LiTheS. Zeitschrift für Literatur- und Theatersoziologie
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Die hier vorgelegte kleine Auswahl an Berichten und Artikeln aus dem 18. und 19. Jahrhundert bedarf der Begründung. Es handelt sich fast ausnahmslos um Texte, die sich öffentlichen Belustigungen und Schaukünsten jenseits des "regulären" Theaters widmen, also solchen Praktiken, die neuerdings verstärkt in den Blick einer kulturwissenschaftlich ausgerichteten Forschung rücken. Die Art und Weise, wie diese Belustigungen von Zeitgenossen beschrieben wurden, war in der Regel von einem Theater- und Kulturkonzept geprägt, das um Ideale von moralischer, sozialer und ästhetischer Bildung kreiste; dementsprechend kritisch fielen unter Umständen die Kommentare zu Vergnügungspraktiken aus, die einem solchen Konzept nicht folgten. Doch gerade weil die in den ausgewählten Texten beschriebenen Unterhaltungsformen populäre, auf ein Massenpublikum ausgerichtete Phänomene jenseits eines sprach- oder gesangszentrierten mimetischen Theaters waren, erlauben diese Kommentare Rückschlüsse auf Bedürfnisstrukturen eines breiten großstädtischen Publikums und ansatzweise auch auf das Publikumsverhalten und dessen Veränderungen.
Sozialgeschichte des Theaters - das soll im folgenden bedeuten: eine Geschichte der Berührungen der Institution und des Mediums Theater mit "Gesellschaft". Diese Formel lenkt den Blick auf zwei Sachverhalte, nämlich zum ersten auf die Gruppe(n) derjenigen, die Theater rezipieren, also auf bestimmte Gesellschaftsausschnitte, aus denen sich gewissermaßen Publikum konstituiert, zum zweiten auf die Reflexion sozialer Konstellationen und Prozesse im Rahmen des künstlerischen Produkts "Theater", etwa auf der Ebene der behandelten Themen und Stoffe. Beide Sachverhalte sind nicht zu trennen von der grundsätzlichen Frage nach der gesellschaftlichen Funktion von Theater. [...] Nähert man sich Wien und seinem Theater über Konzepte wie Identität oder Image, so erhebt sich die Frage, wie sich dieses "Wien" eigentlich fassen lässt. Wien als räumliches und soziales Gebilde besaß und besitzt eine überaus komplexe Struktur. [...] Um sich diesen Sachverhalten immerhin anzunähern und Wien als einen in einzigartiger Weise geordneten Raum des sozialen Miteinanders, des Wohnens, des Arbeitens und des Vergnügens zu erschließen, bietet sich das Modell einer kulturellen Topographie an. [...] Mit den Begriffen Identität und Topographie sind jene beiden Kategorien benannt, an denen sich die folgenden Ausführungen zum Wiener Theater vornehmlich orientieren. Diese Zugangsweise erhebt ebenso wenig Anspruch auf Objektivität wie die Auswahl der Aspekte der Wiener Theatergeschichte, die aus der vorgegebenen, drei Jahrhunderte umfassenden Zeitspanne herausgegriffen und diskutiert werden. Einige hauptsächliche Prämissen der Darstellung seien gleichwohl benannt: Erstens wird im Sinne einer integralen Theatergeschichtsschreibung die dem Miteinander und Gegeneinander der Disziplinen (Sprech-)Theaterwissenschaft und Musikwissenschaft nach wie vor zugrunde liegende, vom historischen Theateralltag aber nicht gedeckte Trennung von Sprechtheater und musikalischem Theater aufgegeben, fallweise auch die Trennung von institutionalisiertem Theater und semitheatralen Formen. Zweitens werden - entsprechend der im vorliegenden Kontext erforderlichen Entprivilegierung (hoch-)kultureller Erscheinungen - populäre, auf ein breites Publikum zielende Genres besondere Berücksichtigung finden, Genres, die übrigens fast durchwegs dem musikalischen Theater angehören. Drittens wird es im Hinblick auf die Berührung zwischen der Gesellschaft bzw. ihren Teilen und dem Theater vorrangig um Zugänge und um Zugänglichkeiten gehen: das Stichwort "Zugänge" bezieht sich auf Räume für Theater, und zwar auf Räume der Stadt, die dem Theater erschlossen werden, und auf die eigentlichen Theatergebäude / Institutionen als Orte des Aufeinandertreffens von Theaterspiel und Zuschauer; mit "Zugänglichkeiten" sind jene Bereiche der Theatergesetzgebung (inklusive herrschaftlicher Einzelentscheidungen) gemeint, die gleichsam die Rezeption von Theater steuern, wie etwa das Konzessions- und Privilegienwesen und die Zensur.
