BDSL-Klassifikation: 09.00.00 Spätmittelalter und Übergangszeit (14. und 15. Jahrhundert) > 09.10.00 Zu einzelnen Autoren und Werken
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Practices of rewriting and mouvance are central to medieval culture, but have been neglected by contemporary scholarship. This paper highlights how collaborative forms of writing such as religious song engage with complex theological thought, opening up a discourse from which the laity had previously been excluded. Using forms which defy conventional author-based aesthetic norms, these songs explore poetic practices which are both collective and inclusive.
Objektiviertes Begehren : zur Funktion und Bedeutung von Gegenständen in mittelhochdeutschen Mären
(2018)
Die in Mären dargestellten Handlungen konzentrieren sich auf einen spezifischen, außerordentlichen und in sich geschlossenen Fall, der sowohl Vorfall wie auch Zufall oder Rechtsfall sein kann. Didaktisches Substrat, schwankhaftes Erzählen und Exempelliteratur verschmelzen in dieser paargereimten Erzählform.
Die Begegnung zwischen Odysseus und den Sirenen lässt sich als allegorisches Szenario einer poetischen Kommunikation lesen. Darauf verweist die Etymologie, die den Namen der Sirenen auf die semitische Wurzel für ‚Gesang‘ (sir) und das griechische Wort für ‚Strick‘(σειρτί) zurückführt. Auf der einen Seite stehen diejenigen, die bestrickende Lieder zu Gehör bringen, auf der anderen Seite diejenigen, die sich von den Liedern fesseln lassen. Die Kommunikationssituation ist als Geschlechterverhältnis kodiert. Der Gesang wird von verführerischen Frauen produziert und von verführbaren Männern rezipiert. Diese vermögen der Versuchung nur mithilfe einer spiegelnden Vorsichtsmaßnahme, der Bindung an den herkömmlichen Standpunkt, zu trotzen. Odysseus muss sich an den Mast fesseln lassen, um dem verderblichen Zauber der weiblichen Stimme nicht zu erliegen. Die Pointe des Geschlechterverhältnisses, das im Sirenenmythos modelliert ist, liegt in der Vertauschung der Rollen von Penetration und Rezeption. Es ist die Frau, deren Lied in den Mann eindringt, und der Mann, der das Lied der Frau empfängt. Das Medium, in dem sich die ästhetische Kommunikation vollzieht, ist signifikant. Am Hören, nicht am Sehen entscheidet sich das fatale Geschlechterverhältnis. Die Attraktion der Sirenen vermittelt sich auf dem Wege der Akustik, was auch als Hinweis auf die Oralität der für den mündlichen Vortrag bestimmten Dichtung lesbar ist. Im Folgenden soll die literaturgeschichtliche Reichweite dieser Konstellation exemplarisch skizziert werden. Drei Texte stehen im Mittelpunkt: Homers Odyssee als antiker Basistext und zwei mittelalterliche Quellen, die sich in gegensätzlicher Weise auf ihn beziehen: einerseits - als Fallbeispiel einer literarischen Rezeption - der Tristan Gottfrieds von Straßburg und andererseits - als Fallbeispiel einer hermeneutischen Rezeption - das Buch der Natur Konrads von Megenberg.
"... die werdent ouch Helmbrehtel!" : Zu den Prager und Wiener "Helmbrechten" im Spätmittelalter
(1987)
Man kann voraussetzen, daß einem Hörer oder Leser nach seiner Bekanntschaft mit der Erzählung vom 'Helmbrecht' der Name des Helden etwas anderes als ein beliebiger Rufname bedeutet haben wird. Jeder reale Namensträger ist für einen Rezipienten der Geschichte auffällig, und der Name wird eine gewisse Distanz hervorrufen. Vom Zeitpunkt der Erstaufführung der Erzählung Wernhers des Gartenaeres an konnotiert der Name Gewalt gegen Bauern, Strauchrittertum und Wegelagerei, Gottlosigkeit, Standesverrat und andere Bedeutungen mehr, deren Glieder eine ganze Kette negativer Besetzungen bilden. Man wird als Kenner der Materie seine Kinder nicht Helmbrecht nennen und auch Freunden von der Namensgebung abraten: nomen est omen. In der Meidung eines nunmehr besetzten Eigennamens artikuliert sich die Angst, durch die enge Relation von Zeichen und Bezeichnetem könne einer so werden wie jener Helmbrecht.
