Egge - Weser : vereinsinterne Veröffentlichungen des Naturkundlichen Vereins Egge - Weser, Band 6, Heft 1 (1989)
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Schon lange bevor unser Verein entstand, war Schwester Hieronyma ein Begriff unter den Naturkundlern dieses Raumes. Immer wenn es darum ging, in der freien Natur zu forschen, etwa Pflanzen für den ersten HAEUPLER-Atlas (1976) zu kartieren oder die Verbreitung der Wirbeltiere im Einzugsgebiet ihrer Schule aufzuhellen, man konnte sich immer auf die Mitarbeit dieser Lehrerin an der Brede und damit vieler ihrer Schülerinnen verlassen. So begeistert Schwester Hieronyma für die Wunder der Natur war, so klar und abgewogen war ihr wissenschaftliches Urteil.
Besprechungen
(1989)
Es hat sich eine Menge von Büchern und Zeitschriften angesammelt, die besprochen werden wollen und sollen. Hier bringen wir eine kleine Auswahl. Vor allem sind Karten und Schriften ausgesucht, die unter das Stichwort "Fremdenverkehr" fallen. Dass der Tourismus gerade bei uns vielen Brot gibt, ist heute ebenso geläufig wie dass seine Entartung der Natur Schaden bringt. Und damit auch dem Menschen. Keines der Werke, die wir besprechen, hebt den lehrhaften Zeigefinger und weist darauf hin, was ein "Auch"-Naturliebhaber anrichten kann. Auch wollen wir das nicht. Fast allen kann man vertrauen. Bei den Ausnahmen hilft Mahnen nicht. So sind wir aufgerufen, die guten Seiten des Wanderns in der Landschaft zu fördern. Dazu helfen die Wanderwege, wenn wir sie dorthin lenken, wo wir die Natur am besten kennen lernen und die Landschaft genießen können, und von dort fernhalten, wo sie Gefährdetes noch stärker gefährden. Wer raten oder warnen kann, soll es tun, bevor die Baumaschinen angeworfen werden. Die Behörden danken das heute! Wenn die "weiße Industrie" überborden sollte, darf die Gemeinschaft aller Beteiligten nicht zögern, das Wegenetz wieder einzuschränken.
RUNGE (1960) stellte in einer Übersicht dar, wie einige seltene Pflanzenarten im Satzer Moor in Bad Driburg im Laufe von 170 Jahren beobachtet wurden. Als erster Gewährsmann erscheint für den 15.8.1789 F. Ehrhart. Dieser Jahrestag soll zeigen, was der August 1789 nicht nur für diese Stelle bedeutet. SCHULZ (1914) hat den EHRHART-Bericht der Nachwelt erhalten. Wir ergänzen ihn durch die heutigen wissenschaftlichen und deutschen Artnamen nach HAEUPLER (1988) und durch eine Wegekarte mit den heutigen Ortsbezeichnungen.
Ackermännchen
(1989)
Es ist bekannt, dass fast alle unsere einheimischen Vogelarten im Volksmund - insbesondere regional - lange Zeit verschiedene "althergebrachte" Namen hatten. Im Zuge der Popularisierung von Vogelkunde und Vogelschutz wurden die Namen (vor allem in der Nachkriegszeit) landesweit stark vereinheitlicht und standardisiert. Damit starb auch dieses Erbe aus. Als ich 1971 von Hamburg nach Holzminden umzog, fiel mir an "fremdartigen" lokalen Vogelnamen lediglich das "Ackermännchen" auf. Dieser Name unserer Bachstelze (Motacilla alba) hat sich an der Oberweser "gut" gehalten, - möglicherweise weil die Holzmindener sich selbst auch immer noch gerne als "Ackerbürger" sehen ("Holzminden, die Ackerbürger-Stadt").
