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In der vorliegenden Arbeit wurde die Dynamik zweier grundlegend verschiedener, deaktivierender Mechanismen von Retinalproteinen untersucht. In einem dritten Projekt wurde die Photodynamik einer Dreifachmutante von visuellem Rhodopsin erforscht, von der eine Mutation zu kongenitaler (angeborener) Nachtblindheit führt und zwei andere Mutationen das Protein über eine Disulfidbrücke stabilisieren. Die Ergebnisse dieser drei Projekte sind im Folgenden zusammengefasst.
Die Aktivität des mikrobiellen Proteorhodopsins als lichtgetriebene Protonenpumpe kann photoinduziert unterbunden werden. Dies erfolgt durch die Absorption von blauem Licht durch das Retinal bei deprotonierter Schiff‘schen Base. Vor dieser Arbeit war allerdings nur wenig über den Mechanismus und die Kinetik dieses Effekts bekannt. Das einzige Retinalprotein, an dem diese Deaktivierungsdynamik auf molekularer Ebene zeitaufgelöst untersucht wurde, ist Bakteriorhodopsin. Doch auch an diesem System wurde die ultraschnelle Primärreaktion in der photoinduzierten Deaktivierungsdynamik - die Photoisomerisierung des 13-cis-Retinals - bisher nicht zeitaufgelöst gemessen.
In dieser Arbeit wurde ein Weg gefunden, diesen Prozess auf einer Sub-Pikosekundenzeitskala zu detektieren. Dazu wurde eine Proteorhodopsinmutante genutzt, in der der primäre Protonendonor E108 durch Glutamin ersetzt ist. Diese Mutante weist eine signifikante Erhöhung der Lebensdauer des M-Intermediats auf. Im photostationären Gleichgewicht führt diese veränderte Kinetik zu einer erheblich erhöhten Akkumulation des Proteins im M-Zustand, die ausreicht, um photoinduzierte Absorptionsänderungen der Deaktivierungsdynamik sowohl im sichtbaren als auch im mittleren Infrarotbereich auf ultrakurzer Zeitskala zu detektieren. Dieses Projekt erfolgte in Kooperation mit dem Arbeitskreis Glaubitz (Goethe-Universität Frankfurt am Main).
Es zeigte sich, dass die Anregung des Retinals von Proteorhodopsin im M-Zustand zur Isomerisierung von 13-cis zu all-trans führt, die nach wenigen Pikosekunden abgeschlossen ist. Der zweite und abschließende Schritt ist die Reprotonierung der Schiff'schen Base. Es stellte sich heraus, dass dieser Prozess auf einer Nanosekundenzeitskala abläuft und über einen Protonentransfer vom primären Protonenakzeptor D97 zur Schiff'schen Base ermöglicht ist.
Die in dieser Arbeit vorgestellte Methodik zur Untersuchung der deaktivierenden Photodynamik von Proteorhodopsin auf ultraschneller Zeitskala, könnte in Zukunft auf weitere mikrobielle Rhodopsine angewandt werden. So ist die Studie der Deaktivierungsdynamik von Channelrhodopsinen von großem Interesse für optogenetische Anwendungen. Eine lichtgesteuerte Kontrolle der Ionenkanalöffnung und -schließung sollte die Präzision in der Regulierung ionischer Permeation erheblich verbessern.
Die Proteorhodopsinmutante E108Q wurde außerdem in ihrer primären Photodynamik sowohl bei grünem als auch blauem Anregungslicht untersucht. Es zeigte sich in beiden Fällen eine Dynamik, die der des Wildtyps sehr ähnlich ist. Eine Beobachtung unterscheidet sich jedoch wesentlich vom Wildtyp. Das K-Intermediat der E108Q-Mutante scheint nach einigen hundert Pikosekunden zumindest partiell zu zerfallen, woraufhin sich eine Signatur im blauen Spektralbereich bildet. Blitzlichtphotolysemessungen lassen vermuten, dass diese blau absorbierende Species im zwei- bis dreistelligen Nanosekundenbereich wieder zerfallen sein muss.
Der zweite Teil dieser Arbeit beschäftigt sich mit dem Photozerfall von visuellem Rhodopsin. Es ist bekannt, dass die Signaltransduktion durch Wechselwirkung zwischen aktiviertem Rhodopsin und Arrestin unterbunden wird. Im ersten Abschnitt wurde der Einfluss der Arrestin-1-Variante p44 auf die Photodynamik visuellen, bovinen Rhodopsins untersucht. In einer Kooperation mit dem Arbeitskreis Schwalbe (Goethe-Universität Frankfurt am Main) konnte gezeigt werden, dass Arrestin erheblichen Einfluss auf die Zerfallsdynamik von Meta II und Meta III hat. Es wurde festgestellt, dass die Wechselwirkung von p44 mit photoaktiviertem Rhodopsin eine erhöhte Population des Intermediats Meta III bewirkt, mit der Folge einer zweifach langsameren Freisetzungskinetik des all-trans-Retinals. Diese Beobachtung weist auf eine physiologische Rolle des Zustands Meta III in der Retinalhomöostase hin.
Gegenstand einer zweiten Studie mit dem Arbeitskreis Schwalbe ist zum einen die Rhodopsinmutation G90D, die mit kongenitaler (angeborener) stationärer Nachtblindheit zusammenhängt, und zum anderen die Doppelmutation N2C und D282C, die zur Ausbildung einer stabilisierenden Disulfidbrücke zwischen den im extrazellulären Bereich eingeführten Cysteinen führt. Im Rahmen dieser Arbeit wurde die Photodynamik des Wildtyps, der Doppelmutante und der stabilisierten G90D-Mutante (Mutationen G90D, N2C und D282C) sowohl auf einer ultrakurzen Zeitskala als auch auf einer Minutenskala untersucht.