Im Falle jenes Textes, dem die (...) Überlegungen gelten sollen, handelt es sich freilich um eine fatale Verknüpfung von Umständen, die seiner editorischen Erschließung entgegenwirken, obwohl der ‚Ritter vom Thurn’ mit zu den erfolgreichen und immer wieder neu aufgelegten Werken der frühen Druckgeschichte zu zählen ist: (...) Der autobiographische Fiktionsrahmen um seine Übersetzung des ‚Livre du Chivalier de la Tour pour l’enseignment de ses filles’ wird durch die Existenz der Töchter Elsa und Jakobea (...) bestärkt.
Im Jahre 1308 (...) entstand Hertig Fredrik, angeblich nach einer nicht überlieferten niederdeutschen Vorlage, schließlich „Flores och Blanzeflor“ von 1311/12 auf Grundlage der altnorwegischen Flores-Saga; inwieweit daneben eine der altfranzösischen (...) Fassungen benutzt wurde, ist nicht hinreichend geklärt. Ich werde mich auf die beiden ersten Texte beziehen und dabei folgende Fragen diskutieren:
Welches historisch-kulturelle Szenario ist für die Übertragungen zu rekonstruieren?
Wie sahen die Vorlagen für Hertig Fredrik und ihr Kontext aus?
Welche Erkenntnisse lassen sich für die Literaturszene und die Kulturkontakte gewinnen?
Der Besprechungsaufsatz widmet sich überlieferungsgeschichtlichen Studien altgermanistischer Provenienz zu deutschsprachigen Legendensammlungen (Legendare-Monographie von Werner Williams-Krapp, Ausgabe der elsässischen Legenda Aurea) und ergänzt dies durch Rezensionen von Alain Boreaus Buch über die Legenda Aurea, von Albert Giers Buch "Der Sünder als Beispiel" und Dietz-Rüdiger Mosers Monographie zur Tannhäuser-Legende. Am Schluss geht es um eine deutschsprachige Fridolinslegende: St. Fridolin wird auch aufgrund archivalischer Quellen als Regionalpatron am Hochrhein konturiert.
Drei Generationen von Plenarien lassen sich unterscheiden: Der ältere Typus enthält nur die Prikopen und die Glosse; er wird im Druck seit 1488 abgelöst durch einen Typ, der zusätzlich Introitus, Psalm und Collecta enthält, also auch die Gesänge und Gebete des ersten Teils der Messe. Das wird im Titel entsprechend angekündigt. (...) Mit seinen fünf Ausgaben zwischen 1514 und 1522 gehört Petris Plenar zu den verbreitetsten, vor allem aber enthält es, weit mehr als jede andere Sammlung, an die Glossen angeschlossene Exempla: mitsamyst einer vor nie bey vnß gehorter Gloß mit fruchtbaren schönen Exemplen beschlossen heißt es im Titel. Deshalb hat es [Volker Mertens] (...) für diese Studie als besonders geeignet ausgewählt.
The sermon is essentially a performance and oscillates between orality and scripturality. The preaching of Geiler of Kaysersberg was a famous event at its time and the article asks, what is transmitted of it by the manuscripts and printed books. The writing does not try to reproduce the event, resp. the performance, but represents different reflections of it, adapted to the intended usage of the manuscript or printed book. The article demonstrates this on several examples from the work of Geiler and pleads for a diplomatic rendering of the manuscripts with a commentary and a facsimile edition of the printed books respectively. The results could refer to other texts between orality and scripturality, too.
Die Annahme, Fuß sei ein Minnesänger gewesen, beruht auf der Zuordnung zu drei Personen, die auf diesem Gebiet hervorgetreten sind, und auf der Interpretation der Bezeichnung ‚puler’. Trifft nun schon die Angabe „Minnesänger“ bei Wolfram nur für ein dem späten Mittelalter kaum mehr gegenwärtiges Nebengebiet seines dichterischen Schaffens zu, so bedeutet ‚puler’ in den (...) [Volker Mertens] bekannten Belegen soviel wie „Minner, Liebhaber“, in einem Fall auch „Sachverständiger in Liebesdingen“ (...), aber niemals „Minnesänger“.