Die folgenden Ausführungen sind den Parasiten der Antike, vornehmlich der griechischen, gewidmet. Es stehen Beobachtungen zu jenen Figuren im Mittelpunkt, die dem griechischen Sprachgebrauch folgend als παράσιτοι bezeichnet wurden. Um diese angemessen interpretieren zu können, ist es notwendig, die Konsequenzen der ideengeschichtlichen Entwicklung, die der Begriff Parasit besonders in den letzten Jahrhunderten durchgemacht hat, so weit wie möglich auszublenden, um nicht voreingenommen an den Untersuchungsgegenstand heranzutreten. Das ist eine methodisch selbstverständliche Forderung, der offenbar jedoch nur äußerst schwer entsprochen werden kann, was sich darin zeigt, dass die antiken Parasiten in der Regel eher abschätzig beurteilt und ihre Aussagen zur Selbsteinschätzung nicht ernst genommen werden. Der daraus resultierende latent negative und oberflächliche Zugang macht es unmöglich, die innere Logik dieser Figur zu erkennen. So erklärt sich, dass bislang keine Studie vorliegt, in der die Rolle des Parasiten in der griechisch-römischen Komödie in ihrer Komplexität umfassend beschrieben und dem Phänomen παράσιτος / parasitus mit der notwendigen Wertschätzung entgegengetreten worden wäre.
Ende des 18. Jahrhunderts berichtete ein anonymer Verfasser in der Zeitschrift London und Paris von einer ungewöhnlichen Einrichtung: von der Lachschule des Monsieur Robert. Dieser hatte zunächst als Gesangslehrer seine Dienste angeboten, sein Angebot dann aber später erweitert. Wenn man in vornehmen Gesellschaften mit Anstand erscheinen möchte, erklärte Robert seinem Publikum, reiche es nicht aus, "wenn man Witz und Verstand zeige, schöne Komplimente […] machen, und reitzend tanzen könne". Man müsse auch darauf achten, "daß man in Gesellschaft mit Anstand und melodisch lache". Folglich bot der Pariser Gesangslehrer an, "allen Standespersonen beiderley Geschlechts in dieser höchst nöthigen Kunst Unterricht zu geben".
Es sind literarische Texte, die das Corpus des folgenden Beitrages ausmachen. Die Fragen, die an diese Texte gestellt werden, sind indes sozialgeschichtlicher Natur: Über welche sozialen Gruppen wird gelacht? Welche Haltung wird durch die Komik zum Ausdruck gebracht? Wird durch das Lachen die bestehende soziale Ordnung bestätigt oder in Frage gestellt? Diese drei Fragen sollen für den Bereich der französischen Literatur in drei Schritten untersucht werden: zunächst soll nach der Funktion der Komik im Ancien Régime im Zusammenhang mit dem hierarchischen Gattungssystem, das mit der sozialen Hierarchie in Verbindung steht, gefragt werden; danach gilt es, die Funktion der Komik nach der Französischen Revolution mit dem Einbruch des Gattungs- und Sozialsystems zu untersuchen; ein letzter Abschnitt gilt der Wiederentdeckung Rabelais’ durch die romantische Generation mit ihrer Neueinschätzung des Komischen.
Die "Extravaganza" und ihr hauptsächlicher Vertreter James Robinson Planché bezeichnen ein Kapitel der englischen Theater- und Populärkulturgeschichte, das außerhalb des angloamerikanischen Raums in der Forschung bislang kaum Beachtung gefunden hat. Mit Planché werden selbst Theater-, Literatur- und Musikwissenschaftler, die einigermaßen mit den Abseitigkeiten des musikalischen Theaters des frühen 19. Jahrhunderts vertraut sind, bestenfalls zwei Daten verbinden: er schrieb das Libretto zu Carl Maria von Webers "Grand Romantic and Fairy Opera" 'Oberon or The Elf King’s Oath' (1826) und das Melodrama 'The Vampire; or, The Bride of the Isles' (1820), eine der frühen Dramatisierungen von John William Polidoris Erzählung 'The Vampyre' und wesentlicher Vorläufer der Vampir-Opern von Heinrich Marschner und Peter von Lindpaintner (beide 1828). Tatsächlich gehörte der weitgehend vergessene Planché (1796–1880) zu den produktivsten Persönlichkeiten der Londoner Theaterszene seiner Zeit. Ein Nebeneffekt des vorliegenden Versuchs über die Komik der Extravaganza könnte darin bestehen, in Planché einen Theatermacher vorzustellen, der in einer Mediengeschichte des Populären eine Zentralfigur abgeben müsste und der darüber hinaus ein idealer Gegenstand für die Diskussion um Fragen des kulturellen Transfers im 19. Jahrhundert wäre.
