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Maren Lorenz zeigt anhand gedruckter ärztlicher Gutachtensammlungen und Rechtstexten der Aufklärung zu "Notzucht", wie das sexuelle Verhältnis der Geschlechter im gerichtsmedizinischen Diskurs nachhaltig naturalisiert wurde. Soziale Normen und patriarchale Mythen setzten "neue" naturwissenschaftliche Normen, die Kraft ihrer axiomatischen Autorität Legislative und Judikative gleichermaßen bis zum Ende des 20. Jahrhunderts prägten. Die Möglichkeit sexueller Gewalt, v.a. gegen erwachsene Frauen, wurde auf diese Weise de facto "wegdefiniert".
Die Frage nach Zugehörigkeit und infolgedessen nach Vereinbarkeit, vielmehr Unvereinbarkeit, von laizistischer und individualistischer Gesinnung mit einer religiös und tribal geprägten Gesellschaft stellen einen zentralen Aspekt im Theater von Lina Saneh und Rabih Mroué dar. Beide Künstler beziehen eine explizit anti-konfessionelle Position bei der Analyse und Kritik der libanesischen Geschichte und der Zerrissenheit ihrer Gesellschaft, in der Religion und Politik sich überlagern. Dies führt zu dem paradoxen Phänomen einer konfessionell geprägten und organisierten Demokratie, die den zivilen Personenstatus in die Hände der religiösen Autoritäten legt und somit dem Einzelnen wenig Entscheidungsfreiheit in Bezug auf individuelle Lebensentwürfe und alternative Zugehörigkeiten jenseits der vorgegebenen Grenzen einräumt. Welche Möglichkeiten hat das Individuum sich der Hegemonie der Gruppe zu entziehen, sein Anders-Sein und Anders-Denken zu leben und öffentlich zu vertreten? Welchen Status hat ein Künstler in einem Land, dessen innen- und außenpolitische Fragilität sowie latente und akute Konflikte einen lähmenden Zustand der "Suspension" hervorrufen, in dem Kultur zur Nebensache wird und Kunst bestenfalls als Zeitvertreib einiger weniger realitätsferner Idealisten angesehen wird? Welche Rolle schließlich spielt Kunst in einer Gesellschaft, die sich mit einem Bein im existentiellen Chaos, mit dem anderen in einer artifiziellen Hyperkonsumwelt befindet, in einer Realität, die sich zwischen einer mystisch erhöhten Vergangenheit und dem Glücksversprechen einer unmittelbar konsumierbaren Zukunft zerreibt?
A relação pai-filho é uma das pedras angulares da pesquisa psicanalítica. Este artigo examina tal relação, assim como se apresenta no romance "Zipper und sein Vater" (1928, "Zipper e seu pai"), de Joseph Roth, em um contexto histórico e psicossocial relevante. Traçando um paralelo entre a figural paternal do Imperador Austro-Húngaro, Franz Joseph, e o pai de Arnold Zipper, e valendo-se da experiência pessoal do narrador (e do próprio Roth), o artigo apresenta uma análise da importância da figura e as consequências devastadoras de sua ausência.
"...jede Zeile von ihm mit dem wärmsten Interesse" : Aspekte der Rousseau-Rezeption bei Knigge
(2004)
Die nachfolgenden Überlegungen ergänzen die Aspekte der Rousseau-Rezeption in Knigges zivilisationskritischen und geschichtsphilosophischen Entwürfen um den Diskurs über das (männliche) Kind und über die Frau bzw. die Bestimmung des Weiblichen. Zum anderen sollen - und auch dies kann nur als grobe Skizze geschehen - die Fragestellungen und Untersuchungskriterien der Intertextualitätstheorie für jenen Bereich des Textvergleiches fruchtbar gemacht werden, der traditionell als Quellen- bzw. Einflußforschung bezeichnet wird. In der Zusammenführung von systematisch-analytischen Kriterien und vergleichender Textinterpretation wird versucht, die Kniggesche Rousseau-Rezeption zwischen den Polen von Epigonalität und Dialogizität zu verorten.
In Nabokovs postum erschienenen "Lectures on literature" skizziert er in einem kurzen Essay sein Idealbild von good readers and good writers. Nabokov argumentiert für Eigenständigkeit, Zweckfreiheit und Magie der Kunst. Der good writer, eine Kombination aus Geschichtenerzähler, Lehrer und insbesondere Magier, schöpft aus dem Fiktionspotenzial der "Realität" – laut Nabokov ein so problematischer Begriff, dass er stets in Anführungszeichen gesetzt sein müsste – und erschafft bzw. erfindet eine neue – literarische – Welt, die der good reader in einem nahezu detektivischem Lektüreprozess in all ihren Einzelheiten erkunden und unabhängig von Forderungen wie Wahrheit oder Wirklichkeitstreue goutieren soll. Good reading bedeutet für Nabokov dementsprechend stets re-reading, ein detailverliebtes Immer-wieder-lesen.
Ein ganz entscheidendes Repertoire an Spuren und Beweismitteln für den detektivischen Leser, der dem Geheimnis der literarischen Strukturen Lolitas auf die Schliche kommen will, findet sich in der Art und Weise wie Nabokov in seinem Roman Namen, ihre Verwendung und Funktion stilisiert, bespiegelt und inszeniert.
Der Begriff der Nationalliteratur fungiert bei Herder […] vor allem als eine Differenzkategorie, die in Frontstellung zu den Konzepten eines universalistischen Rationalismus :und einer durch ihn begründeten klassizistischen Ästhetik entworfen wird, weil in ihrem Horizont das Problem der kulturellen Differenz nicht gedacht werden kann. Herders Konzept ist daher primär zu lesen als ein solches, das nach Wegen sucht, die Frage kultureller Differenz sowohl in synchroner wie in diachroner Perspektive zu erfassen.
Rezension zu: E. T. A. Hoffmann, A janela da esquina de meu primo. Tradução: Maria Aparecida Barbosa, Ilustrações: Daniela Bueno, Posfácio: Marcus Mazzari. São Paulo, Cosac Naify, 2010
Neste artigo, comparamos duas traduções em língua portuguesa do romance "Verstörung" (primeira edição em língua alemã em 1967) do escritor austríaco Thomas Bernhard: a tradução portuguesa (1986, por Leopoldina Almeida) e a brasileira (1999, por Hans Peter Welper e José Laurenio de Melo). Partimos da premissa de que "Verstörung" é um livro com uma dimensão performativa acentuada, ou seja, a perturbação que dá nome ao livro não está representada apenas no enredo e na caracterização dos personagens, mas também – ou sobretudo – no estilo, na linguagem do texto em alemão. Discutimos e comparamos diferentes soluções tradutórias nas referidas versões em português, assim como os paratextos que constam nas duas publicações. Constatamos duas posturas divergentes ao lidar com as especificidades da linguagem da obra, ambas com consequências para o seu efeito performativo. Por fim, sugerimos que essas posturas possam ser reflexos das diferenças da própria crítica literária em relação a Thomas Bernhard em dois momentos diversos.
Maren Lorenz untersucht die individuelle Wahrnehmung von Schwangerschaft durch ledige Frauen des 18. Jahrhunderts anhand von Prozessakten und ärztlichen Gutachten. Während der medizinische Nachweis der Schwangerschaft eine auf normativen Axiomen basierende Scheingewissheit ist, orientieren sich die Frauen selbst an individuellen Erfahrungsmustern, Wunsch- bzw. Abwehrdenken und der Kommunikation mit anderen. Die historische Auseinandersetzung mit den verschiedenen Deutungsmustern körperlicher Vorgänge, die auch auf medizinischer Seite weit von heutigen Vorstellungen abweichen, und die Ungewissheit über einen Zustand, der sich erst mit (k)einer Entbindung klärt, führt zur Auflösung scheinbar transhistorischer Gewissheiten. Damit eng verknüpft sind sich wandelnde Definitionen über den Beginn des menschlichen Lebens.
This article deals with the relevance of deconstructivist theory today, more precisely, in the context of modern philologies. The author introduces the theory of deconstruction with an "elementary gesture", which we can find in the use and the analysis of quotation marks in certain texts of Jacques Derrida. The quotation marks indicate a special treatment of the concepts of the Western metaphysical tradition; the moments of quotation, distance and literality are also important for the theory of literature of Paul de Man. The critical, non-ideological use of deconstructive concepts and their "lectio difficilior" is interesting for research into texts and interpretation.
Seit seinen Anfängen in den siebziger Jahren durchlief das Kino deutschtürkischer Filmemacher mehrere Entwicklungsphasen, beginnend mit der Phase des Problemfilms und der bevorzugten Darstellung von Opferfiguren in der Fremde. Im Laufe seiner Entwicklung zeigt sich in den neunziger Jahren eine Variante zu dieser Orientierung in Form der komischen Verarbeitung interkultureller Begegnungen. Diese Phase des deutsch-türkischen Kinos steht in enger Verbindung mit der jetzigen Phase der Fusion verschiedener transkultureller Themen und Settings. Kreiste die Handlung in Filmen der ersten Phase überwiegend um das Thema der Migration, so rückt es im Laufe der Zeit entweder in den Hintergrund, vor dem sich die Handlung abspielt, oder wird in einigen Fällen nicht mehr berücksichtigt. [...] Das Thema der Homoerotik kommt generell nur in einigen wenigen deutschtürkischen Werken vor. Fatih Akins "Auf der anderen Seite", der 2007 in den Kinos lief, mag das bekannteste Beispiel sein. Darin werden im Rahmen einer lesbischen Liebesgeschichte die Schicksale einer deutschen und einer türkischen Frau verbunden: Im Film geht es um Tod, Liebe sowie um Grenzüberschreitungen zwischen verschiedenen Ländern, Generationen, aber auch zwischen Leben und Tod bzw. Jenseits und Diesseits. Das zweite Beispiel stammt vom Schriftsteller und Essayisten Zafer Senoçak. Sein Roman "Der Erottomane. Ein Findlingbuch" ist 1999 erschienen – im gleichen Jahr, in dem Kutlug Atamans "Lola und Bilidikid" im Panorama-Programm der Berlinale lief – und erzählt die Geschichte vom Deutsch-Türken Robert, dessen Tagebuch nach seiner Ermordung gefunden wird, wodurch Schilderungen über seine sadomasochistische und homosexuelle Vergangenheit publik werden. In "Novels of Turkish-German Settlement" konstatiert Tom Cheesman, dass die Aufnahme erotischer Motive die Verlagerung der Diskussion über nationale, ethnische und historische auf sexuelle Kategorien ermöglicht: „Here, [in "Der Erottomane"] as in "Der Mann im Unterhemd", Senoçak uses erotic and pornographic motifs in order to shift the public discourse about identity away from questions of ethnicity, nationhood, and historical memory, toward questions of sexuality.“
Michel Foucault stellt uns in einem seiner Texte einen besonderen Menschentypus vor: die Infamen. Die infamen Existenzen bezeichnet er auch als „Skandalmenschen“ und Skandale gibt es seit der Ausdifferenzierung der Massenmedien vor allem als Medienereignisse. Die massenmediale Berichterstattung ist dann auch einer der Orte, an dem seit dem 18. Jahrhundert Foucaults infame Menschen dokumentiert werden, die "allesamt rasend, anstößig und erbärmlich" sind. [...]
Genau dort findet sich auch der Name, der im Folgenden im Mittelpunkt steht: Robert Steinhäuser, der Erfurter Amokläufer, der 2002 sechzehn Menschen und anschließend sich selbst tötet. Inwiefern diese Tat als ein Individualisierungsprogramm mit dem Ziel der Einschreibung des eigenen Namens in den publizistischen Diskurs zu verstehen ist, inwiefern Steinhäuser sich also im Sinne Foucaults auf elende Art einen Namen macht, wird in den kommenden Ausführungen Thema sein. Im Zuge dessen wird es einerseits auch um die Frage gehen, in welcher Form der Name im journalistischen Raster verarbeitet wird und welche prominente Rolle er dort spielt. Der Name wird mit einer Biografie unterlegt, deren Koordinaten durch spezifische publizistische Verfahren, die im Folgenden vorgestellt werden, weitgehend festgelegt sind. Zugleich jedoch können Elemente der Biografie auch stark divergieren, so dass der Name zur frei verfügbaren Einschreibungsfläche wird.
"Du bist nur Bild" – diese Worte setzen das Signal für eine mediologische Lektüre nicht nur des Dramas, dem sie entnommen sind – Goethes Egmont –, sondern nicht minder für eine solche von Friedrich Schillers Maria Stuart, jenem "Trauerspiel", das am 14. Juni 1800 am Weimarer Hoftheater uraufgeführt wird und zur Ostermesse 1801 beim Tübinger Verleger Cotta in einer Auflage von 4000 Exemplaren im Druck erscheint.
Wenn nämlich Marin im fünft en Aufzug verkündet, "auf meinem Weg zum Himmel" zu sein, dann ist mit dieser Wendung auf einer Metaebene der epistemische Bruch aufgerufen, den Michel Foucault in Die Ordnung der Dinge als den Übergang von der frühneuzeitlichen Lehre von den Ähnlichkeiten zur klassischen Wissensformation rekonstruiert und dessen Durchsetzung Friedrich Schiller gemeinsam mit Johann Wolfgang Goethe mittels ihrer Weimarer Theaterreform betreibt. Einer mediologischen Lektüre stellen sich die politischen Konsequenzen der Entweltlichung der Wahrheit, durch die Foucault die klassische Episteme bestimmt sieht, als das zentrale Thema von Schillers "Maria Stuart" dar.
