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Heiland oder Führer? : der Dichter als Kulturheros in der Literaturwissenschaft des George-Kreises
(2017)
Sowie der Heldenkult nicht länger die privilegierte Rezeption des 'heroischen' Werkes darstellt, wird er auf Politik umgestellt und dieser die Aufgabe zugewiesen, das Werk des Kulturheros gleichsam zu vollenden. Heldenpolitik kann aber niemals friedliche Politik sein. Claude Haas geht der Grundspannung zwischen 'kultischer' und 'politischer' Perspektivierung des Kulturheros im Folgenden am Beispiel jener Formation nach, die den Kulturheros in vielerlei Hinsicht in den Mittepunkt ihrer geistigen Bemühungen stellte und die seinen wirkmächtigsten Sympathisanten in der deutschen Tradition überhaupt bilden dürfte: an dem Kreis von Wissenschaftlern und Intellektuellen, sie sich in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts um den Dichter Stefan George herum gruppierten. Dabei ist es nicht der Kult um George selbst, den Claude Haas in den Blick bringen will, sondern zentrale wissenschaftliche Schriften aus seinem näheren Umfeld, die die Vorstellung des Kulturheros am differenziertesten - wie auch am problematischsten - entfalten. Diese sind nicht zuletzt insofern von Interesse, als sie der wissenschaftlichen Darstellung als solcher kultische Aufgaben zuweisen und sie die Wissenschaft implizit als eine Art Praktik zur Erschaffung des Kulturheros einsetzen. Dabei kann der wissenschaftliche Diskurs die Konturen sowohl eines privilegierten und exklusiven als auch die eines lediglich als vorläufig begriffenen Kultes annehmen, der nicht seinen eigenen Endzweck darstellt, sondern der in die große politische Tat einzumünden hat. Ein besonderes Gewicht kommt hier dem immanenten Anhänger des Kulturheros zu, denn dieser avanciert in der Konzeption der Figur selbst zur strukturgebenden Größe. An ihm zeigt sich erst, wo genau der Kulturheros zu sich selbst kommt - in der Kirche der Wissenschaft oder auf den Schlachtfeldern der Politik. Über die Analyse des Anhängers wird folglich der Frage nachzugehen sein, ob der Kulturheros eher als säkularer Gott (Heiland) oder als sakraler Herrscher (Führer) beschworen wird.
Die Moderne hat ein neues Symbol kollektiver Identität hervorgebracht: den Kulturheros. Dichter, Künstler und Gelehrte traten teils neben sakrale oder politische Herrscher, teils lösten sie diese als nationale Autoritätsfigur ab. Anhand von Konstellationen, in denen Einzelne als Religionsstifter, Stadtgründer oder Nationaldichter Kultstatus erlangt haben, untersuchen die Autoren dieses Bandes Heroen wie Luther, Voltaire, Schiller, Wagner, Puškin oder Gagarin. Dabei interessieren sie sich nicht nur für die Genese des Kulturheros, sondern auch für dessen Nachleben. Ein besonderes Augenmerk gilt medialen Techniken und kulturellen Praktiken (wie Totenmasken, Bildnissen, Filmen oder Jubiläen), die die Figur des Kulturheros erst im Spannungsfeld von Kult, Kultur und Politik konstituieren.
Weimarer Beiträge 59/2013
(2013)
Die Weimarer Beiträge sind eine Zeitschrift für Literaturwissenschaft, aktuelle ästhetische Theorie und Kulturwissenschaft. Zu Ihren Schwerpunkten gehören moderne Literatur im Rahmen anderer Künste und Medien, die Wechselbeziehungen von Literatur, philosophischer und ästhetischer Reflexion sowie die kritische Analyse der Gegenwartskultur.
