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Ziel des Beitrags ist es, am Musterfall von Andreas Gryphius' 'Catharina von Georgien' (1657) - einem der bedeutendsten Texte der europäischen Barockliteratur - die politischen Implikationen zu beleuchten, die das Leiden der Märtyrerin im Trauerspiel des 17. Jahrhunderts begleiten. Den Leitfaden bildet dabei das Konzept der politischen Körperschaft, das Ernst H. Kantorowicz als Element der theologischen Herrscherlehre des Spätmittelalters beschrieben hat. Im Trauerspiel von Gryphius ist der Leib der Märtyrerin, so die These, keineswegs nur das Sinnbild einer am Modell der 'passio Christi' ausgerichteten Leidensgeschichte, sondern zugleich ein 'body politic' mit mystischer Bedeutung. Gryphius erzeugt diese Koinzidenz, indem er die Rollen der Königin, die als Interimsherrscherin amtiert und die des Opfers, das für den christlichen Glauben auf dem Scheiterhaufen stirbt, zusammenführt. Catharinas Leidensgeschichte erfüllt eine politische Mission, denn die blutige Zeugenschaft, die sie durch ihre 'passio' ablegt, dient dem Zweck der Sicherung eines übergeordneten Systems der Macht, das sie stellvertretend für ihren Sohn als Thronerben im Interregnum repräsentiert. Den Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen bildet daher die Frage nach dem politisch-theologischen Hintergrund des Martyriums, das Catharina von Georgien bei Gryphius durchleidet.
Den Kaukasus als einen Grenzraum anzusehen ist in der Forschung über die russische Kaukasusliteratur längst Konsens. Trotzdem wurde er auf die raumsemantische Spezifik der Grenze hin kaum untersucht. Während die sowjetische Literaturwissenschaft den Kaukasus als Thema bzw. Topos der russischen Literaturgeschichte betrachtete, hat die primär westliche Forschung der letzten Jahre die russische Kaukasusliteratur im Orientalismusdiskurs verortet. Harsha Ram erweitert den Kontext, indem er diese Literatur im Rahmen einer Poetik des Imperiums untersucht. Ohne den Anspruch zu erheben, die Poetik der Grenze erschöpfend zu behandeln, möchte ich im folgenden das kaukasische Kapitel der Poetik der Grenze in der russischen Literatur thematisieren. Dabei werde ich exemplarisch die Semantik des Grenzraums im 'Kaukasussujet' bei Aleksandr Puškin (1799-1837), Aleksandr Bestužev-Marlinskij (1797-1837) und Michail Lermontov (1814-1841) untersuchen.
Im Oktober 2000, knapp vier Jahre vor dem Beitritt Litauens zur Europäischen Union, veranstaltete das Goethe-Institut zusammen mit dem Polnischen Kulturinstitut in der litauischen Hauptstadt Vilnius ein "Gipfeltreffen der Nobelpreisträger" mit den Autoren Wisława Szymborska, Czesław Miłosz, Tomas Venclova und Günter Grass. Bei dem Treffen in der vom 20. Jahrhundert so sehr gezeichneten historischen Barockstadt mit ihrer komplexen und wechselvollen Geschichte ging es um das Spannungsfeld zwischen Erinnern und Vergessen.
Judith Butlers Konzept der Performativität, das sie in "Das Unbehagen der Geschlechter" (1990) und "Körper von Gewicht" (1993) entwickelt. beleuchtet den Prozess der Konstruktion der Geschlechtsidentität und zugleich deren Destabilisierung über Begriffe und Strategien wie 'Parodie', 'drag' oder 'cross-dressing', die auf eine wiederholende Imitation dieser Identität verweisen. Der performative Akt der Nachahmung wird von Butler als kulturelle Simulation gefasst. die die Vorstellung eines 'natürlichen' Originals allererst hervorbringt. Ähnlich und ebenso signifikant ist dieses Moment der Imitation als Simulation Homi Bhabhas Konzeption der kolonialen mimikry eingeschrieben. In seinem Aufsatz "Von Mimikry und Menschen" geht es darum aufzuzeigen. wie die verschiebende Wiederholung europäischer Normen durch die Kolonisierten – der Vorgang. den er als 'mimikry' bezeichnet – die imaginäre Identität der KolonisatorInnen destabilisiert und damit auch in gewissem Maße subvertiert.
