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Im World-Heritage-Programm der Unesco sollen die als schützenswert hervorgehobenen Monumente, Naturschönheiten oder auch kulturellen Praktiken exemplarisch für das Welterbe der Menschheit insgesamt stehen. Wie aber wird deren Beispielhaftigkeit begründet? Und wie funktioniert die kulturelle Kanonbildung im Einzelfall? "Frontiers of the Roman Empire" heißt eine der 1073 Stätten (Stand: Mai 2018) auf der World Heritage List der Unesco. Zu diesen "Frontiers" gehören der Limes in Südwestdeutschland, der Hadrianswall in Nordengland und der Antoninuswall in Schottland. Es handelt sich also um eine dezentrale, transnationale, grenzübergreifende Stätte, die ihrerseits aus Grenzen besteht, noch dazu aus den hinterlassenen Grenzen eines Imperiums.
Es hatte sich eingestellt, was für einige Jahrzehnte, nicht nur für Herder und nicht nur für Männer den Weg eines Topos zu einer Gattung und einer Gattung zum Buch bahnen sollte. Und vice versa. Es begann die Karriere ,zerstreuter Blätter', deren Mode - soweit es sich bei der gegenwärtigen Forschungslage beurteilen lässt - um 1800 ihren Anfang nahm und die sich bis um 1900 behauptete. In dieser Erfolgsgeschichte geht es genau um die genannte Titelgebung, deren Herkunft sich aus dem Wortfeld ,zerstreuter Sachen' sozusagen bequem herauskristallisiert. Denn es steht fest, dass die Sprache auch Schriften und Papieren immer schon erlaubte, zerstreut zu werden oder eben einfach chaotisch herumzuliegen. Seit dem frühen 18. Jahrhundert verzeichnen die Kataloge zerstreute Gedanken, Gedichte, Anmerkungen, Nachrichten und Aufsätze. Auch finden sich genug vermischte, gesammelte, ,verlohrene' und natürlich fliegende Blätter, und man begegnet auch jener professionellen Tätigkeit, die später die Herausgeber zerstreuter Blätter kennzeichnen wird.
Zentrum und Peripherie wurde zum leitenden Thema der gleichnamigen Konferenz, die vom 25. bis 27. Mai 2016 an der Schlesischen Universität Opava stattfand. Die Tagung, an der beinahe 90 Fachleute aus 9 Ländern teilnahmen, wurde vom Germanistenverband der Tschechischen Republik und der Germanistischen Abteilung des Instituts für Fremdsprachen der Schlesischen Universität Opava organisiert. Die Tagung verfolgte das Ziel, Zentrum und Peripherie in unterschiedlichen Bereichen zu untersuchen und einen Überblick über neue Methoden und Erkenntnisse im Bereich der sprachwissenschaftlichen, literarischen und didaktischen Forschungen in fünf Sektionen zu bieten: Die deutsche Sprache: Zentrum und Peripherie; Korpuserstellung und -analyse; Literatur interkulturell vs. transkulturell; Kanon und Norm in Literatur und Literaturdidaktik; Fehler und ihre Behandlung, und stellte eine Vielzahl an Fragestellungen und eine Vielzahl an Ansätzen vor. Die breite thematische und historische Streuung der hier versammelten Aufsätze sowie die Vielfalt ihrer Methoden lassen die vielseitige Anschlussfähigkeit des Rahmenthemas erkennen, für die Mediävistik ebenso wie für die Gegenwartsliteratur, für die soziologischen Aspekte von Literaturpreisen genauso wie für kulturwissenschaftliche Analysen. Darüber hinaus eröffnet der Band seinen Leserinnen und Lesern aber auch die Möglichkeit, innerhalb des hier gebotenen Einblicks in den Forschungsstand der tschechischen germanistischen Literaturwissenschaft und einiger ihrer Nachbarn ihre jeweils eigenen Zentren und Peripherien zu lokalisieren, zu verschieben und kritisch zu reflektieren.
Netzliteratur ist ein relativ junges Phänomen, welches seine Wurzeln sowohl in den Experimenten der visuellen und konkreten Poesie als auch in den Anwendungen von Hypertext hat. Mit der zunehmenden Bedeutung und Nutzung von Computer- und Netzwerktechnologien ist diese neue Form von Literatur „erwachsen“ geworden: Gegenwärtig wird sie als eine der wichtigsten Einflüsse der gegenwärtigen Kunst angesehen. Netzliteratur verbindet nicht nur Sound, Video und Animationen mit interaktiven Elementen und erlaubt damit neue Formen künstlerischen Ausdrucks. Sie löst darüber hinaus die traditionellen Rollen des literarischen Systems auf: Der Tod des Autors bedeutet die Geburt des schreibenden Lesers. In dieser Studie soll das Konzept des „Kanons“, was in der traditionellen (empirischen) Literaturwissenschaft entwickelt wurde, auf Netzliteratur übertragen und nutzbar gemacht werden. Die Leitfrage ist dabei: Ist gegenwärtig bereits ein solcher Kanon existent und wie modelliert er sich heraus? Basierend auf dem Handlungsrollenmodell und einer Modifikation von Karl Erik Rosengrens mention analysis wurde ein Sample von deutschen Aufsätzen und Besprechungen zu Netzliteratur untersucht. Von zentralem wissenschaftlichen Interesse war dabei: Wie beziehen sich die Autoren auf Netzliteratur? Welche Projekte und Texte werden als bereits kanonisiert angesehen? Welche Internetdienste beeinflussen diesen Kanonisierungsprozess und wie? Diese Studie versteht sich schließlich vor allem auch als Test der Anwendbarkeit von Rosengrens Methode für die Untersuchung von Netzliteratur: Ist es zulässig, für diesen Zweck eine Methode zu benutzen, die ursprünglich zur empirischen Analyse des traditionellen literarischen Kanons entwickelt wurde? Damit soll ein Beitrag geleistet werden zur Diskussion um die Anwendbarkeit von traditionellen Methoden auf das neue Medium Internet.
