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Besteht ein substantieller Zusammenhang zwischen dem akustischen Material der Musik und ihrer ästhetischen Realität? Sind die Möglichkeiten der Musik als Medium emotioneller Kommunikation aus der Schwingungsnatur des Klangs begründbar? Lassen sich Relationen zwischen der inneren Organisation des akustischen Materials und musikalischer Form nachweisen?
Der vorliegende Artikel stellt zwei punktuell aus der Geschichte der Musikästhetik herausgegriffene Positionen nebeneinander, mit denen sich diese Fragen positiv beantworten lassen. Ein erster Zugang gilt den Ideen einer besonderen Affinität zwischen dem 'bewegten Innern' einerseits und dem Klangmaterial der Musik andererseits, dem die deutsche Musiktheorie des späten 18. Jahrhunderts Ausdruck verleiht. Der andere bezieht sich auf den philosophierenden dänischen Physiker Hans Christian Ørsted und seine Vorstellungen eines Zusammenhangs zwischen musikalischer Form und der inneren Beschaffenheit des musikalischen Tons, die er zu Beginn des 19. Jahrhunderts aus Betrachtungen über Chladnis Klangfiguren entwickelte.
Die von älteren Untersuchungen aufgrund der mangelnden Berücksichtigung ihres wissensgeschichtlichen Umfelds insgesamt verkannte Bedeutung der Engelschen Abhandlung liegt in ihrer bei den Zeitgenossen so nicht anzutreffenden Systematisierung einer seit der Mitte des Jahrhunderts nicht mehr allein auf den Vorgang adäquater Darstellung zu reduzierenden, zugleich aber zunehmend unscharf verwendeten Terminologie. Dabei bettet sie den Ausdrucksbegriff – als einen charakteristischen Sonderfall, wie auch als Gegenstück zur Malerei – in einen durch die Auflösung von Rhetorik und Affektenlehre geprägten psycho-physischen und anthropologischen Diskussionszusammenhang ein, während seine musikalische Umsetzung zugleich zum Vorbild für weitere "energische Künste" wie Deklamation, Tanz oder Pantomime avanciert. In Engels Arbeit und ihrem diskursiven Umfeld ist die gleichzeitige Verwendung und textuelle Näherung zweier Begriffsfelder zu beobachten, die sich im 19. Jahrhundert zu dem diskursmächtigen Terminus der "Ausdrucksbewegung" vereinigen werden: Parallel zur Diskussion des schrittweise subjektivierten Verhältnisses von Ausdruck und Malerei wird auch die kinetische Metapher der »Bewegung« von Engel als Vermittlung zwischen einem physischen, u. a. dem Verlauf von Tönen entsprechendem Vorgang und seiner seelischen Wirkung auf den Rezipienten bemüht. Engels Bestreben, seine Ideen an einem breitgefächerten Repertoire zu illustrieren, das sich von Arien Grauns und Hasses über die opéra comique und das Singspiel bis hin zum durch seine Verbindung von Schauspiel und Musik neuartigen Melodram erstreckt, verleiht seinen ästhetischen Überlegungen durch den ersichtlichen Kontakt mit der künstlerischen Praxis dabei zusätzliches argumentatives Gewicht.
Thema der Dissertation ist der signifikante pathognomische Ausdruck, also die Mimik von Figuren, die in den Jahren um 1600 ein großes Thema in der bildenden Kunst, den kunsttheoretischen Traktaten und der Kirche im Zuge der Gegenreformation war. In der künstlerischen Darstellung dieser Jahre lag ein besonderes Gewicht auf einer an rhetorischen Modellen angelehnten Ausdrucks- und Gebärdensprache der Figuren.
