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Am Beispiel von Strukturen, Prozessen und Inhalten der Interessenvermittlung zur Etablierung eines Sektors zum Offshoring von Dienstleistungen in der Stadt Fes wird lokale Wirtschaftspolitik in Marokko in einer detaillierten empirischen Studie analysiert. Dabei wird die Relevanz von Klientelismustheorien zur Erfassung und Erklärung von Interessenvermittlung relativiert und der empirische Fall in die Diskussion zu politischer Ökonomie, Staatlichkeit und Transformation in der MENA-Region im Allgemeinen und in Marokko im Besonderen eingeordnet.
Kulturalisierungen und Zuschreibungen ›kollektiver Identitäten‹ dienen in Debatten um die Einwanderungsgesellschaft Deutschland immer wieder dazu eine soziale Ordnung zu konstruieren, die zwischen denen unterscheidet, die dazu gehören und jenen, die nicht dazu gehören. Gleichzeitig formiert sich ›Identitätspolitik‹ als eine widerständige politische Praxis. Sie greift im Bewusstsein einer gemeinsamen Geschichte der Ausbeutung und Unterdrückung infolge einer zugewiesenen und konstruierten ›Identität‹ als ›Andere‹ diese als politischen Kampfbegriff auf und macht sie zum Mittel von Befreiungspolitik. Vor diesem Hintergrund untersucht die vorgelegte Dissertation die Fragestellung: Welche Strategien politischen Handelns existieren, die zum Ziel haben, das Kraftfeld der identitären Projektionen und deren materiellen Folgen zu stören, politische und sozio-ökonomische Rechte einzufordern und ohne ›Identität‹ auszukommen?
In Auseinandersetzung mit Konzepten von Stuart Hall, Judith Butler, Antke Engel, Fatima El-Tayeb und Audre Lorde lote ich theoretisch die Möglichkeiten und Unmöglichkeiten nicht-identitärer Strategien politischen Handelns aus. Ein solches Handeln konzeptualisiere ich in Abgrenzung vom Gros der Ansätze sozialer Bewegungsforschung als eines, das nicht auf der Politisierung und Mobilisierung einer ›kollektiven Identität‹ basiert, sondern sich anti-identitär gegen Identitätszuschreibungen und deren Folgen wendet. Zugleich wirkt es ent-identifizierend, wenn es gelingt, vorhandene Identitätszuschreibungen zu dekonstruieren ohne neuen ›Identitäten‹ zu konstruieren. Anhand einer theoriegeleiteten, empirischen Analyse ausgewählter politischer Interventionen von FeMigra und Kanak Attak – zweier kollektiver Akteur_innen auf dem Feld der Migrations- und Antirassismuspolitik – werden die Bedingungen und die Strategien dieses Handelns sichtbar.
Die Fallstudien zeigen, dass nicht-identitäre Strategien politischen Handelns nur kontingent und temporär möglich sind, bevor sie wieder identitär vereinnahmt werden. Es sind aber gerade diese Momente, in denen schlaglichtartig erkennbar wird, dass die identitäre Zwangslogik nicht unausweichlich ist. Zentrales Motiv dieser nicht-identitären Momente ist ein Perspektivenwechsel, der darin besteht, nicht die Subjekte, sondern die gesellschaftlichen Verhältnisse in den Blick zu nehmen, die ›Migrant_innen‹ erst als ›Andere‹ hervorbringen und ausgrenzen. Ihre Strategien, die ich unter Rückgriff auf meine theoretischen Überlegungen als ›ent-identifizierender Artikulationen‹ (FeMigra) und ›VerUneindeutigungen‹ (Kanak Attak) interpretiere, richten FeMigra und Kanak Attak gegen jene materiellen Verhältnisse, die gesellschaftlichen Ein- und Ausschluss organisieren. Dabei fordern sie nicht die Anerkennung einer ›kollektiven Identität‹, sondern versuchen alternative Konzepte von Zugehörigkeit zu entwickeln. Zugehörigkeit wird dabei nicht an eine ›Identität‹ geknüpft, sondern als Resultat einer gelebten Realität verstanden. Soziale und politische Rechte und gesellschaftliche Teilhabe werden von nationaler Zugehörigkeit qua Staatsbürgerschaft entkoppelt. Damit können die von Kanak Attak und FeMigra formierten Bewegungen als Ausdruck einer schon existierenden anderen Gesellschaft begriffen werden, in der Praktiken der Inklusion und Formen der Bürger_innenschaft praktiziert werden, die durch Rassismen in der Mehrheitsgesellschaft verunmöglicht werden.
Die Untersuchung macht darüber hinaus deutlich, dass Widerstand jenseits von ›Identitäten‹ den Blick nicht nur auf Herrschaftsverhältnisse richtet, sondern auch durch diese erzeugt wird. Die verschiedenen Strategien sind ebenso durch die unterschiedlichen institutionell-organisatorischen Zusammenhänge wie durch die Veränderungen des historisch-sozialen, zeitdiagnostischen Kontextes (1990-2007) bedingt. Für die Entwicklung der beiden Akteur_innen und ihrer Motivation zu kollektivem Handeln und für das Verständnis der Strategien ist dieser Kontext, das heißt die Strukturen rassistischer Unterwerfung und kapitalistischer Ausbeutung, entscheidend. Die Interventionsformen sind damit Störungen des jeweils zeitgenössischen Systems und daher nicht verallgemeinerbar, sondern immer geprägt von den Verhältnissen, gegen die sie sich richten.
