830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
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Ausschlaggebend für die steigende Relevanz des Popularitätsdiskurses insbesondere im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts sind vor allem Johann Gottfried Herders vielschichtige Bemühungen um eine Aufwertung der Volkspoesie. Seine Versuche, Volkskultur in das Feld der Hochkultur zu inkludieren, indem er das Volk als Trägerschicht einer natürlichen Form von Dichtung konstituiert, führen zu einer neuen Betrachtung des Populären, die auch literaturpolitische Folgen birgt. Bisher kaum in den Blick geraten ist die Gegenkategorie des nun positiv konnotierten Popularitäts- und Volksbegriffs, ohne die der Aufstieg des Populären nicht beschreibbar ist. Denn nach wie vor gibt es den unvernünftigen, vulgären und damit abzulehnenden "Pöbel auf den Gassen", und dieser, das macht bereits Herder deutlich, "singt und dichtet niemals, sondern schreyt und verstümmelt". [...] Die zunehmend deutlich werdende Trennung zwischen dem 'guten', moralischen Volk, dessen kulturelle Erzeugnisse aufgewertet werden, und dem unmoralischen Pöbel mitsamt dem nach wie vor abzulehnendem Vulgären ist bisher weitestgehend unerforscht. Dabei entfacht diese Trennung in den Jahren um 1800 eine zusätzliche Dynamik, wie sie sich beispielsweise in der Schiller-Bürger-Kontroverse spezifiziert. [...] In den Verhandlungen um wünschenswerte und abzulehnende populäre Literatur ist es vor allem Friedrich Schiller, der den Diskurs nachhaltig beeinflusst. Und doch wurden Schillers ästhetische Schriften bisher kaum im Hinblick auf die Populärkulturforschung oder die Differenzierung von Hoch- und Volkskultur gelesen. Schiller scheint eine Schlüsselfunktion in den Reflexionen um die Voraussetzungen und Chancen populärer Kunst zuzukommen, welche weit über die Schiller-Bürger-Kontroverse hinaus reicht. In den ästhetischen Abhandlungen der 1790er-Jahre sind Fragen der Popularität immer wieder präsent und geben Anlass, Fragen rund um Massentauglichkeit, literaturpolitische Strategien und ästhetischen Anspruch zu verhandeln. Auch für Friedrich Schiller, insbesondere in seiner Rolle als Volkserzieher, ist schließlich ein gewisser Erfolg in der Masse unentbehrlich. Für eine erste, isoliert betrachtete Analyse soll Schillers, Aufsatz "Über naive und sentimentalische Dichtung" herangezogen werden. Insbesondere im dritten Teil der Abhandlung, "Über die beiden Abwege naiver und sentimentalischer Poesie", wirft Schiller dezidiert einen Blick auf gescheiterte, und zwar naive wie sentimentalische Literatur, wobei er auf die Ursachen, warum ästhetisch wie moralisch minderwertige Literatur dennoch Popularität generieren kann, ebenso eingeht wie auf die daran beteiligten Akteure. Der folgende Text versteht sich keineswegs als umfassende Analyse von Schillers "Über naive und sentimentalische Dichtung", sondern möchte vielmehr ein Schlaglicht auf Friedrich Schillers argumentative Aushandlungen um wünschenswerte und abzulehnende populäre Literatur werfen. Ein besonderer Fokus soll dabei auf den Fragen nach den Strategien liegen, mit denen Schiller über Exklusion und Inklusion einzelner literarischer Akteure entscheidet. Wer ist Adressat dieser (Ab-)Wertungen und Ausgrenzungen? Wie werden diese Wertungen legitimiert und wie versucht Schiller damit, gewohnte Strukturen (das heißt Strukturen, in denen er über Deutungshoheit verfügt) zu stabilisieren? Besonders interessant zu sehen ist dabei, wie die Popularität der vermeintlich minderwertigen Literatur Schiller und die geringere Popularität seiner literarischen Artefakte unter Rechtfertigungsdruck setzt, wie er mit diesem umgeht und welche Anschlusskommunikation sich daraus ergibt.
