Beiträge zur Naturkunde zwischen Egge und Weser, Band 19 (2007)
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Der Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA; Avifaunisten beschäftigen sich mit der Erfassung der Vogelwelt) als Organisator ruft bei einem „Birdrace“ aber nicht die Vögel zum Rennen auf. Es rennen also nicht die Vögel um die Wette, sondern die Beobachter wetzen hinter selbigen her. Dabei versuchen drei- bis fünfköpfige Teams innerhalb eines Tages so viele Vogelarten wie möglich zu sehen oder zu hören. Vorab wird vereinbart, innerhalb welcher Grenzen beobachtet wird, in der Regel ist dies ein Landkreis. Gezählt werden darf jede in Deutschland heimische oder natürlicherweise auftretende Art, sofern sie von der Mehrzahl der Teammitglieder gesehen oder gehört wurde. Gemogelt wird nicht, das gebietet die sportliche Fairness.
Jahresbericht 2006
(2007)
Die Jahre 2005 und 2006 gehörten in Bezug auf den Fortbestand der Biologischen Stationen in NRW sicher zu den turbulentesten Jahren. Über den zur Verfügung stehenden Etat der Landschaftsstation bestand im laufenden Jahr erst gegen Ende Juni 2006 Klarheit. Die im 3. Änderungsbescheid festgelegten Mittelkürzungen in Höhe von 15,2 % gegenüber dem Vorjahr (rund 35 % seit 2004) bedeuteten für den Verein, dass die vertraglich zugesicherten halben Stellen der Festangestellten allein über die Institutionelle Förderung nicht mehr gewährleistet werden konnten und somit weitere Strategien zum Fortbestand des Geschäftsbetriebes entwickelt werden müssen. Konträr zu den Mittelkürzungen ist das Ergebnis der „Kundenbefragung“ zu bewerten, die das Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (MUNLV) zur Beurteilung der Biologischen Stationen in Auftrag gegeben hatte. Nachdem jeweils 175 Fragebögen/Station an Kunden und Partner der Biologischen Stationen verschickt wurden, konnte nicht nur ein ungewöhnlich hoher Rücklauf der umfangreichen Fragebögen, sondern auch eine äußerst positive Gesamtbeurteilung der Biologischen Stationen – die Landschaftsstation im Kreis Höxter ist hier in der Statistik im oberen Drittel angesiedelt – verzeichnet werden. Der Verein Landschaftsstation im Kreis Höxter möchte sich ganz herzlich bei allen bedanken, die sich an der Fragebogenaktion des MUNLV beteiligt haben. Aktuell sind die Wogen geglättet, der Fortbestand der Biologischen Stationen ist durch Minister Eckhard Uhlenberg zumindest bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode zugesichert worden.
Viele heimische Insekten sind in ihrem Bestand bedroht. Eine Ursache ist der akute Mangel an geeigneten Nistmöglichkeiten, weil heutzutage überall an den Gebäuden Ritzen und kleinste Löcher als störend empfunden und übereifrig beseitigt werden. Von besonderer Bedeutung ist so ein kleines Insektenhotel für Wildbienen: Diese für die Bestäubung der Blüten wichtigen Insekten leiden sehr stark unter „Wohnungsmangel“, und geeignete Plätze zur Eiablage sind gerade für sie sehr selten geworden. Übrigens: Die Bewohner solcher Insektenhotels wie derjenigen, die die jungen Naturaktivisten am 10. Juli erbaut haben, sind für den Menschen völlig harmlos, da diese Arten nicht stechen.