Im World Wide Web werden diverse Dinge kostenlos angeboten. So auch die so genannte Open-Source-Software. Dass viele Akteure freie und kostenlos zugängliche Software entwickeln, ohne in geregelter Weise dafür entlohnt zu werden, wirft die Frage nach der grundsätzlichen Vereinbarkeit dieses Phänomens mit dem herrschenden kapitalistischen Wirtschaftssystem auf. Ökonomisches Verhalten scheint außer Kraft gesetzt. Statt von „Ökonomie“ könnte man in diesem Fall von „Geschenkökonomie“ bzw. „Gift Economy“ reden. Es stellt sich die Frage, welche Rolle Gaben/Geschenke im Rahmen des Open-Source-Phänomens spielen und inwiefern dieses Phänomen durch die vorhandenen Theorien zur Gift Economy erklärt werden kann. Um die Forschungsfragen zufrieden stellend zu beantworten, bedarf es einerseits einer Präzisierung auf theoretischer Ebene, die neben den bestehenden Theorien zur Gift Economy das Phänomen Open-Source im Besonderen berücksichtigt. Darüber hinaus soll das Phänomen Open Source in Form einer qualitativen empirischen Studie, welche die je spezifischen Motive des ,Zusammenhandelns’ der Open-Source-Programmierer zum Gegenstand hat, daraufhin untersucht werden, welche Rolle Gabe/Geschenke in Bezug auf dieses spielen. Ziel ist es hierbei, eine Typologie des Open-Source-Programmierers zu entwickeln. Anhand dieser Typologie soll deutlich werden, welche unterschiedlichen thematischen Kontexte für das Phänomen Open-Source rele¬vant sind. Auf Basis der Forschungsergebnisse ist es dann zudem möglich, in einer Schlussfolgerung die Theorie der Gift Economy auf der sicheren Basis em¬pirischer Daten gegebenenfalls weitergehend zu differenzieren.
Lebensstil und Nationalstaat
(2012)
Ziel der folgenden Studie ist es, in vier aufeinander aufbauenden Schritten zu untersuchen, ob oder inwieweit in der gegenwärtigen deutschen Lebensstilforschung die
wechselseitige Beeinflussung zwischen "Lebensstilen" einerseits und dem deutschen "Nationalstaat" andererseits analytisch aufbereitet und hinterfragt wird. Im Vordergrund dieses Forschungsvorhabens steht die Frage, wie Individuen respektive gesellschaftliche Gruppen in der Bundesrepublik Deutschland über ihren Lebensstil im politischen Gebilde des deutschen Nationalstaates verankert sein könnten.
Demzufolge wird das relativ neuartige soziologische Moment der Lebensstile mit der vornehmlich politologischen Materie Nationalstaat kontrastiert. Diese Gegenüberstellung soll einen neuartigen Beitrag dazu leisten, tatsächliche inhaltliche und strukturelle Anknüpfungspunkte dieser gegenwärtig weitestgehend getrennt verlaufenden gesellschaftswissenschaftlichen Diskurse aufzuzeigen, um sie folgenden Debatten zuzuführen, in denen die weitere gesellschaftliche bzw. nationalstaatliche Gegenwart und letztlich auch Zukunft fokussiert wird. Dem Forschungsansatz liegen dabei zwei zentrale Hypothesen zugrunde: - I - Zum einen die Annahme, dass allen in der gegenwärtigen deutschen Lebensstilforschung maßgeblichen Studien keine analytisch verwertbare nationalstaatliche, aber auch kollektive Rahmung zugrunde liegt und gerade in diesem Auslassen eine elementare Schwäche der herkömmlichen Lebensstiltheorien zu identifizieren sein könnte. - II - Zum anderen die Vermutung, dass auch in allen Studien, die im Mittelpunkt der deutschen Nationalstaatstheorie bzw. -forschung stehen, die analytische Kategorie Lebensstil letztlich keine Berücksichtigung findet und gerade das Fehlen eines derartigen empirischen Ansatzes als Teilursache des sehr hohen Abstraktionsgrades dieses gesellschaftswissenschaftlichen Teilbereichs erkannt werden kann.
Beide zentralen Hypothesen gehen mit der äußerst interessanten Frage einher, ob nicht durch eine wechselseitige Verknüpfung einerseits der vor allem empirisch fundierten Ansätze der Lebensstilforschung und andererseits der eher theoretischen Modelle der Nationalstaatstheorie
zumindest punktuell konzeptionelle Schwächen beider Theoriestränge zu beheben sind.
Im ersten Arbeitsabschnitt der hier vorgelegten Studie werden die vier soziologischen Hauptwerke Emile Durkheims einem eingehenden analytischen Diskurs unterzogen. Es wird geprüft, in welcher Hinsicht einzelne analytische Kategorien und Thesen der Durkheimschen Gesellschaftstheorie einen Beitrag zur Erweiterung des Untersuchungsrasters etablierter Lebensstil- und Nationalstaatstheorien zu leisten und gegebenenfalls konzeptionelle Lücken in der Rekonstruktion und Reflektion des sozialen Raumes zu schließen vermögen. Hierauf aufbauend werden in einem zweiten Arbeitsschritt zunächst die noch immer als herkömmliche Klassiker angesehenen Lebensstiltheorien Max Webers, Georg Simmels und Pierre Bourdieus einer definierten Betrachtung unterzogen. Im Rahmen dieser Untersuchung, in der die relevanten Lebensstiltheorien Webers, Simmels und Bourdieus darzulegen sind, werden die unterschiedlichen konzeptionellen Ansätze Webers und Simmels aufgezeigt und zusammen mit den aus dem vorangehenden Kapitel über die Durkheimsche Soziologie stammenden Erkenntnissen der Lebensstiltheorie Bourdieus gegenüber gestellt. Die Frage nach dem möglichen Wechselverhältnis zwischen Lebensstilen und einem modernen Nationalstaat westlicher Prägung ist bei der Betrachtung der angeführten "klassischen" Lebensstiltheorien stets eingebunden.
