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Unter den Formeln, die das Wesen des Menschen pointieren sollen – zoon legon echon, animal rationale usw. – gibt es die etwas humoreske Gleichung: homo est animal quaerens cur, der Mensch ist das Tier, das nach dem Warum? fragt. Wir werden noch sehen: wenn der Mensch sich vom Tier abzuheben sucht, wird er gefährlich. Die Gefährlichkeit des Fragens wird in den Wissenschaften weitgehend geleugnet. ...
Hans-Georg Soldat rezensiert Günter de Bruyns Aufsatzsammlung "Deutsche Zustände. Über Erinnerungen und Tatsachen, Heimat und Literatur" aus dem Jahre 1999. Fast unversehens für den Leser weitet sich die Betrachtung jüngster Gegenwart zu einer subtilen Analyse ihrer Wurzeln, wird zu einer deutschen Geschichtsschreibung allgemein, zur Darstellung der Verdrängungsprozesse, die dabei in Ost und West gleichermaßen eine Rolle spielen. Das Überzeugende daran ist, dass dies ohne jeden Eifer geschieht, unaufgeregt, überlegen und dennoch unglaublich engagiert.
Kann gutes Latein in einem Bewerbungsgespräch von Vorteil sein? Folgt man der Argumentation eines im Herbst 1501 vor der Tübinger Universitätsöffentlichkeit aufgeführten Dialogs, so wird man diese Frage ohne weiteres bejahen müssen. Im vierten Akt tritt ein Hofbeamter des Königs - gemeint ist Maximilian I. - auf, der als Antwort eine kleine Geschichte erzählt. In Innsbruck wandte sich ein ansonsten durchaus gebildeter Mann an Kardinal Peraudi, Botschafter des Papstes im Reich, um sich um eine geistliche Stelle, eine Pfründe, zu bewerben. Er hatte kaum die Anrede in holprigem Latein gestottert, als ihm der Angesprochene auch schon bedeutete, er solle wegtreten. Der Bittsteller lief rot an und wurde fortan am Hof nicht mehr gesehen.
Hans-Georg Soldat rezensiert für NDR 3 / Radio 3 die 1999 im Suhrkamp Verlag erschiene tagebuchartige Essaysammlung "Das erste Jahr. Berliner Aufzeichnungen" von Durs Grünbein. Wieder erweist sich, welch Ausnahme-Autor der jetzt 38 jährige Durs Grünbein ist. Nicht nur, dass die Tagebuchaufzeichnungen in den Ablauf und die Vorgeschichte der deutschen Wiedervereinigung, ihre psychologischen Hemmnisse und spezifischen mentalen Schwierigkeiten, sie haben weit aus mehr zu bieten - literarische Miniaturen, Ausflüge in die Welt der Wissenschaft, Anekdoten aus dem Alltag. Nebenbei vermitteln sie sogar eine Ahnung von dem Werdegang dieses verschlossenen, ernsten Dichters.
Als im Jahr 1480 eine stattliche Anzahl von überwiegend bäuerlichen Zeugen zu den Rechtsverhältnissen der Schafweide zu Lautern östlich von Schwäbisch Gmünd befragt wurde, wußten etliche nicht ihr genaues Alter anzugeben. Wann ihr Erinnerungsvermögen einsetzte, datierten sie mit der Nennung allgemein bekannter Ereignisse, die im kollektiven Gedächtnis ihrer Zeitgenossen besonders verankert gewesen sein müssen. Ein Bauer aus Lauterburg gedachte "der vinsternuß und dess grossen sterbens". Ein anderer aus Unterkochen verwies auf den Armagnakeneinfall im Elsaß. Ein Schafknecht erinnerte sich an einen Blitzschlag in den Turm der Schwäbisch Gmünder Johanniskirche. Der alte Bantz von Mögglingen sagte aus, "er sye ee elter dann das mann vor Hochenzollern gelegen sy", und auch Lienhard Protolf bestimmte sein Alter nach diesem Ereignis, der Belagerung der Burg Hohenzollern durch ein Aufgebot der Reichsstädte und Württembergs 1422/1423. An erster Stelle aber steht der etwa dreißig Jahre zurückliegende Städtekrieg von 1449/50, der in den Aussagen von nicht weniger als acht Zeugen erwähnt wird.
Hans-Georg Soldat rezensiert für NDR 3 / Radio 3 die im Jahr 2001 im Aufbau Taschenbuchverlag Berlin erschiene Aufsatzsammlung feuilletonistischer Arbeit "Ich bin ein Narr und weiß es" von Rolf Schneider. "Liebesaffären deutscher Literaten" ist der Untertitel des schmalen Bandes, hervorgegangen aus einer Serie für eine Berliner Tageszeitung - wobei der Begriff "Literaten" sehr weit gefasst wird. Zwanzig Geschichten um Liebe, erotische Verirrung, Abhängigkeit und oft schmerzhafte Trennung, einige etwas bekannter, manche ziemlich unbekannt, viele jedoch auch nur vergessen, weil die zugehörigen Schriftsteller bzw. Schriftstellerinnen nicht mehr präsent sind. Zur Berechtigung seines Feuilletons meint Rolf Schneider, sie seien "mehr als bloß eine Sammlung biographischer Pikanterien. Sie sind ein Stück Kultur- und Sittengeschichte." Was ebenso wahr wie banal ist, weil es auf jedes Schicksal zutrifft.
Das Handbuch der historischen Buchbestände in Österreich bietet eine Gesamtübersicht über die historischen Buchbestände in den Bibliotheken und Sammlungen Österreichs. Es ist regional gegliedert. Die ersten beiden Bände umfassen das Bundesland Wien. Sie enthalten einen historischen Überblick über die Wiener Bibliotheken und ein eigenes Register. Die weiteren Bände umfassen die Bundesländer Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol und Vorarlberg, wobei jedes Bundesland für sich dargestellt ist. Sie enthalten einen historisch-topographischen Überblick über die Bibliotheken in diesen Bundesländern und ein Gesamtregister, in das das separate Register für Wien inkorporiert ist. Beide Teile enthalten die Vorworte und die Einleitung, sodaß sie für sich benützbar sind. In Anlage und Registergestaltung entspricht das Handbuch der historischen Buchbestände in Österreich dem Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland.