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Rezension zu Rüdiger Zymner (Hg.): Handbuch Gattungstheorie. Stuttgart, Weimar (Metzler) 2010. 368 S.
Es gibt Bücher, die man von vorne bis hinten lesen muss. Sammelbände zählen nicht dazu; Lexika noch weniger: sie folgen einer Ordnung, die der Sache ganz äußerlich ist. Und Handbücher? Im Unterschied zu Lexika, die ihren Gegenstand profilieren, indem sie die alphabetisch geordneten Begriffe durch eine Hyperlink-Struktur dicht vernetzen, sind diese nicht nur dazu gedacht, ihren Gegenstand begrifflich zu erschließen, sondern ihn auch systematisch zu präsentieren. Handbücher wollen nicht nur gelegentlich zur Hand genommen werden, sie zielen auch darauf ab, alles, was man wissen und bedacht haben sollte, in handlichem Format darzustellen. Die hier zu besprechende Publikation erfüllt diese Ansprüche auf mustergültige Weise.
[Rezension zu:] Norbert Bachleitner und Michaela Wolf (Hg.): Streifzüge im translatorischen Feld
(2012)
Rezension zu Norbert Bachleitner und Michaela Wolf (Hg.): Streifzüge im translatorischen Feld. Zur Soziologie der literarischen Ubersetzung im deutschsprachigen Raum. Wien (LIT) 2010 (= Repräsentation - Transformation, Bd. 5), 372 S.
Vorliegender Sammelband stellt eine Aktualisierung und Erweiterung des sechs Aufsätze umfassenden, ebenfalls von den Herausgebern besorgten Themenhefts "Soziologie der literarischen Übersetzung" im Internationalen Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 29, Bd. 2 (2004) dar. Drei Beiträge aus dem Themenheft wurden in überarbeiteter Fassung in die Buchpublikation übernommen, neu hinzugekommen sind elf Aufsätze und drei Interviews mit übersetzenden SchriftstellerInnen.
In der gegenwärtigen kulturwissenschaftlichen Theoriebildung lassen sich neben anderen zwei nur scheinbar gegenläufige Tendenzen ausmachen. Zum einen ist sie, spätestens seit Michel Foucault 1977 die "Ära einer 'Bio-Macht'" konstatierte, im Laufe derer "das alte Recht, sterben zu machen oder leben zu lassen", seit dem 17. Jahrhundert sukzessive abgelöst wurde "von einer Macht, leben zu machen oder in den Tod zu stoßen", explizit geprägt von einer Fokussierung auf das Leben. Zum anderen behaupten jüngere thanatologische Studien nicht nur überzeugend eine "neue Sichtbarkeit des Todes" bzw. der Toten, es lässt sich vor allem auch eine zunehmende Sichtbarkeit der Untoten feststellen: "[I]n 35 ziemlich guten und 2000 schlechten Filmen, in Comics und Romanen, im karnevalesken Zombie Walk und in vielleicht nur teilweise ironischen 'Zombie Survival Guides'" fällt namentlich der Zombie in massenhafter Ausgestaltung über die Gesellschaft her – und ruft in Populärkultur wie Wissenschaft deutlich vernehmbar die Grenzen der zeitgenössischen Fokussierung auf das Leben in Erinnerung.
Der Sammelband vereint insgesamt neun englischsprachige Beiträge, die mit relevanten Fragestellungen und Erkenntnissen den Texten Zaimoglus einen Mehrwert verleihen. Diesen wissenschaftlichen Auseinandersetzungen sind zwei wichtige Kapitel vorangestellt: zum einen das unveröffentlichte erste Kapitel des Romans Leyla mit englischer Übersetzung sowie einem Kommentar der Herausgeber und zum anderen Interviews, ebenfalls samt englischer Übersetzung von Tom Cheesman, welche die Herausgeber mit dem Schriftsteller geführt haben. Eingerahmt sind alle diese Beiträge des Bandes von einer Einleitung und einem Bericht von Günter Senkel, dem Freund des Schriftstellers sowie Co-Autor seiner Theatertexte, der über seine Recherchearbeiten mit Zaimoglu erzählt und dabei auch private Erfahrungen mitreflektiert.
Judith Kaspers und Cornelia Wilds kommentierte Anthologie Rom Rückwärts ist der konstatierten "Allgegenwart der Tropen" von Rom gewidmet, die 35 sehr unterschiedliche Beiträge vor Augen stellen. Dabei gilt das Interesse dem genauen Funktionieren dieser Referenz, die offenbar weite Teile des europäischen kulturellen Selbstverständnisses auf vielfältige Art und Weise stabilisiert hat und noch immer stabilisiert. Es handelt sich dabei keineswegs um einen weiteren Sammelband, der sich damit begnügte, lediglich Rahmen und Anlass zur Publikation der enthaltenen Beiträge zu bieten. Rom Rückwärts ist vielmehr ein gewitztes und ambitioniertes Buch, das sich an eine komplizierte Intervention wagt: "die versteckten Vielfältigkeiten in der Referenz Rom" herauszuarbeiten und ihre "nicht institutionalisierten Dimensionen" zu entziffern.
Rezension zu Thomas Klinkert: Literarische Selbstreflexion im Medium der Liebe. Untersuchungen zur Liebessemantik bei Rousseau und in der europäischen Romantik (Hölderlin, Foscolo, Madame de Staël und Leopardi). Freiburg im Breisgau (Rombach) 2002 (= Reihe Litterae; Bd. 92). 283 Seiten.
Thomas Klinkert hat es sich in seiner Regensburger Habilitationsschrift (2001) zur Aufgabe gemacht, das Konzept einer europäischen Romantik in der historischen Erfahrung eines fundamentalen gesellschaftlichen Umbruchs zu begründen, der sich an der Ausprägung "gemeinsame[r] Tendenzen der französischen, der deutschen und der italienischen Literatur um 1800" ablesen lässt. Der wesentliche literarische Kristallisationspunkt dieser in ganz Europa geteilten Umbrucherfahrung ist die Rede über die Liebe. In der Thematisierung der Liebe artikuliert sich nicht nur in besonders prägnanter Form das veränderte Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft, die Liebe avanciert in der Romantik auch zu einem bevorzugten Medium der literarischen Selbstreflexion, die ihrerseits wiederum durch den historischen Funktionswandel der Literatur motiviert ist.