Im anschließenden dritten Arbeitsschritt werden die in der gegenwärtigen deutschen Sozialforschung maßgeblichsten Lebensstilkonzeptionen einer eingehenden, mehrstufigen Untersuchung unterzogen. Hierbei werden die auf Seiten der sog. "Strukturierungsmodelle" zentralen Studien Werner Georgs, Annette Spellerbergs und Hartmut Lüdtkes, in denen modernen Lebensstilen ausgehend von einer eindeutigen Rückbindung an klassische objektive Grundlagen resp. Ressourcen auch vermehrt subjektive Facetten zugebilligt werden, und das sog. "Entstrukturierungsmodell" von Karl Hörning et al. mit den in den vorangehenden Arbeitsschritten ausgearbeiteten analytischen Kategorien kontrastiert.
Ausgehend hiervon werden im vierten Kapitel zunächst noch einmal die im vorangehenden dritten Kapitel tatsächlich identifizierten expliziten kollektivsoziologischen bzw. nationalstaatlichen Momente der reflektierten Lebensstiltheorien zusammengefasst, um in einem anschließenden Arbeitsschritt jeweils exemplarische Ansätze herauszuarbeiten, wie - wenn möglich oder erforderlich – etwa die in dieser Studie fokussierten Lebensstilmodelle vor allem anhand markanter kollektivsoziologisch, nationalstaatstheoretisch, aber auch sozialstrukturanalytisch relevanter Items konkret erweitert werden können. Diesem für Studie "Lebensstil und Nationalstaat" maßgeblichen Vorhaben liegt dabei die Prüfung des zweiten Bestandteils der zentralen Hypothese I zugrunde, dass auf diese Weise ein Beitrag zur Weiterentwicklung der analysierten Lebensstilkonzeptionen geleistet werden kann und diese zugleich auf eine profundere theoretische Basis gestellt werden können. Der zweite Schwerpunkt des vierten Kapitels widmet sich dann der Klärung der überaus fordernden Frage nach einer sinnvollen Annäherung bzw. wechselseitigen Ergänzung der deutschen Lebensstilforschung und der Nationalstaatstheorie in Deutschland und wird konsequenter Weise durch eine pointierte Analyse klassischer und moderner politikwissenschaftlicher Nationalstaatstheorien abgebildet.
Die vorliegende Untersuchung orientierte sich im Kern an der Frage, wie Bildung und Wissen als gesellschaftliche ebenso wie als wirtschaftliche Ressource zum Ausgangspunkt für eine in die Zukunft weisende gesellschaftlich-politische Programmatik werden könnten. Gemeint ist damit die Formulierung einer idealerweise auch auf Unterstützung durch politik- und sozialwissenschaftliche Forschung zurückgreifende Zielvorstellung. Auf deren Basis sollten die politische, ökonomische und sozio-kulturelle Fortentwicklung des Libanon gestattende Reformen initiierbar sein und bestehende Entwicklungs- Repräsentations- und Identitätsdefizite vermindert oder gar behoben werden können.
Die zur Beantwortung dieser Frage vorgenommene, vier Haupt-Untersuchungsschritte umfassende Analyse setzte in einem ersten Untersuchungsschritt (Kapitel 2) bei der Schilderung der Entstehungsbedingungen des heutigen Libanon an, dessen geostrategische Lage als eine der Hauptursachen für die politische Situation des Landes, auf dessen Territorium unter anderem auch nichtlibanesische Akteure kriegerische Handlungen austrugen, identifiziert wurde. Insgesamt wurden sowohl exogene wie auch endogene Faktoren für die durch eine chronische Instabilität gekennzeichnete politisch-historische Problematik des Libanon herausgearbeitet. Dabei wurden insbesondere zahlreiche Zäsuren und schwerwiegende innenpolitische Dissenskonstellationen in der politischen Geschichte des Libanon evident. Anschließend wurden die heute vorzufindenden spezifisch-libanesischen Strukturen von Politik, Ökonomie und Gesellschaft in den Blick genommen und neben den schon genannten Identitäts- politischen Repräsentations- und Entwicklungsproblemen folgende gesellschaftlich-politische Problemlagen identifiziert: auf Globalisierung und Bürgerkrieg zurückzuführende ökonomische Probleme - aus politischer Instabilität und dem Nahostkonflikt resultierende Probleme - Aus der innenpolitischen Systemkrise und Reformresistenz ableitbare Probleme. Als die zentralen innenpolitischen Probleme wurden die Existenz bewaffneter subnationaler Akteure, die ungleiche Verteilung von Machtressourcen und entsprechende Machtasymmetrien zwischen den unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen sowie das den ganzen Libanon überziehende und desintegrativ wirkende Patronage- und Klientelsystem, politischer Konfessionalismus sowie fragile Institutionen im Zusammenhang mit einem verbreitet uneffektiv operierenden Staatsapparat benannt. Außerdem wurden aus strukturellen Ungleichheiten gesellschaftlicher Gruppen hervorgehende soziale Probleme identifiziert. Dabei konnte gezeigt werden, dass auch das libanesische Bildungswesen von allen genannten innenpolitischen Defiziten infiziert und damit strukturell erheblich geschwächt wurde. Das in einer Zeit, in der die Ressource Wissen – Wissensproduktion und Wissensintensität - ein immer wichtiger werdender Treiber für Innovation, Wohlstand und gesellschaftlich-ökonomische, aber auch soziokulturelle Weiterentwicklung darstellt. Als ein entscheidendes Moment wurde außerdem der Dauerkonflikt der zentralen politischen Akteure benannt, aus dem das Fehlen eines konsistenten politischen Handelns und das unter anderem – neben dem chronischen Repräsentationsproblem - darauf beruhende staatliche Legitimationsdefizit entscheidend beruhen.