Mit der Mimik, deren Darstellung eine enorme Bandbreite entwickelt, wurde zunehmend gespielt und gezielt manipuliert. Und zwar von Seiten der Kunst wie auch der Kirche. Die Arbeit untersucht sowohl die äußeren Umstände unter denen sich eine zunehmende Schematisierung der Gesichtsausdrücke der Figuren entwickelte und die als Formelhaftigkeit zu beschreiben ist, als auch, wie diese von Seiten der Künstler gehandhabt wurde. Erstaunlich war die Feststellung, dass diese „mimischen Formeln“, die man - besonders durch ihr häufiges Auftreten- mit einem bestimmten Kontext verband, nun immer wieder in ganz anderen Zusammenhängen auftauchten und somit einer Figur oder Geschichte einen neuen Sinn gaben. Oft übertrafen sie gar den gesamten übrigen ikonografischen Apparat an Aussagekraft.
Ausdruck kann in seiner Gegebenheitsweise als äußere Erscheinung, als Performanz nicht ohne die Beziehung auf ein mögliches Subjekt gedacht werden, dem der Ausdruck als Ausdruck erscheint, und zwar vermittels des Eindrucks, den er auf es macht. Doch nicht nur auf seinen Adressaten bzw. Rezipienten wird der Ausdruck bezogen, sondern auch auf seine Herkunft, seine verursachende Instanz, sei es ein individuelles Subjekt oder eine komplexe Situation. Dabei ist es für die Analyse der Erscheinung von Ausdruck entscheidend, dass der Konstituierung des Ausgedrückten nicht nur subjektive und objektive, sondern auch intersubjektive, vermittelnde, mediale Bedingungen zugrunde liegen, wie sich in der historischen Bestimmtheit von Ausdrucksphänomenen, in ihrer epochen-, kultur- und medienspezifischen Ausprägung zeigt. Besonders deutlich wird dies in geschichtlichen Umbruchphasen, wenn die Rahmenvorgaben sozialer, sprachlicher, technologischer Art sich wandeln und neue Standards des Wissens und Handelns setzen. Deshalb stellen sich mit dem Ausdrucksverstehen nicht nur Deutungsfragen, die sich um das Verständnis einzelner gegebener Ausdrücke bemühen; vielmehr müssen die sich wandelnden Bedingungen von Ausdruckskonstitution und –rezeption eigens in den Blick genommen werden, um das veränderte Verständnis von Ausdrucksphänomenen und das mit ihnen entsprechend sich ändernde gesellschaftliche und individuelle Verhalten zu analysieren.
Anhand von fünf Schritten sei dieser Zusammenhang [...] entfaltet. Zunächst werden medien- und begriffsgeschichtliche Umbrüche in Bezug auf das Verständnis von 'Ausdruck' skizziert, um dann in wissenssoziologischer Perspektive 'Ausdruck' als stillschweigend vorausgesetztes Konstituens des Sozialen zu erläutern. In welcher Weise 'Ausdruck' als immer auch medial bestimmte Kategorie der Geistesgeschichte (mit Blumenberg über Leibniz) konzipiert wurde, führt schließlich zur wissensgeschichtlichen Verortung des Lessingschen Ausdrucksbegriffs sowie zur Diskussion der Ausdrucksmöglichkeiten von Kunstgattungen, wie Lessings Laokoon sie in ihrer Medienspezifik begreifbar macht.
In diesem Beitrag beziehe ich mich auf mehrere Beispiele aus der Feldforschung und bereits vorliegender Sekundärliteratur, um verbreitete Vorstellungen und Wahrnehmungen zur Präsenz körperlicher Gesten in einigen Performance-Kontexten afrikanischer Gesellschaften sowohl zu verdeutlichen als auch neu zu positionieren. Meine Argumentation und das zu ihrer Unterstützung herangezogene Material betrachten dabei auch Nicht-Körperliches als einen integralen und unentbehrlichen Teil körperlicher Expressivität. Mentale, somatische und verbal nicht artikulierbare Elemente erweisen sich als Teilbestände nicht-körperlicher Schauplätze, die eine dialogische Beziehung zwischen körperlicher Expressivität und der subjektiven Existenz ihrer Teilnehmer beeinflussen und aufrechterhalten. Die Beschäftigung mit dem Themenkomplex der körperlichen Expressivität wird zusätzlich von der Beobachtung geleitet, dass die expressiven und kommunikativen Funktionen körperlicher Gesten und mit ihnen assoziierte Bedeutungsstufen zumindest in der auf Afrika bezogenen Forschungsliteratur bislang nur geringe theoretische und methodologische Aufmerksamkeit gefunden haben. Der vorliegende Aufsatz versteht körperliche Expressivität in letzter Instanz daher als eine kulturelle Praxis, was eine erweiterte Perspektive auf die Erläuterung alltäglicher und außergewöhnlicher Umstände eröffnet, in denen man auf körperliche und nicht-körperliche Ausdrucksformen stößt. Die Substanz dieses Artikels soll jedoch den der Berliner Tagung "Kinaesthetik und Kommunikation" (2010) zugrunde liegenden Forschungsfragen und Schlüsselthemen wie Kontext, Epistemologie und Zwischenbereichen kultureller Kontextualisierung, Bedeutung und Redefinition gelten. Der Artikel stützt seine Argumentation dabei auf das spezifische Beispiel der personalisierten "Name Performance" der Anlo-Ewe in Ghana, die verschiedene Implikationen für die Methodik der Untersuchung körperlicher und nicht-körperlicher Expressivität in afrikanischen Performance-Traditionen aufzeigen.
Affekt (oder Emotion - beide Terme werde ich fortan synonym verwenden) ist eine Grunddimension menschlicher Kommunikation. Aufgrund seiner Allgegenwart hat Affekt viele Manifestationsformen; alle aber sind sie - zu einem größeren oder geringeren Grad - körperlich. Über das prinzipiell verfügbare Ausdrucksrepertoire soll dieses erste Kapitel einen kurzen Überblick bereitstellen.
Das 18. Jahrhundert nun - so wird man vielleicht etwas zugespitzt formulieren können - setzt den Gesamtkörper als Ausdrucksinstrument in seine Rechte wieder ein. Empfindsamkeit und Aufklärung bilden wichtige Koordinaten für seine funktionale Neubestimmung. Welche Formen diese neue gesteigerte kommunikative Körperlichkeit annimmt, wird im vorliegenden Beitrag im Lichte dreier Rhetoriken aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts abgehandelt.
Interphänomenalität
(2018)
'Interphänomenalität' ist ein neuartiges Kompositum aus zwei bekannten griechisch-lateinischen Termini - aus 'Phänomenon', in dem altgriechisch ein Etwas, eine Entität als "sich Zeigendes", als ein "Erscheinendes" aufgefasst ist, und aus dem Präfix 'Inter', das lateinisch das Verhältnis des "Zwischen", des "unter- und voreinander" von mindestens zwei Entitäten anspricht. Die Pointe der Begriffsfügung und ‑findung, seit 2009 im Umlauf, ist offensichtlich die Abwendung von der vertrauten Auffassung aller 'Phänomenologie' (Kant, Hegel, Husserl), dass die 'Phänomene' sich immer für uns, für unsere (sprich: menschliche) sinnliche Wahrnehmung zeigen, also als 'Phänomene' für ein Bewusstseinssubjekt "zur Erscheinung kommen". Der neue Kunstbegriff vollzieht die Abkehr von dieser klassischen Annahme im Subjekt-Objekt-Verhältnis hin zum eventuell aufschlussreichen Verhältnis, in dem die 'Phänomene' selbst als Phänomene voreinander bzw. untereinander sich zeigen - in einer Intersphäre, im Zwischenraum zwischen ihnen -, in einer quasi-kommunikativen Relation voreinander erscheinen, ungeachtet dessen, dass sie auch für ein menschliches Bewusstsein erscheinen können.
Im Folgenden sollen [...] diskursive[] Wechselwirkungen zwischen Schauspieltheorie und Medizin in den Blick genommen werden – und zwar auf zweifache Weise: zum einen, indem schauspieltheoretische und medizinische Auffassungen über die Symptomatik extremer Affekte bzw. pathologischer Leidenschaften zueinander in Beziehung gesetzt werden, zum anderen, indem die Bildlichkeit dieser leidenschaftlichen und leidenden Körper selbst herangezogen wird. Zwischen beiden Wissensfeldern vermittelt der Begriff der 'Figur', der nicht primär als Redefigur, sondern vielmehr unter Berufung auf Roland Barthes "im gymnastischen oder choreographischen" Sinne als Figuration des bewegten Körpers, gewissermaßen als 'Bewegungsmelder' des Diskurses selbst verstanden werden soll: "Die Figuren heben sich nach Maßgabe dessen ab, was sich, im Zuge des Diskurses, daran als Gelesenes, Gehörtes, Erlebtes wieder erkennen lässt. Die Figur ist eingekreist wie ein Zeichen) und erinnerbar (wie ein Bild oder eine Geschichte)." In solchen Abhebungen, Einkreisungen und Erinnerungen des Körpers im Rausch des Affekts wie im Wahnsinn der Leidenschaft begegnen sich Schauspieltheorie und Medizin um 1800. Von ihnen wird als Figuren des Ausdrucks zu sprechen sein.
Zwischen 1700 und 1850 erfährt der Begriff des Ausdrucks in Kunst und Wissenschaft eine deutliche Aufwertung und Verbreitung. Die damit einhergehenden praktischen und diskursiven Veränderungen unterschiedlicher Ausdruckskulturen erforscht der vorliegende Band in Form eines interdisziplinären Dialogs.
Ausdrucksphänomene werden dabei als Figuren des Wissens verstanden, zum einen als Darstellungsweisen des Schauspielers, Musikers, Malers, Rhetors oder Wissenschaftlers. Zum anderen als Denkfiguren, die das grundlegende Verhältnis von Affekt und Ausdruck, etwa die Probleme der künstlerischen Gestaltung in Malerei und Schauspiel oder die Systematisierungen der Rede durch die Rhetorik kulturwissenschaftlich erschließen. Erst durch eine Analyse seiner Formierungsprozesse wird die Erfolgsgeschichte des Ausdrucksbegriffs nachvollziehbar.
I would like to start off my cultural-historical intervention with a trouvaille from the 'Denktagebuch', a sort of intellectual notebook, of Hannah Arendt, the famous German-Jewish philosopher (1906–1975). Arendt's publications include a most profound book on the 'Human Condition' (1958, in German 'Vita activa', 1960) in which she develops the idea of 'acting / Handlung' as the crucial realm of intersubjectivity and humanity. This realm is based in the space between human beings, a literal 'inter-est' of togetherness. It is only in this space, only in the relationship to others, that the full sense of the Self, including the involuntary expressions of the person, manifests itself. It is the same realm in which the moral, social and political life is created. In the notebook of the 44-year-old Arendt one comes across the following entry: "In nichts offenbart sich die eigentümliche Vieldeutigkeit der Sprache [...] deutlicher als in der Metapher. So habe ich zum Beispiel ein Leben lang die Metapher 'es öffnet sich mir das Herz' benutzt, ohne je die dazu gehörende physische Sensation erfahren zu haben. Erst seit ich die physische Sensation kenne, weiss ich, wie oft ich gelogen habe [...]. Wie aber hätte ich je die Wahrheit der physischen Sensation erfahren, wenn die Sprache mit ihrer Metapher mir nicht bereits eine Ahnung von der Bedeutsamkeit des Vorgangs gegeben hätte?" (Notebook II, 22 December 1950, Arendt 2002, 46) The entry discusses the mutual transferral between mind and body by reflecting the role of language as a mediator for minding the body and the embodiment of the mind. Since the phrase of the 'open heart' belongs to a register of long-established metaphors, these reflections concern the comprehension of body-metaphors and their role for a 'shared meaningful space of experiences' (Gallese 2009a, 527), i.e. language as transmitter of experiences and memory in cultural history.