"Der Beredsamkeit der Sieger den Hals umdrehen" : jüdischer Humor als Strategie zum Überleben
(2011)
Es ist kein Zufall, dass Freud ausgerechnet in der ostjüdischen Kultur ein Arsenal an Witzen entdeckt, entlang dessen er Witz-Techniken und ihre psychische Begründung darstellt. Die Vehemenz, mit der er den Umstand, dass es sich bei seinen Beispielen hauptsächlich um Witze aus der Kultur der Ostjuden handelt, als nebensächlich und erklärungsbedürftig zugleich kennzeichnet, um ihn dann aber doch weitgehend unbegründet zu lassen, legt die Annahme einer hier verschwiegenen Beziehung zwischen der Besonderheit des Witzes und jener "Herkunft" gerade nahe. In 'welchem' Verhältnis aber stehen Witz und Humor zur jüdischen Überlieferungskultur? Eine Frage, die sich auch Rabbiner und Philosophen stellten, darunter Marc Alain Ouaknin, dessen Reflexionen zum jüdischen Humor dieser Beitrag grundlegende Impulse verdankt. Seine Beobachtung einer methodischen Nähe zwischen Textstrategien von Talmud und Midrasch und gewissen Techniken des jüdischen Witzes lässt sich leicht erweitern zu der Annahme einer Koinzidenz von einem in diesen Witzen zeichenstrategisch und thematisch auftauchenden Verständnis jüdischer Überlieferungsdynamik und Vorstellungen des Zusammenhangs von Interpretation und Sinnerneuerung, wie sie in jenen Quellen der jüdischen Tradition gründen. Den Ort der Witze und humorvollen Anekdoten, von denen hier die Rede sein wird, kennzeichnen nun mindestens zwei besondere Situationen: Sie entspringen den unmittelbaren Erfahrungen jüdischen Lebens in Osteuropa, das bereits vor seiner Vernichtung fortwährend mit wechselnden Verfolgungs- und Unterdrückungssituationen konfrontiert war, und dem Kontinuum seiner kulturellen und religiösen Herkunft und Tradition.
Als Hartmann von Aue vor gut 800 Jahren seine Version der Gregoriuslegende niederschrieb, mag ihm der Ödipusmythos bekannt gewesen sein, aus der Perspektive eines mittelalterlichen Gelehrten war dieser jedoch ein Überbleibsel aus einer vorchristlichen und damit gottesfernen Zeit und eher über den Umweg der christlichen Allegorese interessant. Wahrscheinlicher ist es hingegen, dass für ihn die Legende vom heiligen Papst eine historisch wahre, die Allmacht Gottes unter Beweis stellende Geschichte war. Thomas Mann versteht Hartmanns Gregorius hingegen in Folge seiner Beschäftigung mit den mythologischen Ursprüngen der europäischen Kultur als Variante des Ödipusdramas Sophokles’ und versucht in dem Erwählten die antiken Quellen zum einen auf einer literaturhistorischen Ebene freizulegen, zum anderen jedoch auch im Rahmen der psychoanalytischen Theorie zu interpretieren. Im Folgenden wird diesem Interpretationsansatz anhand der Differenzen der Textfassungen nachgegangen, um die Frage zu erörtern, welche Elemente des Ödipusmythos Thomas Mann aus der Gregoriuslegende herausgearbeitet hat. ...
In seiner Rezension zur Kritischen Ausgabe der 'Einbahnstraße' schreibt Lorenz Jäger in der 'Frankfurter Allgemeinen Zeitung' vom 11.3.2010: "Zwischen Moskau und Paris liegt der geographische Raum dieses Buches, auch nach Süden hin ist er offen." Tatsächlich spielt der Süden Europas im Leben und Werk Benjamins eine wichtige Rolle. In Italien und Spanien hat er nicht nur längere Phasen seines Lebens verbracht, sondern bekanntlich auch zentrale, seine intellektuelle Entwicklung prägende Zäsuren erlebt. Seine autobiographischen Texte, Reisebilder und die Besprechungen einschlägiger Werke zur Kultur und Landschaft Südeuropas geben davon ein eindrucksvolles Zeugnis. Hinsichtlich der Rezeption der romanischen Literatur im engeren Sinn wird man aber von einer eher schmalen Tür nach Süden sprechen müssen, jedenfalls gemessen an den breiten Toren, die nach Westen in Richtung Frankreich bzw. nach Osten zur russischen Literatur führen. Gewiss, Benjamin kannte die italienischen Klassiker Dante, Petrarca, Boccaccio, Aretino oder Marsilio Ficino, aber sehr tiefe Spuren haben sie in seinem Werk nicht hinterlassen. Etwas anders sieht es bei den großen Autoren des spanischen 'Siglo de Oro' aus. Mit Cervantes als Erzähler, vor allem aber mit dem "Handorakel" von Baltasar Gracián und den Trauerspielen Calderons hat er sich seit den 1920er Jahren wiederholt und intensiv auseinandergesetzt. Aber auch hier fehlt, sieht man von der kurzen Rezension des spanischen Surrealisten Ramón Gómez de la Serna ab, jede nähere Beschäftigung mit bedeutenden Autoren des 19. und 20. Jahrhunderts. Umso auffälliger ist vor diesem Hintergrund das Interesse, das Benjamin dem italienischen Dichter, Philologen, Essayisten und großen Aphoristiker Giacomo Leopardi (1798–1837) entgegengebracht hat. Es findet seinen deutlichsten Niederschlag in der Rezension einer deutschen Übersetzung von Leopardis 'Pensieri', die im Frühjahr 1928 geschrieben wurde und in der 'Literarischen Welt' vom 18.3.1928 erschienen ist. Größere Aufmerksamkeit hat diese Besprechung nicht gefunden. Bekannter ist der sich daran anschließende, zwei Monate später an gleicher Stelle publizierte Disput mit dem Übersetzer Richard Peters, der dem Kritiker Gelegenheit gab, zu grundsätzlichen Fragen der Übersetzungstheorie Stellung zu nehmen (WuN XIII, 144–147). Dagegen wurde die Verbindung zwischen Benjamin und Leopardi bislang in der Forschung von keiner Seite thematisiert.
O objetivo deste texto é analisar a experiência do estranho no romance "Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge", de Rainer Maria Rilke, através de novas perspectivas de interpretação apoiadas, por exemplo, nas teorias psicanalíticas de Sigmund Freud. Vivendo em uma cidade estrangeira (Paris), com a qual ainda não se identifica, o protagonista do romance, Malte Laurids Brigge, descobre um mundo interior novo através de seu choque com experiências do estranho nesse milieu. A revelação de recordações de sua infância e a projeção de seu ego em leituras de narrativas alheias são seus métodos para buscar e afirmar sua identidade.
O artigo analisa os paralelos entre o retrato do 'sujeito moderno em crise' visto no romance "Die Leiden des jungen Werthers" de Goethe e, por outro lado, o perfil psicossocial do 'homem do sentimento' do século XVIII, fruto da cultura da Empfindsamkeit. Defendo a perspectiva de que, no romance, Goethe não apenas se utiliza do formato literário mais tradicional da Empfindsamkeit (o do romance epistolar), como também se apropria de topói e técnicas discursivas que lhe são próprias em registro radicalmente heterodoxo. A argumentação nos ligará a uma dedução da visão do conceito de subjetividade moderna com que Goethe trabalha em sua fase final do Sturm und Drang, e que o situa como importante nome do discurso filosófico da modernidade.
Im "Versuch über den Begriff des Republikanismus" (1796) halt Friedrich Schlegel (in kritischer Auseinandersetzung mit Kant) ein Plädoyer für die "Majestät des Volkes". Dieses Engagement im Bereich der Politischen Philosophie scheint indes eine kurze Episode zu bleiben, denn bald schon wendet sich Schlegel wieder der literarischen Kritik zu; im "Gespräch über die Poesie" (1800) entwirft er das Konzept einer selbstreferentiellen Dichtung. Was zunächst als radikale Abkehr von der im Republikanismus-Aufsatz aufgeworfenen Problemstellung erscheint, erschließt sich einer semiotischen Analyse jedoch als eine konsequente Fonschreibung und Entwicklung des in diesem Text formulierten Repräsentationsmodells. Es zeigt sich, dass sich das Verhältnis des Republikanismus-Aufsatzes und des Poesie-Gesprächs als ein progressives Reflexionsstufenverhältnis bestimmen lässt.
Stefan Zweig was the only important German writer who chose Brazil for his exile in the 1940s. Before he committed suicide in Brazil, he wrote the frequently cited and more frequently criticized book in which Brazil is called the land of the future. But in Brazil he also finished another book, 'Die Welt von Gestern', a book of memories, an account of the world from which Zweig came, a work of historic, cultural and political relevance, which was immediately published in Spanish (Argentine) and Portuguese (Brazilian) translations. When compared with the German original, these translations contain significant cuts and modifications, which can be understood as interventions of some kind of censorship, and which are prejudicial to the political brisance of the book.
Im 48. Kapitel von Robert Musils "Mann ohne Eigenschaften" lesen wir folgende Beschreibung des deutschen Finanzmagnaten und 'Großschriftstellers' Paul Arnheim: "Die Ausflüge in Gebiete der Wissenschaften, die er unternahm, um seine allgemeinen Auffassungen zu stützen, genügten freilich nicht immer den strengsten Anforderungen. Sie zeigten wohl ein spielendes Verfügen über eine große Belesenheit, aber der Fachmann fand unweigerlich in ihnen jene kleinen Unrichtigkeiten und Mißverständnisse, an denen man eine Dilettantenarbeit so genau erkennen kann, wie sich schon an der Naht ein Kleid, das von der Hausschneiderin gemacht ist, von einem unterscheiden läßt, das aus einem richtigen Atelier stammt. Nur darf man durchaus nicht glauben, daß das Fachleute hinderte, Arnheim zu bewundern." Auch wenn es so scheinen mag, als werde mit diesem Zitat der Rahmen der romantischen Schöpfungsästhetik gesprengt: Hier klingen einige Leitmotive nach, die 'um 1800' die Auseinandersetzung um den 'wahren Künstler' bestimmen. So könnte man fragen, ob der Großschriftsteller Arnheim in der zitierten Passage nicht nur als Dilettant, sondern auch als Virtuose markiert .wird. Als dilettantischer Nicht-Fachmann genügt er nicht immer den "strengsten Anforderungen", zeichnet sich aber durch ein "spielendes Verfügen" über sein angelesenes Wissen aus. Deutet der Umstand, dass ihn die Fachleute bewundern, darauf hin, dass Arnheims "spielendes Verfügen" als virtuose Verbindungsgabe Ansehen findet, auch wenn die Nahtstellen die Dilettantenarbeit erkennen lassen? Und warum wird die Dilettantenarbeit mit der Naht der Hausschneiderin in Analogie gesetzt? Ganz abgesehen davon, dass mit der Maßschneiderei generell das Problem der Angemessenheit aufgeworfen wird: Warum sollte die Hausschneiderin schlechter nähen als das richtige Atelier?
Bu çalışmada, göç hareketleri ve post kolonyal süreç nedenleriyle çok tartışılan Cultural Turns, yani "Spatial Turn" uzantısı bağlamında "büyük kent" ya da "metropol" kavramı ele alınacaktır.
Edebi bir eserin baş figürü için bir metropolün kaçınılmaz tuzakları yabancılık ve yabancı yaşam biçimleridir; bu anlamda burada Alman dilinde kaleme alınmış iki metinde (Alfred Döblin: Berlin Alexanderplatz und E. Sevgi Özdamar: Seltsame Sterne starren zur Erde. Wedding-Pankow 1976/77) mekan olarak büyük kent Berlin, baş figürler tarafından yaşantılanan yordamsızlık, hayatta kalma stratejileri ve yabancı yaşam biçimleriyle karşılaşmaları bakımından edebi, sosyolojik ve aynı zamanda mekana ilişkin çıkarımlarla analiz edilecek ve anlamlandırma girişimleri öne çıkarılacaktır.
Mekân burada her şeyi saklayan ve insanların kişiliklerini biçimleyen anlam yüklü ve kimlik kazandırıcı bir kabuk manasındadır. Metropol ne denli tehlikeli ve çekici ise orada yaşamak o denli zordur, çünkü metropol, insanları kendine çeker, zayıfları ezerken, içindeki kaotik yaşam, inceleyeceğimiz romanlarda olduğu gibi, kötüleri besler.
Rezension zu Funda KIZILER EMER, Duino Ağıtları (Rainer M. Rilke) ile Bir Meleğin Yakarışı –Dualar (Hertha Kraeftner) Adlı Yapıtlarda Melek İmgesi, Konya: Çizgi Kitabevi Yayınları, 2014.