Der zweite Untersuchungsschritt (Kapitel 3) legte in drei Teilschritten die theoretischen und definitorischen Grundlagen der Untersuchung, indem dargelegt wurde, was unter Bildung einschließlich ihrer Merkmale, Strukturen und Steuerungsoptionen zu verstehen ist und wie sich Erziehung und Sozialisation voneinander unterscheiden. Dabei wurden die verschiedenen in der arabischen Sprache für Bildung benutzten Begriffe vorgestellt, die eine wissens-, erfahrungs-, entwicklungs- bzw. wachstums- oder kultur- bzw. verhaltensbezogene Dimension haben können. Bildung wurde überdies als ein Prozess aufgefasst, in dessen Verlauf das Individuum reproduzierbare Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, doch zugleich auch persönliche Werthaltungen und Einstellungen internalisiert. Parallel dazu wurde die die Entwicklung der Gesamtgesellschaft fördernde Funktion von Bildung herausgestrichen, indem auf bildungsinduzierte Veränderungen auf gesellschaftlicher politischer, kultureller und ökonomischer Ebene wie aber auch auf der Individualebene (Wissenstransfer) und Interaktionsebene (kommunikatives Rollenhandeln) verwiesen wurde. Gesprochen wurde in diesem Zusammenhang von einem kollektiven Lernvorgang, der den Wandel gesellschaftlicher Steuerungskapazitäten und damit struktureller Problemlösungsmöglichkeiten eines Gesellschaftssystems einschließt. Es wurde argumentiert, dass es unter der Voraussetzung der Kreation potentieller Entwicklungschancen – Bildung als Entwicklungsmotor - zur Schaffung neuer Strukturen durch Bildung, verstanden im Sinne eines eigenständigen gesellschaftlich ausdifferenzierten und institutionalisierten Bereichs, kommen kann. Das daran gekoppelte Geschehen wurde erstens unter den für den Libanon systemspezifischen Kontextbedingungen von Sozialisation sowie den sich an sozialen und politischen Interessen orientierenden Erziehungsnormen expliziert und zweitens als Instrument für die Sicherung von Qualifikation sowie politischer Legitimation und Ausübung von Herrschaft beschrieben. Drittens wurde Bildung als eine zentrale Prämisse für Emanzipation und Demokratisierung gesellschaftlicher Strukturverhältnisse gekennzeichnet.
Viertens wurde die stets knappe und distinktive Züge tragende Ressource Bildung als gesellschaftsstrukturierender Vorgang angesichts der Interdependenz zwischen Bildungschancen sowie Bildungspartizipation einerseits und dem sozialen Status des Individuums und dessen Familie andererseits herausgearbeitet und in diesem Kontext die gravierende Ungleichheit beim Zugang zu Bildung im Libanon nachgewiesen.
Die beiden folgenden Teilschritte befassten sich mit bildungspolitischen Überlegungen hinsichtlich der Gestaltung von institutionellen Bildungsprozessen sowie mit der Veränderung des Bildungsgeschehens und dessen Einfluss auf Umfang und Charakter des Humankapitals im Rahmen des Globalisierungsprozesses. Dabei wurde zunächst die Steuerungsfunktion von Bildungspolitik im Rahmen des Treffens zentraler Entscheidungen über die Zukunft des Landes thematisiert. Bildungspolitik inklusive Bildungsplanung und Bildungsökonomie wurden insofern als eine zentrale Schnittstelle politisch-strategischen Handelns in Bezug auf die inhaltliche und politische Ausrichtung des libanesischen Bildungssystems im Lichte seiner Qualifikations-, Allokations- und Sozialisationsfunktion von Bildung identifiziert. Die libanesische Bildungspolitik wurde in einen Zusammenhang mit der Multireligiosität sowie der Konkurrenzkonstellation zwischen staatlichen und religiösen Bildungseinrichtungen sowie den daraus resultierenden Auswirkungen auf politisches und gesellschaftliches Handeln reflektiert. Dabei wurden die bildungspolitische Inkohärenz in Bezug auf Form, Inhalt und Prozesse sowie besonders die ideologische Funktion der Bildungspolitik deutlich, die normative, für die Zukunft des Libanon relevante Erziehungsziele formuliert und inhaltlich über Werthaltungen, bildungsspezifisches Informationsspektrum und Unterrichtsthemen entscheidet. So wurde außerdem deutlich, dass die politische Durchdringung von Bildungspolitik Bereiche wie Bildungsgerechtigkeit und -chancen, inhaltlich-curriculare Ausrichtung, aber auch die formale Organisation von Bildungseinrichtungen sowie den Zuschnitt der bildungsinstitutionellen Interaktionssysteme (z. B. Interaktionssystem Unterricht oder Interaktionssystem Schule) tangiert. In diesem Zusammenhang wurde festgestellt, dass sich das aktuelle Bildungssystem im multireligiösen Libanon der Globalisierung noch nicht vollständig unterworfen hat, zumal hier – zumindest zu einem beachtlichen Teil - bis dato eher eine Lokalisierungstendenz sichtbar wird und damit ein vorläufiges Insistieren auf lokale und regionale Bildungstraditionen. Das bedeutet allerdings nicht, dass Bildung und Wissenschaft als strategische Größe der Zukunftssicherung im Libanon ausgeblendet würden oder dass die Auswirkungen der Globalisierung auf das libanesische Bildungssystem nicht spürbar wären. Vielmehr breitet sich durchaus vermehrt das Bewusstsein aus, wie wichtig eine Investition in Humankapital im Sinne der Formierung einer wissensbasierten Wirtschaft ist und unter Einbeziehung einer möglichst großen Anzahl von Akteuren erhebliche Chancen zunächst einmal ökonomischer, dann aber auch politischer und gesellschaftlicher Weiterentwicklung bietet. In diesem Kontext wurde deutlich, dass dabei nicht nur Wirtschaftswachstum und ein höherer Beschäftigungsstand ausschlaggebend sind, sondern insbesondere auch eine größere gesellschaftliche Kohäsion durch erhöhte Bildungspartizipation und durch einen höheren sozialen Status erreichbar ist.
Im dritten, sich mit Entwicklungsverläufen, Systemkomponenten, Bestandsvoraussetzungen und Kennziffern von Bildung im Libanon beschäftigenden Untersuchungsschritt (Kapitel 4) wurde zunächst die historische Herausbildung des uns heute bekannten libanesischen Bildungswesens erläutert, bevor anschließend konstitutionelle Rahmenbedingungen, Leistungen und Leistungsfähigkeit, disziplinäres Spektrum und die Anzahl von an libanesischen Universitäten Immatrikulierten dargelegt wurden.
Im vierten Untersuchungsschritt (Kapitel 5) ging es um die Bestimmung der gegenwärtigen Bildungssituation im Libanon und um die Reflexion der Rolle, welche die Bildung künftig im Libanon spielen wird bzw. spielen sollte. Dabei spielten schichtabhängig ungleich verteilte Bildungszugangschancen ebenso eine Rolle wie die sich quantitativ immer weiter ausdehnende Schul- und Universitätsausbildung von Mädchen und Frauen. Den zu beklagenden Defiziten wurden schließlich potentielle Funktionen von Bildung als Entwicklungsmotor gegenübergestellt und die politischen Voraussetzungen dafür benannt. Im Anschluss daran wurden im Rahmen des Kapitels 6 die um die aktuelle und künftige Lage der Bildung im Libanon sowie um sich daran koppelnde Fragen kreisenden Interviews dokumentiert, ausgewertet und politisch-soziologisch kommentiert. Dieser Einordnungsversuch ist Grundlage für die nachfolgend formulierte Prognose hinsichtlich der Motive, Bedingungen und Folgen, aber auch Hemmfaktoren einer notwendigen Reform des libanesischen Bildungswesens.
Nachdem zunächst Ziel und Forschungsgegenstand dieses Aufsatzes erläutert (1.2.1) wurden, werden die Definitionen der Leitbilder verdeutlicht, der in diesem Aufsatz eine zentrale Rolle spielen (1.2.2). Danach werden die vorangegangenen Studien über die „Leitbilder“ der deutschen Außenpolitik zusammengefasst und die Fragestellung dieser Arbeit diskutiert (1.2.3). Da ein Ziel dieser Arbeit die Verdeutlichung der Kontinuitätsund Wandelseite des „Leitbildes“ ist, das die deutsche Außenpolitik in der Realität verfolgt, fasst der Verfasser schließlich die Debatte über „Kontinuität und Wandel der deutschen Außenpolitik“ zusammen. Hier wird der Verfasser die Debatte über „Kontinuität und Wandel der deutschen Außenpolitik“ mit der Debatte über „Leitbilder“ der deutschen Außenpolitik konvergieren. Dadurch wird der Verfasser verdeutlichen, dass sich im „Leitbild“ die Essenz der deutschen Außenpolitik widerspiegelt (1.2.4).
Ziel der vorliegenden Arbeit war es die Einflussmöglichkeiten von Umweltverbänden im energiepolitischen Entscheidungsprozess in Deutschland und in Südkorea zu vergleichen. Diese Studie untersuchte exemplarisch den BUND und die KFEM hinsichtlich ihrer Einflusschancen auf die Atompolitik in beiden Staaten innerhalb eines bestimmten Zeitraumes (vom Tschernobyl-Reaktorunfall 1986 bis 2007). Ein besonderer Fokus galt dabei den Faktoren, die auf unterschiedlichen Ebenen diese Einflusschancen herstellen bzw. minimieren...