Unser Mitglied Hans-Joachim Grommelt ist Wissenschaftler in der Umweltbehörde einer hessischen Großstadt. In dieser Schrift (Das Dilemma des Biologen in der Umweltverwaltung oder: Kann das Verhalten von Flohkrebsen das Verhalten von Verwaltungen beeinflussen?) spricht er witzig und gedankentief den amtlichen und nebenamtlichen Mitarbeitern der Umweltbehörden aus der Seele. Wir versuchen hier einen Auszug. Chemisch wirkende Stoffe belasten die Lebewesen am stärksten. Ein Wirkstoff des oft verwendeten Herbizids Glyphosat beeinträchtigte in millionenfacher Verdünnung (10-7 mol/1 H2O) Einzeltiere vom Gemeinen Flohkrebs überhaupt nicht. Sie schwammen so munter und lebten so lange wie ihre Artgenossen in einem giftfreien Vergleichswasser. Was sich nach KICKUTH änderte, war ihr Verhalten zur Umwelt, in diesem Fall zur eigenen Art. Sie paarten sich selten. STUMM & SCHWARZENBACH erwähnen, daß 10-10 mol/l eines bestimmten Lösungsmittels in einem Fluß verhindern, daß Lachse zu ihren Laichplätzen aufsteigen. SCHRÖDER & PETERS zeigen, daß Guppy-Männchen deutlich weniger balzten, wenn sie in 10%iger Verdünnung des gereinigten Abwassers einer Münchener Großkläranlage schwammen. Die gleiche Wirkung erzielten sie in Wasser mit einem Millionstel g/l Lindan. Wie können sich Umweltgutachter in einer Zeit bewähren, in der der gute Wille der Bürger und auch ihrer politischen Vertreter den Möglichkeiten vorauseilt, auch nur annähernd so rasch Kenntnisse über die ständig wachsende Zahl gefährdender Stoffe und gefährdeter Wesen zu gewinnen.
In den 60er Jahren entstand der Plan, die Flora Mitteleuropas nach britischem Vorbild zu kartieren. Als Probelauf erschien HAUEPLER (1976). Sein Atlas zur Flora von Südniedersachsen umfaßte auch den Kreis Höxter östlich des 9. Längengrades, also der Egge. Über 12 Jahre später lag das Hauptwerk noch rechtzeitig zu Weihnachten auf dem Tisch. Selbst die sonst zurückhaltende "Frankfurter Allgemeine" lobt es als Jahrhundertwerk. Wir wollen versuchen, die beiden Rasterkartenwerke zu vergleichen. Stützte sich der Verfasser damals auf 169 Feldbotaniker, so waren es diesmal schon über 1200, obwohl inzwischen das Arbeitsgebiet auf die Bundesrepublik beschränkt werden mußte, und man als Grundfeld statt eines Viertel- Meßtischblatts (TK 25) jetzt ein ganzes wählte. PREYWISCH u.a. (1981, 1982) konnten die Fläche des Kreises Höxter damals mit 51 Meßtischblattvierteln (Quadranten) einigermaßen abdecken. Heute ist man mit 17 TK 25 viel ungenauer.
Im Dezember 1988 hatte ich die Gelegenheit, einige Mistelpflanzen an ihrem natürlichen Standort im Gebiet des Oberen Weserberglandes zu studieren. Herr Kurt Preywisch hat mir die gesuchten selteneren Mistelwirte gezeigt. Das Anliegen des Mistelstudiums geht aus der Grundlagenforschung in der Heilmittelfirma Helixor hervor, wo die Mistel als Heilmittel für Krankheiten auf dem Gebiet der Tumorbildung und des rheumatischen Formenkreises zubereitet wird. Die Forschung dient dem Anspruch, höchster Qualität zu genügen und außerdem die Erkenntnisse über die Mistelpflanze zu erweitern.