"Eine gewichtige Pranke" : Walter Benjamin und Giorgio Agamben zu Erzählung und Gesetz bei Kafka
(2014)
In seinem Brief an Gershom Scholem vom 11. August 1934 nennt Walter Benjamin das Gesetz den "toten Punkt" in Kafkas Werk. In seinen Notizen zu diesem Brief spricht Benjamin abfällig von Kafkas "stete[m] Drängen auf das Gesetz" und bezeichnet es als "Schublade des Geheimniskrämers" und als "Begriff, mit dem [er sich] nicht einlassen möchte" (BK, 154). Aus den darauf folgenden Sätzen wird allerdings deutlich, dass Benjamin die Auseinandersetzung mit dem Gesetz bei Kafka nur insofern scheut, als dieses auf den 'Begriff' gebracht werden soll, denn, so Benjamin weiter, "sollte er in Kafkas Werk dennoch eine Funktion haben [...] so wird auch eine Interpretation die von Bildern ausgeht - wie die meinige - auf sie führen" (ebd.). Die Unterscheidung zwischen begrifflicher Festlegung, die Benjamin ablehnt, und bildlicher, also im weiteren Sinne metaphorischer Darstellung, die er einigermaßen billigt und praktiziert, weist auf die auffallende, wenn auch schwer deutbare Bildsprache hin, mit der Benjamin sich der Bedeutung des Gesetzes bei Kafka annähert. Tatsächlich befasst Benjamin sich, im Widerspruch zu seiner angekündigten Weigerung, ebenso in seinem großen Essay "Franz Kafka. Zum zehnten Jahrestag seines Todes" (BK, 9-38) wie in seinem Briefwechsel mit Scholem ausführlich mit Fragen des Gesetzes im Werk des Prager Autors. Diese Ausführungen gilt es im Folgenden mit den zahlreichen Betrachtungen zu diesem Thema in den Schriften Giorgio Agambens, der sich gerade in Bezug auf Kafka häufig explizit auf Benjamin als Vorlage beruft, zu vergleichen. Dabei sollen ebenso die Gemeinsamkeiten wie die Unterschiede der beiden Denker und deren ideeller Horizont herausgestrichen werden, um Einsicht in die Ausrichtung des 'Nachlebens' von Benjamins Gedankengut bei einem seiner bedeutendsten heutigen Erben zu gewinnen.
Die Diskrepanz zwischen dem wissenschaftlichen Anspruch objektiver Erkenntnisfindung und den Niederungen der davon abweichenden Empirie zeigt sich hier am Beispiel der Gemütszustandsgutachtung" gerichtlich bestellter akademischer "Physici" im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts. Anhand des Fallbeispiels eines jungen Handwerksgesellen wird gezeigt, wie "aufgeklärte" Ärzte versuchten, konkurrierende Theorien, alte und neue physische Modelle zu "Wahnsinn" in eine kongruente Struktur zu bringen. Dabei waren sie jedoch nach wie vor in erster Linie auf Gespräche mit den Patienten / Inquisiten und anderen Zeugen angewiesen, von deren Beschreibungen und Deutungen physischer und somatischer Symptome sie beinahe völlig abhingen. Dennoch versuchte man gemäß der zeitspezifischen Mode der detaillierten Kategorisierung auf dieser einzig möglichen Basis subjektiver Narration akribisch geschlechtsspezifische und andere Typisierungen von verschiedenen Arten und Graden des Wahnsinns zu entwickeln und diese wiederum am Einzelfall nachzuweisen. Der Beitrag führt (in eben jener Tradition) diese wissenschaftlichen Tautologie exemplarisch vor Augen.
Wittgenstein hat die Metapher des Gesichts in verschiedenen thematischen Kontexten verwendet. Er hat Gesichter gezeichnet wie das typische Bildgesicht, das gestern noch mit dem Begleitspruch "Punkt, Punkt, Komma, Strich, fertig ist das Mondgesicht" durch die Kinderstuben geisterte. Mehrfach hat er den "Hasen-Entenkopf" nachgezeichnet, den Joseph Jastrow, Schüler von Charles Sanders Peirce und Professor für Psychologie in Wisconsin, um die Jahrhundertwende zu Demonstrationszwecken entworfen hatte; diese simple Illustration einer "optical illusion" ist übrigens bedauerlicherweise fast die einzige Spur, die heute noch auf den Autor von Fact and Fable in Psychology (erschienen 1900 in Boston) verweist. Wittgenstein gebrauchte die Metapher des Gesichts häufig, doch nur selten mit jener Beliebigkeit, die charakteristisch ist für gegenwärtige Alltagsrhetorik; meist setzte er sie ein, um die Ambiguität eines Problems – die Spannung zwischen hautnaher, körperlicher Konkretion und begrifflicher Abstraktion – zu konnotieren. Denn Gesichter sind Zeichen am Leib, nah und fern zugleich; sie gelten geradezu als Signaturen einer unverwechselbar individuellen Persönlichkeit – und sind doch zugleich Resultate eines semiotischen Verfahrens, das in der Moderne – von der Physiognomik bis zu den neuesten Technologien der Identifikation – stets systematisch verfeinert wurde.
Angesichts des Schicksals ihrer Imame ist es kaum überraschend, dass die Schia den frühesten und expressivsten Märtyrerkult im Islam entwickelte: Die mutmaßlichen Gräber des zum Herrn der Märtyrer ('sayyid al-schuhada') verklärten Husain und seiner Gefährten bei Karbala entwickelten sich schon bald zu Anlaufstätten für Trauer- und Gedächtnisrituale ihrer Anhänger. Gemeinsam mit den Grabstätten der nachfolgenden Imame sowie denen vieler weiterer, männlicher und weiblicher, Nachkommen der Familie Alis wuchs hier im Lauf der Jahrhunderte ein regional weit verzweigter Märtyrer- und Heiligenkult heran, der an den schon in vorislamischer Zeit im Nahen Osten weit verbreiteten Totenkult anknüpfen konnte und maßgeblich dazu beitrug, die Oppositionsbewegungen der Schia in der lokalen 'Volkskultur' zu verankern. Die Tatsache, dass 'Frauen', vor allem durch rituelles Weinen, gerade beim Trauerkult eine herausgehobene öffentliche Rolle spielen konnten, scheint die Breitenwirkung dieser Bewegungen ebenso begünstigt zu haben wie die bedeutende Rolle Fatimas in der Legitimitätsstruktur der Schia. Obwohl die Figur Alis der zentrale politisch-theologische Angelpunkt der Schia ist und obwohl auch sein Tod alle Ingredienzien eines Märtyrertods enthält und mehrere schiitische Feiertage das Andenken des Herrschers der Gläubigen ('amir al-mu’minin') pflegen, sind die wichtigsten Rituale der Schia dennoch auf seinen jüngeren Sohn Husain ausgerichtet, dessen heroischer Untergang bei Karbala im Irak mit 72 seiner Verwandten und Gefährten gegen eine Übermacht von mehreren tausend Soldaten des Kalifen Yazid I. (reg. 680–683) bis heute mit ausgedehnten Gedächtnis- und Trauerfeiern begangen wird. Nicht zufällig wurden die religiösen Versammlungsräume der Schia unter dem Namen "Husainiya" bekannt.
Zwei Jahre nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs veröffentlichte der franko-amerikanische Historiker Jacques Barzun eine ideengeschichtliche Anatomie des 19. Jahrhunderts mit dem aufsehenerregenden Titel 'Darwin, Marx and Wagner'. Eine mit Absolutheitsanspruch verfochtene deterministische Weltsicht betrachtet sein Buch, dessen narrativen Ausgangspunkt die just ins Jahr der Vollendung der 'Tristan'-Partitur (1859) fallende Veröffentlichung von 'The Origin of Species' und der 'Kritik der politischen Ökonomie' bildet, als ein anhaltend problematisches Erbe der mit jenen drei "representatives of the dominant tradition" verbundenen Umwälzungen in den Künsten, Natur- und Sozialwissenschaften: "Their thought embraces the three great relations that cause us the deepest concern - science and religion, science and society, society and art - and it is from them that on these subjects we have learned what we most familiarly know." Gegen solchen von der weltgeschichtlichen Lage geprägten (liberalen) Skeptizismus kann zwar zum einen auf jene die "ewige Wiederkehr des Gleichen" progressiv durchbrechende Zielgerichtetheit verwiesen werden, die Wagners auf ein multilaterales "Ende" zulaufende Musikdramen mit dem Telos von Marx’ Gesellschafts- und Darwins Naturbeobachtung teilen. Aber auch diejenigen Kopplungen und ideengeschichtlichen Synergieeffekte, die sich in - sich neu formierenden - Problemzusammenhängen wie der (Musik-)Psychologie niederschlagen, lassen sich Barzuns düsterer Zeitgeistdiagnose entgegenstellen. Der vorliegende Aufsatz steht also nicht nur vor der bislang unbewältigten Aufgabe, das Werk eines bedeutenden Komponisten in den Kontext der Wissenschaftsgeschichte zu stellen. Zugleich geht es darum, gewöhnlich nicht ins Blickfeld der Musikwissenschaft fallende Textgattungen und Diskurse für die musikalische Analyse und Historiographie des ausgehenden 19. Jahrhunderts fruchtbar zu machen.
Im Folgenden [möchte ich] Licht auf exemplarische Krim-Schauplätze werfen - allen voran auf den Marinestützpunkt Sevastopol, die Künstlerkolonie Koktebel und den Nobelkurort Jalta, an denen im Zusammenhang mit der russischen Aneignung der 'terra incognita' eine nationalromantische Verklärung der Halbinsel deutlich wird, indem sie zu Schauplätzen des Sendungsbewusstseins eines russischen und später sowjetischen Imperiums wurden. Zudem werden Versuche von russischen bzw. russischsprachigen Schriftstellern aus der Zeit um 1900, aus der sowjetischen und der postsowjetischen Zeit dargestellt, die Halbinsel als geokulturelle Einheit jenseits hegemonialer Ordnungen und imperialer Legitimierungen zu begründen. Im Vordergrund steht dabei die Frage nach den diskursiven Verfahren zur Erzeugung des Krim-Raums, in denen im Rekurs auf die Geographie, als dessen grundlegendes Prinzip, die Beziehung von Land und Meer betont wird.
Der Beitrag macht Polyglossie als wesentliche Komponente der kunstvoll literarisch gestalteten Redevielfalt deutlich, die allgemein als Kennzeichen von Fontanes Gesellschaftsromanen gilt. Polyglotte Rede umfasst in Fontanes Texten fremdsprachige Elemente, Dialekt und Soziolekt und betont so die soziale Funktion von Sprache. An konkreten Textbeispielen, insbesondere aus den Romanen Irrungen, Wirrungen, Frau Jenny Treibel und Quitt, wird gezeigt, wie variabel Fontane Sprachenvielfalt einsetzt: als Polyphonie der sozialen Stimmen und als Spiegel einer komplexen modernen Realität, die in vielfältige soziale, kulturelle und geographische Teilräume zerfallen ist.
In diesem Beitrag wird der Sprach(en)gebrauch der venezianischen Juden im 16./17. Jhd. untersucht. Dabei geht es um die Sprachen der verschiedenen jüdischen Gruppen, die gemeinsam im neu eingerichteten Ghetto wohnten. Insbesondere wird der Frage nachgegangen, welchen Gebrauch sie von unterschiedlichen Sprachen/Varietäten in unterschiedlichen kommunikativen Situationen und zu unterschiedlichen Zwecken gemacht haben. Dabei traten selbstverständlich auch Sprachmischungen auf, die von unbewussten Interferenzen über Entlehnungen (aus dem Hebräischen/Aramäischen, aber auch aus dem Venezianischen und den anderen von Juden gesprochenen Sprachen), bis hin zu ganz bewusst verwendeter Zwei- und Mehrsprachigkeit in literarischen Texten z. B. mit sprachspielerischer Absicht reichen. Die verschiedenen Textsorten, die hierzu analysiert werden (etwa Texte religiösen Inhalts, Testamente, Grabinschriften und Gedichte), spiegeln auf vielfältige Weise zugleich das Sprach- und Sprachenbewusstsein der venezianischen Juden jener Zeit wider.
Goethes Beschäftigung mit der Erdgeschichte ist von großen Gesten bestimmt, leidenschaftlicher Parteinahme, ästhetischem Anspruch. Sie wird ihm zu einem grundlegenden Baustein der eigenen "Welterschaffung", deren Widerschein sich im zweiten Teil des "Faust" und in der Figur des Montan in "Wilhelm Meisters Wanderjahren" spiegelt. Aber auch unmittelbare Experimentierlust zeichnet die Geschichte seiner Bemühungen um "das Studium des Inneren der Erde" aus - der Erdforscher begibt sich in die Hexenküche des Laboratoriums, etwa um Versuche zu den "metallischen Vegetationen" des "Arbor dianae" durchzuführen, wo es um die Erzeugung von Kristallbildungen von Metallen auf chemischem Weg geht: sie weisen eine gewisse Ähnlichkeit mit baum- und pflanzen ähnlichen Formen auf. Seine Arbeit ist erfüllt von der Freude an der Empirie, aber bei allzu langem Verweilen beim Steineschlagen im Feld stellt sich auch bald Langeweile ein.
In den USA gibt es eine Tradition von religiösen und säkularen Fernsehprogrammen, die das weite Feld Religion und Glauben in Szene setzen. Dies liegt auch daran, dass das Fernsehen mittlerweile das Hauptmedium der gesellschaftlichen Sozialisation in den Staaten darstellt und elementar für die Weitergabe von Normen und Werten ist. Shonna Tropf fasst es aufbauend auf William Fore sogar so zusammen: "In many respects television has become a type of religion. It is where most people go to learn about society’s values and find world views that shape their beliefs."
Diese Bedeutung scheint gleichzeitig ein Bedürfnis nach solchen Formaten zu etablieren. Manche von ihnen spielen in der alltäglichen Lebenswelt wie "7th Heaven / Eine himmlische Familie" (1996–2007) (The WB), viele behandeln jedoch auch phantastische Themen wie "Joan of Arcadia / Die himmlische Joan" (2003–2005) (CBS) über einen Teenager, der mit Gott kommunizieren kann. In Deutschland dürfte "Highway to Heaven / Ein Engel auf Erden" (1984–1989) (NBC) mit Michael Landau in diesem Zusammenhang am bekanntesten sein.