Es gab also keine offizielle Haltung gegenüber der Satire. Aber was darf Satire? Eine Frage, die Tucholsky mit "Alles." beantwortete. Er ging von der "Berechtigung eines ehrlichen Mannes, die Zeit zu peitschen", aus. Was aber Satire in der DDR wirklich durfte, war kaum mit "Alles." auszudrücken. Hegel zufolge handelt es sich bei der Satire um "[d]ie Kunstform, welche diese Gestalt des hervorbrechenden Gegensatzes der endlichen Subjektivität und der entarteten Äußerlichkeit annimmt". Seine Satire-Definition ist hier nicht anwendbar: Man ging in der DDR bezüglich des Systems selbstredend nicht von einer "entarteten Äußerlichkeit" aus, da die Wirklichkeit im Grunde nicht infrage gestellt wurde oder werden durfte. Höchstens kleine Missstände auf dem Weg zur Utopie sollten satirisch dargestellt werden. Zudem scheint der Satireansatz des DDR-Kabaretts im Gegensatz zur bürgerlichen Kritik aus der Perspektive des Individuums, das Staat oder Gesellschaft infrage stellt, invers. Die Satire der DDR zielte, vom idealen Staat ausgehend, auf die Unzulänglichkeit des Individuums.
Die Reflexion über das Komische hat in den deutschsprachigen Kulturwissenschaften vor allem seit der Jahrtausendwende Konjunktur. Wohl angestoßen durch die seit 1988 erscheinende Zeitschrift 'Humor – International Journal of Humor Research' (Berlin, New York), das Teilprojekt 'Transformationen von Wissen und Gewissheit in den Lachkulturen der Frühen Neuzeit' des DFG-Sonderforschungsbereichs 447: 'Kulturen des Performativen' (2001–2010), die 'Kasseler Komik-Kolloquien' (seit 2000) und die damit zusammenhängende Schriftenreihe 'Kulturen des Komischen' (seit 2003),4 erschien eine kaum überschaubare Fülle von Studien und Beiträgen (auch mit mitunter kaum fassbaren Ansätzen). In dem Maße, wie sich diese Konjunktur nun abzuschwächen beginnt, bietet sich die Gelegenheit der Bilanz, Systematisierung und Revision – übrigens auch der mehr als zweitausendjährigen Geschichte der Ästhetik, Moral- und Geschmacksgeschichte des Komischen. Denn auch diese gleicht einem Babylon aus Begriffen und Systemen.
Die Reflexion über das Komische hat in den deutschsprachigen Kulturwissenschaften vor allem seit der Jahrtausendwende Konjunktur. Wohl angestoßen durch die seit 1988 erscheinende Zeitschrift 'Humor – International Journal of Humor Research' (Berlin, New York), das Teilprojekt 'Transformationen von Wissen und Gewissheit in den Lachkulturen der Frühen Neuzeit' des DFG-Sonderforschungsbereichs 447: 'Kulturen des Performativen' (2001–2010), die 'Kasseler Komik-Kolloquien' (seit 2000) und die damit zusammenhängende Schriftenreihe 'Kulturen des Komischen' (seit 2003),4 erschien eine kaum überschaubare Fülle von Studien und Beiträgen (auch mit mitunter kaum fassbaren Ansätzen). In dem Maße, wie sich diese Konjunktur nun abzuschwächen beginnt, bietet sich die Gelegenheit der Bilanz, Systematisierung und Revision – übrigens auch der mehr als zweitausendjährigen Geschichte der Ästhetik, Moral- und Geschmacksgeschichte des Komischen. Denn auch diese gleicht einem Babylon aus Begriffen und Systemen.