Wir freuen uns mit diesem Band neue Autoren begrüßen und mit ihnen neue Aspekte der Natur- und Landschaftsforschung beleuchten zu dürfen: MICHAEL KOCH vom Stadtarchiv Höxter führt uns tief in die Geschichte unseres Schwerpunktraumes, den Bereich der links des Flusses gelegenen Weseraue zwischen Höxter und Godelheim (siehe Karte auf Seite 3). Dieser Raum unterhalb des Ziegenbergs trug im Lauf der Jahrhunderte verschiedenste Namen, u. a. Stummrigefeld, Sandwiese, Grundlose und Taubenborn, Baggerseen. Wer macht sich noch bewusst, wie im Mittelalter hier an der Grenze der Stadtgemarkung von Höxter der Galgen (mit dem oder der zuletzt Gehenkten) die Reisenden der Gesetzestreue gemahnte. Heute ist dieser Bereich nicht nur Gegenstand der aktuellen Diskussion um die B 64 / B 83, sondern vor allem eines der wertvollsten und spannendsten Naturschutzgebiete unseres Kreises. Er ist beiderseits der Bahn ein wichtiges Naherholungsgebiet von Stadt und Umland, und zu guter Letzt sind es traditionelle Nutzungen durch die Landwirtschaft, die Bundeswehr (Schießanlage), den Kies- und Sandabbau, sowie natürlich den Verkehr, die die enorme Bedeutung des „Taubenborns“ und der Weseraue widerspiegeln. Dem Bereich der Naturlandschaft widmen sich umfangreich die drei weiteren Artikel des Schwerpunktes, bevor der zweite Teil des Heftes – Artenschutz – sich mit echten Raritäten und erfreulichen Normalitäten unseres wunderschönen Kreises beschäftigt: RALF LIEBELT stellt fest, dass unser Kreis eine wichtige Verbindung für die seltene Wildkatze darstellt. Das Westfälische Galmeiveilchen andererseits gedeiht weltweit einzig im stillsten Winkel der drei Kreise Höxter, Paderborn und Hochsauerland und wird sich auch nicht ausbreiten. Vervollständigt wird dieser Teil durch den traditionellen Artikel über den Vogel des Jahres und den Ornithologischen Jahresbericht. Letzteren wollen wir näher an den langfristig angestrebten Veröffentlichungstermin im Frühwinter jedes Jahres bringen. In Zukunft könnte der Berichtszeitraum immer das letzte Vorjahresquartal und die drei ersten Quartale des Veröffentlichungsjahrs umfassen. Des Weiteren finden sich im Heft auch schon traditionell der Jahresbericht der Landschaftsstation im Kreis Höxter und zahlreiche kleinere Berichte aus den herausgebenden Vereinen, von denen „Naturschutz aktiv“ im Jahr 2007 sein zehnjähriges Bestehen feiern konnte: „Herzlichen Glückwunsch“ und „Weiter so!“
Einleitend wird das Gebiet mit seinen geografischen, klimatischen, geologischen und kulturellen Gegebenheiten vorgestellt. Die unterschiedlichen Landschaften und Vegetationsformationen werden anhand eindrucksvoller, großformatiger Farbbilder illustriert. Die Geschichte der floristischen Erforschung, Daten zum Naturschutz und Grundlagenhinweise runden die Einleitung ab. Im Hauptteil werden in systematischer Reihenfolge alle Arten vorgestellt. Durch die Rasterverbreitungskarten erkennt der Leser sofort die Verbreitung der jeweiligen Pflanzenarten im Gebiet. Es werden Angaben zum Standort, Häufigkeit und zur Gefährdung der Pflanzen gemacht. Von den selteneren Arten sind alle Fundortangaben aufgeführt. So erhält der Leser einen Einblick in die sehr abwechselungsreiche Sauerländer Flora. Das Buch ist reich mit Pflanzen- und Landschaftsaufnahmen illustriert. Sie machen das Buch zu einem visuellen Genuss.
Eine vom Aussterben bedrohte Art ist der Kaisermantel (Rote Liste Stufe 3 in NRW). Auch das Kleine Wiesenvögelchen steht auf der Vorwarnliste der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten. So kommen im Taubenborn schützenswerte Tagfalter und insgesamt eine bemerkenswerte Anzahl von Arten vor. Nur wenn wir die Schmetterlinge regelmäßig beobachten, sie selbst und ihren Lebensraum kennen, können wir sie vor dem Aussterben bewahren. Die Exkursion am 5. Mai 2007 fand reges Interesse bei Groß und Klein (Abb. 5). Die Teilnehmer erhielten kleine Faltblätter mit Abbildungen der oben genannten zehn Arten als Bestimmungshilfe und wurden dazu aufgefordert, an einem beliebigen Tag zu Hause oder auf einem Spaziergang nach diesen Arten zu suchen und die Ergebnisse an den BUND zu melden. Wünschenswert wäre, wenn sich noch mehr Menschen für eine regelmäßige Schmetterlingsbeobachtung bereit fänden.