Häufig wird angenommen, man sei dort "zu Hause", wo man geboren wurde. Man könnte etwa sagen: "Hier! Hier bin ich zur Welt gekommen", und mit diesen Worten wäre impliziert, dass man sich keinen vertrauteren, wertvolleren und intimeren Ort vorzustellen vermag. Dieser Ort wäre, anders ausgedrückt, der Ort, wo man hingehört. Der Ort, an dem man geboren wurde, ist jedoch willkürlich. Menschen wurden im Exil geboren oder auch neben Straßensperren. Tatsächlich hat kein Mensch Einfluss auf die Umstände der eigenen Geburt. Der eigene Geburtsort bedeutet also nur auf indirekte Weise Zugehörigkeit. In Wirklichkeit bezeichnet nichts mehr Zugehörigkeit als ein Grab. Ein Grab ist ein fester Ort, auf den man zeigen und dabei feststellen kann: "Hier liegen mein Vater und seine Vorfahren begraben, und hier werde auch ich eines Tages begraben sein." Es ist der Ort, den man häufig für sich selbst auswählen kann, wo das Menschliche schließlich eins mit der Erde wird. Diese grundlegende Einheit des Belebten und Unbelebten veranlasste etwa Giambattista Vico zu der Aussage, in früheren, primitiveren und prosaischeren Zeiten sei der Grabstein ein rechtliches Gebilde. "So zeigten schon durch die Gräber ihrer Bestatteten die Giganten die Herrschaft über ihrer Ländereien an; [...] Und zu Recht", bemerkte Vico, "gebrauchten sie jene heroischen Redensarten: 'wir sind Söhne dieser Erde', 'wir sind geboren aus diesen Eichen' [...]." Somit gehört man nicht an den Ort, an dem man geboren wurde, sondern dorthin, wo man zur letzten Ruhe gebettet wird.
Manche Menschen besitzen mehr als nur einen Grabstein. Gershom Scholem ist einer von ihnen - eine merkwürdige Tatsache. Dem Anschein nach gehört Scholem, wenn er überhaupt irgendwohin gehört, nach Jerusalem.
Weimarer Beiträge 60/2014
(2014)
Die Weimarer Beiträge sind eine Zeitschrift für Literaturwissenschaft, aktuelle ästhetische Theorie und Kulturwissenschaft. Zu Ihren Schwerpunkten gehören moderne Literatur im Rahmen anderer Künste und Medien, die Wechselbeziehungen von Literatur, philosophischer und ästhetischer Reflexion sowie die kritische Analyse der Gegenwartskultur.
Zwei Überlegungen haben die Wahl des Gegenstandes bestimmt. Die erste ist pragmatisch-systematischer Art. Als die Denkschrift Geisteswissenschaften heute 1991 den von ihr ins Auge gefassten Wissenschaften "als Kulturwissenschaften eine neue Perspektive" vorzeichnete und dazu "Kultur" als "Inbegriff aller menschlichen Arbeits- und Lebensformen" charakterisierte, hat sie zumindest hierzulande eine Welle zuvor ungesehener transdisziplinärer Gegenstandsbestimmungen, Forschungsparadigmen, Projekte und Professurdenominationen ausgelöst. Dies alles hat entschieden über frühere Rahmen wie Cultural Studies, Sciences de la culture oder (für in Deutschland so genannte 'Fremdphilologien') Landeskunde hinausgegriffen und hinausgeführt. Entsprechend den vielfältigen Aspekten, die 'Kultur' zu bieten vermag, stehen deren Erkundung tendenziell kaum endliche Räume offen. Neue und bedeutende Erkenntnisse über jeweils besondere Ordnungen "des geselligen Verkehrs der Menschen" und die darin wirkenden "Absichten" wurden und werden erarbeitet. Die Folge von 'turns', die nicht selten auf ernste Erkenntnis zielen, mit deren Propagierung aber auch Aufmerksamkeit, Netzwerke und Drittmittel für einzelne Bereiche dieser Arbeit geschaffen werden sollen, ist beeindruckend. Nicht alle Beteiligten möchten andererseits die aus dem 19. Jahrhundert hergebrachte Organisation der Wissenschaft in voneinander getrennten Disziplinen überhaupt in Frage gestellt sehen - seien es deren Vertreter selbst, die das Bewährte als zu Bewahrendes betrachten, seien es die Administratoren nach älteren Mustern gewirkter Universitäten, die Finanz- und Stellenpläne sparversessen weiter oder wieder so zu stricken suchen wie bisher. Extremistische Tendenzen entweder zum Aufgeben der Disziplinen zugunsten kleinteiliger Gegenstandsbereiche oder zur Rücknahme der kulturwissenschaftlichen Öffnung, zum Beispiel zugunsten einer erneuten Rephilologisierung, sind in Wissenschaftsgremien und Wissenschaftsverwaltungen unverkennbar.