In der vorliegenden Arbeit wurden Untersuchungen an zwei verschiedenen Retinalproteinen durchgeführt. Das erste analysierte Retinalprotein, Channelrhodopsin 2, wurde hauptsächlich auf die Beziehung zwischen Retinalisomerisierung und Photozyklus bzw. Funktionalität untersucht. Hierfür wurde das Chromophor all-trans Retinal durch verschiedene, sterisch anspruchsvolle, Retinalanaloga ersetzt. Das 9,12-Phenylretinal wurde bereits in BR erfolgreich eingesetzt, um die Isomerisierung des all-trans Retinals zum 13-cis Retinal in der Bindetasche zu verhindern und die Funktionalität des Proteins zu stoppen. In ChR2 hingegen kann das Phenylretinal nach Lichtanregung isomerisieren und ein Photoprodukt bilden, welches anschließend einen modifizierten Photozyklus durchläuft. In diesen Photozyklus zerfällt das erste Photoprodukt P1' sehr schnell und bildet ein zusätzliches Intermediat, Px, welches zeitlich zwischen dem P1' und P2' Intermediat liegt und eine grundzustandsähnliche Absorptionsbande besitzt. Im Vergleich zum Wildtyp läuft der modifizierte Photozyklus schneller ab als im Wildtyp und das Protein behält seine Funktion. Ein weiteres Retinalanalogon ist das trans-locked Retinal, welches sich als schwierig in das Protein einzubauen erwies. Dies resultierte in zwei verschiedenen Absorptionsbanden, wobei nicht klar war, welche die mit dem korrekt eingebauten Retinal war. Beide Banden wurden in Ultrakurzzeitexperimenten angeregt, hierbei stellte sich heraus, dass die bathochrom verschobene Spezies das korrekt eingebaute Retinal besitzt, da diese auch eine Schwingungsfeinstruktur, wie auch der Wildtyp, zeigt. Das trans-locked Retinal kann ChR2 erfolgreich an der Isomerisierung hindern und zeigt nach dem Zerfall des angeregten Zustandes keine Photoprodukt-Bildung.
Bei dem zweiten Retinalprotein, welches in dieser Arbeit untersucht wurde, handelt es sich um Krokinobacter eikaustus rhodopsin 2. Zuerst wird in dieser Arbeit die Primärreaktion des Proteins untersucht. Diese wurde unter verschiedenen Salzbedingungen, welche wichtig für die spätere Funktion des Proteins sind, jedoch auch Einfluss auf die Ultrakurzzeitdynamik des Proteins nehmen, analysiert. Der angeregte Zustand des Proteins zerfällt biexponentiell, wobei die erste Komponente den reaktiven Pfad und die langsamere Komponente den nicht-reaktiven Pfad beschreibt. Der reaktive Pfad bildet innerhalb einiger hundert Femtosekunden das bathochrom verschobene, isomerisierte J Intermediat, welches durch Kühlprozesse auf der unteren Pikosekundenzeitskala in das K Intermediat übergeht. Beim nicht-reaktiven Pfad zerfällt der angeregte Zustand innerhalb einiger Pikosekunden und geht in den Grundzustand über, ohne dass eine Isomerisierung des Retinals stattfindet. Sind Na+ oder K+ Ionen in der Lösung anwesend, sind diese Prozesse gleich schnell. In Abwesenheit dieser Ionen wird der nicht-reaktive Pfad stärker populiert und zerfällt langsamer. Das gleiche salzabhängige Verhalten konnte mit der Mutante H30A gezeigt werden. Die Aminosäure H30 sitzt im Interface zweier Oligomere in der Nähe der extrazellulären Na+ Bindestelle. Durch die Mutation von Histidin zu Alanin, wird das Protein fast ausschließlich zu einer Na+-Pumpe und pumpt kaum noch Protonen. Die Ultrakurzzeitdynamik bleibt jedoch unbeeinflusst davon und unterscheidet sich nicht vom Wildtyp. Neben dem normalen all-trans Retinal wurden auch hier, wie schon für Channelrhodopsin 2, Retinalanaloga im Wildtyp untersucht, hier hauptsächlich unter dem Aspekt der Farbanpassung. Die hier verwendeten Analoga waren das A2 Retinal und das MMA Retinal (MMAR), die beide durch die Erweiterung des -Systems zum Grundzustand rotverschobene Absorptionsspektren aufweisen. Das A2 Retinal besitzt eine weitere Doppelbindung und das MMAR zwei weitere Doppelbindungen im -Jonen Ring im Vergleich zum Retinal. Das MMAR hat zusätzlich noch eine weitere Methylamino-Gruppe. Durch das größere -System hat das MMAR auch die größere Rotverschiebung im Spektrum. Beide Retinalanaloga zeigen sehr breite ESA Banden und isomerisieren nur zu einem geringen Prozentsatz, die Hauptpopulation der angeregten Moleküle geht über den nicht-reaktiven Pfad zurück in den Grundzustand.
Der Photozyklus von KR2 wurde ebenfalls untersucht. Hierbei wird unter anderem das Verhalten des Proteins unter verschiedenen pH- und Salzbedingungen analysiert. Hierbei konnte festgestellt werden, dass die Dynamik des Natrium-Pump-Zyklus unabhängig vom pH Wert ist. In einem pH Bereich zwischen 6 und 9.5 ändern sich die Lebenszeiten des Zyklus nicht signifikant, jedoch wird die Amplitude des O Intermediats, welches als Indikator für den (nicht Protonen) Ionentransport genutzt wird, bei niedrigem pH Wert geringer. Die geringere Amplitude weist auf einen geringeren Na+-Transport hin. Dies liegt an der Kompetition der zu transportierenden Ionen, in diesem Fall Na+ und H+. Ist die H+ Konzentration viel höher als die Na+ Konzentration, so fängt das Protein an H+ zu pumpen. Unter physiologischen Bedingungen handelt es sich bei KR2 jedoch um eine reine Na+-Pumpe. Sind Kalium-Ionen bei pH 9.5 anwesend, so zeigt das Protein wie auch beim Natrium-Pump-Zyklus ein starkes O Intermediat, was darauf hindeutet, dass auch K+ transportiert werden kann. Dies konnte von Dr. Janina Sörmann (Arbeitsgruppe Bamberg, MPI für Biophysik Frankfurt) auch in elektrophysiologischen Messungen gezeigt werden. Bisher wurde in der Literatur davon ausgegangen, dass K+ vom Wildtyp nicht transportiert werden kann. Um die Photozyklusdynamik des Natrium-Pumpzyklus besser verstehen zu können, wurde die Temperaturabhängigkeit des Photozkylus mit Hilfe der Target Analysis untersucht. Hierbei stellte sich heraus, dass das simple sequentielle Modell K -> L -> M -> O -> GS die besten Fitresultate liefert, obwohl viele verschiedene Modelle mit Verzweigungen oder Rückraten ebenfalls getestet wurden. Resultat der Target Analysis sind unter anderem die Evolution Associated Difference Spectra (EADS). Diese beinhalten die Differenzspektren der einzelnen Zustände, welche um das Grundzustandsbleichen korrigiert werden können, um die Evolution Associated Spectra (EAS) zu bilden. Durch Entfaltung dieser EAS (auf der Energieskala) konnten die Reinspektren der einzelnen Photointermediate K, L, M und O berechnet werden. Auffällig hierbei war, dass das M Intermediat eine geringere Blauverschiebung als erwartet aufwies, was höchstwahrscheinlich an der Elektrostatik in der Retinal-Bindetasche liegt. Durch die Entfaltung der Spektren konnten ebenfalls die Gleichgewichte, welche zu schnell sind, um in der Target Analysis aufgelöst zu werden, bestimmt werden. Die K, L und M Intermediate stehen, je nach Temperatur, in verschiedenen Gleichgewichten zueinander, während das O Intermediat, keine Gleichgewichte eingeht und nur separiert von den anderen Intermediaten auftaucht. Dies bedeutet, dass sich zwischen M und O Intermediat ein unidirektionaler Schritt im Photozyklus befinden muss. Dieser hängt wahrscheinlich mit dem Na+-Transport zusammen, da das Ion beim Übergang vom M zum O aufgenommen und an der Schiffbase vorbei transportiert werden muss.
Um den Photozyklus besser untersuchen zu können, wurde im Rahmen dieser Arbeit eine Anlage zur transienten Blitzlichtphotolyse aufgebaut und die bestehende Breitband-Blitzlichtphotolyse automatisiert und verbessert. Hierfür wurden mithilfe von MATLAB und LABVIEW verschiedene Programme zur Datenakquisition, -verarbeitung und -analyse geschrieben. Für die transiente Blitzlichtphotolyse musste ein Datenreduzierungsprogramm entwickelt werden, um die mehrere Gigabyte großen Datensätze auf eine verarbeitbare Größe, mit gleichzeitiger Verbesserung des Signal-zu-Rausch-Verhältnisses, zu bringen. In der Breitband-Blitzlichtphotolyse konnte ein Pulsverzögerungsgenerator als zentrale Steuereinheit aller Komponenten der Breitband-Blitzlichtphotolyse eingesetzt und programmiert werden, um das Messverfahren zu automatisieren. Anschließend musste noch ein neues Datenverarbeitungsprogramm geschrieben werden, welches die Daten für die anschließende Analyse zusammenstellt und vorbereitet. Die neuen Programme gewähren einen reibungslosen Anschluss an die Analysesoftware OPTIMUS, welche in der Arbeitsgruppe genutzt wird.
Das Myc-Bindeprotein 2 (MYCBP2) könnte aufgrund seiner enormen Größe, seiner multiplen funktionalen Domänen und seiner ubiquitären Expression in die verschiedensten Signaltransduktionswege involviert sein. Bisher wurde überwiegend die Funktion der C-terminalen RING-Finger-Domäne untersucht, die die E3-Ubiquitinligase-Aktivität des MycBP2 bedingt. Über die Interaktion mit verschiedenen Signalwegen, wie den p38-Signalweg oder die mTOR-Aktivierung, kann MycBP2 über Ubiquitylierung und anschließendem proteosomalen Abbau diverse Prozesse der Synaptogenese und der spinalen Schmerzverarbeitung, aber auch der peripheren Nozizeption regulieren. Über die Funktionen der N-terminalen RCC1-ähnlichen Domäne ist dagegen weniger bekannt. Bisher konnte eine direkte Protein-Protein-Interaktion mit dem neuronenspezifischen elektroneutralen Kalium- und Chlorid-Ionen Co-Transporter KCC2 und mit der Adenylylcyclase nachgewiesen werden. Bindet MycBP2 oder seine RCC1-ähnliche Domäne an membranständiges KCC2 führt dies einem verstärkten Transporteraktivität, während die Bindung an die Adenylylcyclase in deren Hemmung resultiert. In der vorliegenden Arbeit sollten nun auf Basis eines Antikörperarrays neue Interaktionspartner des MycBP2 und deren Funktion bestimmt werden.
Der Antikörperarray vergleicht die Expression diverser Proteine in DRG-Lysat von SNS-Cre positiven und SNS-Cre-negativen MycBP2lox/lox Mäusen und weist Unterschiede im Vorkommen von SUMO1 auf. Durch Analyse mittels Western Blot zeigte sich ein verstärktes Signal für ein 85 kDa-Protein. Mittels Immunpräzipitation sowohl aus HeLa-Zellen als auch aus DRG-Neuronen wurde das Protein als SUMOyliertes RanGAP1 identifiziert. Durch CO-Immunpräzipitationen konnte eine direkte Protein-Protein Interaktion nachgewiesen werden, die während einer Zymosan-induzierten Hyperalgesie zu einer MycBP2-abhängig Regulation der RanGAP1 Expression und SUMOylierung führt. Die erhöhte RanGAP1 Menge in Abwesenheit von MycBP2 ist dabei nicht auf eine MycBP2-abhängige Ubiquitinierung des RanGAP1 zurückzuführen. Dagegen konnte eine Hemmung der Ubiquitinligaseaktivität des MycBP2 in Anwesenheit von SUMOyliertem RanGAP1 festgestellt werden, die sowohl bei der Autoubiquitylierung als auch beim proteosomalen Abbau von TSC2 nachgewiesen werden konnte. Weitere Untersuchungen zeigen eine durch SUMOyliertes RanGAP1-vermittelte Translokation des MycBP2 an den Zellkern, die durch Transfektion mit RanGAP1 siRNA sowohl in HeLa-Zellen als auch in primären DRG-Kulturen gehemmt werden kann.
Im nächsten Schritt wurde die mögliche Interaktion von MycBP2 mit Ran untersucht. Es zeigte sich, dass die Ranexpression in DRGs von Cre-positiven MycBP2lox/lox Mäusen im Gegensatz zu Cre-negativen MycBP2lox/lox Mäusen signifikant gesteigert ist und auch hier eine MycBP2-abhängige Expressionsregulation während der Zymosan-induzierten Hyperalgesie vorliegt. Ein 3D-Modell von primären DRG-Kulturen nach Immunfärbung weist eine Kolokalisation von MycBP2 und Ran sowohl im Cytosol als auch im Zellkern auf. Immunfärbungen von DRG-Schnitten zeigten außerdem, dass Ran in Abwesenheit von MycBP2 verstärkt im Zellkern vorliegt, was auf eine direkte Interaktion von MycBP2 mit Ran hindeutet. Auf Grund des stationären GTPase Assays konnte eine Integration des MycBP2 in den RanGTPase Zyklus belegt werden, da die Anwesenheit von MycBP2 zu einer gesteigerten GTP-Hydrolyse führte. Anhand des Ein-Zyklus-GAP-Assay wurde daher der Einfluss des MycBP2 auf die GAP-Aktivität des RanGAP1 überprüft, wodurch sich zeigte, dass MycBP2 die GAP-Aktivität des RanGAP1 hemmt. Damit bedingt die MycBP2/RanGAP1-Interaktion eine gegenseitige Hemmung der Enzymaktivität der beteiligten Proteine. Weitere Untersuchungen durch 35S-GTP-Bindeassays deckten eine konzentrationsabhängige GEF-Aktivität des MycBP2 für Ran auf, wobei die GEF-Aktivität von der RCC1-ähnlichen Domäne des MycBP2 vermittelt wird. Des Weiteren zeigte sich anhand von Versuchen mit der konstitutiv aktiven Ran-Mutante Q69L und der inaktiven Ran-Mutante T24N, dass MycBP2 verstärkt die inaktive Form des Ran, also RanGDP bindet.