In den USA hingegen war "Touched by an Angel", die insgesamt neun Staffeln und 212 Episoden lang von 1994 bis 2003 auf CBS lief, in diesem Bereich eine der erfolgreichsten Serien. Die höchsten Einschaltquoten konnte sie ab der dritten bis zur sechsten Staffel erreichen, also zwischen den Jahren 1997 bis 2000. Dabei erreichte das Programm in der vierten Staffel (1998) sein bestes Ergebnis und kam auf Platz fünf der meistgesehenen wöchentlichen Programme.
Ich werde im folgenden die konzeptionellen Strukturen der Serie vorstellen und zeigen, wie insbesondere der nationale Wertekomplex in ihr verhandelt wird. Darauf aufbauend werde ich darlegen, welche ideologischen Grundprämissen dem Format zugrunde lagen und weshalb es so großen Erfolg hatte.
The conference paper interprets Spinoza's concept of “sola scriptura” as a reductio ad absurdum of historicalcritical approaches to text interpretation. It shows that despite Spinoza's emphasis on the revelatory function of scripture and despite his claim that there is only one method of reading it, he intently and distinctly undermines this very hermeneutics as unreliable and incompatible with both reason and truth. The text follows the central intuition that for Spinoza, this insuffiency of hermeneutics accounts for its political potential, as a means of uncoupling politics and theology.
In a letter to Scholem, dated 22 December, 1924, Benjamin famously writes of the manuscript that was to become his 'Trauerspiel' book: "[I]ndessen überrascht mich nun vor allem, daß, wenn man so will, das Geschriebene fast ganz aus Zitaten besteht" (GS I.3, 881). Much has been made of the mosaic-like citational technique to which Benjamin refers here; his "Zitatbegriff" is said, for example, to subtend the theory of a "mikrologische Verarbeitung" of "Denkbruchstücken" into "Ideen" that Benjamin develops as his theory of representation in the "Erkenntniskritische Vorrede", which in turn figures the relation between individual phenomena and their "ideas" in astral terms. Because, however, the 'Trauerspiel' book is so often understood only on this theoretical level, e.g. as either an early articulation of Benjamin’s "avant garde" and "messianic" philosophy of history (Jäger, Kany, and Pizer) or as a performance of his systems of allegory (Menninghaus) and "constructivism" (Schöttker), his "Zitierpraxis" and the actual citations that form large parts of 'Der Ursprung des deutschen Trauerspiel' have seldom been read for the purchase they provide on the vexed status of the period and concept that was the book’s direct subject, namely, the German Baroque.
Walter Benjamins Name taucht in Kracauers fragmentarisch gebliebenem Spätwerk 'History - The Last Things before the Last' (1969) nur wenige Male auf, jedoch finden sich unter den Materialien und Vorarbeiten zu diesem Werk, die in seinem Nachlass im Deutschen Literaturarchiv in Marbach aufbewahrt werden, einige Lektürenotizen zu Benjamins Thesen "Über den Begriff der Geschichte". Ein Briefumschlag mit Karteikarten versammelt eine Reihe von Kommentaren, die es erlauben, Kracauers Blick auf diesen Text zu rekonstruieren. Dies erscheint umso interessanter, als es sich hier um die Rezeption eines sehr gut informierten zeitweiligen Weggefährten und Schicksalsgenossen handelt, der sich als Überlebender in den 1960er Jahren, etwas mehr als zwei Jahrzehnte nach der Entstehung von "Über den Begriff der Geschichte", manchen ihrer einst gemeinsamen Fragestellungen erneut zuwendet.
"His ignorance", so lesen wir im zweiten Kapitel von Conan Doyles 'A Study in Scarlet', das den Titel "Science of Deduction" trägt, "his ignorance was as remarkable as his knowledge". Sherlock Holmes, seines Zeichens Meisterdetektiv und Fürsprecher exakten Detailwissens, überrascht seinen Freund durch eklatantes Nicht-Wissen: von Gegenwartsliteratur, Philosophie und Politik; "he appeared to know next to nothing", schreibt Watson, und seine Überraschung erreicht ihren Höhepunkt, als er herausfindet, dass Holmes nichts über die Zusammensetzung unseres Sonnensystems weiß: "[H]e was ignorant of the Copernican Theory". Wie kann es sein, so fragt sich Watson, dass ein zivilisierter Mensch des neunzehnten Jahrhunderts nicht weiß, dass sich die Erde um die Sonne dreht? Wie kann sich ein Sherlock Holmes derartige Lücken im Feld des Allgemeinwissens leisten? Die Antwort, die Holmes seinem Freund gibt, setzt Nicht-Wissen und Wissen in ein strategisches Verhältnis, das unter dem Vorzeichen einer professionalisierten, dem Gesetz der Ökonomie gehorchenden episteme steht: Nur das nützliche Wissen – das Wissen, das für die spezielle Arbeitsaufgabe eines consulting detectives nötig ist – erhält überhaupt Zugang zu seinem Gedächtnis, wobei dieses, topologisch nicht allzu originell, als Dachboden eines oikos beschrieben wird, in dem – hier wird das Grundgesetz der Ökonomie, die Verknappung, auch in räumlicher Hinsicht in Anschlag gebracht – nur wenig Platz ist. […]Der 'brain-attic' ist mithin nicht nur dem ökonomischen Dispositiv knappen Raums, sondern auch einem pragmatischen Prinzip der epistemischen Auslese unterworfen, das quasi darwinistische Züge trägt: Nur das nützliche Wissen überlebt. Dieser Verdrängungskampf der Gegenstände des Wissens, eine Antizipation dessen, was Peirce und Popper später als 'evolutionary theory of knowledge' propagieren werden, offenbart den strategischen Aspekt des Nicht-Wissens: Angesichts begrenzter Raumkapazitäten wird das Leerräumen überfüllter Wissensspeicher zur Voraussetzung dafür, dass sich neues Wissen einrichten kann. Anders gewendet: Nur das Vergessen von Bereits-Gewusstem schafft Raum für zukünftiges Wissen – und unter dieser Prämisse wird das Nicht-Wissen zu einem ebenso bemerkenswerten Phänomen wie das Wissen.
Im Sinne einer Musikhistorie als "Plural von Zusammenhängen" (H. Blumenberg), deren sich überkreuzende Fäden der narrativen Bündelung durch Hörer und Chronisten bedürfen, erweist sich Schönbergs "Überlebender aus Warschau" als ein Scharnierstück der von politischen Verwerfungen durchsetzten Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts. Die Einbeziehung des die Dignität kultureller und religiöser Selbstbehauptung symbolisierenden Glaubensbekenntnisses setzt kompositionsgeschichtlich einerseits eine national-religiöse Tradition fort, denkt man etwa an die Schlüsselstellung, die das Zitat von Luthers Choral "Ein feste Burg" in nicht wenigen Werken des 19. Jahrhunderts einnimmt. Andererseits resultiert auch die Wirkung des 'Survivor' - wie Reinhold Brinkmann im Zeichen der um und nach 1968 leidenschaftlich ausgetragenen Diskussion der politischen Aussagekraft musikalischer Werke betonte - aus der Aktivierung des politischen Textinhalts durch eine dezidiert musikalische Konzeption: Die dem "Shema Yisrael" vorausgehende musikalische Steigerung lässt sich als kompositorisches Modell bereits im apotheotisch angelegten Schluss von Schönbergs 'Gurreliedern' ("Erwacht, erwacht ihr Blumen zur Wonne") nachweisen. Auf dynamischer Ebene ist diese Klimax der Takte 72-80, die es buchstäblich darauf anlegt, den Hörer zu überwältigen, durch das anziehende Tempo (von Viertel=60 bis Viertel=160) und ein Crescendo zum dreifachen Forte, rhythmisch durch die aus der Erzählerstimme in das Orchester überspringenden triolischen Figuren, sowie tonal durch ein chromatisches Wechselspiel zwischen den vier Ausprägungen des übermäßigen Dreiklangs und der dadurch ebenfalls erforderlichen Transposition der Reihenformen bestimmt. Schönbergs ideelle Besinnung auf die Religion stützt sich kompositorisch somit ein Stück weit gerade auf ihr säkularisiertes Gegenstück - jene musikalischen Überhöhungen, die das Zeitalter der "Weltanschauungsmusik" in Form einer bisweilen hypertrophen Kunstreligion zelebrierte. Die Erinnerung des "Überlebenden" wird so auf den "grandiose moment" des musikalischen Widerstands konzentriert, während Schönberg eine gleichwertige Einbeziehung des Erzählertexts in das motivisch- tonale Gefüge der Komposition dezidiert ausschließt. Trotz dieser historischen Verortung steht der von Adorno als "autonome Gestaltung der zur Hölle gesteigerten Heteronomie" beargwöhnte 'Survivor' zugleich aber nicht nur ideengeschichtlich, sondern durchaus auch kompositionstechnisch - wie hier an Kompositionen von Schönbergs (posthumem) Schwiegersohn Luigi Nono gezeigt werden soll - mit avancierten Beispielen einer 'musique engagée' der 1960er Jahre in Verbindung.
From New Corbuzon to UnLondon, China Miéville's works show a preoccupation with the city which transcends the function of setting and serves as a subtext to the plot. As one of the most prominent representatives of weird fiction Miéville constructs cityscapes that fascinate the reader with their eccentricity and strangeness, but also with their social, historical and architectural complexity. In "Perdido Street Station" the eponymous landmark in New Corbuzon is essential for the denouement of the plot rather than merely a backdrop. The city is a character in its own right. This is also and especially true for Miéville's 2009 novel "The City and the City". Here, the city seems at first normal, then alien and in conclusion utterly quotidian. The way the literary space and place is built permeates everything in the novel: the way the characters act, the crime plot, the philosophy and mood. At the core, "The City and the City" captures the everyday creation and maintenance of social space and illustrates the human capacity to deal with conflicting, layered realities of communal life and the human condition.
The "City and the City" is set in the twin city states of Besźel and Ul Qoma that occupy much of the same geographical space, but are perceived as two very different cities. The borders between the cities are invisible and intangible, but reinforced by citizens by "unseeing" and "unsensing" the other one. Meaning: someone in Besźel must ignore everything Ul Qoman even what is right next to them. Some parts of the cityscape are totally in one city but quite a few are "cross-hatched", meaning in either city depending on what is unseen. Unsight is an acquired habit, but one that is performed unconsciously. To unsee the other city is an integral part of being a citizen and important in the socialiation of children. Acknowledging the other city even accidentally is a serious crime called breaching punished by an all-seeing, all-powerful agency named Breach. Why and how the state of separation between the cities came to pass is unknown: an event ambiguously called "cleavage" split or united the cities.
"The City and the City" won several awards for fantasy writing, although it is fantastic only in one aspect and – plotwise – the novel is crime fiction: a police procedural with noir and hard-boiled touches – genres that lay claim on gritty realism. It is precisely this uncertainty of genre that allows a subversive reading of the text and contributes to the social criticism therein. In the novel Inspector Tyador Borlú from Besźel investigates the murder of foreign student Mahalia Greary across the cities and uncovers a conspiracy to exploit the cities' cultural heritage for profit.
Die Fortschritte der Neurowissenschaften in den letzten hundert Jahren ließen auch andere Wissensbereiche nicht unberührt und haben dazu geführt, dass traditionelle Vorstellungen von Identität mehreren Revisionen unterzogen werden mussten. Die Rede vom Gehirn als Grundlage der Individualität hat eine tiefgreifende Blickwinkelverschiebung zur Folge, die sich sodann auch in der philosophischen und literarischen Auseinandersetzung mit der Frage der neurobiologischen Grundlage von Individualität niederschlägt. Mit Blick auf den übergeordneten Titel der Veranstaltung Grenzen überschreiten in der Germanistik liegt hier gar eine zweifache Grenzübertretung vor: zunächst wird die Grenze zwischen zwei verschiedenen Disziplinen, der Literatur und der Neurobiologie, die ganz unterschiedliche Diskurse und damit Sprech- und Arbeitsweisen einschließen, überschritten. Zum zweiten erfolgt eine Grenzüberschreitung von traditionellen Identitätskonzepten, wenn in der Äußerung Ich bin mein Gehirn reduktionistisch konstatiert wird, Identität sei nicht mehr als die Summe einer Verschaltung von Neuronen und ihrer Aktivitäten im menschlichen Gehirn.
»Der Kanon regelt Zuordnung und Ausgrenzung, Ja und Nein zu einem Text, es ergibt sich eine Serie von Opposition[spaar]en.« Diese Grundannahme ist, wie ich meine, die Voraussetzung jeder Auseinandersetzung mit der Frage »A Canon of Our Own?« und betrifft den literarischen Kanon in gleicher Weise wie den (literatur-)theoretischen Kanon, obwohl die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Letzterem seltener und wenn doch, so interessengeleiteter stattzufinden scheint und sich zudem häufig in Polemiken erschöpft. Auch der Titel meines Aufsatzes enthält ein Paar, wenngleich das »&« zwischen den Theorien den Anschein von Symmetrie, von Zusammengehörigkeit, nicht von Gegensätzlichkeit erweckt. In der Folge meiner Bestandsaufnahme dieser Theorien innerhalb der germanistischen Literaturwissenschaft und meines Versuchs einer weiteren Perspektivierung und Verschränkung derselben wird deutlich, dass definitiv ein hierarchisches Gefälle hinsichtlich deren Rezeption existiert. Es zeigt sich, dass die Kanonisierungsprozesse unterschiedlich und v.a. zeitversetzt verlaufen – ungeachtet dessen, wie Kanones bzw. »das ihnen anhaftende Phantasma von überzeitlicher und überregionaler Gültigkeit« per se zu bewerten sind.