In Rückblicken auf die Germanistik der sechziger und siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, in denen das Fach expandierte und so viele Studierende anzog wie kein anderes geisteswissenschaftliches, ist dennoch meist von "Krise" die Rede. Von der Bildungsöffentlichkeit wurde die Germanistik und das von ihr verbreitete Wissen als antiquiert wahrgenommen und mit einem Verfallsstempel versehen. Nicht nur der von der Literaturwissenschaft favorisierte Kanon literarischer Werke geriet in die Kritik, sondern ebenso das als gesichert geltende Fachwissen. Der Germanistik gegenüber wurden die Vorwürfe erhoben, eine Disziplin ohne ein Objekt im Sinne moderner Wissenschaft zu sein, das Wissen anderer Fächer nicht zur Kenntnis zu nehmen und die zeitgenössische Literatur zu ignorieren. Das Fach wurde so weit destabilisiert, dass seine Einheit zu zerbrechen drohte.
If one thing can be learned from the recent boom in the apparently 'new' field of the 'history of the humanities', it is that, especially in the humanities, the history of an academic discipline is never mere history, because the research questions that inaugurate a discipline continue to subsist at its foundations. Knowledge in the humanities, it seems, develops differently. In many fields, 'progress' is far less linear than in the natural sciences; indeed, research programmes may shuttle back and forth between different epochs, with interpretations of the past continually shedding new light upon the present.
Die Verfasserin plädiert für einen Kanon 'erinnerungswürdiger Texte' im Deutschunterricht sowie im universitären germanistischen Curriculum, der zur Identitätsbildung in einer Kulturnation unentbehrlich ist, aber in Anbetracht permanenter Gleichsetzung von Bildung und Ausbildung geringgeschätzt wird. Zusätzlich verhindert der deutsche Bildungsföderalismus, sich bereits in der Schule einen Kanon von fiktionalen Texten anzueignen, der als Fundus für identitätsstiftende Diskurse dient, die zum kulturellen Zusammenhalt einer Nation beitragen. Der aktuell zu beobachtenden Xenophobie hat fiktionale Literatur etwas entgegenzusetzen, indem sie Bilder vom eigenen und dem fremden Land in der Literatur vermittelt (Imagologie).
Vorwort
(2020)
Die 14. Ausgabe der Aussiger Beiträge ist dem thematischen Schwerpunkt „Kanon 4.0“ gewidmet, denn die Frage nach dem literarischen Kanon, seiner Funktion und seiner Bedeutung berührt immer wieder und aufs Neue zentrale Aspekte der Literaturwissenschaft. In der Kanondiskussion stellt sich die Frage nach sich wandelnden Wertungen, nach Ausschlussprozessen und ihren (außerliterarischen und systemimmanenten) Ursachen. Über Kanonisierung nachzudenken, bedeutet aber auch, Fragen nach Macht zu stellen und das Verhältnis von Zentrum und Peripherie in den Blick zu nehmen.
In his paper, "The Canonization of German-language Digital Literature," Florian Hartling discusses "Net Literature," a relatively young phenomenon, that has its roots in experimental visual and concrete poetry and hypertext. With the use of new media technology, this new genre of literature has acquired much interest and is now considered to be one of the most important influences in contemporary art. Not only does Net Literature connect sound, video, and animation with interactivity and allows new forms of artistic expression, it also impacts significantly on the traditional functions of the literary system. Hartling suggests that, in relation to Net Literature, the notion of the "death of the author" gives birth to the "writing reader." Hartling presents the results of his study where he applies the concept of "canon" to German-language Net Literature and where he attempts to find out whether, in this new form of literature, a "canon" has already been formed. Based on Karl Erik Rosengren's framework of "mention technique," a sample of Germanlanguage reviews of Net Literature was analyzed. The study intends to test the applicability of Rosengren's method to the analysis of Net Literature, that is, whether it is valid to use a method that was originally developed for the empirical study of the traditional literary canon for the study of an emergent Net Literature.