At the time when the East appears as sunrise in Insayif's novel, when it appears as Arabic word, as text image in the German text, memories gain contour in the same way as words do. It is all about words and memories in the text, it is about (not) being able to speak, it is about losing language and memory, it is about writing, speaking and reciting within the realm of the in-between of languages and cultures. Emanating from the first-person narrator the text unfolds nuances and facets of life stories as textures of memories, as language- and sound tissues quasi. Referring to those poetic and rhetorical aspects of the text, I undertake a reading that is based on postcolonial and deconstructive approaches as well as on theories of memory. My reading tries to both react to the demands and specificities of Insayif's text in all of its various facets of betweenness as well as to fathom perspectives that might be significant for the 'Zeitenwende'.
Jahr 2004 hat der katholische Theologie- und Politikwissenschaftler Hans Maier darauf hingewiesen, dass der Begriff des Märtyrers bemerkenswert "säkularisierungsresistent" sei. Nach Maier ist der Begriff des Märtyrers weiterhin religiösen Kontexten vorbehalten. Seine Meinung mag angesichts der Renaissance des Märtyrerbegriffs seit den Anschlägen vom 11. September 2001 vordergründig einleuchten. Im Folgenden soll dagegen gezeigt werden, warum Maiers These von der 'Säkularisierungsresistenz' des Märtyrers fragwürdig ist. Ich werde dabei weniger das an sich zu problematisierende Konzept der Säkularisierung diskutieren, sondern zu zeigen versuchen, dass Maiers These begriffsgeschichtlich ihre Tücken hat – zumindest wenn man bereit ist, zu akzeptieren, dass die Begriffsgeschichte von 'Märtyrer' nicht auf ihre antiken Ursprünge zu reduzieren ist. Vielleicht ließen sich Maiers Überlegungen zur 'Säkularisierungsresistenz' des Märtyrers im Hinblick auf die Ausdrucksseite des Begriffs bestätigen. Auch daran zweifle ich, kann und will dem hier aber nicht nachgehen. Stattdessen möchte ich exemplarisch zeigen, inwieweit Bertolt Brecht schon im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts in seinem Lehrstück 'Die Maßnahme' die Märtyrerfiguration säkularisiert hat - eine Technik, die gleichzeitig Modi der Sakralisierung kennt, deswegen auch als Dialektik begriffen werden kann und in der deutschen Dramengeschichte ihrerseits nicht neu ist. Brechts Säkularisierung berührt allerdings ausschließlich die Inhaltsseite des Begriffs 'Märtyrer', den Ausdruck selbst verwendet er nicht. Maier hat außerdem eine deutliche Politisierung des Märtyrerbegriffs in den letzten Jahren diagnostiziert. Auch dem möchte ich widersprechen. Schon Brechts Drama steht entschieden im Zeichen der Politisierung des Märtyrers. Dass zudem auch die personalisierte Politisierung des Märtyrertums keine neue Idee ist, werde ich im zweiten Teil mittels einer Untersuchung von Heiner Müllers 'Mauser' und seiner Büchner-Preisrede darlegen. Müller hat das messianische Potential der 'Maßnahme' mit 'Mauser' einerseits kritisiert. Das hat bei ihm andererseits aber nicht zu einem völligen Verzicht auf Märtyrerfigurationen geführt. Mitte der 1970er Jahre hat er zu einer Rekontextualisierung der Märtyrerfiguration angesetzt, indem er sie – im Unterschied zu Brecht - personalisierte und dadurch eine Art revolutionäre Hagiographie etablierte. Auch die Politisierung geht dementsprechend nicht auf die selbsternannten islamistischen Märtyrer zurück, sondern ist eine ältere Idee. Wie alt sie ist, kann im Rahmen dieser Studie nicht erörtert werden. Wahrscheinlich existierte sie schon in der christlichen Antike.