Es ist Ziel der Dissertation, einen Zusammenhang von Migration und Integration zu erarbeiten und ihn anhand einer qualitativen Befragung von Migrantinnen exemplarisch darzustellen. Das bedeutet, die Soziologie der Integration um ihr migratorisches Vorfeld zu erweitern und den Einfluss von Herkunft und Migrationsgeschichte auf den Integrationsverlauf zu prüfen. Empirische Grundlage der Arbeit sind narrative Interviews mit 15 türkischen und 15 russischen Migrantinnen zu ihrer Migrationsgeschichte und ihren Integrationserfahrungen in Deutschland. Die Forschungsfrage lautet: In welchem Maße sind Herkunftskultur und Migrationsgeschichte mitbestimmend für den Integrationsverlauf von weiblichen Zuwanderern? Daraus ergaben sich drei Forschungshypothesen. Sie thematisieren (1) den Einfluss der Migrationsgeschichte auf den Integrationsverlauf, (2) den Einfluss der Herkunftskultur auf Migrationsgeschichte und Integrationsverlauf, (3) und dass Migration zu Identitätswandel führt. Methode ist ein induktiv-verstehendes Vorgehen. Sie steht im Rahmen einer phänomenologischinterpretativen Analyse und findet in dieser Forschungsfrage ihren Anwendungsfall. Sie befasst sich mit den sozialen Repräsentanzen in der Person, denen Sozialisation (Herkunftskultur) und die Strukturen der Migrationsentscheidung (Migrationsgeschichte) zugrunde liegen. Die Antwort auf die Frage, ob die Entscheidung zur Migration individuell oder innerhalb der Familie getroffen wird, liefert deutliche Hinweise auf Verhalten und Einstellungen in der postmigratorischen Situation. Die relativ individualistische Gestaltung des Migrationsgeschehens, wie sie Russinnen berichten, und die gebundene Familienwanderung, wie sie Türkinnen erleben, markieren getrennte Lebenswelten mit ebenso getrennten weiblichen Rollenerwartungen. Sie setzen sich fort in typischen Integrationshürden und unterschiedlichen Bewältigungschancen von Fremderfahrung. Dies berechtigt, durchgehende Beeinflussungsstränge von Herkunftskultur auf Migrationsgeschehen und Integrationsverlauf anzunehmen. Kein Migrationsvorgang bleibt von der Frage des Identitätswandels unberührt. Die Erfahrung von Fremdheit und der Bedeutungsverlust der Herkunftskultur in der „Alltäglichkeit“ des Aufnahmelandes werden von der Migrantin als krisenhaft erfahren. Die Arbeit konnte aufzeigen, wie Herkunftskultur und Migrationsgeschichte für den Integrationsverlauf der befragten Migrantinnen bestimmend sind.
The impact of the end of the Cold War on United States foreign and defense policy in the 1990s is frequently misunderstood within the field of International Relations. On the one hand, it is often assumed that the US was able to achieve a substantial ‘peace dividend’ after finally claiming victory over the Soviet Union. Yet it is also common for scholars to see the early potential for a more peaceful international order after the cessation of Cold War hostilities as having been frustrated by a series of unexpected events during the 1990s. On the other hand, scholars who focus on understanding contemporary developments and the prosecution of US foreign and defense policy in the Global War on Terror often restrict their analysis to the unfolding of recent events, rather than critically investigating the roots of contemporary US defense policy, which lie in the years immediately following the fall of the Berlin Wall and the end of the Cold War in 1989. This thesis puts forward the notion that the contemporary parameters of US security policy can only be fully understood when they are placed within a broader analytical narrative that incorporates the politics of US defense policymaking during the late-1980s, as well as the decade following the end of the Cold War. In doing so, it suggests two key factors not sufficiently highlighted in the existing literature. The first is that analyzing how US ‘defense coalitions’ are formed, which conditions facilitate their influence on the defense policy agenda, and what the consequences of this are for US security strategy is crucial to understanding the intense political struggles that inform US threat perception, strategic planning, and the development of major weapons systems. Building on earlier theories of the Military-Industrial Complex, the concept of defense coalitions establishes greater analytical leverage for providing a compelling account of the dynamics of change and continuity in US defense policy during the 1990s. The second factor is the importance of studying the use of rhetorical action, which is aimed at the construction of an overarching security narrative, for understanding how political entrepreneurs within the US defense policy community have sought to shape the post-Cold War defense policy agenda. In sum, the thesis argues that political elites who were committed to the maintenance of a high volume of US defense spending in ‘peacetime’ were able to shape how external events were interpreted within the defense policy community, in order to construct a new overarching security narrative that helped to legitimize their policy goals.