Zehn Jahre Naturschutz aktiv heißt: Zehn Jahre harte körperliche Arbeit für den Naturschutz, und das alles wurde ehrenamtlich erbracht. Die Zahlen sprechen für sich, rechnet man nur den regelmäßigen durchschnittlichen jährlichen Zeitaufwand, den die Mitglieder von Naturschutz aktiv für den Naturschutz einsetzen.
Im Unterschied zu den Berichten über die Tage der Artenvielfalt 2005 (vgl. GRAWE 2006), als keine einzelnen Arten im Bericht aufgelistet wurden, und den Berichten über die Jahre 2000 bis 2004 (vgl. GRAWE 2000, 2001, 2002, 2003, 2005) sowie 2007 (vgl. Artikel in diesem Heft, S. 60-69), als i. d. R. alle einzeln bestimmten Arten genannt wurden, möchten sich die Autoren an dieser Stelle auf die Ergebnislisten einer speziellen, intensiv durch Experten bearbeiteten Artengruppe, nämlich einen Teil der Insekten beschränken. Somit sind nur die Schmetterlinge, Bienen, Ameisen und Käfer aufgelistet. Insgesamt wurden neben den 74 nachfolgend aufgeführten Arten (alle von DUDLER, H., G. JOHANNSEN, G. BADTKE) über 200 Pflanzen- und über 50 weitere Tierarten gezählt.
Ein starkes Hornissenvolk verfüttert pro Tag bis zu 500 g Insekten an seine Brut, z. B. auch wetterbedingt massenhaft auftretende Stechmücken Außerdem sind Hornissen friedliche und ungefährliche Mitgeschöpfe. Die Erhaltung von Hornissen und deren Nester ist aber schwieriger als ihre bedenkenlose Vernichtung. Die Maßnahmen zur Erhaltung erfordern einen hohen Aufwand an Zeit, Geld, Geduld und meistens auch sehr viel Überredungskunst. Und da der Mangel an Informationen über das tatsächliche Verhalten der Hornissen und den besten Umgang mit ihnen das größte Hindernis vor einem wirklich einfachen, friedlichen Miteinander-Leben scheint, entschloss sich der NABU Höxter, sowohl eine Hornissenschutz-Anlaufstelle als auch eine Wanderausstellung zu schaffen.
Eingedenk der Tatsache, dass aus Platzgründen neben der Hauptveranstaltung von über 400 lokalen Aktionen nur sieben mit einem Kurzartikel und weitere zwölf mit einer Erwähnung (mit Bild) in dem 32 Seiten umfassenden Magazin gewürdigt werden können, sind wir Organisatoren und Veranstalter diesmal doch ein bisschen stolz auf diesen Tag der Artenvielfalt. Dabei waren viele, auch kindgerechte und weniger „wissenschaftliche“ Programmpunkte zu erleben: ComNatura bot am zentralen Standort „Bootshaus“ umweltpädagogische Kinderbetreuung. Die Studenten im Fluss organisierten eine vorbildliche Arten-Rallye für Kinder im Vor- und Grundschulalter im Bereich des Taubenborns, während der ADFC Gruppen von Radfahrern durch die gesamte Ausdehnung des Untersuchungsgebiets führte, sowie einen viel beachteten Info-Stand am Radweg am rechten Ufer der Weser vor dem Bootshaus besetzte.
Der „Ornithologische Sammelbericht“ erscheint alljährlich und gibt erwähnenswerte Vogelbeobachtungen des Kreisgebietes und direkt angrenzender Bereiche wieder. Sofern es nicht gesondert angegeben ist, liegen den Daten keine gezielten Untersuchungen zugrunde – sie sind somit zufällig entstanden und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Veröffentlichung dient zur Dokumentation der Nachweise, zur aktuellen Information und kann als Grundlage für Auswertungen verwendet werden.
