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Der vorliegende Aufsatz ist eine Bestandsaufnahme zum Eurovision Song Contest (= ESC), der im Mai 2015 in Wien stattfand. Ihm liegt ein Vortrag zugrunde, der eine Woche vor der 60. Austragung des Komponistenwettstreits auf der Tagung Mode - Geschmack - Distinktion an der Karl-Franzens-Universität Graz diskutiert wurde. Die Aktualität des Vortrags wird auch im vorliegenden Aufsatz deutlich und erhält stellenweise eine Erweiterung. Als zeitlich gebundene Reflexion spiegeln die folgenden Zeilen den Sachverhalt wider, dass die Generierung von Moden ein vielschichtiges Merkmal in den Diskursen über Popmusik darstellt.
Unser Beitrag beleuchtet diese Entwicklung sowjetischer Mode- und Geschmacksdiskurse im Kontext von inter- und intrakulturellen Transfervorgängen in der Tauwetter- Periode, die nach dem Tod Stalins 1953 begann und über die Regierungszeit Chruščevs bis zum Machtantritt Brežnevs im Jahr 1964 dauerte, und bezieht Beispiele aus dem künstlerischen Diskurs dieser Zeit ein. Die ideologisch geprägten Definitionen von Mode, Stil und Geschmack und letztendlich die Strategien bei deren Umsetzung in der sozialistischen Alltagskultur der Tauwetter-Periode stehen im Zentrum des Beitrags. Hierfür wird das Konsumgut Kleidung als Beispiel genommen und anhand einiger Mode- und Frauenzeitschriften sowie anhand von Ratgeberliteratur analysiert. Zudem nutzen wir die wechselseitige Beeinflussung von Kunst und Realität - zumal der künstlerische Text, sei es als literarischer Text oder als Film, aus Zeichen besteht, die auch in der außerkünstlerischen Realität ihre Wirkmächtigkeit entfalten.
"À la mode", "Mode", "modisch", "alamodisch" (wie das Adjektiv noch bis ins frühe 18. Jahrhundert lautete): Schon die bloße Detektion danach in Titeln des Sprech- und Musiktheaters von Mitte des 18. bis ins erste Drittel des 19. Jahrhunderts lässt bemerkenswerte Schlüsse zu: "Mode", "modisch", etc. wurden als titelgebende Begriffe, also (vermutlich) auch als programmatische Motive eher in der Komödie und im Singspiel beziehungsweise der komischen Oper als in Schauspiel, Tragödie, Opera seria thematisiert; von den Autoren und Librettisten des komischen Alt- Wiener (Musik-)Theaters weitaus häufiger zur dramatischen oder thematisch-figurativen ‚Kristallisation‘ (Hermann Bausinger) herangezogen als von den Autoren des aufklärerischen, des sogenannten weinerlichen Lustspiels und des Rührstücks; und dies in besonderer Weise gehäuft im Dezennium zwischen 1765 und 1775 und dann wieder in den ersten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts. Unter Ausschluss der nur vier begriffseinschlägigen, in diesem Zeitraum in Deutschland entstandenen und gespielten Lustspiele [...] ergibt sich ein Corpus von 15 in Wien entstandenen und vornehmlich in Wien und auf den Bühnen der Habsburger Monarchie gespielten dramatischen Erzeugnissen rund um die "Mode" und das "Modische".
Zu den Funktionen der Mode
(2016)
In der Literatur über die Mode herrscht Einvernehmen darüber, dass die Moden früher die oberen Schichten oder Stände von den nächstfolgenden abgrenzten; ging eine Mode erst einmal auf andere Schichten über, so musste eine neue Mode entwickelt, ein neues Abzeichen gefunden werden. Diese Bewegung gibt es, auch wenn die treffliche Charakterisierung durch den Rechtshistoriker Jhering von der "Hetzjagd der Standeseitelkeit" inzwischen überholt ist, noch immer. Auch in unserer Gesellschaft bietet die Mode - und zwar nicht nur die Kleidermode, sondern jede Form des modischen Konsums - die Möglichkeit, die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Kreis, einer bestimmten Gruppe anzudeuten. Dies gilt im Hinblick auf die sozialen Schichten, so wenig diese im einzelnen definierbar sein mögen; es gilt aber auch im Blick auf andere Gruppierungen wie die Jugend, die heute ein ganz wesentlicher Ausgangspunkt für Moden ist, die sich von hier aus über die ganze Gesellschaft verbreiten. Die Jugendlichen bleiben so lange bei einer Mode, bis die anfängliche Barriere von den anderen übersprungen wird [...].
