380 Handel, Kommunikation, Verkehr
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Im Sinne einer nachhaltigen Stadt- und Verkehrsentwicklung verspricht das Konzept autoreduzierter Quartiere, die Autonutzung und den Autobesitz der Bewohnenden zu verringern sowie deren autounabhängige Mobilität zu fördern. Der Forschungsstand zeigt indes, dass nicht automatisch davon auszugehen ist, dass die gelebte Praktik der Planungsvision entspricht, da die Mobilität nicht nur von oben herab geplant, sondern auch von unten, also den Bewohnenden selbst sowie den Mobilitätskontexten, geprägt ist.
Anhand zweier autoreduziert entwickelter Quartiere in Darmstadt verfolgt die Arbeit deshalb das Ziel, mittels eines planungskritischen Ansatzes zunächst die Narrative autoreduzierter Quartiere zu identifizieren, um die Planungsvision zu ergründen. Des Weiteren werden mithilfe eines biographisch inspirierten, praxistheoretischen Ansatzes die mobilitätsbezogenen Praktiken autoreduzierter Quartiere sowie etwaige Veränderungen dieser nach dem Wohnortwechsel analysiert, um das Verständnis der Alltagsmobilität und deren Wandel zu verbessern sowie Potenziale und Grenzen der Umsetzung solcher Quartierskonzepte zu ermitteln. Abschließend soll der Vergleich beider Perspektiven dazu beitragen, besser zu verstehen, was eine nachhaltige Stadt- und Verkehrsgestaltung sowie eine autounabhängige Mobilität und ein autofreies Leben unterstützt bzw. behindert.
Zur Identifikation der Narrative wurden Expert*inneninterviews mit verschiedenen Personen durchgeführt, die am Planungs- und Umsetzungsprozess beider Quartiere beteiligt waren. Die Ergebnisse legen nahe, dass die Entwicklung autoreduzierter Quartiere (i) bewusst in die Nachhaltigkeitsdebatte eingebettet und (ii) von Machtverhältnissen geprägt ist sowie (iii) normativen Indikatoren folgt und (iv) deren Planungsideale im Kontrast zur gelebten Realität stehen können.
Zur Analyse der mobilitätsbezogenen Praktiken sowie der Veränderungen derselben wurden Bewohnende qualitativ interviewt. Dabei zeigt sich, dass der materielle Kontext eines autoreduzierten Quartiers sowie die persönlich-zeitlichen und soziokulturellen Kontexte der Mobilitätspraktiken die Autounabhängigkeit der Bewohnenden stabilisieren und fördern. Behindert wird sie dagegen vom materiellen Kontext außerhalb der Quartiere, der Verwobenheit des Autofahrens mit anderen Alltagspraktiken sowie der affektiven Zufriedenheit mit der Autonutzung und dem Autobesitz.
Aus dem Vergleich beider Erhebungen und damit der Gegenüberstellung der Planungsvision mit der gelebten Praktik lässt sich schlussfolgern, dass trotz feststellbarer Unterschiede die Realität im autoreduzierten Quartier größtenteils dem Ideal einer autounabhängigen Mobilität entspricht. Dagegen erweisen sich ein autofreies Leben und die Parkrestriktionen weiterhin als kontroversere Themen. Schließlich offenbart die Arbeit sowohl Veränderungen in der Mobilitätsgestaltung von oben als auch in der Mobilitätspraktik von unten, gleichzeitig aber auch persistente automobile Abhängigkeiten, weshalb sie im Sinne der Verkehrs- und Mobilitätswende einen kontinuierlichen materiellen und immateriellen Wandel fordert.