Aus verschiedenen Regionen Deutschlands wird in den letzten Jahren gemeldet, dass sich die seltene und heimliche Wildkatze ausgehend von ihren letzten Rückzugsräumen wieder ausbreitet und verloren gegangenes Terrain zurückgewinnt. Auch im Kreis Höxter gibt es aus den letzten Jahren glaubwürdige Meldungen von Wildkatzen. Aufgrund ihrer heimlichen Lebensweise ist es durchaus möglich, dass diese Art auch im Raum zwischen Egge und Weser schon weiter verbreitet ist, als der bisherige Kenntnisstand es vermuten ließe, denn der Kreis Höxter liegt nahe an zwei großen Vorkommen dieser Art, dem Solling und dem Reinhardswald. Diese Vorkommen wiederum sind vernetzt mit Beständen im Kaufungerwald und möglicherweise in geringerem Maße mit der Harzpopulation (siehe Abb. 2). Die günstige Situation lässt hoffen, dass die Wildkatze über kurz oder lang wieder stabile Populationen in den größeren Waldbeständen des Kreises aufbauen wird. Besondere Planungsrelevanz erhält die Wildkatze dadurch, dass sie in der bundesweiten Roten Liste als stark gefährdet eingestuft wird, in Nordrhein-Westfalen gilt sie sogar als „vom Aussterben bedroht“ (FELDMANN, HUTTERER & VIERHAUS 1999). Weiterhin ist sie rechtlich geschützt durch die FFH-Richtlinie (Anhang IV), die Bundesartenschutzverordnung (besonders und streng geschützte Art, CITES (Washingtoner Artenschutzabkommen: Anhang II) und die Berner Konvention (Hessisches Ministerium für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz 2004). Im Naturschutz wird sie als Leitart für unzerschnittene und waldreiche Landschaften angesehen und vertritt damit auch andere große Säugetierarten mit großen Raumansprüchen wie z. B. den Rothirsch (SIMON & RAIMER 2007). Deswegen erscheint es über das naturkundliche Interesse hinaus sinnvoll, die aktuelle Situation der Wildkatze in diesem Raum einmal näher zu untersuchen. Der folgende Text soll interessierten Personen einen Einblick in das Leben der Wildkatze geben und darüber hinaus über eine praktikable Methode der Bestandserfassung informieren.
Im Naturschutzgebiet „Grundlose-Taubenborn“ ist trotz jahrhunderte langer menschlicher Einflussnahme (vgl. KOCH 2007) eine für natürliche oder naturnahe Flussniederungen typische Vielfalt an Gewässer- und Biotopstrukturen erhalten geblieben. Die überwiegend extensiv betriebene Landwirtschaft – weitgehend Weidewirtschaft – und naturverträgliche Erholungsnutzung tragen zusätzlich zum Artenreichtum des Gebietes bei, der für den gesamten Oberweserraum einmalig ist. Von überregionaler Bedeutung ist das Schutzgebiet insbesondere für die Amphibien- und Libellenfauna. Das große Angebot an unterschiedlichsten Gewässertypen bietet 10 Amphibien- und wenigstens 31 Libellenarten günstige Reproduktionsbedingungen. Bei den Amphibien sind neben der Artenzahl und dem Vorkommen europaweit geschützter Arten die großen Populationen wertbestimmend. Insbesondere die Populationsgrößen bei Erdkröte, Teich- und Bergmolch und Grünfrosch stechen hervor. Das größte bei BERGER & GÜNTHER (1996) erwähnte Vorkommen des Bergmolchs in Deutschland weist max. 4.000 Tiere auf (Taubenborn: 8.000). Beim Teichmolch gelten schon Bestände mit 2.000 Tieren (Taubenborn: 25.000!) als sehr groß (BUSCHENDORF & GÜNTHER 1996). Auch bei der Erdkröte ist die Situation ähnlich – Populationen mit mehr als 1.000 Tieren (Taubenborn: 20.000) sind die Ausnahme. Auch bei den Libellen charakterisieren nicht so sehr die Vorkommen einzelner seltener oder gefährdeter Arten das Gebiet – vielmehr ist es der außergewöhnlich große Artenreichtum des Gebietes, der seine überregionale Bedeutung ausmacht. Aber auch für Arten aus den anderen Tiergruppen ist der Taubenborn von zumindest regionaler Bedeutung. Dies gilt für einige Fledermausarten (z.B. die Wasserfledermaus) und darüber hinaus für unsere beiden heimischen Schlangenarten (Ringel- und Schlingnatter). Die Aufnahme des Gebietes in das europäische Netzwerk Natura 2000 soll gewährleisten, dass der Arten- und Naturreichtum des Taubenborns dauerhaft erhalten bleibt. Die Anlage der Kleinweiher haben die Gewässervielfalt und damit die Bedeutung des Gebietes weiter erhöht. Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen der geplante Neubau der B 64/83 für das Gebiet und seine Pflanzen- und Tierwelt haben wird. Insbesondere wird sich der Lärmpegel im Gebiet deutlich erhöhen und es somit auch für Erholungssuchende deutlich unattraktiver machen. Wie stark die Beeinträchtigungen sein werden, hängt vor allem davon ab, ob es gelingt, die negativen Auswirkungen durch die Trassenführung und -gestaltung sowie durch Ausgleichsmaßnahmen möglichst gering zu halten. In diesem Zuge ist auch die Einrichtung großflächiger, extensiv genutzter Weideflächen anzustreben, deren Umsetzung zum Erhalt und darüber hinaus zu einer weiteren Steigerung der Artenvielfalt beitragen wird.
