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Ebenen : eine Skizze
(2001)
Ohne dass es tatsächlich notwendig wäre, kann die Frage gestellt werden, warum man es macht: Warum man wissenschaftlich tut – schreibt, spricht, arbeitet. Keine oder nicht nur Romane, Gedichte oder Theaterstücke schreibt, Berichte, Kritiken, feuilletonistische Essays verfasst. Nicht oder nicht nur moderiert, unterhält, Witze erzählt, lügt und verkauft. Nicht oder nicht nur einer geregelten Arbeit nachgeht mit geregelten Arbeitszeiten. Mit klaren Grenzen zwischen Arbeits- und Frei-Zeit. Warum man es sich antut, die gesamte Zeit damit zu verbringen, auch wenn man einen Großteil dieser Zeit nichts oder etwas anderes tut, wenn ein großer Teil dieser Zeit immer wieder, im Sinne eines nachweisbaren oder vorzeigbaren Ergebnisses, ergebnislos vergeht. Warum man mitunter am intensivsten daran arbeitet, die wesentliche Kontinuität des wissenschaftlichen Lebens als jene des Nichts-Tuns zu begreifen, mit dem Nicht-Tun-Können oder -Wollen zurecht zu kommen. Mit der fixen Idee, man sei damit allein, die Ausnahme der Regel, die uns im Kantschen Ideal vom metronomisch Arbeitenden als Vorbild vorgegeben ist. Nie, als impliziter Aspekt des kontinuierlichen Nichts-Tuns, werden die Dinge ohne Gewaltakt fertig. Was nicht heißt, dass es sie nicht gäbe, die Pünktlichen, Korrekten, Disziplinierten, die immer schon (vorzeitig) Fertigen.
"Gewiß ist die Zerstörung der deutschen Judenheit, die wir staunend an uns selber miterleben, wir Zeitgenossen des Frühjahres 1933 - gewiß ist die Unterdrückung, Beschmutzung, wirtschaftliche Vernichtung eines schöpferischen Bestandteiles der deutschen Bevölkerung [...]." Mit dieser Gewißheit machte sich Arnold Zweig unmittelbar nach dem Reichstagsbrand - schon auf der Flucht über die Schweiz und Frankreich nach Palästina - daran, eine Bilanz der deutschen Judenheit zu ziehen, so der 1934 in Amsterdam erschienene Essay, in dem er die Leistung der deutschen Juden in Wirtschaft, Technik und vor allem in Wissenschaft und Kultur aufzeigte. Zweigs Perspektive ist symptomatisch für die Selbstwahrnehmung der unmittelbar betroffenen deutschen Juden angesichts des Jahres 1933. Sie ist geleitet von zwei Elementen: erstens dem rasch sich einstellenden Bewußtsein eines endgültigen Endes des jüdischen kulturellen Lebens in Deutschland nach der Machtergreifung der Nazis 1933, wie Zweig auch im ernüchternden Satz "Die Sache der deutschen Juden [...] ist rund, abgeschlossen darstellbar" unterstreicht; zweitens - und von diesem Standpunkt aus gesehen - der Aufgabe eines erinnernden Rückblicks auf die 150 Jahre zwischen Aufklärung und Weimarer Republik als einer denkbar kreativen Phase jüdischer Geschichte in der Diaspora.
Die aktuelle Macht und Allgegenwart der Bilder in der Alltagswelt zwingt die Literatur keineswegs dazu, gegenüber den Bildmedien in die zweite Reihe zurückzutreten. Tatsächlich aber wachsen ihr neue Aufgaben zu. Die Proklamation eines 'iconic turn' impliziert die gerade für das literarische Schreiben in der Moderne maßgebliche Frage nach der Sprache und ihren Grenzen, nach der Beziehung sprachlich-literarisch übermittelter Ideen, Konzepte und Modelle zu Bildern und visuellen Strukturen, sowie nach der latenten oder offen manifesten Sprachlichkeit von Bildern. Wenn aber die Rede vom 'iconic turn' einen bewußteren Umgang mit Bildern und visuellen Strukturen impliziert, dann wird er wohl von der Literatur sogar in besonderem Maße unterstützt und wäre demnach ein von dieser und der Bilderwelt gemeinsam getragenes inter-mediales Projekt.