Lorenz von Stein und die Französische Revolution : Zeitgeschichte als Theorie der Gesellschaft
(2010)
Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht eine Untersuchung zum internationalen Talent-austausch, zur Mobilität und zur Ausbildung von medizinischen und natur-wissenschaftlichen Hochschulabsolventinnen und -absolventen des institutionellen BMEP-Programms (BMEP/Biomedical-Exchange-Program) während des Studiums und beim Übergang ins Berufsleben. Das transatlantische Biomedical Exchange Programm ist ein Programm zum Talentaustausch von Graduierten und Post-Graduierten mit den USA und verankert Innovations- und Wissenstransfer-Forschung von universitärer und industrieller Welt in der Life-Science-Industrie1). Das Programm wurde im Jahr 1979 von Prof. Dr. John Boylan, Prof. of Medical and Physiology an der University of New York, Buffalo und Medical School Farmington (Connecticut) und Prof. Dr. Hilmar Stolte von der Medizinischen Hochschule Hannover ins Leben gerufen. Es handelt sich um eine soziologische Aufgabenstellung mit der thematischen Zielsetzung im Bereich der Karriereforschung. Die Untersuchung hat geklärt, ob internationale Ausbildung und interdisziplinäres Wissen einen Wissensvorsprung bedingen, der sich im Hinblick auf internationale Karrieren und Führungspositionen in unserer heutigen Wissens-gesellschaft auswirkt. Um die Arbeit in den bestehenden Forschungskontext einzuordnen, ist es notwendig, sowohl soziologische als auch ökonomische Teilgebiete der Karriere-, Qualifikations- sowie Mobilitätsforschung zu berücksichtigen, was in den Kapitel 3 und Kapitel 4 dargestellt wird. Die Arbeit ist eine erstmalige empirische Untersuchung über das institutionelle, transatlantische und interdisziplinäre Biomedical-Exchange-Program (BMEP) zum Talentaustausch von medizinischen und naturwissenschaftlichen Studenten mit den USA auf der Ebene von universitärer und industrieller Welt. Um die Effektivität und Leistungsfähigkeit des institutionellen BMEP-Programms zu evaluieren, wurden je drei ehemalige Absolventen pro Jahrgang des Programms der Jahrgänge 1979-2004 mit Hilfe eines Fragebogens befragt. Die Untersuchung befasst sich schwerpunktmäßig mit den ursprünglichen Intentionen und Motiven der Teilnehmer, den Schwierigkeiten, die sich auf diesem Wege in die USA ergeben haben und den Absichten, die verwirklicht werden konnten. Sie fragt, ob erfolgreiche internationale Karrieren durch die Teilnahme am BMEP-Programm entstanden sind, sowie Unternehmertum, Selbständigkeit und internationale Science Frontier-Kontakte und ob im Laufe des Programms Publikationen entstanden sind. ....
Mikrozensus online
(2010)
Diese Arbeit untersucht, unter welchen Voraussetzungen Online-Befragungen effizient in die Datenerhebung des Mikrozensus zu implementieren sind. Zu konstatieren ist folgende Ausgangssituation: Seit nun mehr zehn Jahren gehören Online-Befragungen zu dem festen Repertoire der Umfrageforschung. Sowohl in der Markt- und Meinungsforschung, hier hat der Anteil von Online-Befragungen in Vergleich zu den etablierten Befragungsformen seit dem Jahre 2000 um rund 30 % zugenommen, als auch in der sozialwissenschaftlichen Forschung ist diese Form der Datenerhebung nicht mehr wegzudenken. Den großen Stellenwert, den Online-Befragungen mittlerweile in der Umfrageforschung erlangt haben, konnten sie bis dato in der amtlichen Statistik nicht erreichen. Zwar etablierten sich Online-Erhebungen auch hier im Rahmen des angestrebten Bürokratieabbaus, dies aber nur im Bereich der Unternehmensstatistiken. Einzig den Unternehmen stehen mit den beiden Internetportalen IDEV (Internet Datenerhebung im Verbund) und eSTATISTIK.core gegenwärtig zwei innovative Online-Meldeverfahren zur Verfügung, die im Zuge des angestrebten Bürokratieabbaus zur Entlastung der Unternehmen von ihren Aufgaben im Rahmen der amtlichen Statistik beitragen. Im Bereich der amtlichen Bevölkerungsstatistik findet diese Innovation ganz im Gegensatz zu der übrigen sozial-wissenschaftlichen Forschung wenig Anklang. Gleichwohl sind nicht nur Unternehmen, sondern auch Bürger durch die verpflichtende Teilnahme an amtlichen Statistiken in einem erheblichen Maße belastet. Zwar ist die Teilnahme bei den meisten bevölkerungsstatistischen Befragungen freiwilliger Natur, aber alleine der Befragungsumfang – ein Interview im Mikrozensus dauert beispielsweise für eine erwerbstätige Person ca. 30 Minuten – bedeutet für die betroffenen Haushalte einen beachtlichen Zeitaufwand der, wie diese Arbeit darlegt, durch Online-Befragungen spürbar zu vermindern ist. Will man die Anwendungsmöglichkeiten von Online-Befragungen für bevölkerungsstatistische Erhebungen wie den Mikrozensus sachgerecht beurteilen, ist zu berücksichtigen, dass Bevölkerungsbefragungen der amtlichen Statistik unter anderen Voraussetzungen stattfinden als nicht amtliche Befragungen. Zwar gelten für beide die gesetzlichen Datenschutzbestimmungen, die amtlichen Statistiken unterliegen aber überdies dem Legalitätsprinzip. Das Legalitätsprinzip, welches für jede durchzuführende Bundesstatistik ein eigenes Gesetz vorsieht, schafft nicht nur die rechtliche Grundlage für Bundesstatistiken, sondern reglementiert auch restriktive ihre Durchführung. Vor jeder Bundesstatistik steht somit ein Gesetz, dass den Befragtenkreis, den