Carl Schmitt (1888–1985) wird heute als Jurist wie als historischer Akteur - 'Kronjurist' des Weimarer Präsidialsystems wie des Nationalsozialismus - weltweit extensiv und intensiv diskutiert. Es ist bekannt, dass Schmitt vor wie nach 1945 zu autobiographischen Legenden und Mystifikationen neigte: Er argumentierte in historischen Parallelen und verglich seine Stellung und Rolle mit 'klassischen' Autoren wie Thomas Hobbes oder auch Donoso Cortés. Intensiv rezipierte er seit früher Jugend Dichtung, suchte den Kontakt zu Künstlern und bewegte sich auch in der Bohème. Der folgende Text analysiert eine zentrale autobiographische Spiegelung und apologetische Legende: Schmitts Hamlet-Identifikation. Er betrachtet Schmitts Büchlein "Hamlet oder Hekuba" von 1956 als eine autoritative Leseanweisung an das Publikum und kritisiert die Identifikation mit Hamlet und König Jakob. Schmitts Mystifikationen changieren zwischen tagträumerischer Phantasie und strategischen vergangenheitspolitischen Legenden. [...] Sein hermetischer Text wurde bislang kaum verstanden, weshalb die folgende Analyse der Legende strikt folgt und sie in manchen Konsequenzen vielleicht wörtlicher dechiffriert, als Schmitt es beabsichtigt haben mag. [...] Schmitts Hamlet-Identifikation ist aber die zentrale Botschaft der Schrift. Das rechtfertigt ein pedantisches Vorgehen. [...] Der folgende Text geht von dem Befund aus, dass Schmitt mit seiner Hamlet-Deutung den "Einbruch" des Nationalsozialismus in sein Leben reflektierte und seine Rolle im Nationalsozialismus in hermetisch-apologetischer Form thematisierte. Auch seine exoterischen Erklärungen der Hamlet-Schrift sind demnach Ablenkungsmanöver: die halböffentliche Rede "Was habe ich getan?" von 1956 sowie der Aachener Vortrag "Hamlet als mythische Figur der Gegenwart" von 1957. Der Aachener Vortrag thematisiert, Überlegungen zum "Genie-Kult" und zur Dialektik von Psychologisierung und Historisierung weiterführend, die "bürgerliche" Psychologisierung des Hamlet-Mythos in repolitisierender Absicht und generalisiert das Intellektuellen-Problem, das Schmitt mit Hamlet betont: ein "Mißverhältnis von Denken und Tun". Wichtiger ist aber die Frage, ob das überhaupt Schmitts Problem war.
Der Prosaband "Die Stadt Ys" erschien 2007. Er ist nach den Romanen "Rosa" (2000) und "Heldenfriedhof" (2006) Harlans letzte Prosaveröffentlichung, an deren Herausgabe er selbst mitwirkte und deren Druckfassung er autorisierte. [...] Über die zumeist kleinformatigen Kurzgeschichten ist Harlans perturbatorische Erzählweise eher zugänglich als über die erheblich großformatigeren Geschichten im letzten der drei Teile des Prosabands oder gar über die Iyob-Geschichte im mittleren Teil oder die Romane. Daher hat die Untersuchung der Kurzgeschichten hinsichtlich der folgenden Texte eine propädeutische Funktion. Sie zeigt auf dem Weg eines close reading, mit welchen erzählerischen Mitteln Harlans Text Leser:innen, die kohärente, sukzessiv-linear zu lesende Texte erwarten, extrem verwirren und hilft auf diese Weise vielleicht, diese Verwirrung nicht nur zu tolerieren, sondern den Blick freiwerden zu lassen für die staunenswerte Virtuosität dieser Texte.