Im Bereich der Mode bilden die 'auf alt' gemachten, absichtsvoll zerschlissenen, mit Löchern, künstlichen Schmutzspuren oder in ausgewaschenen Farben präsentierten Kleidungsstücke eine besondere Variante, die als 'Used Look' bezeichnet wird. Vor dem Hintergrund einer langen Tradition des Schonens, Flickens, Ausbesserns schadhafter Stellen erscheint diese Modeform als historische Exzentrizität und als ein Extrem, von dem her zugleich der Normalfall der Mode kenntlich wird. Zu ihrem Begriff gehört der Aspekt der Kurzlebigkeit und des permanenten Wandels. Er ist gebunden an die moderne Gesellschaft, die sich von den vorbürgerlichen Gesellschaften grundsätzlich durch ihre dynamische Grundstruktur unterscheidet.
Präzise zeichnet Schillers bürgerliches Trauerspiel also die spezifischen absolutistischen Verhältnisse in einem deutschen Kleinstaat Ende des 18. Jahrhunderts: die Machtverschiebungen am Hof durch den Aufstieg einer gut ausgebildeten Verwaltungselite (Präsident), den Konkurrenzdruck innerhalb des dritten Standes, der sowohl aufstrebende Beamte hervorbrachte (Wurm) wie von Verelendung bedrohte Kleinbürger (Miller). Auffallend ist, wie differenziert Schiller dabei die soziale Verortung seiner Figuren besonders über Kleidungs-Codes regelt. Keine Farbe, kein Kleidungsstück, keine Requisite ist beliebig. An den unterschiedlichen Kleider-Zeichen, mit denen die beiden männlichen bürgerlichen Figuren, Miller und Wurm, markiert werden, wird dies anschaulich [...].
"Wer trägt heute noch Trainingsanzüge in der Öffentlichkeit?", titelt die "Stilkritik" der Süddeutschen Zeitung im Mai 2010. Sportler jedenfalls nicht. Der aktuelle Bundestrainer der deutschen Fußballnationalmannschaft kleidet sich - "modisch top", "Stilikone" - selbst im Stadion in Designer-Anzüge. Dabei waren Sportler ursprünglich die einzige Zielgruppe des Ende der 1920er Jahre in den USA erfundenen 'tracksuit'. Die Kombination aus locker sitzender Hose mit Gummizug und Beinbündchen sowie Blouson mit Reißverschluss oder Sweatshirt sollte sie vor und nach ihren Aktivitäten wärmen. Ein Einsatz von Trainingsanzügen außerhalb des Sports war lange Zeit undenkbar. Die Modifizierung des Trainingsanzugs begann erst fünf Jahrzehnte nach seiner Erfindung.
Seine Ansätze zu einer Ästhetik der Oberfläche entwickelte Semper – gleichzeitig wie Marx seine Theorie des Fetischcharakters der Ware – angesichts der unabsehbaren Auslagen der Kunstindustrie, in denen sich das fortschrittsgläubige Bürgertum des technischen Zeitalters auf den nationalen und internationalen Gewerbeausstellungen feierte und aus denen es seine vitalsten Energien schöpfte. Semper verfasste seine epochemachende Schrift „Wissenschaft, Industrie und Kunst“ als Reaktion auf die Londoner Weltausstellung von 1851, wo Joseph Paxtons berühmter Crystal Palace der neuen Warenherrlichkeit nicht nur reichlich Raum zur Ausbreitung bot, sondern die neuen Materialien Eisen und Glas auch gleich selbst eindrücklich zur Schau stellte. Die Schrift nimmt frühere Überlegungen zur Bemalung antiker Tempel und Statuen auf und mündet später in Sempers Hauptwerk „Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten“ (1860–1863). Das Prinzip, unter das Semper seine »praktische Ästhetik« (so lautet der Untertitel des Werks) stellt, ist jenes der Bekleidung. Damit wären wir bei der im Titel angekündigten Mode angelangt. Am Leitfaden der Mode möchte ich im Folgenden die Anfänge einer modernen Ästhetik der Oberfläche bei Semper exemplarisch für die deutschsprachige Kunsttheorie verfolgen. […] Ihre Produktivität ist nicht nur in der von industriell-technischen Entwicklungen inspirierten ›praktischen‹ Ästhetik zu beobachten, für die Semper ein Beispiel ist. Sie schlägt sich ebenso in der von den schönen Künsten und der Kunstphilosophie herkommenden ›idealistischen‹ Ästhetik nieder, wie sie etwa Friedrich Theodor Vischer (1807–1887) vertritt. Hier scheint die Mode ihre für die Reflexion über Kunst innovative Funktion gerade ihrer Randständigkeit, ihrem provokativen Außenseitertum im Verhältnis zum ästhetischen Kanon zu verdanken. Dieser Umstand verbindet sie mit der Karikatur und dem Hässlichen.