Berichtszeitraum, die Periodizität der Erhebung, die Erhebungsmethodik und insbesondere die Auskunftspflicht explizit anordnet. Es werden hiermit Rahmenbedingungen gesetzt, deren Erfüllung unabdingbar für den Einsatz von Online-Befragungen innerhalb der Mikrozensuserhebung sind. Außer den vorgefundenen gesetzlichen Rahmenbedingungen sind bei der Anwendung von Online-Befragungen auch die spezifischen Vorzüge und Probleme dieser Datenerhebungsmethodik zu bedenken, um diese substanziiert in einer Mikrozensuserhebung zum Einsatz bringen zu können. Als Vorteile von Online-Befragungen gelten gemeinhin die erweiterte Funktionalitäten in der Fragebogengestaltung. Diese reduzieren einerseits die oben beschriebene Belastung der Bürger bei einer Teilnahme an Befragungen, andererseits tragen sie zu einer nachhaltigen Steigerung der Datenintegrität bei. Ebenso ist mit Online-Befragungen durch den Wegfall von Interviewer- und Wegekosten eine augenfällig kosteneffizientere Erhebungsdurchführung möglich. Den beschriebenen Vorteilen stehen jedoch auch Schwächen, wie beispielsweise Stichprobenrepräsentativität oder Erreichbarkeit der Befragten gegenüber. Diese sind für eine effiziente Einbindung von Online-Befragungen in den Mikrozensus gleichwohl zu bedenken. Aufbauend auf einer ausführlichen Beschreibung der aktuellen Mikrozensuserhebung wird nach einer systematischen Darstellung der Vor- und Nachteile von Online-Befragungen ihre Umsetzung im Mikrozensus erörtert. Von großer Bedeutung für die Umsetzung Erhebung sind die bei der Durchführung entstehenden Kosten, die Stichprobengewinnung und deren Repräsentativität sowie im Falle des Mikrozensus die Einhaltung der Auskunftspflicht. Im Lauf der Arbeit wird gezeigt, dass Online-Befragungen als eigenständige Erhebungsmethodik angesichts der mangelnden Stichprobenrepräsentativität sowie des nicht flächendeckenden Internetzugangs der deutschen Bevölkerung nicht in der Lage sind, die im Mikrozensus etablierten Befragungsformen vollständig zu ersetzen. Ihr Einsatz als Ergänzung zu den beiden etablierten Erhebungsformen aber durchaus möglich und sinnvoll ist. Betrachtet man den Einsatz von Online-Befragungen im Mikrozensus unter ökonomischen Gesichtspunkten, so lassen sich im Hinblick auf die hohe Wiederverwertbarkeit von elektronischen Fragebögen in erheblichem Umfang Kosten bei der Erstellung von Erhebungsunterlagen einsparen. Auch lässt sich das Mahnverfahren, in das nicht auskunftsbereite Haushalte gelangen, sowohl zeitlich als auch personell rationeller gestalten. Für die Kontrolle der eingegangenen Erhebungsunterlagen ist angesichts der hohen Automatisierung von Online-Befragungen ein geringerer Arbeitsaufwand notwendig. Der ökonomische Aspekt bezieht sich nicht alleine auf die Durchführungskosten. Der Mikrozensus ist ein wichtiger nationaler Bestandteil der europäischen amtlichen Statistik. Wie die Arbeit nachweist verkürzt sich infolge der direkten Datenerfassung durch den Befragten und des geringeren Kontrollaufwands der erhobenen Daten die Zeit für die Datenaufbereitung. Damit ist eine schnellere Bereitstellung der Mikrozensusergebnisse für die Zwecke der nationalen und europäischen amtlichen Statistik möglich. Der Kosteneffizienz stehen naturgemäß in anderen Bereichen höhere Ausgaben gegenüber. So ist bei einer Einführung von Online-Befragungen mit Mehrausgaben in Rahmen der Hard- und Softwarebeschaffung zu rechnen. In Anbetracht der bereits vorhanden informationstechnologischen Ausstattung (Server, Laptops, IT-Fachkräfte) in den Statistischen Landesämter schlägt die Durchführung von Online-Befragungen mit einem geringen finanziellen Mehraufwand zu Buche. Auch ermöglichen Online-Befragungen, die bereits hohe Datenintegrität noch zu steigern. Neben den bereits in CAPI-Befragungen erprobten Verfahren wie Plausibilitätskontrollen oder der automatischen Filterführung, die fehlerhafte Dateneingaben vermeiden, lässt sich zur Sicherung der hohen Datenqualität das bereits seit Langem in der Dateneingabe verwandte Signierungsverfahren für die Erfassung von Beruf und Wirtschaftszweig verwenden. Übertragungsfehler, die infolge der manuellen Dateneingabe auftreten, sind damit weitgehend auszuschließen. Neben den beschriebenen ökonomischen Aspekten und dem der Datenintegrität ist es die Bürgernähe, welche eine Erweiterung des im Mikrozensus verwandten Methodenmixes um Online-Befragungen rechtfertigt. Durch das anspruchsvolle Frageprogramm, das im umfangreichen Selbstausfüllerbogen zu bearbeiten ist, sind die vom Mikrozensus betroffenen Haushalte durch ihre Teilnahme einer erheblichen zeitlichen Belastung ausgesetzt. Mit den erweiterten Funktionalitäten von Online-Fragebögen (z. B. automatische Filterführung und Signierungsverfahren) lässt sich die Bearbeitungszeit für die selbstausfüllenden Haushalte erheblich verringern. Dies wirkt sich nicht nur positiv auf die Datenqualität aus, sondern vermittelt auch ein Bild von der amtlichen Statistik als ein innovatives am Bürger orientierten Institution. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Online-Befragungen dank der beschriebenen Vorteile eine sinnvolle Ergänzung zu den bereits etablierten Datenerhebungsverfahren im Mikrozensus bilden. Ihr Einsatz darüber hinaus auch in anderen bevölkerungsstatistischen Erhebungen sinnvoll sein kann.