Überleben? : nach Auschwitz
(2011)
Es geht tatsächlich auch beim Nachdenken über 'Überleben' um Erfahrung und den Begriff der Erfahrung, einen qualitativen Begriff der Erfahrung, der ja in den Sozialwissenschaften immer wieder droht, aufgeweicht zu werden beziehungsweise diffundiert zu werden durch die Übermacht einer rein quantifizierbaren Empirie. Aber im Kern der Sozialforschung, gerade in ihrem kritischen Kern, steht die Kategorie der 'Erfahrung'. Erfahrung ist auch etwas, was über Personen vermittelt wird und vermittelt werden kann. Erfahrung kann auch die engen Grenzen überschreiten, die eine Aufklärung kennzeichnet, die sich bloß auf Texte bezieht. Erfahrung kann diese Grenzen überwinden. Auch die Enge kann überwunden werden, dass nur das mitgeteilt und auch verstanden werden kann, was individuell erlebt worden ist und in der Kommunikation zwischen unterschiedlichen Subjekten überschritten werden kann. Zwar haben Horkheimer und Adorno immer einen Schrecken gehabt, wenn sie das Wort 'Kommunikation' gehört haben, aber hier geht es auch tatsächlich um eine Überschreitung, eine Überschreitung der Grenzen des Individuums.
Jesus als Märtyrer
(2011)
Zu definieren, was einen Märtyrer ausmacht, ist für das Altertum ebenso wichtig wie für die Moderne. Was meinen wir mit dem Begriff 'Märtyrer', wenn wir Jesus von Nazareth so nennen? Liegt dabei der Schwerpunkt auf dem historischen Jesus und den Motiven für seinen gewaltsamen Tod, den er erwartet haben mag? Oder sollten nicht eher die frühen Textteile des Neuen Testaments, die die Reaktionen der Anhänger Jesu auf dessen gewaltsamen Tod und seine Rechtfertigung schildern, den Ausgangspunkt für unsere Analyse bilden? Natürlich verfügen wir im Falle Jesu über keine Internetquellen, kein Videomaterial, keine Interviews mit dem Märtyrer vor seiner Tat. Wir haben nur kanonische und apokryphe Texte. Deshalb beginne ich bei meiner Diskussion über Jesus als Märtyrer mit einer Definition des Martyriums, die sich auf die zweite oben angeführte Möglichkeit stützt. Sie fußt auf antiken jüdischen und christlichen Texten, von denen allgemein angenommen wird, dass ihre Rezipienten sie als Beschreibungen des Lebens und Leidens von Märtyrern verstanden; die Berichte, die solches erinnern sind schriftlich festgehalten (Abschnitt 1). Danach kehre ich zur ersten Definitionsmöglichkeit zurück und konzentriere mich kurz auf die Person des historischen Jesus, um mit Hilfe der antiken jüdischen und christlichen Märtyrerberichte herauszufinden, was wir möglicherweise über Jesu eigene Sicht auf seinen nahen Tod als den eines Märtyrers wissen können (Abschnitt 2). Im letzten Abschnitt widme ich mich den Passionsberichten des Neuen Testaments. In der Forschung wurden diese Narrative häufig mit den Erzählungen der antiken Märtyrer verglichen, diese wurden sogar als Modell herangezogen, um den Ursprung des Passionsberichts zu rekonstruieren. Sei dieser Ansatz plausibel oder nicht, auf jeden Fall spiegeln die Passionsberichte auf faszinierende Art und Weise die dialogische Gegenüberstellung von Märtyrer und Gegner wider, die so oft das Herzstück der Prozess- und Folterszenen antiker jüdischer und christlicher Märtyrererzählungen darstellt. So gibt es offensichtlich gute Gründe, diese beiden Textgruppen zu vergleichen (Abschnitt 3).