In dieser Arbeit konnte so zum ersten Mal eine Integration des MycBP2 in den RanGTPase-Zyklus gezeigt werden, die es MycBP2 ermöglicht, sowohl in die nukleare Import/Export-Maschinerie, in den Aufbau der mitotischen Spindel und die Bildung der Kernmembran einzugreifen.
Die chemischen und physikalischen Eigenschaften eines Festkörpers sind vom inneren Aufbau des Festkörpers abhängig. Die Methode der Wahl zur Bestimmung von Kristallstrukturen sind Beugungsexperimente. Fehlordnungen in den Kristallstrukturen werden mit Beugungsexperimenten häufig nur unzureichend ausgewertet oder ignoriert. In dieser Arbeit wurden die (möglichen) Stapelfehlordnungen der Aminosäuren DL-Norleucin und DL-Methionin, sowie von Chloro (phthalocyaninato)aluminium(III) untersucht. Dazu wurden Gitterenergieminimierungen mit Kraftfeld- und quantenchemischen Methoden an einem Satz geordneter Modellstrukturen durchgeführt.
In den Kristallstrukturen der α- und β-Phasen von DL-Norleucin ordnen sich die Moleküle in Doppelschichten an und bilden jeweils eine Schichtstruktur mit unterschiedlicher Stapelsequenz. Röntgenbeugungsexperimente an Kristallen dieser Verbindung zeigen charakteristische diffuse Streuung. Die durchgeführten Gitterenergieminimierungen reproduzieren die experimentelle Stabilitätenreihenfolge der beiden Polymorphe von DL-Norleucin. Die berechneten Gitterenergien zeigen, dass es für DL-Norleucin bevorzugte Stapelsequenzen gibt. Die Gitterenergien und Molekülstrukturen einer einzelnen Doppelschicht sind dabei von der Anordnung benachbarter Doppelschichten abhängig. Zudem wurden Strukturmodelle mit Stapelsequenzen aufgebaut, die aus kristallographischer Sicht möglich sind, jedoch experimentell nicht beobachtet wurden, und deren Gitterenergie berechnet. Diese Stapelsequenzen liefern im Vergleich zu den energetisch günstigsten Stapelsequenzen einen signifikanten Energieverlust und treten daher selten auf. Ausgehend von den Ergebnissen der Gitterenergieminimierungen mit DFT-D-Methoden wurden Stapelwahrscheinlichkeiten mit Hilfe der Boltzmann-Statistik berechnet. Es wurde ein großes geordnetes Modell mit einer Stapelsequenz gemäß der Stapelwahrscheinlichkeiten aufgebaut. Dieses Modell wurde verwendet, um Beugungsexperimente zu simulieren und mit experimentellen Daten zu vergleichen. Die theoretischen und experimentellen Beugungsdaten waren in guter Übereinstimmung.
Die Moleküle in den Kristallstrukturen der α- und β-Phasen von DL-Methionin bilden Doppelschichten. Die beiden Phasen unterscheiden sich in der Stapelung der Doppelschichten und der Molekülkonformation. Es wurden Gitterenergieminimierungen sowohl mit Kraftfeld-Methoden als auch mit DFT-DMethoden an geordneten Modellen mit unterschiedlichen Stapelsequenzendurchgeführt. Die experimentell bestimmte Stabilitätenreihenfolge der Polymorphe von DL-Methionin bei tiefen Temperaturen wurde durch die Ergebnisse der kraftfeldbasierten Rechnungen reproduziert. Die Modellstrukturen wurden während den Rechnungen moderat verzerrt. Die Bandbreite der relativen Energien aller Modelle ist relativ gering, sodass eine Stapelfehlordnung aus thermodynamischer Sicht nicht ausgeschlossen werden kann. In der Regel liefern Gitterenergieminimierungen mit DFT-D Methoden genauere Ergebnisse. Die Modellstrukturen wurden während den Rechnungen nur leicht verzerrt. Allerdings unterscheidet sich das Energieranking zwischen den Kraftfeld- und DFT-D-Methoden deutlich. Die experimentell bestimmte Stabilitätenreihenfolge der Polymorphe von DL-Methionin wurde mit DFT-D-Methoden nicht reproduziert. Die Energieunterschiede zwischen den beiden Polymorphen (ΔE = 1,60 kJ∙mol−1 (DFT-D2) bzw. ΔE = 0,83 kJ∙mol−1 (DFT-D3)) sind relativ gering und liegen im Fehlerbereich der Methode. Die Bandbreite der relativen Energien aller Strukturmodelle beträgt nur etwa 1,8 kJ∙mol−1. Auf dieser Grundlage ist eine Stapelfehlordnung in den Kristallstrukturen von DL-Methionin möglich, jedoch nicht experimentell beobachtet. Nicht nur die Kraftfeld-,sondern auch die DFT-D-Methoden scheinen für die Berechnung der Gitterenergien für das System DL-Methionin nicht genügend genau zu sein. Die erhaltenen relativen Energien sollten daher mit Vorsicht betrachtet werden.