"Es gehört zum Konsens der deutschen Literaturwissenschaft, daß spätestens im Sturm und Drang Subjektivität und Individualität zu konstituierenden Kategorien der literarischen Figurenkonzeption werden. ´Typen´ werden abgelöst von ´Charakteren´, lautet eine griffige Formel für diese Veränderung. Eine solche Deutung operiert mit der Vorstellung, daß die Figurengestaltung sich der Realität, nämlich der tatsächlichen Individualität des Menschen, angenähert habe. Der Wandel der Figurenkonzeption erscheint so als größere Approximation an den wirklichen Menschen geradezu naturwüchsig. Eine wissenssoziologische Beschreibung desselben Phänomens sieht dagegen die verschiedenen Auffassungen vom Individuum als prinzipiell gleichwertige, d.h. auch gleich erklärenswerte Konstruktionen an. Sie konstatiert angesichts der Umstellung der Figuren- bzw. Personendeskription als deren auffälligstes Merkmal ihre große Unwahrscheinlichkeit."
"Kapabel, miserabel, aimabel" : Funktionen der französischen Sprachelemente in Heinrich Heines Lyrik
(2014)
Durch das gesamte Werk Heinrich Heines ziehen sich fremdsprachige Einstreuungen, wobei diejenigen in französischer Sprache das größte Gewicht einnehmen. Nach einem Rekurs auf Heines biographische Situation und sein Verhältnis zur deutschen und französischen Sprache werden Form und Funktion der französischen Einsprengsel – vor allem Adjektive, substantivierte Verben und Interjektionen – in Heines lyrischen Texten untersucht. Anhand zahlreicher Beispiele zeigt der Beitrag, dass die französischen Elemente offensichtlich bewusst eingesetzt wurden, um bestimmte semantische Strategien zu verfolgen. Dabei können vor allem sprach-spielerische und gesellschaftskritische Funktionen nachgewiesen werden.
El artículo examina un conjunto de obras de Siegfried Kracauer y Walter Benjamin con el propósito de reconstruir los aportes de ambos autores a una teoría crítica de los intelectuales. Situados entre los frentes, los dos ensayistas intentaron conjugar el compromiso social y político y la búsqueda de una politización de los intelectuales con la renuencia a aceptar y reproducir los dictados de una organización partidaria dogmática. Como término de comparación para el contexto de producción de ambos autores se considera el París de la Restauración, en el que un grupo de pensadores y escritores alemanes exiliados se constituyeron como los primeros intelectuales modernos, identificados con la figura de la conciencia desgarrada (zerrissenes Bewusstsein), tal como fue formulada por Hegel.
Erst ausgehend von ihrer Erfindung in der bildenden Kunst hielt die Landschaft Einzug in die Literatur; literarische Landschaftsdarstellungen im engeren Sinn finden sich gegenüber malerischen Landschaftsdarstellungen erst mit deutlicher Verzögerung, wenngleich sie auch literarische Vorläufer haben. Was man unter Landschaften in der Literatur alles verstehen sollte, mag umstritten sein. In jedem Fall liegt es nahe, literarische Landschafts-Texte mit bildkünstlerischen Darstellungen zu vergleichen.
Susan Howe, die seit den frühen 1970er Jahren als Dichterin präsent ist, gehört zu den führenden Vertreterinnen einer amerikanischen Gegenwartslyrik, die einen experimentellen Umgang mit Sprache in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen. Hierbei zeigt sie besonderes Interesse an Geschichte und ihren sprachlichen Repräsentationsmöglichkeiten in historischen Dokumenten und literarischen Texten. In collagenartigen, oftmals zwischen Lyrik und Prosa pendelnden Texten versucht sie Sprache und Geschichte in eine größtmögliche Spannung zu bringen, da sie davon ausgeht, dass jede sprachliche Repräsentation von Geschichte unzulänglich bleiben muss. Mittels einer gezielten Strategie der Defragmentierung versucht Howe diese Spannung in ihren Texten zu inszenieren, wobei sie oftmals ‚fremde‘ Texte - seien es historische Dokumente oder Texte der Weltliteratur - als Ausgangspunkt für ihre eigenen nimmt. Sprache und Literatur werden von Howe als ein intertextuelles Zusammenspiel von Texten aufgefasst, dessen zuweilen undurchdringlich scheinende Komplexität präzise ihrem Geschichtsbild korrespondiert. Sie versteht Geschichte keineswegs als linearen Prozess, sondern als eine komplexe Bewegung, deren vermeintliche Linearität lediglich über die sprachliche Darstellung suggeriert wird.
1902 erschien Theodor Herzls utopischer Roman Altneuland im Verlag Hermann Seemann in Leipzig, schon im selben Jahr die hebräische und ein Jahr später die russische Übersetzung. Der Journalist, Autor und Begründer des politischen Zionismus hatte – inspiriert durch seine Palästinareise im Jahr 1898, auf der er u. a. mit dem deutschen Kaiser zusammentraf – seit 1899 an dem Text gearbeitet. Herzl schildert in dem Roman eine neue zionistische Gesellschaft in Palästina und führt hier das eher skizzenhafte Bild seiner 1896 erschienenen Broschüre Der Judenstaat weiter aus. Hier soll besonders auf diejenigen Aspekte des Romans eingegangen werden, die das jüdische Gemeinwesen in Palästina als ein 'kleines Europa' im Nahen Osten schildern. Zudem sollen die topographischen Begebenheiten im Roman und deren Bezüge zur israelischen Geographie, Gesellschaft und Kultur untersucht werden.
In einer fast beiläufig formulierten Bemerkung zur Methode seiner Passagenarbeit spricht Benjamin von der "Notwendigkeit, während vieler Jahre scharf auf jedes zufällige Zitat, jede flüchtige Erwähnung eines Buches hinzuhören" (GS V, 587). Dass – wie in nicht wenigen Prosaminiaturen der Berliner Kindheit – auch für die aufwendige Zusammenstellung der Exzerpte eine ohrenfällige Metapher zur Anwendung gelangt, unterstreicht die Notwendigkeit, sich mit der Bedeutung musikalisch-akustischer Impressionen für seine Vermittlung von Traum, Mythos, Bild und Warenwelt zu befassen. Das bisherige Desinteresse an einem solchen Versuch teilt die kaum mehr überschaubare Benjamin-Exegese mit der musikologischen Literatur, deren Zurückhaltung indessen recht einfach zu erklären ist: Die aus ihrer Sicht für eine musikgeschichtliche Kontextualisierung des Dioramas oder die ästhetischen Konsequenzen des 'Chocks' in Frage kommenden Komponisten werden in der Passagenarbeit fast sämtlich übergangen. Als die intellektuellen Residuen der Hauptstadt des 19. Jahrhunderts kompilierender Flaneur und Chiffonnier ist Benjamin nur bis in die vom Boulevard Haussmann verdrängte Passage de l'Opéra gelangt, deren vom allmählichen Verfall geprägte Atmosphäre schon Aragon zu den subjektiv-surrealistischen Visionen seines Paysan de Paris inspirierte. Was sich innerhalb der Pariser Musiktheater ereignete, findet mit einer Ausnahme sein Interesse hingegen ebenso wenig, wie die Musikforschung die sich in den Bühnenwerken Aubers, Meyerbeers oder Halevys manifestierende "Verstädterung der Oper" ohne eine nennenswerte Auseinandersetzung mit dem Passagenprojekt untersuchte. Und während dessen 1935 verfasstes Exposé die Namen Offenbach und Wagner immerhin im Kontext der ironischen Utopie des Weltausstellungstaumels oder Baudelaires mit dem Gesamtkunstwerk assoziierter Flucht vor dem gesellschaftlichen Dasein der Künste8 erwähnt, fehlt der gerade für die musikalische Umsetzung der von Benjamin als zentrale Erkenntnisquelle erachteten Dialektik von "Traum" und "Erwachen" (vgl. z. B. 490–510, 579–580) unverzichtbare Hector Berlioz. Hier verbirgt sich – denkt man an Werke wie die Symphonie Fantastique, Lelio oder Harold en Italie – eine auch von der Berlioz-Literatur noch gänzlich unbeachtete Konstellation. Benjamins Einbindung eines kompositorischen Zeitgenossen in eine divergente Gedankenstränge zusammenführende Metapher oder ein "dialektisches Bild" erfordert demgegenüber eine präzise Kontextualisierung: So erscheinen in einer der mythologisierenden Eisenbahnepisoden Orpheus, Eurydike und Hermes auf dem Bahnsteig, wo eine sich aus dem aufgetürmten Gepäck formende Kofferkrypta die zum Melodram geronnene antike Urgeschichte christlich sublimiert (512).
Werke der Konkreten Dichtung schaffen es – so eine in der Forschung verbreitete Annahme –, durch die Dekonstruktion des konventionellen Sprachsystems mehrere Sprachen in sich zu vereinen und dabei übersprachlich oder interlingual verständlich zu sein. Diese These wird anhand von ausgesuchten internationalen Beispielen und unter Berücksichtigung der Theorie der Konkretisten nachvollzogen und überprüft. Es zeigt sich, dass der utopische Anspruch zwar nicht vollständig erfüllt wird, die Konkrete Dichtung aber durch geschickte Verwendung intermedialer und semiotischer Prozesse die Beschränkungen der Standardsprache teilweise überschreiten kann und eine eigene polyglotte Ästhetik entwickelt.
"'Nichts ist wahr. Alles ist erlaubt.' Die letzten Worte von Hasan-i Sabbah . Und was ist das wahrste Kennzeichen des Menschen? Geburt und Tod. Der Alte zeigte seinen Attentätern die Freiheit von Wiedergeburt und Tod. Er schuf wirkliche Wesen, für die Raumfahrt bestimmt." Wenn wir die Reise durch den Raum hier als Metapher für die Überwindung der verlässlichen, wenngleich durch den Menschen wahrgenommenen Naturgesetze verstehen, vermittelt Burroughs uns eine recht präzise Vorstellung einer von den Assassinen ausgehenden Bedrohung, die weit über die unmittelbaren Folgen ihrer Angriffe hinausgeht. Sie sind nicht menschlich, nicht an die Endgültigkeit des Todes gebunden und immun gegen die Drohung, für ihre Handlungen getötet zu werden - dem letzten Mittel zur Aufrechterhaltung der Rechtsordnung - und destabilisieren damit die binären Unterscheidungen zwischen dem Weltlichen und dem Jenseits, Wahrheit und Falschheit, Gut und Böse. So bedeuten sie an sich, d.h. nicht allein durch ihre Attentate, sondern auf einer symbolischen Ebene, eine Gefährdung für die Grundlagen des Sozialen. Während solche Störungen in der Regel gerne mit einem Anderen, beispielsweise der Tradition selbstaufopfernder Gewalt im Nahen Osten oder den bösen Absichten der 'Schurkenstaaten', identifiziert werden, scheint mir, dass die Krise, die sich in den Berichten über die Assassinen und andere Selbstmordattentäter ausdrückt, nicht in erster Linie als Eindringen von etwas zu verstehen ist, das von außerhalb 'unserer' Kultur kommt, sondern vielmehr ein spezifisch westliches Problem betrifft, das mit der Aufklärung und den bürgerlichen Revolutionen einsetzt. Um diese recht gewagte These zu überprüfen, möchte ich zunächst mit Hilfe neuerer historischer Studien zu den Nizari - der ismailitischen Sekte, der der Alte vom Berg zugerechnet wird - einige der wichtigsten Behauptungen diskutieren, die über die Assassinen im Umlauf sind. Anschließend folgt ein kritischer Blick auf Joseph von Hammer-Purgstalls 1818 erschiene 'Geschichte der Assassinen', einen der zentralen Texte in der Entwicklung der modernen Assassinen-Legende.
Dichterlesungen boomen. Man muss nur in das Tagesangebot der Zeitungen schauen, man muss nur in Buchhandlungen gehen, in Volkshochschulen, in Stadtbüchereien: überall sieht man Plakate und Programme, die Lesungen zeitgenössischer Autoren anbieten. Das ist umso verwunderlicher, weil im Allgemeinen Dichterlesungen nicht allzu beliebt sind, auch bei vielen Autoren nicht. Das einschlägige Motto „Nichts ist widerlicher als eine sogenannte Dichterlesung“ stammt aus Thomas Bernhards Schimpfroman „Alte Meister“, in dem der 82jährige Musikkritiker Reger seinen typischen Wiener Schmäh über fast die gesamte österreichische Kunst, Literatur und Musik, in seitenlangen Monologen ausgießt.
En tentant de regarder une image singulière avec quelques mots de Walter Benjamin, je voudrais, non pas me livrer à un exercice de commentaire, de glose ou de déchiffrement, mais, plus modestement, faire acte de reconnaissance, porter témoignage d’une experience de l’image, d’une 'poétique de l’image'. Walter Benjamin, l’un des penseurs qui a le plus radicalement bouleversé - réinventé - la notion de lisibilité (Lesbarkeit), est aussi l’un des penseurs au contact duquel l’histoire de l’art se trouve bouleversée dans son rapport même à la visibilité (Sichtbarkeit) et à la temporalité des images. Il ne s’agit pas seulement de rendre hommage à celui qui, mieux que quiconque, aura théorisé le rôle de la reproductibilité, taconté l’histoire de "l’art en tant que photographie" ou décrit le "déclin de l’aura". Il s’agit de travailler avec sa façon de mettre le temps au coeur de toute question d’image, et de faire de l’image - à commencer par la fameuse "image dialectique" - l’opérateur central de toute historicité. Le meilleur hommage, la meilleure justice que l’on puisse rendre à quelque chose, dit Benjamin - en parlant des "guenilles", des "rebuts" de l’histoire -, c’est de l’utiliser. Je vais tâcher de suivre cette leçon en vous présentant un objet de travail et en essayant de restituer la 'valeur d’usage' d’un ou de deux textes de Benjamin pour tenter de savoir, tout simplement, 'comment regarder une image'.