Eine Nieheimer Flechthecke
(1989)
Zu den landschaftstypischen Kulturelementen aus Westfalen, die volkskundliches Interesse verdienen, gehört auch die Nieheimer Flechthecke. Die Bezeichnung deutet schon die lokale Verbreitung dieser Hecken an. Es ist eine Art der Weideabgrenzung, die besonders im Raum Nieheim, der Nordwestecke des Oberwälder Landes, verbreitet war und sich dort noch relativ lange gehalten hat. Hecken waren hier das prägende Landschaftbild und stehen im engen Zusammenhang mit der Weidewirtschaft. Flechthecken gibt es auch in anderen Gegenden Westfalens, jedoch unterscheiden sie sich vom Nieheimer Typ.
Dank einer erneut sehr großen Beteiligung am "Kranichmelden" ist das Zuggeschehen über dem Kreis Höxter auch in 1988 wieder durch reichlich Datenmaterial belegt. Im Frühjahr gingen 171 und im Herbst 311 Beobachtungen ein, die in den beiden untenstehenden Grafiken zusammengefasst dargestellt sind. Ein Abdruck sämtlicher Einzelmeldungen wäre zu langatmig und wegen der Unübersichtlichkeit auch nicht sonderlich aussagefähig. In vielen Fällen ist das Herausfiltern von eventuell identischen Zügen, die an verschiedenen Orten gesehen wurden, sehr schwierig. An Tagen mit sehr starkem Durchzug in kurzer Zeit kann man fast nur die an der Kreisgrenze einfliegenden Tiere zusammenrechnen, da praktisch alle in der folgenden Stunde im Kreisgebiet beobachteten Flüge aus diesen schon registrierten Vögeln bestehen können. Hier wurden nur Züge gerechnet, bei denen eine Doppelmeldung absolut ausgeschlossen ist. Deswegen und auch durch die Tatsache, dass einige Flüge nicht ausgezählt bzw. geschätzt wurden oder wegen Dunkelheit nicht zählbar waren und somit nicht mit eingerechnet werden konnten, sind die angegebenen Zahlen ein absolutes Minimum. Insgesamt war zumindest der Herbstzug deutlich unauffälliger als im Vorjahr, was aber nicht heißt, das der Kranichbestand selbst abgenommen hat. Vielmehr wird dies wohl mit geringfügigen Verlagerungen der Zugstrecke zusammenhängen. Es ist ebenfalls von Bedeutung, auf welche Wochentage die Durchzugspitzen fallen. An einem Sonntagnachmittag sind mehr Leute draußen unterwegs als innerhalb der Woche und somit werden dann auch mehr Kraniche gesichtet.
In Deutschland leben ca. 520 Laufkäfer-Arten. Sie sind in nahezu allen Lebensräumen anzutreffen, wobei insbesondere Feuchtstandorte und solche mit hohem Anteil roher Böden relativ hohe Arten- und Individuenzahlen aufweisen. Laufkäfer werden seit nunmehr gut vierzig Jahren mit syn- und autökologischen Methoden erforscht. Felduntersuchungen basieren dabei häufig auf Fallenfängen. Seltener werden zeit- und flächenbezogene Handaufsammlungen durchgeführt. Das an einem Standort auffindbare Artenspektrum weist i.d.R. mehrere Vertreter von Strategie-Typen auf. Eine durch systematische Handaufsammlungen oder Fallenfänge ermittelte Artenliste spiegelt damit eine entsprechende Standortcharakteristik wieder. In Auengebieten hat sich beispielsweise gezeigt, daß Laufkäfer sehr spezifisch und sehr kurzfristig auf Änderungen des Wasserhaushalts sowie der Veränderung der bodennahen Raumstruktur (z.B. durch Forst- und Landwirtschaft) reagieren. Laufkäfer sind damit eine wichtige Artengruppe zur Kontrolle des Erfolgs von Schutz- und Pflegemaßnahmen. Auf Grund ihrer hohen Mobilität - viele Arten können fliegen, andere sehr geschickt und schnell auch bei relativ-niedrigen Temperaturen laufen - sprechen sie auf Standortänderungen innerhalb weniger Wochen an.