Die "imaginäre Bühne" stellt demnach ein elitäres Modell dar, das sich allerdings nicht nur in der Lektüre angemessen rezipieren läßt, sondern auch durch Vorlesungen, die Leseakt und theatralische Darstellung zusammenbringen. Vor allem Tiecks Vorlesekunst ist legendär – nicht nur ihrer zuweilen ermüdenden Länge wegen. Schließlich beruhte z. B. Goethes Begeisterung über Tiecks Genoveva auf einem Hörerlebnis.