Çocuklara yönelik fantastik yazın çevirisi alanında yaptığımız bu çalışmada "The wonderful wizard of Oz" adlı yapıttan yola çıkarak, Türkçe'ye dört farklı çevirisi karşılaştırmalı olarak incelenmiştir. Araştırmamız, çevirmenleri ve yayınevleri farklı olan fantastik çocuk kitabı çevirilerinde uyarlama yapılıp yapılmadığını belirlemeyi amaçlamıştır. Bu incelemenin ayrıca amacı fantastik çocuk kitapları çevirisinde uyarlamanın tek bir yöntem olarak kullanılmasının olumsuz yönüne dikkat çekmek, aynı zamanda da kitapların biçimsel ve içeriksel olarak iyileştirilmesine katkıda bulunmaktır. Çalışma neticesinde elde edilen verilerden sonuçlar çıkarılarak genel bir değerlendirme yapılmış ve çeşitli öneriler sunulmuştur.
"Auf den Hügeln, rund um die Zentren großer Städte, stößt man merkwürdigerweise oft auf so eine Art städtisches Bergvolk. Jedenfalls ist in Berlin diese besondere Population auffallend in der Gegend des Prenzlauer Bergs und des Kreuzbergs, in Paris auf dem Montmartre und Montparnasse; im Londoner Hampton Heath und auf dem Wiener Spittelberg soll es vergleichbar sein." Mit diesen Zeilen beginnt Daniela Dahn ihre "Prenzlauer Berg-Tour", in der sie sich einer ethnologischen Forschungsreisenden gleich auf den abenteuerlich-verschlungen anmutenden Weg hinauf zum Prenzlauer "Bergvolk" begibt. Die zeitgenössische öffentliche Rezeption des Ende 1987 im Mitteldeutschen Verlag Leipzig/ Halle veröffentlichten Buches war einstimmig positiv; hervorgehoben wurde unisono insbesondere der Realitätsgehalt der Reportage. [...] Das nach der Publikation um sich greifende große öffentliche Interesse belegen nicht nur die zahlreichen Lesungen, Buchpräsentationen und Werbeanzeigen, sondern allen voran die Tatsache, dass die ersten beiden Auflagen (1987 und 1989) des Buches von insgesamt 27.000 Exemplaren in kürzester Zeit vergriffen waren. Doch wie lässt sich dieser Erfolg erklären? Ein gewichtiger Grund war vermutlich, so die Hypothese der nachfolgenden Überlegungen, dass Dahns Reportagen zum DDR-Alltagsleben im Rahmen damaliger Möglichkeiten – von "Sagbarkeitsregimes" hätte Michel Foucault gesprochen – einigermaßen ungeschminkt und schonungslos soziale Widersprüche des "real existierenden Sozialismus" in ihrer literarischen Aneignung zeigten. Dieser ungeahnt-ungekannte Darstellungsmodus überschritt Grenzen und evozierte reichlich Aufmerksamkeit.
"Que d'eau! Que d'eau!" : narrative Strategien literarischer Überflutungen bei Puschkin und Zola
(2015)
Nicht erst in der Literatur der Gegenwart lassen sich Beispiele finden, in denen Naturphänomene und nicht-menschliche Agenzien zu Protagonisten oder sogar zu Erzählinstanzen eines literarischen Textes werden. Gerade das Wasser (in Form von Flüssen oder des Meeres) scheint prädestiniert dafür, innerhalb der Diegese wie auch der Erzählsituation zur handlungsbestimmenden Instanz zu werden und damit den Menschen in die Passivität zu drängen – und teilweise sogar existentiell zu gefährden. Besonders deutlich wird dies am Beispiel von Überschwemmungen, die programmatisch die Macht der Natur bei gleichzeitiger Machtlosigkeit von Mensch und Zivilisation spiegeln. Zwei literarische Beispiele aus dem 19. Jahrhundert sollen exemplarisch aufzeigen, mit welchen narrativen Mitteln das Wasser auf inhaltlich-motivischer und formal-erzählerischer Ebene den Text "überflutet": Alexander Puschkins Poem "Der eherne Reiter" (1833) und Émile Zolas Erzählung "L'Inondation" (1875).
Die Arbeit an "Ginster" fällt in die Jahre, in denen Kracauer für die Frankfurter Zeitung arbeitete. Im dortigen Feuilletonteil wurde der Roman 1928 erstmals veröffentlicht. Zugleich ist es jedoch auch eine Zeit, in der auf dem Büchermarkt eine regelrechte Flut von Literatur einsetzt, die sich mit dem Ersten Weltkrieg befasst.
Handelt es sich bei redebegleitenden Gesten und lautsprachlicher Ikonizität lediglich um "Ränder" des sprachlichen Ausdrucks, wie vielfach angenommen wird? Die Saussuresche These von der Arbitrarität des sprachlichen Zeichens stellt in der Sprachwissenschaft immer noch eine selten reflektierte Grundannahme dar, und Untersuchungen in diesem Bereich gehören bisher nicht zum linguistischen Kerngeschäft. Ähnlich steht es mit den redebegleitenden Gesten, die innerhalb der Sprachwissenschaft weitgehend als Epiphänomen des Sprachgebrauchs betrachtet werden, als etwas, was zum "eigentlichen Sprechen" hinzukommt und sich außerhalb des Sprachsystems - des eigentlichen Gegenstandes der Linguistik - befindet. Ein Ziel dieses Beitrags besteht darin, beide Randbereiche aus der Peripherie stärker ins Zentrum zu rücken.
To explicate what distinguishes pain, Benjamin elaborates: "Of all corporeal feelings, pain alone is like a navigable river which never dries up and which leads man down to the sea. [...] Pain [...] is a link between worlds. This is why organic pleasure is intermittent, whereas pain can be permanent. This comparison of pleasure and pain explains why the cause of pain is irrelevant for the understanding of man's nature, whereas the source of his greatest pleasure is extremely important. For every pain, even the most trivial one, can lead upward to the highest religious suffering, whereas pleasure is not capable of any enhancement, and owes any nobility it possesses to the grace of its birth - that is to say, its source. (SW I, 397)" In these important lines, pain's unique strength is linked not to its origin (this is reserved for pleasure), but rather to the way that its strenuous flow throughout the suffering body has the power to lead it to infinite heights. In contrast to pleasure, which is forever seeking out its sources, pain manifests itself most consummately when it is intensified; it fulfills itself most deeply by gradually reenforcing its own fortitude. To make sense of pain, therefore, we must understand the nature of its 'movement': and in Benjamin's metaphor of the "navigable river" - its flow. In what follows, I develop Benjamin's idea of the nature of pain as manifested in the internal law of its ,ow in two other of Benjamin's texts: 'Berlin Childhood Around 1900' (1934) and 'Thought Figures' (1933).
Rezension zu: Gumbrecht, Hans Ulrich. Stimmungen Lesen. Über eine verdeckte Wirklichkeit der Literatur. Munique, Carl Hanser Verlag 2011
Anders als vorgängige Forschungen, die Polyglossie in Pounds Werk als eine erweiterte Form der Intertextualität ansehen und dabei die Sprachenvielfalt, die Sprachmischung und die Differenzqualitäten der zitierten Sprachen nicht zentral berücksichtigen, interpretiert dieser Beitrag die "Cantos" als einen Speicher der klassischen und modernen westlichen und chinesischen Kultur, der notwendigerweise verschiedene Sprachen und Zeichensysteme umfasst: Die Polyglossie der "Cantos" ist insofern textkonstitutiv, als sie dazu dient, den diversen Kulturen eine eigene Stimme zu geben und diese in ihrer Ästhetik und Denkweise überhaupt repräsentieren zu können. Wie Sprachen miteinander kombiniert und konfrontiert werden, um ihre Klangcharaktere, Signifikanten und Bildlichkeiten produktiv zu einem über die Summe der Einzelteile hinausgehenden, polyphonen Text zu vereinen, wird anhand mehrerer Beispiele aus den "Cantos" und aus Pounds poetologischen Schriften gezeigt.
Beinahe auf die Seite genau in der Mitte seines Aufsatzes Laokoon oder über die Grenzen der Malerei und Dichtung (1766) kommt Gotthold Ephraim Lessing auf den literarischen Stil der Evangelien zu sprechen. In einer höchst verdichteten Passage vergleicht er die Beschreibung der Leiden Christi mit John Miltons Paradise Lost (1667). Die Art und Weise wie Lessing die beiden bedeutenden Textkorpora ins Verhältnis setzt ist in mehrfacher Hinsicht aufschlussreich. Zum einen lässt sich die Passage vor dem Hintergrund von Lessings grundsätzlicher Einstellung zu biblischen Texten lesen, wie er sie ausdrücklicher in seinen theologisch orientierten Schriften formuliert. Bedenkt man jedoch den Kontext der Gegenüberstellung innerhalb des Laokoon, d. h. innerhalb einer in erster Linie poetologischen Debatte, so eröffnet sich eine erweiterte Sichtweise. Über den Status der Heiligen Schrift in der christlichen Glaubenspraxis hinaus, ergeben sich Hinweise darauf, wie Lessing das Verhältnis zwischen Poesie und den verschiedenen biblischen Texten einschätzte. Zudem ließe sich aus der genannten Passage auf Lessings Verständnis von der literarischen Verarbeitung biblischer Stoffe sowie letztlich auch darauf schließen, welche Funktion Lessing literarischen Werken in der Glaubensvermittlung zuschreibt.
Ludwig Uhlands Gedicht „Der Wirtin Töchterlein“, meist nach der ersten Zeile „Es zogen drei Burschen wohl über den Rhein“ zitiert, wurde im 19. Jahrhundert zu einem oft illustrierten und vertonten Volks- und Studentenlied. Es verbindet die „poetische Erfassung des Volkstümlichen“ mit einer „einfachen, höchst knappen Prägnanz der Form“, wie es in der Würdigung von Meyers Konversations-Lexikon heißt. In der Rezeption wurde das Gedicht den Rheinliedern zugeordnet und damit zu einem Bestandteil der Rheinromantik. Das Goethezeitportal publiziert den Text zusammen mit gemalten und fotographischen Postkarten, die ihn in eine Folge von Bildern umsetzen.
"Und Gott chillte"? : Überlegungen zu neueren Bibelprojekten aus literaturwissenschaftlicher Sicht
(2012)
Der Graben zwischen den Generationen ist nicht nur durch mangelndes Verständnis, sondern auch durch das Fehlen einer gemeinsamen Sprache, durch die Verweigerung zur Kommunikation unüberwindbar geworden. Dies ist nicht das Ergebnis der jüngsten Shell Jugendstudie, sondern das Szenario, das Birgit Vanderbeke in ihrem 2005 erschienenen Roman Sweet Sixteen entwirft.1 Der Protagonist, ein in die Jahre gekommener Trendforscher, versucht das Verschwinden der Jugendlichen zu ergründen, da es sich um eine neue Subkultur handeln könnte. Bei seiner Recherche stößt er auf eine Internetseite, die von einer Jugendkirche namens "Jesus Freaks" betrieben wird. [...]
Vorbild für die Jesus Freaks in Vanderbekes fiktionalem Text ist die gleichnamige Bewegung, die zu Beginn der 1990er Jahre in Hamburg gegründet wurde. Erklärtes Ziel war und ist es, den christlichen Glauben für Jugendliche – besonders solche am Rand der Gesellschaft – wieder attraktiv und ansprechend zu gestalten. Die jungen Gruppen kehrten sich radikal von der traditionellen, kirchlichen Praxis und Spiritualität ab. Wie in Vanderbekes Roman ging es nicht um eine Reformation bestehender Verhältnisse, sondern darum, eigene religiöse Formen zu finden. Dieses Bestreben umfasste konsequenterweise die kanonischen Texte der Bibel, deren Wortlaut (in der Luther- oder Elberfelder-Übersetzung) als antiquiert und alltagsfern galt. Martin Dreyer, der 1965 geborene Gründer der Jesus Freaks, startete 2004 das Volxbibel-Projekt, dessen sprachlicher Duktus im oben angeführten Zitat ironisch aufgegriffen wird. Anders als bei kommunikativen Übersetzungen der letzten fünfzig Jahre (bspw. Hoffnung für alle oder Gute Nachricht) ging es ihm nicht nur um einen zeitgemäßen und allgemeinverständlichen Sprachstil. Die Volxbibel sollte von Jugendlichen für Jugendliche ›übersetzt‹ werden, was durch ein Open-Source-Modell im Internet verwirklicht wurde.
Božena Němcová zählt neben Hus, Comenius, Mácha und Havlíček zu den am stärksten mythologisierten Gestalten der tschechischen Kultur (SCHAMSCHULA 1996) und ist darüber hinaus die einzige Frau unter ihnen. Während sie aber bis in die 1990er Jahre hinein als Lichtgestalt dieser Kultur, ja ihr ,Stern‘, galt, mehren sich gegen Ende des 20. Jahrhunderts die Versuche, Němcová nüchtern zu sehen.