Die Wege der Theoriegeschichte sind zwar nicht unergründlich, mitunter jedoch verschlungen genug, um an ihnen irre zu werden. Im Fall Heideggers betrifft dies vorderhand die Debatte um seine Verbannung aus dem philosophischen Curriculum, die Frankreich seit langem, Deutschland erst seit der Publikation seiner 'Schwarzen Notizhefte' 2014/15 beschäftigt. [...] Wollte man aber Heideggers Philosophie als von Grund auf nationalsozialistisch verwerfen, dann wäre es wohl konsequent, auch seine offiziellen und inoffiziellen Schüler:innen aus den Curricula zu streichen, etwa Rudolf Bultmann, Hannah Arendt, Jean-Paul Sartre, Jacques Lacan, Maurice Merleau-Ponty, Hans-Georg Gadamer, Günther Anders, Paul Ricoeur, Michel Foucault, Jacques Derrida, Emmanuel Levinas, Giorgio Agamben - womit evident der Pfad jeder sinnvollen Theoriegeschichte verlassen wäre. Davor, dass es sich bei der Konjunktur insbesondere der genannten französischen Theoretiker in den deutschen Geisteswissenschaften spätestens seit den 1980er Jahren lediglich um Re-Import, also Heimkehr des via Frankreich 'gereinigten' deutschen Irrationalismus handle, hat Manfred Frank bereits 1988 gewarnt: "Mir scheint, hier saugen die jüngeren Deutschen begierig, unter dem Vorgeben der Öffnung ins Französisch-Internationale, ihre eigene nach dem Dritten Reich unterbrochene irrationalistische Tradition wieder ein". Indes besteht immer auch die Möglichkeit - nach Heidegger und seinem Gewährsmann Hölderlin sogar die Notwendigkeit -, dass der von zu Hause Fortgegangene als ein anderer, fern der Heimat Gewandelter wiederkehrt, wie auch, dass die Heimat, in die er zurückkehrt, nie dieselbe ist, die er zurückgelassen hat. Um die Frage nach Heimkunft und Rückkehr in ihrer strukturellen, logischen und poetischen Dynamik mit derjenigen nach Heideggers philosophischem Erbe zu verknüpfen, mag es also angehen, noch einmal auf ihn zurückzukommen, und zwar anhand eines Textes, der seinerseits zu Friedrich Hölderlin zurückkehrt; genauer: zu dessen berühmter Elegie "Heimkunft/An die Verwandten", deren biographischen Anlass die Heimkehr des Dichters nach seiner erneuten Entlassung als Hauslehrer im Frühjahr 1801 bildet. Die Rede ist von Heideggers gleichfalls "Heimkunft/an die Verwandten" betitelter Gedenkrede zu Hölderlins 100. Todestag, gehalten im Juni 1943 in der Aula der Universität Freiburg und gedruckt 1944 in den Erläuterungen zu Hölderlins Dichtung. Dabei kommt es auch auf die Datierung beider Texte an: Hölderlins Elegie bezieht sich auf den Frieden von Lunéville am 9. Februar 1801, der den Zweiten Koalitionskrieg des alten Reiches und seiner Verbündeten gegen Frankreich beendet und dessen freudige Botschaft Hölderlins Gedicht dem heimischen Nürtingen übermittelt - ein poetischer Triumphzug also, wenigstens auf den ersten Blick. Heideggers Rede kommt auf diesen dichterischen Triumph zurück, nur wenige Monate nach der Schlacht um Stalingrad, als Weltkrieg und Drittes Reich verloren sind und die einzigen, die (wenn überhaupt) heimkehren, traumatisierte und versehrte Soldaten.
"Trommeln in der Nacht" ist das erste Stück Brechts und hat damit für seine weitere Laufbahn eine nicht unerhebliche Bedeutung. [...] Eine der ersten Arbeiten der Nachkriegszeit, die in dem Stück, und vor allem in dessen Version von 1922, eine Bedeutung für Brechts Gesamtwerk erkannten, ist der 1972 erschienene Aufsatz "'Anschauungsmaterial' for Marx. Brecht Returns to 'Trommeln in der Nacht'" von David Bathrick. Nachdem in den verschiedenen, in den 1950er und 60er Jahren herausgegebenen Sammelausgaben von Brechts Werken jeweils der überarbeitete Text aufgenommen wurde, machte sich Bathrick daran, die beiden Fassungen gegenüberzustellen, um Ansätze von Brechts später so zentralem dialektischen Theaterverständnis auch im Erstdruck nachzuweisen. Dabei deutete er bereits an, dass die Änderungen, die Brecht vornahm, die Rezeption des Stücks, vor allem des Schlusses, stark veränderten. Die Ausführungen dazu bleiben aufgrund des spezifischen Erkenntnisinteresses von Bathricks Arbeit aber vage. Der hier vorliegende Aufsatz will diesen Ansatz nun konkretisieren und dadurch eine Lesart für die frühe Fassung entwickeln, die die für das Verständnis des Stücks so zentrale Entscheidung Kraglers, sich von der Revolution abzuwenden, figurenimmanent erklärt. Dazu wird, wie bei Bathrick, die Fassungen des Erstdrucks, die auch in die Große kommentierte Berliner und Frankfurter Ausgabe aufgenommen wurde - und auf die sich die Forschung mittlerweile größtenteils bezieht - mit der von Brecht in den frühen 50er Jahren umgearbeiteten Fassung verglichen. Wenn man die Wirkung der Umarbeitungen untersucht, so meine These, lässt sich behaupten, dass Kraglers Entscheidung, der Revolution den Rücken zu kehren, nur retrospektiv als der von Brecht kritisierte Verrat am Proletariat zu verstehen ist; in der ursprünglichen Konzeption der Figur stellt diese hingegen eine Befreiung aus einem Kreislauf dar, in dem Kragler immer wieder für die Ziele anderer ausgenutzt wird. Das Ausbrechen aus diesem Teufelskreis stellt, wie gezeigt werden soll, eine durchaus radikale Absage an die bestehenden Verhältnisse dar; das von vielen Kritikern vermisste Engagement oder vielleicht sogar der Tod Kraglers für die Revolution wäre im Vergleich lediglich eine "Kapitulation vor der Romantik" gewesen.