Ausgehend von der Forschungsfrage „Wie wird im Lebensmittelhandel mit und an Verpackungen gearbeitet?“ erörtert die kumulative Dissertation „Schwierigkeiten und Potentiale der Verpackungsvermeidung – Eine Arbeitsethnographie im Lebensmittel-handel“ Handlungsspielräume für einen nachhaltigeren Umgang mit Verpackungen. In einer ethnographischen Analyse unterschiedlicher Arbeitssettings, werden die Herausforderungen in den alltäglichen Arbeitspraktiken des dominanten verpackungsbasierten Lebensmittelsystems genauso betrachtet wie die Schwierigkeiten der radikalen Transformation dieser Praktiken. Ich argumentiere, dass Verpackungen kein passives Objekt sind, vielmehr sind sie durch ihre Materialeigenschaften und Bedeutungen sowohl an der Stabilität des Arbeitsalltags als auch an der Dynamik von Transformationsprozessen entscheidend beteiligt. Artikel I (Plastic Packaging, Food Supply, and Everyday Life. Adopting a Social Practice Perspective in Social-Ecological Research) behandelt die Potentiale eines praxistheoretischen Forschungszugangs für die Erforschung von Plastikverpackungen im Speziellen und sozial-ökologischen Problemen im Allgemeinen. Anhand von konkreten Forschungsbeispielen erörtern wir im Artikel zwei mögliche praxistheoretische Zugänge zur Beziehung von Praktiken und materiellen Entitäten, die eine sozial-ökologische Systemperspektive je nach Fragestellung sinnvoll ersetzen können. Im Netzwerk-Ansatz konzipieren wir Materialität als Element in heterogeneren Netzwerken aus Praktiken um die Diversität im alltäglichen Umgang mit Infrastrukturen, Technologien und Dingen erforschbar zu machen. Mit dem Nexus-Ansatz fokussieren wir auf die Wechselwirkungen zwischen Alltagspraktiken und ihrer räumlich-materiellen Umgebung um die infrastrukturelle Rolle von Verpackungen zu ergründen. Artikel II (Making Food Manageable - Packaging as a Code of Practice for Work Practices at the Supermarket) greift den im Artikel I diskutierten Netzwerk-Ansatz auf und befasst sich empirisch mit der Frage „Wie wird im Lebensmittelhandel mit Verpackungen gearbeitet?“. Der Artikel erläutert die Schwierigkeit der Verpackungsvermeidung anhand einer ethnographisch/praxis-theoretischen Analyse und präsentiert zentrale Funktionen von Verpackungen im Supermarkt. An konkreten empirischen Beispielen in zentraler Arbeitsbereiche wie Produktpräsentation, Warenlogistik und Ladenrepräsentation zeige ich die Vielfältigkeit von Verpackungsfunktionen jenseits von Marketing oder technischer Schutzfunktionen. Das beinhaltet die Platzierung und Aufbereitung der Produkte im Regal, die Evaluation von Produktqualitäten und Quantitäten von Warenströmen sowie die Repräsentation zentraler Qualitäten eines guten Supermarktes. Praktische Verpackungsvermeidung erfordert eine Reflektion solcher Verpackungsfunktionen. Artikel III (Negotiating attachments to plastic) behandelt die Frage „Wie wird im Lebensmittelhandel an Verpackungen gearbeitet?“ durch die trans-sequentielle Analyse eines Innovationsprozesses zur Plastikvermeidung in einem deutschen Bio-Großhandel. Im Artikel diskutiere ich die Schwierigkeit grundlegender Innovationen der Verpackungs-vermeidung durch die Erläuterung ganz praktischer Veränderungsbarrieren und Widerstände der Veränderung von normalisierten Objektbeziehungen und Nutzungs-praktiken. In der Analyse der dynamischen Beziehungen (Attachments) von Arbeiter*innen und Plastikfolie (bzw. ihrer Substitute) zeige ich, dass „etwas loswerden" ein unzureichender Ansatz ist, wenn es darum geht, nicht-nachhaltige Plastiknutzungen zu transformieren. Verpackungsvermeidung gelingt eben nicht durch ein „Befreien“ menschlicher Handlungsmacht von nicht nachhaltigen Objektabhängigkeiten, vielmehr geht es darum, das Zusammenspiel von Verpackungen und Arbeiter*innen in konkreten Praktiken neu zu gestalten. Artikel IV (How to Apply Precycling: Unpacking the Versatility of Packaging in Networks of Food Supply Practices) greift schließlich die zentralen Erkenntnisse der ethnographischen Analyse auf und diskutiert die Folgen für sozial-ökologische Transformationsprozesse. Die Ergebnisse aus den beiden ethno-graphischen Fallstudien (Artikel II, III) werden zusammengeführt und anhand der Perspektive des Netzwerk-Ansatzes (Artikel I) diskutiert. Ich konkretisiere damit die Potentiale einer praxistheoretischen Herangehensweise für die soziologische Analyse der Verpackungsnutzung und die Entwicklung von praktischen Precycling-Strategien zur systematischen Verpackungsmüllvermeidung.