Als Dagmar KNÖPFEL 2004 auf der Grundlage der drei letzten Briefentwürfe Němcovás an Vojtěch Náprstek einen Film drehte, wurde sie als „feministisch voreingenommen“ kritisiert. Dabei könnte über diesen Film eine Diskussion eingeleitet werden, z. B. zu den Wurzeln der häuslichen Gewalt im 19. Jahrhundert. Somit könnte er zur Vernetzung von Kunst und Wissenschaft, von Bohemistik und Germanistik beitragen.
Jean Paul fordert […] von der Poesie, sie möge "die Wirklichkeit, die einen göttlichen Sinn haben muß, weder vernichten, noch wiederholen, sondern entziffern." […] Andere […] umschreiben die ästhetische Darstellung […] als eine Transkription, welche den Chiffrencharakter der natürlichen Erscheinungen unterstreiche und […] das Bewußtsein für deren verborgenen und verrätselten Sinn wach halte […]. Carl Gustav Carus bestimmt von hier aus das Wesen der Landschaftsmalerei. […] Indem an den Landschaftsmaler die Aufforderung ergeht, die Natur als Bedeutungsträgerin, als chiffrierten Ausdruck eines inneren Sinnes aufzufassen und darzustellen, kann Carus zum einen auf der engen Bindung der malerischen Darstellung an die natürlichen Erscheinungen insistieren, zum anderen aber die […] obsolet gewordene Idee einer bloßen Nachahmung der Natur hinter sich lassen. [...] Das Konzept von der Natur als Zeichenschrift hatte eine zentrale Rolle im Werk des […] Paracelsus gespielt […] Mikro- und Makrokosmos, menschliche und außermenschliche Welt; die verschiedenen Elemente und Lebewesen, Natur und Geschichte verweisen jeweils wechselseitig aufeinander. […] Ernst Bloch hat in seinen Leipziger Philosophie-Vorlesungen dieses Analogiedenken hervorgehoben – "Der Mensch ist die Welt im Kleinen, eine Abbreviatur des Kosmos, wie die Welt der Mensch im Großen, eine Elongatur des Menschen [...]" – und unter dem Titel "Entsprechung des Innen und des Außen" die Paracelsische Naturauffassung […] umrissen.
The parallel between the novels "Berlin Alexanderplatz" and "Grande Sertão: Veredas" was first drawn within the Brazilian literary criticism in a comment made by Davi Arrigucci Jr. With the intent of pursuing the discussion raised by the author, this article proposes a more detailed analysis of the elements which define both texts as representative works of the modern novel discourse. The analysis focuses on the movements which characterize the trajectories taken by the protagonists Franz Biberkopf and Riobaldo, with a view on the characters' transit in space, as well as emotionally, and also in regard to the transit that operates the narration within both novels. In this light, the article outlines the particularities which situate both novels within the tradition that associates them with the books "Wilhelm Meisters Lehrjahre" and "L’Éducation Sentimentale".
Paul Celan often reflects over the possibility of realising, recognising, and "knowing" an Other and Reality through poetry. In so doing, he locates his poetry within the cognitive realm. From this perspective the poem "Sprachgitter" as well as the metaphor of "Sprachgitter" – which determines Celan's understanding of language in the late 1950s – can be further interpreted. In this essay, the poem "Sprachgitter" is interpreted as a process of recognition, realised through two actions: concentration and opening. Other poetological texts and letters of Paul Celan will be analysed from this perspective.
"wir haben ein land aus worten." In Semier Insayif Roman 'Faruq' (2009) geht es um Worte und Erinnerungen, um das (Nicht-)Sprechen-Können und darum, Sprache und Gedächtnis zu verlieren. Es geht um das Schreiben, Sprechen und Rezitieren im Bereich des Dazwischen von Sprachen und Kulturen. Ausgehend von der Perspektive des Ich-Erzählers im Text entfalten sich die Nuancen und Facetten des Lebens als Geschichten, als Texturen der Erinnerung und als eine Art Sprach- und Klanggewebe. Bezugnehmend auf eben diese poetischen und rhetorischen Aspekte des Textes wird eine Lektüre unternommen, die auf postkolonialen und dekonstruktiven Ansätzen wie auch auf Gedächtnistheorien basiert. Die Lektüre versucht sowohl auf die Anforderungen und Besonderheiten des Textes in allen Facetten des Dazwischens zu reagieren als auch jene Perspektiven zu ergründen, die für die zeitgenössische Entwicklung der sogenannten Migrationsliteratur signifikant sind.
Im Folgenden werden zunächst punktuell symbolische und literarische Codierungen des Schwarzmeerraumes aus russischer bzw. sowjetischer Perspektive skizziert, um dann erneut auf Brodskys Entwurf einer mentalen Topographie in "Flucht aus Byzanz" zurückzukommen. Die (sowjet-)russischen Erfahrungen und Einschreibungen konnotieren den gesamten Essay. Brodskys antiöstliches Pathos erweist sich vor dem autobiographischen Hintergrund als eine antiimperiale Geste, als Abrechnung mit der Unfreiheit des Sowjetimperiums.
Von allen wichtigen Texten Benjamins sind seine Sonette auf seinen Dichterfreund Christoph Friedrich Heinle, der seit 1913 mit ihm in der Jugendbewegung aktiv war und am 9. August 1914 verzweifelt über den Ausbruch des Ersten Weltkriegs mit seiner Verlobten Rika Seligson Selbstmord verübt hatte, verhältnismäßig wenig von der Kritik gewürdigt worden. Entstanden sind die Gedichte vermutlich zwischen 1915 und 1925, mit Handschriften-Datierungen von vor Ende 1917 und nach Anfang 1918; ihr Manuskript befindet sich unter den Papieren Benjamins, die im Juli 1981 von Giorgio Agamben in der 'Bibliothèque nationale' in Paris gefunden wurden. Sie sind in einer komplexen Sprache verfasst, die verschiedene Vorbilder - darunter den Duktus Stefan Georges und den Spätstil Hölderlins - höchst eigenwillig weiterführt. Esoterische, oft rätselhafte Metaphern und willkürlich-kryptische Bilder, eine preziös-archaisierende Stilhöhe, grammatikalische Brüche und das syntaktische Zusammenhänge verschleiernde Fehlen der Interpunktion, durch diese Merkmale verweigern sich die Sonette einer hermeneutischen Entschlüsselung, die sich durch den Nachvollzug der Einzelheiten im Gesamtzusammenhang das Verständnis kohärenter Sinntotalität erhofft. Stattdessen sind die Leser darauf angewiesen, die sich immer wieder selbst verschleiernde Beziehung des lyrischen Ichs zu dem Verstorbenen durch ein Nachbuchstabieren bestimmter Textdetails so zu rekonstruieren, dass deren Inkonsistenzen, Sinnbrüche und Mehrdeutigkeiten nicht beseitigt, sondern als das Medium erkannt werden, in dem eine poetisch-erotische Liebe die Möglichkeiten und Grenzen ihrer eigenen Versprachlichung reflektiert. Diese performative Selbstreflexion - so meine Kernthese - geschieht vorrangig im Rahmen einer intermedialen Beziehung zwischen Schrift, Bild bzw. Blick und Musik. Dabei soll gerade der letzteren Kunstform besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, ist sie doch erst in jüngster Zeit systematisch von der Kritik behandelt worden.
Einen einzelnen Satz aus der Bibel übersetzen: Dies ist die Aufgabe, an der die Protagonistin von Ingeborg Bachmanns Erzählung Simultan, die Simultandolmetscherin Nadja, scheitert. Der Satz, der auf Italienisch zitiert wird und ins Deutsche übersetzt werden soll, hat es offenbar in sich. Er lautet: "Il miracolo, come sempre, è il risultato della fede e d’una fede audace" – das Wunder ist, wie immer, das Ergebnis des Glaubens und eines kühnen Glaubens. Mit genau diesen Worten übersetzt Nadja den Satz; sie erkennt aber zugleich, dass sie ihn nicht wirklich übersetzen kann. Diese Paradoxie einer Übersetzung des Unübersetzbaren geht mit einer zweiten, intertextuellen Paradoxie einher. Nadja findet nämlich den Satz in einem Buch, das als "Il Vangelo" (das Evangelium) und "bloß die Bibel" bezeichnet wird. Doch der Satz lässt sich dort nicht nachweisen. Die Bachmann-Forschung, einschließlich der Kritischen Ausgabe zum Todesarten-Projekt, bezieht dazu keine Stellung und schenkt so dem Verweis auf die Bibel stillschweigend Glauben. Nur wenige Simultan-Interpretationen fällen das Urteil: Dies ist kein Bibelvers.
In dem von thematischer Heterogenität geprägten Werk "Oráculo manual y arte de prudencia" (1647) bildet das untergründige Wechselverhältnis von Wahrheit und Lüge den zentralen Leitgedanken. In dem vielzitierten "aforismo" 13 reflektiert Baltasar Gracián die Problematik der Täuschung und konstatiert, dass die Aufrichtigkeit in Gestalt des Betrugs auftreten kann und dass die eigentliche und die fingierte Absicht einander zum Verwechseln ähnlich sehen. Dies lässt nicht nur die einzelne Situation zum Verwirrspiel werden, sondern stellt überdies die Möglichkeit einer klaren Unterscheidbarkeit von Wahrheit und Täuschung grundsätzlich in Frage. Die hier zu Tage tretende epistemologische Problemstellung gewinnt aber erst in der Übertragung auf den Bereich der Handlungspragmatik ihre komplexe Mehrdeutigkeit. Die im "Handorakel" vorgestellte "arte de prudencia" besteht in der ambivalenten Gleichzeitigkeit aus taktischer Beobachtung der Außenwelt und dem stets mitgeführten Bewusstsein, selbst Gegenstand kritischer Beobachtung und Beurteilung zu sein. Der Höfling, dem das "Oráculo manual" zur Orientierung im gesellschaftlichen Ränkespiel am Hofe an die Hand gegeben wird, hat daher eine zweipolige Aufgabe zu verfolgen: Auf der einen Seite muss er die Gabe besitzen, seine Mitmenschen mit "Scharfblick und Urteil" zu ergründen und durch gezielte Beobachtungen ihr Innerstes zu entziffern; auf der anderen Seite muss er, um seine Ziele zu erreichen, die eigenen Absichten und Beweggründe verbergen oder sogar verstellen. Die Verknüpfung von Sehen und Wissen wird auf diese Weise zu einem strategischen Kerngedanken des Textes.
The author presents the concept of testimony in two different literary and theoretical backgrounds, namely the German and the Spanish-American. Testimonio and Zeugnis an not be mutually translated because the first is thought as a literary gender inside the literary tradition of mimesis/imitatio. Whereas the notion of Zeugnis was created in Germany on the grounds of Shoah literature, and was strongly impregnated by the psychoanalytical idea of trauma, and by the awareness of the simultaneous necessity and impossibility of the testimonial writing.
La novela "Leche y carbón" de Ralf Rohmann, publicada en el año 2000, sigue el modele literario deI texto de la memoria. Mientras que en su superficie se traza la imagen de la memoria de una juventud en la región del Ruhr, en su nivel poetológico la novela reflexiona sobre el paradigma literario mismo del texto de la memoria. Estas cuestiones se encuentran en el centro del siguiente análisis.
"Teil der Lösung" ist der jüngste Roman von Ulrich Peltzer, der 1956 in Krefeld, Nordrhein-Westfalen, geboren wurde und seit den 70er Jahren in Berlin lebt, wo er zwischen 1975 und 1982 Philosophie und Psychologie studierte und seither als freier Schriftsteller arbeitet. Sein Werk wurde mit mehreren Preisen, unter ihnen der Berliner Literaturpreis (1996, 2008), der Anna-Seghers-Preis (1997), der Niederrheinische Literaturpreis (2001) und der Heinrich-Böll-Preis (2011), ausgezeichnet. Peltzers Werke beschäftigen sich oft mit dem urbanen Raum, besonders mit Berlin, und der Roman "Teil der Lösung", der im Jahr 2007 erschien und von mehreren Rezensenten für einen der wichtigsten der Saison gehalten wurde, ist keine Ausnahme (vgl. Auer 2009). In diesem Roman, dessen Handlung im Berlin des beginnenden 21. Jahrhunderts spielt, werden unter anderen Themen die Antiglobalisierungsbewegung, der Streit gegen die Verbreitung der Überwachungsformen im Alltag und der Terrorismus diskutiert. Zu all diesen komplexen Motiven finden wir im Roman verschiedene Perspektiven, die sich gegenseitig bestätigen, ergänzen oder revidieren und den Leser von der Komplexität der behandelten Thematik überzeugen. Auch die für den Titel gewählte Anspielung auf den berühmten Satz von Holger Meins, der 1974 behauptete: "Entweder bist du Teil des Problems oder Teil der Lösung" (vgl. z.B. Merkel 2007), lädt zu einer erneuten Lektüre dieser Stellungnahme im Lichte von neuen politischen, sozialen und ökonomischen Bedingungen ein.