Agamben ruft Celan als Zeugen seiner eigenen Philosophie auf, insbesondere seiner Vision einer neuen Gemeinschaft. [...] Das Celan'sche Judentum, das Agamben in seiner Lektüre andeutet, bezeichnete insofern essentiell eine Staatenlosigkeit und eine Identität, die nicht mehr gesetzlich-normativ bestimmbar ist und aus Agambens Perspektive insofern zu einer Figur der Nicht-Identität wird, die gewissermaßen der Subjektivierungsform (oder besser Subjektivierungsform) einer kommenden Gemeinschaft beliebiger Singularitäten entspricht. Dieses Konzept entwirft Agamben gegen die Bestimmung des Politischen und der damit zusammenhängenden Konzeption einer politischen Gemeinschaft, wie sie Carl Schmitt konzipiert, die sich auf der Unterscheidung von Freund und Feind gründet. Ziel dieses Aufsatzes ist es zu zeigen, dass sich Celans politische Poetologie zwar einerseits tatsächlich einer solchen Konzeption des Gemeinschaftlichen annähert, dies aber gerade nur vor dem Hintergrund einer fundamentalen Feindschaft vermag. Celan kann insofern nicht als Entlastungszeuge für Agambens utopistische Philosophie fungieren, vielmehr bezeugt er die notwendige Einbettung radikaler Politik in akute politische Kämpfe und steht dabei sowohl für eine Politik, als auch für eine Gemeinschaft, die sich letztlich radikal von dem unterscheidet, was Agamben, aber etwa auch Derrida aus ihm herauslesen möchten. Als Fluchtlinien dieses Essays werden sich einerseits Celans expliziter Antifaschismus wie andererseits auch seine Vision einer Substitution des göttlichen Bundes mit einem Bund der Menschen herausstellen.
In seiner novellistischen Studie "Der Apostel", die 1890 erstmals erschien und bis heute nur selten Gegenstand der Forschung war, entwirft Gerhart Hauptmann das Psychogramm eines einzelgängerischen Anonymus. Der Protagonist verbindet einen skurrilen Messianismus mit pantheistisch grundiertem Naturenthusiasmus, Zivilisationskritik und einer naiven Friedensideologie. Seine Isolation kompensiert er durch narzisstische Selbststilisierung und einen bis zu Omnipotenz-Phantasien reichenden Wirkungswillen. Aufgrund seiner pathologischen Psychodynamik changiert er allerdings immer wieder zwischen messianischem Sendungsbewusstsein und Inferioritätsgefühlen. [...] Indem Hauptmanns "Apostel"-Novelle die pathologische Symptomatik der Figur mit dem Epochenphänomen der Wanderprediger und messianischen Erlöserfiguren verbindet, gibt er dem individuellen Fall zugleich einen exemplarischen Charakter. Der psychischen Problematik des Apostels verleiht er durch interne Fokalisierung mithilfe erlebter Rede besondere Intensität. Dadurch entsteht ein facettenreiches narratives Experimentierfeld, in dem intertextuelle Referenzen eine symptomatische Aussagekraft gewinnen: So zeigt die Naturdarstellung und die psychologische Profilierung der novellistischen Studie aufschlussreiche, von der Forschung jahrzehntelang übersehene Affinitäten zu Goethes "Werther" und Büchners "Lenz". Im Folgenden gilt es, diese intertextuellen Vernetzungen herauszuarbeiten, um zu zeigen, inwiefern Hauptmann Motive dieser beiden kanonischen Vorgängertexte für die expressive Intensität seiner eigenen psychologischen Gestaltung nutzt, sie zugleich aber unter dem Einfluss anderer sozialhistorischer Rahmenbedingungen auf spezifische Weise transformiert.