Chloro(phthalocyaninato)aluminium(III) (AlPcCl) bildet eine Schichtstruktur, in der sich die Moleküle zu Doppelschichten zusammenlagern. Die 1984 durchgeführte Kristallstrukturbestimmung [98] lieferte auf Grund der schlechten Datenqualität nur eine ungenaue Kristallstruktur. Die asymmetrische Einheit enthält zwei Moleküle, von denen das eine Molekül geordnet, das andere fehlgeordnet ist. Die Kristallstruktur von AlPcCl ist fehlgeordnet, weil eine einzelne Doppelschicht von Molekülen eine tetragonale P4/n-Symmetrie aufweist, die vier symmetrieäquivalente Möglichkeiten bietet, eine zweite Doppelschicht auf einer ersten Doppelschicht zu platzieren. Mit Hilfe der OD-Theorie wurde ein Satz geordneter Modelle mit verschiedenen Stapelsequenzen aufgestellt und die Gitterenergie zunächst mit Kraftfeld-Methoden und anschließend mit DFT-DMethoden berechnet. Auf Grund unzureichender Parametrisierung, musste das Kraftfeld an das System AlPcCl angepasst werden. Die Modellstrukturen werden während den Kraftfeld-Rechnungen nur leicht verzerrt. Die berechneten Gitterenergien hängen allerdings stark von der verwendeten Parametrisierung und den Atomladungen ab und sollten daher mit Vorsicht betrachtet werden. Genauere Ergebnisse erzielten Gitterenergieminimierungen mit DFT-D-Methoden. Die verschiedenen Stapelsequenzen haben eine ähnliche Energie, was die Stapelfehlordnung in der Kristallstruktur von AlPcCl erklärt. Die Überlagerung der vier energetisch günstigsten geordneten Stapelsequenzen führt zu einer gemittelten Struktur, die sehr gut die fehlgeordnete experimentelle Kristallstruktur von AlPcCl erklärt.
Zur Behandlung von chronisch entzündlichen Erkrankungen besteht nach wie vor ein dringendes medizinisches Bedürfnis, da die bisher eingesetzten Medikamente gerade in der Langzeittherapie zu schwerwiegenden Nebenwirkungen führen können. Um chronisch entzündliche Erkrankungen in Zukunft adäquat therapieren zu können, sind bereits verschiedene neuartige Ansätze in klinischer bzw. präklinischer Entwicklung. Ein möglicher Ansatz besteht in einer dualen Hemmung der mikrosomalen Prostaglandin E2 Synthase-1 (mPGES-1) und der 5-Lipoxygenase (5-LO). Im Rahmen dieser Arbeit wurden die Struktur-Wirkungs-Beziehungen (SAR) von zwei verschiedenen Leitstrukturen an der 5 LO und der mPGES 1 untersucht. Die erste Leitstruktur entstammt aus den Arbeiten von Waltenberger et al. und besitzt im Grundgerüst eine Sulfonamidstruktur. In dieser Arbeit ist es gelungen, durch eine gezielte Untersuchung der Struktur-Wirkungsbeziehungen, die Leitstruktur I an der 5 LO und der mPGES-1 in ihrer Potenz zu optimieren. Die Leitstruktur (IC50: 5-LO (zellfrei) = 5.7 µM, IC50: 5 LO (PMNL) = 3.7 µM, IC50: mPGES-1 = 4.5 µM) konnte durch Variation in allen drei Positionen modifiziert werden, so dass die optimierte Struktur 170 (IC50: 5-LO (zellfrei) = 2.3 µM, IC50: 5-LO (PMNL) = 0.4 µM, IC50: mPGES-1 = 0.7 µM) entstanden ist. Für die Verbindung 170 wurden die pharmakokinetischen Eigenschaften, wie Löslichkeit und metabolische Stabilität, sowie der Wirkmechanismus auf molekularer Ebene bestimmt. Ebenso konnte für Verbindung 170 auch in vivo anti-entzündliche Eigenschaften festgestellt werden.
Die zweite Leitstruktur stammt ebenfalls aus den Arbeiten von Waltenberger et al. und besitzt im Grundgerüst eine Mercaptobenzothiazol-Grundstruktur. Aufgrund der Ähnlichkeit zu den bekannten Pirinixinsäurederivaten wurde auch hier für die Untersuchung der Struktur-Wirkungs-Beziehungen zunächst eine Kettenverlängerung an der Alkylkette vorgenommen. Es ließ sich auch hier durch eine gezielte SAR, die Leitstruktur bis hin zum submikromolaren Bereich in Verbindung 219 optimieren. Gleichzeitig ist es gelungen in Verbindung 219 einer der am potentesten dual ausgeglichensten dualen 5 LO/mPGES-1 Inhibitoren zu identifizieren.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in dieser Arbeit es gelungen ist durch gezielte Untersuchungen der Struktur-Wirkungs-Beziehungen zwei verschiedene Substanzklassen zu dualen 5-LO/mPGES-1 Inhibitoren zu optimieren. Ebenso konnte für Substanz 170 auch in vivo anti-entzündliche Eigenschaften festgestellt werden. Diese Arbeit soll dazu beitragen, das therapeutische Potential von dualen 5-LO/mPGES-1 Inhibitoren als anti-entzündliche Wirkstoffe in Zukunft besser einschätzen zu können.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden Inhibitoren der bakteriellen Resistenzproteine New Delhi Metallo-β-Lactamase 1 (NDM-1), die beiden Mutanten der Verona-Integron Encoded Metallo-β-Lactamase 1 und 2 (VIM-1, bzw. -2), sowie die Imipenemase 7 (IMP-7) entwickelt.
Auf Grund natürlicher Selektion, aber vor allem auch bedingt durch den unüberlegten und verschwenderischen Einsatz von β-Lactam-Antibiotika, ist eine weltweite Zunahme an multiresistenten Erregern zu beobachten. Einer der Hauptgründe dieser Resistenzen sind die Metallo- β-Lactamsen (MBL), welche vor allem in Gramnegativen Bakterien vertreten sind und für die Hydrolyse und damit der Desaktivierung der β-Lactam-Wirkstoffe verantwortlich sind. Neben der Suche nach anderweitig wirkenden Antibiotika, ist die Entwicklung von Inhibitoren der MBLs von vordringlicher Bedeutung.
Basierend auf der Grundstruktur des ACE-Hemmers Captopril, wurden trotz synthetischer Herausforderungen erfolgreich mehrere Strukturen mit inhibitorischer Aktivität gegenüber den MBLs synthetisiert. Der Prolinring von Captopril wurde in einer neuen Variante der Captopril-Synthese durch verschiedene Ring- und nicht cyclische Teilstrukturen ersetzt. Durch die Entwicklung einer Schutzgruppenstrategie, konnte die Ringstruktur durch einen Piperazin-Rest ersetzt werden. Dies erlaubt es, die Molekülstruktur auf dieser Seite zu erweitern. Des Weiteren wurde eine neue Syntheseroute etabliert, welche es auf elegante Weise ermöglicht, weitere Derivatisierungen an der Methylgruppe des Captoprils durchzuführen.