Im Folgenden wird es darum gehen, die - im doppelten Sinne des Wortes - kritische Position der Dekonstruktion zwischen Hermeneutik und Diskursanalyse herauszuarbeiten. Das mit den Ansprüchen strenger Wissenschaftlichkeit scheinbar schwer zu vereinbarende Paradigma der Enttäuschung, das sich aus den Schriften Jacques Derridas wie Paul de Mans ableiten läßt, dient als Leitfaden für den Nachweis des kritischen Potentials, das die Dekonstruktion als eine anti-hermeneutische Textwissenschaft bereithält, die trotz aller Widerstände auf ihrer literaturtheoretischen Eigenständigkeit beharrt.
Paradigma und Diskurs
(2006)
Die literaturwissenschaftliche Karriere von 'Paradigma' und 'Diskurs' - Ausdrücken, die einen begrifflichen Status schon lange vorher in der Rhetorik, der Philosophie oder der Sprachwissenschaft erlangt hatten - datiert erst von der Rezeption der Arbeiten Thomas S. Kuhns und Michel Foucaults. Beide Ausdrücke sind mittlerweile in den allgemeinen Sprachgebrauch der Literaturwissenschaft eingegangen und finden sich oft in ein und demselben Text, obwohl die Konzeptualisierung, die sie bei Kuhn bzw. Foucault erfahren, auf ganz unterschiedliche Theorieansätze zurückgeht. Den Grund für ihren Erfolg kann man darin sehen, daß sie von den genannten Autoren zur Beschreibung bestimmter auch literaturwissenschaftlich relevanter Komplexe von kognitiven, kommunikativen und pragmatischen Vorgängen und Verhältnissen eingesetzt wurden, für die der Literaturwissenschaft, wenn sie sie überhaupt thematisiert hat, bislang die Begriffe fehlten. Hinzukommt, daß die viel besprochenen semantischen Unklarheiten und Bedeutungsverschiebungen im Gebrauch dieser Ausdrücke durch die Autoren selbst von den Rezipienten dazu genutzt werden konnten, die Begriffe von 'Paradigma' und 'Diskurs' dem je eigenen Erkenntnisinteresse entsprechend zu modellieren. In Anbetracht des demzufolge in der Literaturwissenschaft bestehenden unterschiedlichen Begriffsverständnisses ist hier darzulegen, in welchem Sinne ich von 'Paradigmen' und 'Diskursen' spreche und in welches Verhältnis zueinander diese Begriffe dabei gesetzt werden.
Die Verlagslandschaft der großen Literatursprachen weist eine lebhafte Konkurrenz auf dem Sektor der propädeutischen Veröffentlichungen auf. Hinter den oft in hoher Auflage verbreiteten Abecedarien unseres Faches erheben sich indes prinzipielle Fragen: Gibt es Universalien der Literatur? Kann man solche Allgemeinbegriffe in einer Sprache, etwa auf englisch, explizieren? Taugen Sachwörterbücher zur Klärung, zur Vereinfachung, oder eliminieren sie Differenzen und Vielsprachigkeit? Es wäre also an der Zeit, die Lexikographie unseres Faches historisch und kritisch zu beschreiben. Als pragmatische Basis folgt hier also erstmals eine Liste von Titeln, die die Publikationen seit Beginn des 20. Jahrhunderts dokumentieren soll. Verzichtet wurde auf die Aufnahme allgemein informierender Lexika, denn man kann davon ausgehen, dass zu verbreiteten Termini jede Enzyklopädie und auch jedes nationalsprachliche Wörterbuch einen Eintrag bereithält.
Ausgangspunkt und Fokus des vorliegenden Textes sind die Verschränkung zweier Forschungsfelder und Reflexionsräume: Gender(-Forschung) und Dekonstruktion. Jedes einzelne dieser Felder ist selbst schon transdisziplinär angelegt und befindet sich am Schnittpunkt von Literaturwissenschaft (Ästhetik, Rhetorik), Philosophie (Sprachphilosophie, Sprechakttheorie, Erkenntnistheorie), Soziologie und Psychologie (Psychoanalyse). Mit dem Text möchte ich den LeserInnen einen grundlegenden Einblick in die Verwobenheit und wechselseitige Verwiesenheit der Kategorie Gender mit der Dekonstruktion bzw. mit dekonstruktiven Reflexionsansätzen erschließen.