Die Zigarettenalben entwickelten sich in den 1930er Jahren zu einem vitalen Instrument der Wirtschafts- und Gesellschaftskommunikation. Da sowohl die Zigarettenindustrie als auch das NS-Regime manipulativ auf soziale Gruppen einwirken wollten, war es folgerichtig, dass Wirtschaft und Politik das beliebte Massenmedium als Kommunikationsinstrument einsetzten, um von dem propagandistischen Synergieeffekt zu profitieren. In den Zigarettenbildern mit NS-Inhalten manifestiert sich die Assimilation ökonomischer und propagandistischer Interessen, die seit Beginn der Professionalisierung von Werbung und Propaganda eingesetzt hatte. Die NS-Propaganda knüpfte bei der strategischen und operativen Planung an die Forschung der Weimarer Zeit an, die sich mit den sozialpsychologischen Grundlagen der Propaganda, Massenkommunikation und Werbewirkung sowie der Propaganda der Entente während des Ersten Weltkrieges auseinandergesetzt hatte.
Die kommunikationspolitische Allianz zwischen Politik und Wirtschaft beruhte nicht auf gesellschaftspolitischer Konformität, sondern auf einem vielschichtigen, beidseitigen Abhängigkeitsverhältnis. Die Beteiligung der Zigarettenindustrie an der NS-Propaganda war bis auf wenige Ausnahmen kein Ausdruck einer politischen Gesinnung, sondern rein monetären Motiven geschuldet oder wie bei Reemtsma auch unternehmenspolitische Strategie. Letztendlich profitierten die Zigarettenfabrikanten wirtschaftlich, denn sie konnten an dem gesellschaftpolitischen Interesse der Bevölkerung in Bezug auf NS-Themen im Rahmen der Sammelwerke partizipieren. Aber auch das NS-Regime profitierte wirtschaftlich. Neben den finanziellen Vorteilteilnahmen und der Multiplikation der NS-Ideologie profitierte das NS-Regime von den Zigarettenbildern auch als psychologisches Instrument der Truppenbetreuung, denn das Oberkommando der Wehrmacht erachtete die Zigarettenbilder für die Betreuung der Soldaten als unerlässlich.
Mit der Nutzung der Zigarettenalben begab sich aber auch das NS-Regime in Abhängigkeit zur Zigarettenindustrie, denn Populärkultur erfordert effektive Produktionsmittel und Distributionskanäle, die die Multiplikation der Medien gewährleisten sowie ambitionierte Unternehmer, die eine Gewinnmaximierung verfolgen. Das RMVP musste der Wirtschaft daher einen gewissen Freiraum bei der Themenwahl belassen, damit das Medium insgesamt nicht an Akzeptanz bei der Bevölkerung verlor. Angesichts der Tatsache, dass die so genannte Bekenntnisliteratur bei der Bevölkerung nie auf große Resonanz gestoßen und ab 1934 kaum noch nachgefragt war, bildeten die Zigarettenalben eine der wenigen Plattformen, auf der das NS-Regime über soziale Schichten hinweg Bevölkerung erreichen konnte. Die Einflussnahme des NS-Regimes war damit ebenso begrenzt, wie die der Unternehmen, denn beide mussten den sozialpsychologischen Bedürfnissen der Bevölkerung Rechnung tragen. Sowohl Wirtschaft als auch Politik mussten, um Akzeptanz zu finden, die Themen bedienen, die vom Rezipienten nachgefragt wurden.
Die Untersuchungen belegen, dass die Zigarettenalben, die in den 1930er Jahren publiziert wurden, nicht ausschließlich zur Verbreitung nationalsozialistischer Propaganda verwendet wurden, sondern auch von Gemeinschaften genutzt wurden, die ihre spezifischen politischen und ideologischen Interessen vertreten wollten. Neben den Vertretern des sozialistischen Lagers war es die SA, die die Zigarettenalben als Sprachrohr für ihre eigenen Interessen in Anspruch nahm. Bei der Parteiarmee war es insbesondere der sozialistisch geprägte Flügel um Ernst Röhm, der mit den Alben der sympathisierenden Firma Sturm seine Interessen vertrat, die primär darin bestanden, eine Partizipation an der Macht zu legitimieren und einzufordern. Darüber hinaus boten die Zigarettenalben der Parteiarmee die Möglichkeit, die eigene Historie in der deutschen Geschichte zu verorten und eine Traditionslinie bis zu den Freiheitskriegen zu ziehen. Damit konnte die SA mit den Sturm-Alben sowohl eine faschistische Bewegungskultur etablieren, als auch eine eigene Historie installieren. Die SA und ihre Mitglieder erhielten so einen Identifikationsraum, der ihnen die Möglichkeit bot, sich als selbstbewusste und eigenständige Organisation zu definieren.
Die Lenkungshoheit über die Medien und die nationalen Symbole erlaubte es dem NS-Regime, die kommunikationspolitischen Maßnahmen stringent nach den eigenen politischen Zielen auszurichten. Da die Autonomie des Öffentlichkeitssystems völlig aufgehoben und alle Publikationen der staatlichen Kontrolle unterlagen, mussten auch die Zigarettenfabrikanten die Inhalte der Sammelalben regimekonform ausrichten. Den-noch konnten weder Politik noch Industrie bei der Kommunikationspolitik völlig autark agieren, denn aufgrund der Wechselbeziehung zwischen Kommunikator und Rezipient waren beide Parteien gezwungen, die Bedürfnisse der Bevölkerung und ihre sozialpsychologischen Identifikationsräume zu berücksichtigen. Die Propaganda des Nationalsozialismus war daher, wie in den Kommunikationswissenschaften vielfach dargestellt, kein dispositionales Konzept, bei dem das Individuum einem Reiz-Reaktions-Schema folgt.
Die Berücksichtigung der sozialpsychologischen Bedürfnisse der Rezipienten wurde insbesondere bei der Integrationspropanda verfolgt.
Die Dissertation greift das innerhalb der Verkehrs- und Mobilitätsforschung populär diskutierte Thema rund um einen Übergang von der automobilen hin zur multimodalen Gesellschaft auf. Mit Blick auf den individuellen Mobilitätsalltag geht es in dieser Diskussion um eine mögliche Abwendung von der tendenziell exklusiven Autonutzung für alle Wege hin zur flexiblen Nutzung unterschiedlicher Verkehrsmittel. Dabei wird der übergeordneten Frage nachgegangen, inwiefern sich ein potentieller Übergang in individuellen Voraussetzungen für multimodales Verhalten widerspiegelt. Ausgang ist die Annahme, dass multimodales Verhalten stets von einer materiellen und mentalen Multioptionalität bei den Verkehrsteilnehmenden abhängt, d.h. einerseits dem ‚materiellen‘ Zugang zu mehreren Mobilitätsressourcen (Führerschein, Auto, ÖV-Zeitkarte, Fahrrad usw.) und andererseits eine ‚mentale‘ Offenheit gegenüber der Nutzung mehrerer Verkehrsmittel. Zur Überprüfung dieser These wurde im Frühjahr 2013 in Kooperation mit der sozialwissenschaftlichen und ökologischen Begleitforschung der Allianz Elektromobilität Rhein-Main eine Personenbefragung in der Großstadt Offenbach a.M. (rd. 115.000 EW) durchgeführt, bei der insgesamt 620 Personen zu ihrem Mobilitätsverhalten sowie ihren materiellen und mentalen Mobilitätsoptionen befragt wurden. Die Auswertungen ermöglichen die Aufstellung einer Reihe von neuen Thesen, mit denen der potentielle Übergang hin zur multimodalen Gesellschaft kritischer eingeordnet werden muss.
Are books different? : Die Auswirkungen des Falls der Buchpreisbindung in Großbritannien 1995 - 2006
(2013)
Sicherlich gibt es im Buchhandel wie in jeder anderen Branche Zeiten der Krise und des Umsatzrückgangs, aber grundsätzlich legen die Zahlen nicht nah, dass das Ende bevorsteht. Es stellt sich also die Frage, ob zutrifft, was Richter Buckley in seinem zum geflügelten Wort gewordenen Urteil feststellte: Sind Bücher wirklich anders, oder anders gefragt, braucht der Buchhandel den Schutz des Staates, um seine Funktion erfüllen zu können?
Um eine Antwort auf diese Fragen zu finden, soll in dieser Arbeit das Hauptaugenmerk auf die Entwicklung des britischen Buchhandels im Zeitraum von 1995 (dem Jahr der faktischen Abschaffung des Net Book Agreement bis 2006 gelegt werden. Nach dem beinahe hundertjährigen Bestehen der Buchpreisbindung waren diese Jahre richtungweisend für die Neuorientierung des britischen Buchhandels auf die Bedingungen eines freien Marktes, und es soll untersucht werden, welche Umwälzungen sich daraus für die Branche ergeben haben.