In einem proteinbasierten Testsystem wurden die synthetisierten Substanzen auf ihr inhibitorisches Potential hin untersucht. Dabei wurden IC50-Werte im niedrig einstelligen mikromolaren, für drei Verbindungen sogar im sub-mikromolaren Bereich ermittelt. Die erhaltenen Ergebnisse wurden für die drei aktivsten Inhibitoren durch eine Erhöhung des Schmelzpunktes in einem TSA-Testsystem erfolgreich verifiziert. Mittels ITC-Untersuchungen konnte die unterschiedlichen Gewichtungen der entropischen und enthalpischen Beiträge zur Bindung der Inhibitoren an die untersuchten MBLs aufgezeigt werden. Hierdurch konnten die scheinbar widersprüchlichen Ergebnisse der ermittelten IC50-Werte und Schmelzpunktverschiebungen für die Verbindung DBDK48 bezüglich der NDM-1 aufgeklärt werden.
Die Strukturen DB320 konnte erfolgreich mit VIM-2 co-kristallisiert werden. Dies ermöglicht eine genauere Untersuchung und qualifizierte Aussagen über die Bindungsverhältnisse zwischen Protein und Ligand.
Für zwei der synthetisierten Inhibitoren sollte untersucht werden, ob deren Aktivität in vitro auch in Bakterien erhalten bleibt. Dazu wurden pathogene klinische Isolate und Laborstämme, welche mit dem Resistenzplasmid transfiziert wurden, und gegen Imipenem resistent sind, herangezogen. Durch die Zugabe der Inhibitoren konnte die Wirksamkeit von Imipenem wiederhergestellt werden.
Es konnte eine HPLC-Methode etabliert werden, welche eine Abschätzung der Polaritäten in Abhängigkeit der Retentionszeiten erlaubt. Dadurch konnte ein direkter Zusammenhang zwischen der Polarität der Verbindungen und dem Grad der Wirksamkeit im MIC-Testsystem aufgezeigt werden.
Durch die Untersuchung der Inhibitoren auf die Proteine ACE und LTA4H, konnten zwei Ziel-Proteine der Captopril-Grundstruktur als unerwünschte Nebenziele ausgeschlossen werden. Des Weiteren führte die Behandlung von U937-Zellen, selbst bei einer hohen Konzentration von 100 µM, weder zu Auffälligkeiten in einem WST-1 Assay, noch zu einer erhöhten Freisetzung von LDH. Daher kann davon ausgegangen werden, dass die Verbindungen über keine zytotoxischen Eigenschaften verfügen.
Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind die Untersuchungen lichtgesteuerter Reaktionen der zwei Retinalproteine Channelrhodopsin-2 (ChR-2) und Proteorhodopsin (PR) mit Hilfe zeitaufgelöster Laserspektroskopie.
Da der Mechanismus der Kanalöffnung des ChR-2 bis heute nicht vollständig aufgeklärt werden konnte, beschäftigt sich diese Arbeit insbesondere mit den Prozessen, die direkt nach der Photoanregung des Retinals stattfinden und die Kanalöffnung vorbereiten. Es wurde dabei gezielt auf für die Funktion des Proteins wichtige Faktoren wie strukturelle Besonderheiten des Chromophors und seiner Umgebung eingegangen und deren Auswirkung auf die Dynamik der Photoreaktionen sowie die Veränderungen im Protein nach der Anregung untersucht.
Zunächst wurden die Ergebnisse der vis-pump-IR-probe-Experimente an ChR-2 im Bereich der Carbonylschwingungsbanden protonierter Glutamat- und Aspartat-Reste dargestellt. Dabei wurde insbesondere die Bildungsdynamik der Differenzbanden in diesem Spektralbereich untersucht und in Anlehnung an die vorhandene Literatur eine Bandenzuordnung der für die Funktion des Proteins wichtigen Aminosäurereste vorgenommen. Aus den Messergebnissen konnte geschlossen werden, dass die mit der Kanalöffnung einhergehenden Konformationsänderungen in ChR-2 durch eine effektive Aufnahme der Überschussenergie durch das Protein auf einer sub-Pikosekunden-Zeitskala vorbereitet werden.
Des Weiteren wurden spektroskopische Untersuchungen an der R120H-Mutante des ChR-2 vorgestellt. Da diese Mutante bei elektrophysiologischen Messungen keine Kanalaktivität zeigte, sollte zunächst geklärt werden, ob die Mutation einen Einfluss auf die Retinalisomerisierung und den nachfolgenden Photozyklus hat. Dabei stellte sich heraus, dass die Retinalisomerisierung bei der R120H-Mutante zwar im Vergleich zum Wildtyp etwas verzögert stattfindet, der Einfluss der Punktmutation auf den weiteren Photozyklus jedoch insgesamt gering ist. Mit Hilfe der Kurzzeit-IR-Spektroskopie im Bereich der Amid I-Schwingung des Proteinrückgrats konnten für die Mutante allerdings signifikante Veränderungen der Bildungsdynamik sowie eine deutliche Abnahme der Amplitude des Amid I-Signals detektiert werden. Anhand weiterer Experimente an den Mutanten E123T und D253N in diesem Spektralbereich konnte anschließend ein Zusammenhang zwischen der Intensität der Amid I-Bande und der Kanalaktivität von ChR-2 festgestellt werden. Diese Ergebnisse ließen somit die Schlussfolgerung zu, dass die Aminosäurereste R120 und D253 eine entscheidende Rolle beim schnellen Transfer der Überschussenergie an das Protein nach der Retinalanregung und der so initiierten Kanalöffnung spielen.