Depuis le milieu des années 1970, on assiste dans le monde entier à un retour en force des thématiques et problématiques relatives à la culture dans le champ de la sociologie. Ce regain d’intérêt va de pair avec le déclin croissant de la tradition, d’inspiration avant tout marxiste, de la théorie de la société, et s’inscrit dans un cultural turn global,qui a eu ces dernières années des répercussions sur la plupart des disciplines universitaires. ...
Weimarer Beiträge 62/2016
(2016)
Die Weimarer Beiträge sind eine Zeitschrift für Literaturwissenschaft, aktuelle ästhetische Theorie und Kulturwissenschaft. Zu Ihren Schwerpunkten gehören moderne Literatur im Rahmen anderer Künste und Medien, die Wechselbeziehungen von Literatur, philosophischer und ästhetischer Reflexion sowie die kritische Analyse der Gegenwartskultur.
Hofmannsthal 17/2009
(2009)
Weimarer Beiträge 61/2015
(2015)
Die Weimarer Beiträge sind eine Zeitschrift für Literaturwissenschaft, aktuelle ästhetische Theorie und Kulturwissenschaft. Zu Ihren Schwerpunkten gehören moderne Literatur im Rahmen anderer Künste und Medien, die Wechselbeziehungen von Literatur, philosophischer und ästhetischer Reflexion sowie die kritische Analyse der Gegenwartskultur.
Hofmannsthal 15/2007
(2007)
Hofmannsthal 16/2008
(2008)
Hofmannsthal 14/2006
(2006)
Hofmannsthal 13/2005
(2005)
Hofmannsthal 12/2004
(2004)
Hofmannsthal 11/2003
(2003)
Hofmannsthal 10/2002
(2002)
Hofmannsthal 9/2001
(2001)
Hofmannsthal 8/2000
(2000)
Avec le présent fascicule, le Mittelalterzentrum (Centre d’études médiévales) de la Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW) inaugure une nouvelle série: une fois par an, le centre organisera une conférence publique qui sera ensuite publiée sous ce format. Dans la préface, Michael Borgolte, porte-parole du Mittelalterzentrum, indique que le centre a choisi ce format afin de mettre en relief la contribution des disciplines médiévistes au travail de la BBAW, mais aussi afin de promouvoir la réflexion des disciplines concernées sur leur propre position et d’animer le dialogue et les contacts interdisciplinaires. Bref, il s’agit de montrer, entre autres, l’actualité des recherches médiévistes – et le choix du premier conférencier n’aurait pu être meilleur: Otto Gerhard Oexle, ancien directeur du Max-Planck-Institut für Geschichte à Göttingen, réfléchit et écrit depuis longtemps sur le travail des historiens et ses implications théoriques, mais aussi sur le rôle social de l’histoire en général dans les sociétés contemporaines. Il met tout particulièrement l’accent sur le rôle constitutif que jouent le Moyen Âge et les images que nous nous en faisons pour la mise en place de la »modernité«.
Klima
(2016)
Einer der ältesten Gegenstände der Zukunftsprognose ist das Wetter. Als "Bühne der Götter", von der aus sich gleichermaßen Strafgerichte, Prüfungen und Geschenke über die Menschen ergießen, ist Wetter das Paradigma einer ungewissen Zukunft, an die sich gerade darum bestimmte Wissensformen und Praktiken der Prädiktion knüpfen: Wetterorakel, Lostage, Almanache mit Wetter-Regeln oder auch Prophezeiungen wie die von den sieben fetten und sieben mageren Erntejahren, die Joseph dem Pharao weissagt (1. Mose 41). Während die Antike diesen Techniken mantischer Wettervorhersage eine große Zuverlässigkeit zuspricht, ist mit der Verwissenschaftlichung modernen meteorologischen Wissens die empirisch belastbare Vorhersage kurz- und mittelfristiger Wetterereignisse außerordentlich schwer geworden. Anders das Klima: "Climate is what we expect, weather is what we get". Klima ist Durchschnitt, Dauer und Regelmäßigkeit, Wahrscheinlichkeit und Wiederkehr: der Zyklus der Jahreszeiten, die Erwartbarkeit von Niederschlägen, Temperaturen und Winden, die Häufigkeit bestimmter Wetterverhältnisse in einer gegebenen Region. Es bewegt sich in einem Raum der Extrapolationen, Wahrscheinlichkeiten und Durchschnittsbildungen zwischen Einzelereignissen, deren kontingentes Auftreten in statistische Häufigkeit umgerechnet wird. So wird aus Regentagen eine bestimmte Niederschlagsmenge, aus Wärme- und Kälteperioden werden Temperaturkurven, aus desaströsen Stürmen jahreszeitlich wechselnde Windperioden.