Das ehemals Stummrigefeld genannte Gebiet zwischen Höxter und Godelheim stellt einen vielgestaltigen und stark dem Wandel unterliegenden Teil der Kulturlandschaft in der Weseraue dar. Der Kulturraum vereint in sich stark von Menschenhand überprägte und naturnahe Bereiche, ur- und frühgeschichtliche, mittelalterliche und neuzeitliche Elemente der Kulturlandschaft. Insofern stellt er einen geeigneten und interessanten Kleinraum für die "historische Landschaftsanalyse" dar. In der Weseraue zwischen Godelheim und Höxter befand sich, vor dem 20. Jahrhundert weit umfangreicher als heute sichtbar, ein Mosaik aus Hochflutrinnen, verlandeten Altarmen, Bereichen von Randsenke und Niederterrasse. Sie wurden schon vom urgeschichtlichen Menschen schrittweise in Besitz genommen und kultiviert. Dieser lebte möglicherweise seit der zweiten Hälfte des 5. Jahrtausends v. Chr. in der unmittelbaren Umgebung Höxters sowie seit mindestens dem 4. Jahrtausend v. Chr. auf der Sandwiese nördlich von Godelheim. Beispielhaft für den mittelalterlichen Landschaftsausbau steht der Flurname Sandwiese (santwisch), der als Oberbegriff für die landwirtschaftlichen Nutzflächen seit dem 14. Jahrhundert durch das jüngere Stummrigefeld (stummerfeld) abgelöst wurde. In diesem Ablösungsprozess spiegeln sich politische Anstrengungen und gewandelte Raumauffassungen der höxterschen Stadtgemeinde wider, die besonders in der Errichtung einer Landwehr im 14. Jahrhundert zum Ausdruck kommen. Der hierdurch zum Ausdruck gebrachte Raum- und Herrschaftsanspruch konnte aber wohl nur bis ins 17. Jahrhundert aufrecht erhalten werden. Bereits im 14. und 15. Jahrhundert sind ehemalige Sumpf- und Bruchflächen, wie zum Beispiel der Aubruch (obroke) und die beiden Kolke, zu Ackerland umgeformt, während vermutlich erst seit dem 16. Jahrhundert die Lake zum Hainanger und der Siek zum Siekbruch, d. h. zu Wiesen- und Weideflächen umgewandelt wurden. Auch im großen Bruch lässt sich für das späte Mittelalter und die frühe Neuzeit ein Nutzungswandel belegen: Noch zu Beginn des 15. und in der Mitte des 17. Jahrhunderts finden sich hier Waldflächen, über deren genauen Umfang allerdings keine Aussagen getroffen werden können. Nur im Umfeld der Grundlosen konnten sich offene Gewässerflächen und Sumpfzonen über die Jahrhunderte hin erhalten, während alle anderen Bruchflächen im Bereich des Stummrigefeldes vollständig entwässert und kultiviert und einer intensivierten Nutzung unterzogen wurden. Ansatzweise kann mit Hilfe von historischen Schrift- und Bildquellen eine fortschreitende Umwandlung der Feuchtbereiche in der Weseraue zu Wiesen- oder Ackerflächen aufgezeigt werden, die aus Sicht des Menschen bis weit ins 20. Jahrhundert hinein stets als Melioration, als Verbesserung aufgefasst wurde. Nach der teilweisen Einstellung der Oberflächennutzung wurde das Abbaugebiet, auf dem sich einst ein Hospital und Siechenhaus befand, in ein Freizeitgelände umgewandelt. Erst in jüngerer Zeit sieht man den Wert des Seengebietes für Erholungssuchende, begreift außerdem Randsenken- und Feuchtgebiete als ökologische Rückzugsräume für Pflanzen und Tiere und erkennt die vernetzende Wirkung, die etwa vom Hechtgraben als Relikt der Naturlandschaft und Teil der Kulturlandschaft ausgeht. Nach der Einrichtung eines frühen Naturschutzgebietes am östlichen