Literatur gilt trotz vielfältiger neuer Medienangebote als bedeutende kulturelle Praxis. Diese wurde und wird wissenschaftlich erforscht, wobei in den letzten Jahrzehnten gendertheoretischen Ansätzen wachsende Bedeutsamkeit zugemessen wurde. Gendertheoretisch orientierte Forschung kann und soll die Literaturwissenschaften unterstützen und begleiten. Sie kann zum Beispiel darüber nachdenken, wie literarische Texte funktionieren und wie geschlechtliche Identitäten in diesen konstruiert werden bzw. organisiert sind. Diese Untersuchung erfolgt theoriegeleitet, wobei Theorie und Praxis nicht als starre Oppositionen gefasst werden, sondern als in Wechselwirkung stehende verwobene dynamische Konzepte.
Herr Maier wird Schriftsteller (und Schreiber) : oder: Die "Literaturwissenschaft" der Literatur
(2007)
Zu Beginn des Kapitels "Der Doppelzweig des bildlichen Witzes" schreibt Jean Paul in seiner Vorschule der Ästhetik: "Der bildliche Witz kann entweder den Körper beseelen oder den Geist verkörpern. Ursprünglich, wo der Mensch noch mit der Welt auf einem Stamme geimpfet blühte, war dieser DoppelTropus noch keiner." Vielleicht liefert Jean Pauls Metapher der ,Einimpfung' - ein Begriff, der ursprünglich aus der Botanik stammt und dort den Vorgang der ,Aufpfropfung' beschreibt - auch eine Figur, um den Doppel-Tropus ,Literatur der Literaturwissenschaft' und ,Literaturwissenschaft der Literatur' zu denken. Wenn dem so ist, wenn Literatur und Literaturwissenschaft tatsächlich "auf einem Stamm geimpfet" sind, dann stellt sich - beinahe möchte man sagen naturgemäß (im Bernhard'schen Sinne, versteht sich) - die Frage: Was ist der gemeinsame Stamm? Aber auch: Wer pfropft?
In den siebziger Jahren überragte die Deutung der Werke Brechts die anderer Autoren an Umfang und Intensität um ein Vielfaches. Alles wurde diskutiert, seheinbar nichts ausgelassen. Inzwischen ist die Diskussion zum Erliegen gekommen, da die gesellschaftliche und politische Dimension der Literatur, deren Repräsentant Brecht wie kein anderer war, in den neuen kulturwissensehaftlichen Konzeptionen keine Rolle mehr spielt. Die Protagonisten der Brechtforschung und einige ihrer Anhänger publizieren zwar weiter, stoßen aber nicht auf Widerspruch, so daß sich Defizite fortsetzen. Dies ist auch bei einem 1952 erschienenen Band mit dem Titel "Theaterarbeit" der Fall, üher den nichts geschrieben wurde, vermutlich weil der Name Brechts hier nur als Teil einer "Redaktion" auftaucht und theoretische Äußerungen eher im Hintergrund stehen. In Editionen und Handbüchern wird er nicht oder nur am Rande berücksichtigt: In der "Großen kommentierten Berliner und Frankfurter Ausgabe" sind selbst die aus dem Band übernommenen Texte nur unzureichend ediert. In der fünfbändigen Ausgabe des Brecht-Handbuchs (2001-2003) wird der Band nicht als eigenständiges Werk behandelt, so daß die Mängel der Edition nicht korrigiert wurden. Dennoch ist die Theaterarbeit mit 400 großformatigen Seiten, aufwendiger Typographie und zahlreichen Abbildungen nicht nur repräsentativer als alle Publikationen Brechts, sie enthält auch die einzige umfassende Darstellung der epischen Dramaturgie zu seinen Lebzeiten. Durch die Vernachlässigung des Bandes hat eine unbedachte Brechtphilologie deshalb fortgesetzt, was die Kulturinstitutionen der DDR seit Beginn der fünfziger Jahre aus politischen Gründen betrieben haben: die Ausgrenzung eines Grundlagenwerks.