Zusätzlich wurde der Frage nachgegangen, inwieweit Veränderungen am Chromophor die Isomerisierungsreaktion, den nachfolgenden Photozyklus sowie die Funktion des ChR-2 als Ionenkanal beeinflussen können. Zu diesem Zweck wurden spektroskopische Untersuchungen an einem mit 9-12-Phenylretinal (PheRet) rekonstituierten ChR-2 vorgestellt. Es konnte gezeigt werden, dass die Isomerisierung des PheRet zu seiner 13-cis-Form in ChR-2 stark verlangsamt ist und verglichen mit dem nicht modifizierten Chromophor deutlich ineffizienter abläuft. Es wurde außerdem festgestellt, dass die Veränderungen am Retinal zu deutlichen Beeinträchtigungen des Photozyklus führen. Zum einen wurde ein sehr schneller Zerfall des ersten Photoprodukts sowie die Bildung eines zusätzlichen, blauverschobenen Px-Zustands detektiert. Außerdem wurde festgestellt, dass nach der Deprotonierung des isomerisierten PheRet der Großteil der modifizierten Retinale in den Ausgangszustand zurückkehrt und der P3-Zustand nur in geringen Mengen gebildet wird. Die Messergebnisse führten somit zu der Schlussfolgerung, dass die all-trans-Konformation des PheRet in ChR-2 deutlich bevorzugt wird. Da elektrophysiologische Untersuchungen des Retinal-Analogons jodach keine signifikanten Verminderungen der Photoströme im Vergleich zum ATR in ChR-2 zeigten, ließ sich schließlich festhalten, dass die vorgenommenen Veränderungen am Chromophor, die zu einer deutlichen Hemmung der Isomerisierungsreaktion führen und einen starken Einfluss auf den nachfolgenden Photozyklus haben, nicht ausreichend sind, um die Kanalaktivität von ChR-2 komplett zu blockieren, solange noch ein kleiner Anteil der Retinale isomerisieren kann.
Der abschließende Teil der Arbeit beschäftigt sich mit der Absorption des UV-Lichts durch das Retinal mit deprotonierter Schiff-Base im grünabsorbierenden Proteorhodopsin, welches in einem alkalischen Medium im Dunkelzustand akkumuliert werden kann. Die Untersuchungen der Primärreaktion zeigten einen langsamen biexponentiellen Zerfall des angeregten Zustands der UV-absorbierenden Spezies mit anschließender Bildung des 13-cis-Photoprodukts. Aufgrund dieser Ergebnisse konnte ein Reaktionsmodell für die ersten Prozesse nach der UV-Anregung des Retinals im GPR aufgestellt werden, welches möglicherweise für weitere UV-Rezeptoren genutzt werden kann.
Hintergrund: Die Komplexität einer medikamentösen Behandlung steigt mit der Anzahl der Medikamente, der Einzeldosen und der Darreichungsformen und bedroht dadurch die Adhärenz der Patienten. Patienten mit Multimorbidität benötigen oft flexible, individualisierte Behandlungsschemata. Häufige Medikationsänderungen im Verlauf der Behandlung können jedoch die Komplexität einer Therapie weiter erhöhen.
Ziel: Das Ziel der vorliegenden Arbeit war es daher, Medikationsveränderungen bei älteren Patienten mit Multimorbidität und Multimedikation in der hausärztlichen Praxis zu beschreiben und deren Abhängigkeit von soziodemographischen und weiteren Merkmalen zu untersuchen. Zudem sollten die Medikationsveränderungen in den Daten der cluster-randomisierten kontrollierten PRIMUM-Studie (Priorisierung der MUltimedication in Multimorbidity) analysiert werden, um Effekte der komplexen PRIMUM-Intervention zu untersuchen und damit einen Beitrag zur Prozessevaluation zu leisten.
Methoden: In der vorliegenden Arbeit wurden Daten der PRIMUM-Studie, die in 72 Allgemeinpraxen durchgeführt wurde, retrospektiv analysiert. Dazu wurde ein Algorithmus entwickelt, der die Wirkstoffe, die Wirkstärke, die Dosierung und die Darreichungsform zur Beurteilung von Änderungen an der von Ärzten berichteten Medikationsdaten während zweier Intervalle (Basiswert bis sechs Monate: Δ1; sechs bis neun Monate: Δ2) untersucht. Diese Veränderungen wurden auf Verordnungs- und Patientenebene deskriptiv sowie auf die Assoziation zu soziodemographischen und Versorgungsmerkmalen uni- und multivariat analysiert und auf Interventionswirkungen überprüft.
Ergebnisse: Von 502 Patienten (im Durchschnitt 72 Jahre, 52% weiblich) beendeten 464 die Studie. Medikationsveränderungen traten bei 98,6% der Patienten auf. Die maximale Anzahl an Medikationsänderungen pro Patient betrug 21 in Δ1 und 20 in Δ2. Die Gesamtzahl der Medikamente pro Patient blieb dabei weitgehend konstant und betrug im Median zu allen drei Messzeitpunkten 8 (IQR an T0 und IQR an T1: 6-9 und IQR an T2: 6-10). Änderungen bezogen auf den Wirkstoff während Δ1 und Δ2 traten bei 414 (82,5%) und 338 (67,3%) Patienten auf, Dosierungsänderungen bei 372 (74,1%) und 296 (59,2%) und in der Wirkstärke bei 158 (31,5%) bzw. 138 (27,5%). Die Darreichungsform wurde bei 79 (16%) der Patienten sowohl in Δ1 als auch in Δ2 geändert. Simvastatin, Ramipril, Metformin und Aspirin waren am häufigsten von Veränderungen betroffen. Am häufigsten verordnet waren ASS, Metoprolol und Bisoprolol sowie Simvastatin. Medikationsänderungen traten häufiger nach vorhergehenden Aufenthalten im Krankenhaus auf und Dosisreduktion war bei männlichen Patienten häufiger zu verzeichnen. In der Interventionsgruppe waren Medikationsänderungen um 19% wahrscheinlicher. Insbesondere waren Dosisreduktionen und das Ansetzen von neuen Medikamenten in der Interventionsgruppe signifikant häufiger.
Schlussfolgerungen: Bei älteren Patienten mit Multimedikation und Multimorbidität wurden die Therapiepläne häufig geändert. Auf Verordnungsebene ist dies hauptsächlich auf Absetzen und Dosisanpassungen zurückzuführen, gefolgt von Ansetzen und Wiederansetzen von Medikamenten. Dies kann die (longitudinale) Komplexität der Medikation für Patienten erhöhen und ggf. nachteilige Folgen für Therapieadhärenz und Arzneimitteltherapiesicherheit haben. Zudem wird deutlich, dass die medikamentöse Verordnungsqualität in querschnittlichen Erhebungen nicht zuverlässig beurteilt werden kann. In der PRIMUM-Studie wurden häufiger Änderungen in der Interventions- gegenüber der Kontrollgruppe vorgenommen - hauptsächlich das Ansetzen neuer Medikamente und Dosisreduktion. Damit konnten Effekte der komplexen Intervention gezeigt werden, die im Einklang mit den Zielen der Intervention zur Optimierung von Multimedikation steht.