Ziegenberghang (1930) kam es erst in jüngster Zeit zur Ausweisung des Naturschutzgebietes "Grundlose-Taubenborn" (2006) in der Weseraue. Abschließend sei nochmals betont, dass der vorliegende Beitrag Grundlage für weiterführende umweltgeschichtliche Untersuchungen bieten will. Grundlegendere Erkenntnisse bedürfen einer angemessenen Ausweitung des Untersuchungsraums, etwa auf die gesamte Feldmark Höxters oder den ganzen Auenbereich der Oberweser, sowie des regionalen Vergleichs. Fragen, ob Flutrinnen und Senken auf natürliche Weise verlanden oder durch den Eingriff des Menschen, in welcher Form eine urgeschichtliche oder mittelalterliche Besiedlung Einfluss ausübte, können allein mit Hilfe der historischen Schriftquellen nicht beantwortet werden. Hierzu werden weitere Fächer übergreifende Untersuchungen benötigt, wie sie zum Teil im Stummrigefeld sowie in Höxter und Corvey bereits durchgeführt wurden.
Der Turmfalke ist ein – noch – häufiger und als „Allgemeingut“ empfundener Vertreter der Greifvögel im ländlich geprägten Kreis Höxter. Er nistet in vielen Kirchtürmen und anderen geeigneten Gemäuern, so z. B. in der Südwand des Steinernen Hauses in Borgentreich, dem Sitz der Landschaftsstation. Nicht selten sieht man ihn sprichwörtlich „rüttelnd“ über der Feldflur „stehen“. Doch auch er ist von mancher Wandsanierung oder Fassadenglättung sowie der schleichenden Verschlechterung seiner Lebensraumqualität betroffen. Um hier entgegen zu steuern, veranlasste der NABU Kreisverband Höxter, dass im November 2006 die heimische Presse ausführlich über den Turmfalken berichtete. Vom NABU-Höxter wurden kostenlos Nisthilfen für Turmfalken angeboten. „Kein Turm ohne Falke“, so lautete das Schlagwort dieser Aktion. Kurz nach der Pressemeldung wurden auch noch alle Ortheimatpfleger des Kreises Höxter angeschrieben und um Installation der kostenlosen Nistkästen gebeten. Es wurden dann die rund 30 bestellten Nistkästen in der NABU-Werkstatt in Marienmünster-Born selber hergestellt und zum Jahreswechsel 2006/2007 an die Interessenten ausgeliefert. Von geschickten Bastlern können Nisthilfen für den Turmfalken sehr leicht selber hergestellt werden. Die Außenmaße B/ H/ T betragen etwa 42/ 30/ 26 cm, wobei die Vorderfront auf der ganzen Breite zur Hälfte offen bleibt.
Bei Blankenrode, Kreis Paderborn, befindet sich direkt an der Kreisgrenze zu Höxter eine ehemalige Bleikuhle, die aufgrund des Vorkommens einer großen Seltenheit aus der Pflanzenwelt einen Bekanntheitsgrad erlangt hat, der weit über die Grenzen Westfalens hinaus reicht. Bei der Rarität handelt es sich um das Westfälische Galmei- Veilchen (Viola guestphalica, Abb. 1). Dieses großblütige Veilchen stellt tatsächlich eine große Besonderheit dar, denn es wächst weltweit nur in den Bleikuhlen von Blankenrode und deren Umgebung (s. Abb. 2). Normalerweise wird das Vorkommen dieser Art immer mit dem Kreis Paderborn in Verbindung gebracht, aber tatsächlich greift das Vorkommen auch auf die Kreise Höxter und den Hochsauerlandkreis über. Im Kreis Höxter besiedelt es in individuenstarken Beständen die Abraumhalde der Bleikuhle (vgl. Abb. 3), im Hochsauerlandkreis ist es im Bereich einer Feuchtwiese am Wäschebach unterhalb der Bleikuhle anzutreffen. Der gesamte Bereich ist geschützt als Teil des NSG „Bleikuhlen und Wäschebachtal“.