Die Essays und Schriften Walter Benjamins bilden für Celan immer von Neuem den Anlass eines zeitübergreifenden Gespräches. Dies ist durch die Vielzahl von direkten Zitaten und Verweisen belegt, in welchen Celan auf das Werk Benjamins referiert, wie auch in Bezug auf die Lektürespuren gesichert, die sich in Celans eigener Ausgabe der Schriften Benjamins finden lassen. Dieser Rezeptionszusammenhang zwischen den Autoren hat eine Vielzahl divergierender wissenschaftlicher Untersuchungen hervorgebracht, die versuchen, die fruchtbare Auseinandersetzung durch Analyse der Verweise zu rekonstruieren. Das geschichtliche Thema als zentrales Verbindungselement erwähnen schon früh Kommentatoren wie Menninghaus oder David Brierly. Doch bleibt es zumeist bei vereinzelten Bemerkungen bezüglich expliziter textueller Referenzen, ohne die schematische Konvergenz zwischen den Autoren näher zu beleuchten. Eine umfassende konzeptionelle Untersuchung steht also aus. Vor diesem Hintergrund versteht sich der vorliegende Aufsatz als eine systematische Annäherung an die Vollzugsweise des geschichtlichen Zugriffs in der Celan'schen Dichtung. Dabei soll gezeigt werden, wie Celans Ringen mit der "kontinuierlichen Diskontinuität" ihre Legitimation aus einer Verflechtung verschiedener zeitlicher Ebenen mit Blick auf das Heute schöpft, wobei die komplexe Struktur aus Geschehenem und Gegenwart unter Zuhilfenahme wichtiger Aspekte von Benjamins Geschichtsdenken an Konturen gewinnt. Dazu wird zunächst die Stellung der Geschichte in Celans Poetologie anhand einer fokussierten Analyse des "Meridian" expliziert, um die Rolle des geschichtlichen Momentes im Gang der Argumentation herauszuarbeiten. Im zweiten Teil werden die herausgestellten poetologischen Elemente im konkreten Gedicht verfolgt. Aufbauend auf der Benjamin'schen Denkfigur des Eingedenkens soll anhand einer Analyse des Gedichtes "Oben", geräuschlos der geschichtliche Zugriff in seiner schematischen Ausprägung verdeutlicht werden, wobei die Bewegung des Eingedenkens als analytische Brille und Konvergenzpunkt dient.
Trotz dem Welterfolg der "Buddenbrooks" und trotz zwei weiteren Popularitätsschüben intergenerationellen Erzählens - zunächst in Form der sogenannten 'Väterliteratur' in den 1970er und 80er Jahren, sodann seit etwa den 90er Jahren in der Gestalt des sich ungebrochener Beliebtheit erfreuenden Generationenromans der Gegenwartsliteratur - trotz alledem also kommt der Gattung in der Literaturwissenschaft eine merkwürdig marginale Position zu. Das Desiderat einer diachronen, literaturgeschichtlich fundierten Auseinandersetzung mit der Gattung und insbesondere mit der Rolle und dem Nachleben ihres mutmaßlichen "Referenztext[s]" "Buddenbrooks" liegt brach, während immer wieder, mit mehr oder weniger interpretatorischer Gewalt versucht wird, die 'Väterliteratur' als eigene Subgattung von aktuellen Ausprägungen des Generationenromans abzugrenzen und der Gattung als solcher eine eng mit deutschen Vergangenheitsbewältigungsdiskursen verschränkte Formal- und Wirkungsästhetik zuzuschreiben. [...] Die Debatte um den Generationenroman soll hier nicht ausgreifend rekapituliert werden. Vielmehr möchte ich der Diskussion ein exemplarisches Addendum hinzufügen. Die Zusammenschau einiger beispielhafter Generationennarrative soll erstens nochmals schlaglichtartig zeigen, dass die in der Forschung immer wieder versuchte Binnendifferenzierung zwischen 'Väterliteratur' und aktuellen Generationenromanen unhaltbar ist. Zweitens, und damit zusammenhängend, sollen die gedächtniskulturellen Interventionen, die diese Texte oft (aber nicht immer) vornehmen, in ihrer Subtilität schärfer profiliert und aus den simplizistischen Schemata des 'Generationenkonflikts' oder der 'intergenerationellen Versöhnung' herausgelöst werden. Drittens schließlich soll durch den Einbezug eines einschlägigen Schweizer Generationenromans zudem die (bundes-)deutsche erinnerungskulturelle Vereinnahmung der Gattung generell problematisiert werden: Die Indienstnahme des Generationenromans als Vehikel der Aufarbeitung von spezifisch 'deutschen' Weltkriegstraumata und schuldhaften familiären Verstrickungen ist eben nicht haltbar, wenn im Schweizer Kontext, in dessen spezifischem "Schicksalsklima" diese individuellen und transgenerationellen Erfahrungen gar nicht gemacht wurden, doch ähnliche oder identische Darstellungsstrategien, Themensetzungen und Motivstrukturen anzutreffen sind.