Die Erfindung des Kinos hat man in Frankreich treffend kommentiert mit den Worten: "La vie est prise sur le vif." Durch die Wiedergabe der sichtbaren Wirklichkeit in bewegten Bildern wird der Eindruck des Lebendigen nicht wie auf Gemälden und selbst noch auf Fotografien buchstäblich festgehalten; vielmehr erscheinen die aufgenommenen Menschen und Dinge in dem Augenblick, da sie als bewegte und ebenso flüchtige Bilder auf die Leinwand projiziert werden, wie zu neuem Leben erweckt. An die Stelle des Gewesenen tritt das Gegenwärtige. Wenn Malerei und Fotografie aus dieser Perspektive als Medien der Verewigung bezeichnet werden können - so der Film als ein Medium steter Aktualisierung. Aufgrund dessen ist er aber auch in der Lage, eine dem Zuschauer überaus nahegehende Darstellung des Tötens zu geben. Insofern er fotografischen Realismus und lebendige Bewegung, theatralische Inszenierung und literarische Erzählweise kombiniert, kann er eindrucksvoller als alle anderen Medien das Publikum in Angst und Schrecken versetzen. Genau diese als besonders sinnlich gerühmten (oder gerügten) Qualitäten lassen es fraglich erscheinen, ob der Film geeignet ist, einen Einblick in den tiefsten Abgrund der Historie zu gewähren. Wenn grundsätzliche Bedenken gegen eine mögliche Darstellung der nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslager geäußert werden, dann gelten sie insbesondere dem Film. Niemand würde mehr behaupten, dass etwa die Literatur das nicht könne oder nicht dürfe; Art Spiegelmans 'Maus' hat den Schriftgelehrten unterdessen vor Augen geführt, dass selbst eine graphic novel, nämlich ein Comic, als eine durchaus angemessene Form der Darstellung in Betracht kommen kann. Eine vergleichbar breite Zustimmung hat der Film, zumal der fiktionale, bisher nicht erreicht.
1925 ließ Ernst Troeltsch einen "modernen Theologen" sagen, dass "das eschatologische Bureau heutzutage zumeist geschlossen [sei], weil die Gedanken, die es begründeten, die Wurzel verloren haben". Zurückzuführen sei diese Entwertung der Eschatologie auf die Integration der Idee des Fortschritts in den christlichen Erlösungsgedanken. Der Frage, ob diese Diagnose für die Theologie zutraf, kann hier nicht nachgegangen werden. In unserem Zusammenhang ist sie nur deshalb interessant, weil die Dependance des eschatologischen Bureaus in der philosophischen Fakultät der Heidelberger Universität ein Jahr später in einer heiklen Angelegenheit tätig werden musste. 1926 wurde Alexander Koschewnikoff, ein junger Russe, der seit dem Sommersemester 1921 Philosophie und Orientalistik in der süddeutschen Universitätsstadt und seinem Wohnort Berlin studiert hatte, von Karl Jaspers mit einer Arbeit über 'Die religiöse Philosophie Wladimir Solowjews' promoviert. 1930 erschien ein zwanzigseitiger Auszug der Doktorarbeit in einer in Bonn erscheinend en 'internationalen Zeitschrift für russische Philosophie, Literaturwissenschaft und Kultur'. Laut Koschewnikoff war für Vladimir Solov'ev (1853-1900), den vielleicht bedeutendsten russischen Philosophen des 19. Jahrhunderts "von Anfang an eine religiös-mystische Weltauffassung charakteristisch". Diesen religiösen Charakter habe seine Philosophie bis zuletzt beibehalten und auch seine Geschichtsphilosophie wesentlich geprägt: "es wird ein zu verwirklichendes Zukunftsideal [...] aufgestellt, und die 'tatsächliche' Geschichte als eine dazu mit Notwendigkeit führende Entwicklung konstruiert". Bei der Aufstellung dieser "Zukunftsideale" hat die Kenntnis der tatsächlichen Geschichte keine nennenswerte Rolle gespielt. Insofern habe Solov'ev nicht Geschichtsphilosophie im modernen Sinne des Wortes betrieben, sondern "Geschichtskonstruktion". Koschewnikoff unterscheidet in Solov'evs Geschichtsauffassung drei Perioden: eine slawophile, eine katholische Periode und den Standpunkt der letzten Schrift Solov'evs, der 'Drei Gespräche'.