Adaptormoleküle zur Rekrutierung von Transkriptionsfaktoren oder miRNAs an nicht native Bindestellen
(2020)
Die Kontrolle der Genexpression ist eines der großen Ziele der chemischen Biologie. Gemäß dem klassischen Dogma der Molekularbiologe verläuft der Fluss der genetischen Information über die Transkription von DNA zur messenger RNA (mRNA) und durch die Translation von mRNA zu Proteinen. Auch wenn der ursprünglichen Formulierung dieses Dogmas verschiedene Aspekte hinzugefügt wurden, bleibt die Kernaussage unverändert. Eine Störung der Genexpression ist in vielen Fällen die Ursache für schwerwiegende Erkrankungen. Klassische Therapeutika, die im Allgemeinen aus kleinen Molekülen bestehen, können pathogene Proteine spezifisch binden und inhibieren. Allerdings greifen diese Wirkstoffe am Ende der Produktionskette ein und nicht alle Proteine können adressiert werden. Im Gegensatz dazu könnte ein Eingriff auf der Ebene der Transkription oder Translation die Expression der pathogenen Proteine auf ein normales Maß senken oder ganz verhindern. Als entscheidende Regulatoren der Genexpression stellen Transkriptionsfaktoren (TFs) einen interessanten Angriffspunkt zur Kontrolle der Transkription dar. TFs können über den Kontakt zu weiteren Proteinen die RNA Polymerase II rekrutieren und so die Transkription starten. Für die Translation ist die Halbwertszeit der mRNA ein entscheidender Faktor. Die Lebensdauer wird durch eine Vielzahl an Proteinen und micro RNAs (miRNAs) reguliert. MiRNAs sind kurze Oligonukleotide, die in Argonautproteine eingebaut werden können. Die daraus resultierenden RNA-induced silencing complexes (RISCs) sind in der Lage, den Abbau der mRNA einzuleiten. Sowohl TFs als auch RISCs besitzen dabei Nukleinsäure-bindende Untereinheiten, die mit spezifische Sequenzen assoziieren. In gewisser Weise ist die molekulare Erkennung der Nukleinsäuren vergleichbar mit einer Postsendung, die aufgrund der Adresse korrekt zugestellt wird. Um in diesem Bild des täglichen Lebens zu bleiben: Bei einem Wechsel des Wohnorts ist es üblich, einen Nachsendeauftrag zu stellen. Dabei wird die alte Anschrift auf den Postsendungen mit einem neuen Adressetikett überklebt und die Zustellung erfolgt an den neuen Wohnort. Das zentrale Thema dieser Dissertation ist, dieses „Umetikettieren“ auch auf TFs und RISCs zu übertragen. Hierbei ist es notwendig, die Nukleinsäure-bindenden Untereinheiten der Komplexe, also die „alte Adresse“, vollständig zu blockieren und gleichzeitig eine hohe Affinität zu einer neuen Sequenz zu erzeugen. Hierzu könnten bifunktionale Adaptormoleküle verwendet werden.
Die Adaptoren für die Rekrutierung von TFs müssen in der Lage sein, sowohl die doppelsträngige DNA (dsDNA) als auch einen TF zu binden (Abbildung I). Dabei sollte eine Selbstbindung des Adaptors vermieden werden. In dieser Arbeit wurde der TF Sp1 als Ziel gewählt, da er an GC-reiche dsDNAs bindet. Dies ermöglicht die Wahl einer AT- oder GA reichen DNA-Sequenz als Ziel der Umleitung, wodurch eine Selbstbindung des Adaptors minimiert werden sollte. Zur Erkennung der DNA war geplant, Pyrrol-Imidazol-Polyamide (PIPs), triplexbildende Oligonukleotide (TFOs) oder pseudokomplementäre PNAs einzusetzen. Für Letztere war es möglich, eine neue Syntheseroute zu einem Fmoc geschützten Thiouracil-Monomer zu entwerfen. Dabei konnte eine selektive Alkylierung an der N1-Position des Thiouracils durchgeführt werden. Auf Basis der PIPs und der TFOs wurden jeweils verschiedene Adaptoren entworfen, deren Bindung zu ihren Zielen mit Band-Shift-Experimenten und im Fall der PIPs zusätzlich mit fluoreszenzbasierten Pulldown-Experimenten gezeigt wurde. Im Rahmen dieser Versuche zeigte sich, dass die PIP-basierten Systeme deutlich besser an die Zielsequenzen banden als die TFO-basierten Adaptoren. Das Konjugat K5a besaß hierbei die besten Eigenschaften. Weiterhin konnte mit diesem Adaptor in Pulldown-Experimenten gezeigt werden, dass Sp1 auf eine nicht kanonische AT-reiche Bindestelle umgeleitet wurde. Im Anschluss konnte das Sp1 in Western-Blots detektiert werden. Des Weiteren ließ sich zeigen, dass K5a in einem HeLa Lysat über mehrere Stunden stabil war und somit eine Anwendung in Zellkulturexperimenten möglich sein sollte.
Für die Rekrutierung der RISCs war lediglich eine Erkennung zweier einzelsträngiger RNA-Abschnitte notwendig. Hierzu wurden zwei LNAs oder LNA/DNA-Mixmere verwendet, die über einen Linker verknüpft waren (Abbildung I). Als Folge dieses Aufbaus mussten die beiden Adaptorhälften orthogonal sein, da eine Selbstbindung des Adaptors leichter als bei den TF-Adaptoren auftreten konnte. Diese Adaptoren wurden mit Band-Shift- und fluoreszenzbasierten Pulldown-Experimenten auf ihre Fähigkeit, eine Cy5-gelabelte miRNA auf eine Ziel-RNA umzuleiten, überprüft. Es konnte beobachtet werden, dass all-LNA Adaptoren sehr viele off-target-Effekt aufwiesen, welche die Umleitung von miRNAs verhinderte. Im Gegensatz dazu konnten mit DNA/LNA-Mixmeren eine vollständige Umleitung von miRNA-Modellen beobachtet werden. Es war ebenfalls möglich, spezifische RISCs aus HeLa-Lysaten mit unterschiedlichen Adaptoren in Pulldown-Experimenten zu isolieren und in nachfolgenden Western-Blots zu detektieren. Nachdem gezeigt war, dass eine Umleitung in vitro gelang, sollte die Funktion der Adaptoren in Zellkulturexperimenten geprüft werden. Allerdings konnten in diesen Versuchen keine eindeutigen Ergebnisse erhalten werden, sodass die biologische Relevanz der RISC-Umleitung bislang noch nicht bestätigt werden konnte.