Barth und Benjamin verbindet ein radikales Bemühen, um ein neues Wort- und Sprachverständnis, das der eine gegen die traditionelle Theologie, der andere gegen eine positivistische Geisteswissenschaft vorbringt. Damit nehmen sie gewollt oder ungewollt eine prophetische Haltung ein, die sie zeitweise zu absonderlichen Einzelgängern und zu Protagonisten auf verlorenem Posten macht. Barths Diagnose der Erfahrungsarmut traditioneller Exegese für die Arbeit des Theologen ebenso wie Benjamins Sprachduktus und die teils surrealistisch anmutende Themenwahl seiner wissenschaftlichen Fragestellungen lassen vermuten, dass der prophetische Gestus ihres Selbstverständnisses die Ablehnung der Umwelt schon einbezieht und Benjamins Text "Der destruktive Charakter" den Keim einer Theorie der Prophetie 'en miniature' für beide bereitzuhalten scheint. Denn der "destruktive Charakter steht in der Front der Traditionalisten" (GS IV, 398), von denen sich Barth und Benjamin umgeben sahen. Und so könnte man sagen, der Prophet (ebenso wie der destruktive Charakter) zertrümmert nicht einfach das Überlieferte. Er erarbeitet "Trümmer [...] um des Weges willen, der sich durch sie hindurchzieht" (ebd.). "[N]ur eine Parole: Platz schaffen", schreibt Benjamin, "nur eine Tätigkeit: räumen ", in einem Bedürfnis "nach frischer Luft und freiem Raum" (396).
Die Frage, wie sich 'Bibel' und 'Literatur' zueinander verhalten und ob es notwendig und sachgemäß ist, die Größe 'Bibel' der Größe 'Literatur' eigenständig gegenüberzustellen, präsentiert sich zunächst als ein Teilgebiet des weiten Themenfeldes 'Religion und Literatur'. Dieser Zusammenhang wird in den letzten Jahren sowohl in den Fachbereichen der Theologie, im Besonderen in der Praktischen Theologie, als auch in den Literaturwissenschaften verstärkt diskutiert. Nicht von ungefähr, denn das Thema 'Religion' hat in den Medien und im Feuilleton, wie bereits hinreichend bemerkt wurde, Konjunktur. Dies nimmt zunächst nicht wunder, denn Themen haben eben Konjunktur; sie scheinen in der öffentlichen Diskussion auf, dokumentieren Zeitstimmungen, finden ihren Niederschlag in der zeitgenössischen Kunst und Literatur und verschwinden wieder. Vertreter der Theologie zeigen sich dennoch einerseits erfreut über das neu erwachte Interesse an ihrem Fach, stellen eine "Renaissance des Religiösen" fest und begeben sich auf das Terrain der Gegenwartsliteratur, um dort den "religious turn" aufzuspüren. Andererseits kommentiert man, was man dort vorfindet, aus der Warte des 'Theologen' oder dem persönlichen religiösen Gefühl heraus. Diese Perspektive muss der Literaturwissenschaft, zumal derjenigen, die sich der Gegenwartsliteratur widmet, befremdlich erscheinen. Dementsprechend übersieht ein Teil ihrer Fachvertreter das scheinbare "Megathema" entweder, indem unter den "neuen Paradigmen der Gegenwartsliteratur" die Auseinandersetzung mit den Biowissenschaften, der Popkultur und den 'Neuen Medien' namhaft gemacht wird, 'Religion' aber nicht einmal dem Komplex der "Remythisierungen" eingliedert werden mag; oder das Erkenntnisinteresse verlagert sich auf eine gemeinsame Textgruppe 'Bibel und Literatur', wobei man zum einen nach Verarbeitungen von 'Bibel in der Literatur' fragt und zum anderen die Qualität von 'Bibel als Literatur' untersucht.
Der in Pamuks Memoiren zentrale Begriff 'hüzün' lässt sich nicht einfach mit Melancholie übersetzen. Im Gegensatz zu dem individuell erlebten Gefühl der Melancholie – im Türkischen verwendet Pamuk hier den dem Französischen entlehnten Begriff 'melankoli' – beschreibt 'hüzün' ein kollektives Gefühl, das die Stadt in ihren Bewohnern auslöst. 'Hüzün' ist die Reaktion auf die Schwarzweißatmosphäre der Stadt an einem grauen Wintertag, Ausdruck der Schicksalsergebenheit ihrer Bewohner und gleichzeitig ein Gefühl, das der Anblick der Ruinen der einstmaligen osmanischen Hauptstadt im Betrachter hervorruft. Pamuks Werk zeichnet das Bild der Istanbuler als eine affektive, durch 'hüzün' verbundene Gemeinschaft. [...] Die Memoiren veranschaulichen die Faszination, die für Pamuk mit den melancholischen Porträts der Stadt in der westeuropäischen wie der türkischen Literatur, Kunst und Fotografie verbunden ist. Sie verfolgen, wie der Autor sich 'hüzün' als Quelle literarischen Schaffens zu eigen macht. Ob und zu welchem Zweck Pamuk, wie Kemal und Tanpınar vor ihm, 'hüzün' zu einem kollektiven, nationalen Affekt stilisiert, soll im Folgenden untersucht werden.
Unmittelbar auf das fast friedensselig gestimmte Sterbegedicht der "Kleinen Passion" folgt ein seltsam derbkomisches, balladesk trotziges Klagelied einer Kröte, welche partout nicht sterben kann, ein offenkundiger Kontrapunkt oder satirischer Πάρωδος zum elegischen Passionsspiel über den Mückentod. Die beiden Gedichte stehen in Gottfried Kellers 'Gesammelten Gedichten' von 1888 in der zweitletzten Abteilung unter "Vermischte Gedichte" einander zugeordnet. Wie der Titel andeutet, findet sich hier ein recht buntes Allerlei von Texten unterschiedlichster Art und verschiedenster Entstehungszeit - die "Krötensage" wurde zwanzig Jahre vor "Kleine Passion" erstmals publiziert, nämlich 1852. Gleichwohl ist die gruppierende Hand Kellers unübersehbar, und dieser Ordnungswille wurde in der Keller-Forschung etwa von Emil Ermatinger oder Jonas Fränkel denn auch früh festgehalten. Konkret zu den beiden Gedichten sagt letzterer indessen lediglich: "Das Schicksal der Kreatur wird in zwei gegensätzlichen Gedichten abgewandelt." Der Bezüge sind freilich weit vielfältigere: Neben den jahreszeitlichen Kontrastparallelen - die "Kleine Passion" spielt im herbstlichen September, die "Krötensage" im Maienfrühling - und dem bedeutungsgeladenen Verhältnis von Leben, Körper und Hülle, dem "Futterale" - in der "Krötensage" der Stein, in der "Kleinen Passion" das dichterliche Buch - ist den beiden auch dasselbe Thema eingeschrieben: Letztlich geht es um die altehrwürdige 'ars moriendi' in ihrer dialektischen Verflochtenheit mit der 'ars vivendi'. Auch der satirische Grundklang erweist sich bei genauerem Hinschauen als gemeinsam.
Ich werde zu zeigen versuchen, dass der Begriff 'Überleben' bei Foucault zwar nicht besonders auffallend ist, aber doch immerhin in einer signifikanten Weise verwendet wird, und ich werde argumentieren, dass die von Charles Darwin populär gemachte Spencersche Wendung 'survival of the fittest', die das Leben und Überleben-Wollen im Register der Biologie und damit im kalten Licht eines genealogisch-evolutionären Denkens bezeichnet - ich werde sie kurz diskutieren -, auch Foucaults Begriffsverwendung formatierte: Als ein kleiner, ambivalenter Index am Rand seiner Texte, der zum einen auf Theorien verweist, die Foucault als "Bio-Politik" kritisierte, der zum anderen aber die "kalte" Systematik der Diskursanalyse und ihre stille Verwandtschaft mit Theorien der Lebenswissenschaften anzeigt. In jedem Fall aber bezog Foucaults Begriffsverwendung sich auf einen Denkhorizont, der von Darwins schillerndem 'catchword' eröffnet wurde.
Die folgenden Ausführungen zielen darauf ab, die inhaltlichen und poetologischen Implikationen der "Messiashoffnung der Annäherung" im dritten Roman von Brochs Schlafwandler-Trilogie mithilfe von Hermann Cohens philosophischer Interpretation des jüdischen Messianismus zu erhellen. Cohens Interpretation des jüdischen Messianismus ist im Zusammenhang seiner philosophischen Bibel-Exegese zu sehen. Die Hebräische Bibel wertet Cohen explizit als Literatur, als "Poesie", deren Urform das nationale Epos sei. In dieser epischen Urform macht Cohen einen historischen Entwicklungsprozess hin zur Vergeistigung, zur Selbstreflexion im Autokommentar, aus. Einen ähnlichen Prozess der Vergeistigung nimmt Cohen auch in der Figuration des Messias bei den Propheten wahr, welche er als "Dichterdenker" als "Epiker[] der weltgeschichtlichen Zukunft", auffasst. Bei den Propheten wandle sich der Messias von einer politisch-nationalen Amtsperson zum Symbol einer sittlichen, geschichtsphilosophischen Idee.
Man liest Übersetzungen im Allgemeinen als transparente Stellvertreter eines fremdsprachlichen Ausgangstextes, ohne sich des Prozesses des Übersetzens, bzw. der Übersetztheit des Textes bewusst zu sein. Was aber geschieht beim Übersetzen? Übersetzen ist immer Interpretation, so die brasilianische Translationswissenschaftlerin Rosemary Arrojo. Anhand zweier Erzählungen, "Liebe" und "Die Dame und das Ungeheuer oder die allzu große Wunde", der Autorin Clarice Lispector, ins Deutsche übersetzt von Curt Meyer-Clason und Sarita Brandt, wird nach Übersetzungsstrategien und den sich daraus ergebenden Interpretationen, nach Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit der Übersetzer und der Übersetzung gefragt, die aus den Zieltexten erkennbar sind, stellt man sie den Ausgangstexten gegenüber.
Rezension zu Stephan Theilig, Türken, Mohren und Tataren. Muslimische (Lebens-) Welten in Brandenburg-Preuβen im 18. Jahrhundert. Berlin, Frank&Timme, 2013
Parece estranho à primeira vista tratarmos do tema da ausência, tão caro à antropologia, à semiótica e às artes. Para tanto, procederemos inicialmente a uma breve conceituação do termo, para depois passarmos a um curto panorama da produção cinematográfica dos últimos 20 anos na Alemanha, que geralmente acompanha tendências semelhantes na literatura. Verificaremos em que medida podem ser detectados elementos de ausência no cinema pós-muro na Alemanha. Em seguida, procederemos a uma análise de planos fílmicos de três filmes nos quais se evidencia a questão da ausência. Para este trabalho, utilizaremos como base teórica considerações de Lehmann/Weibel, Bernhard Waldenfels, Gilles Deleuze e Michel Chion.
Rezension zu: Akstinat, Björn (Hg.) (2012/2013): Handbuch der deutschsprachigen Presse im Ausland. Verzeichnis deutschsprachiger Zeitungen, Zeitschriften, Mitteilungsblätter und Jahrbücher außerhalb Deutschlands, Österreichs, Luxemburgs, Liechtensteins und der Schweiz. Berlin: Internationale Medienhilfe, 318 S., ISBN 978-3-9815158-1-7
[Rezension zu:] Bescansa, Carme/Nagelschmidt, Ilse (Hgg.) : Heimat als Chance und Herausforderung
(2015)
Rezension zu Bescansa, Carme/Nagelschmidt, Ilse (Hgg.) (2014): Heimat als Chance und Herausforderung. Repräsentationen der verlorenen Heimat. Berlin: Frank & Timme, ISBN 978–3–7329–0027–5, 333 S.
Die Publikation besteht aus einer Auswahl von Beiträgen (insgesamt 17), die auf der Internationalen Tagung 'Repräsentationen der verlorenen Heimat in der deutschsprachigen Literatur Böhmens, Mährens, Schlesiens' an der Universität des Baskenlandes in Vitoria-Gasteiz im Juni 2013 gehalten wurden. Die Tagung wurde als Abschluss von zwei an der baskischen Universität in den Jahren 2010 und 2013 realisierten Forschungsprojekten realisiert. Den Untersuchungsgegenstand der literarischen Analysen stellt die Frage der verlorenen bzw. verschwindenden Heimat und Identität dar.
Rezension zu Dringó-Horváth, Ida/Fülöp, József/Hollós, Zita/Szatmári, Petra/Szentpétery-Czeglédy, Anita/Zakariás, Emese (Hgg.) (2014): Das Wort - ein weites Feld. Festschrift für Regina Hessky. Budapest: L’Harmattan, ISBN 978–963–236–885–6, 318 S.
Die vorliegende Festschrift ist Regina Hessky gewidmet, die 2013 ihren 70. Geburtstag feierte. 2014 sind mehrere AutorInnen des Bandes nach Budapest gefahren, um dort ihren Beitrag auch in Form eines Vortrags auf einer Festveranstaltung zu präsentieren und der Jubilarin mit vielen anderen TeilnehmerInnen zusammen zu gratulieren und die Festschrift zu überreichen.
Rezension zu Jesenšek, Vida/Dobrovolskij, Dmitrij (Hgg.) (2014): Phraseologie und Kultur. Phraseology and Culture. Bielsko-Biała/Budapest/Kansas/Maribor/Praha: Verlag der Philosophischen Fakultät Maribor, ISBN 978–961–6930–04–8, 597 S.
Der vorliegende Band (sowie drei andere Tagungsbände, die Phraseodidaktik, Phraseographie und Phraseme in Korpora wie auch die vergleichende Phraseologie fokussieren) geht auf die Tagung der Europäischen Gesellschaft für Phraseologie zurück, die im August 2012 in Maribor stattgefunden hat.
Rezension zu: Jičínská, Veronika (2014): Böhmische Themen bei Fritz Mauthner und Auguste Hauschner. Ústí nad Labem: Filozofická fakulta Univerzity J. E. Purkyně v Ústí nad Labem (Acta Universitatis Purkynianae, Facultatis Philosophicae Studia Germanica, Series Monographica 3), 126 S., 5 S. Anhang, ISBN 978-80-7414-692-3