Die Weimarer Beiträge sind eine Zeitschrift für Literaturwissenschaft, aktuelle ästhetische Theorie und Kulturwissenschaft. Zu Ihren Schwerpunkten gehören moderne Literatur im Rahmen anderer Künste und Medien, die Wechselbeziehungen von Literatur, philosophischer und ästhetischer Reflexion sowie die kritische Analyse der Gegenwartskultur.
Traditionell beziehen sich Kulturgeschichten auf Länder beziehungsweise Kulturräume, zum Beispiel Europa, jedenfalls zumeist auf das feste Land mit seiner Geschichte und seinen wechselhaften Grenzziehungen.1 Kaum gibt es aber Kulturgeschichten der Wassergebiete der Erde, obwohl diese über siebzig Prozent der Erdoberfläche ausmachen. Zumeist gelten Meere, Seen, Flüsse als Hindernisse oder Verbindungswege zwischen den Landmassen oder ganz einfach als Grenzen, die jedoch per se immer auch ihre Überschreitung verlangen. Aber findet Kulturgeschichte nur auf dem Lande statt? Oder impliziert das Wasser samt seiner Fluidität auch ein Problem für unsere Art der Geschichtsschreibung und die dahinterstehende Erkenntnistheorie?
Die Monographie 'Die Kaschauer Zeitung in Kontexten I' geht auf die Darlegung der Prägung, historischer Metamorphosen und des sprachlichen, kulturellen und literarischen Bildes dieses Periodikums ein. Die Abhandlungen berücksichtigen dabei kulturhistorische Kontexte und interdisziplinäre Zusammenhänge.
Dinge in Texten haben maßgeblich an der Konstruktion imaginärer Welten teil. Sie kommen zu allen Zeiten und in allen literarischen Gattungen vor, in der Heldenepik ebenso wie in Aphorismen, im Mittelalter wie in der Moderne. Dinge treiben Handlungen voran, stören, wenn sie nicht funktionieren, und sie schaffen und zerstören Ordnungen - auch solche der Worte. Im Gegensatz zur Ethnologie oder Museologie hat es die Literaturwissenschaft stets mit Zeichen zu tun - es stellt sich also die Frage, wie das Verhältnis von res und verba analysiert und beschrieben werden kann. Der vorliegende Band versammelt Beiträge, die sich, angefangen bei der antiken Rhetorik über mittelalterliche Literatur bis hin zum 20. Jahrhundert, mit Dingen in und neben Texten beschäftigen.
Dinge in Texten haben maßgeblich an der Konstruktion imaginärer Welten teil. Sie können intradiegetisch angefasst werden, sie riechen, haben ein spezifisches Gewicht und doch sind sie für die Leser in erster Linie: durch Zeichen repräsentierte Dinge. So einfach und so komplex lässt sich die doppelbödige Ausgangslage beschreiben, auf der die folgenden Überlegungen gründen. Denn auf diese Beobachtung kann Literaturwissenschaft in unterschiedlicher Weise reagieren: An einem Ende der Skala beschäftigt sie sich hauptsächlich mit der Zeichenhaftigkeit von repräsentierten Dingen, den Verweischarakteristiken, Funktionen und Bedeutungen, am anderen mit der Materialität, der Stofflichkeit und Widerständigkeit. Beide Pole haben ihre Verfechter, jeder der Ansätze seine Tradition und Konjunkturen. Bevor dieser Hintergrund, die Begrifflichkeit und der Forschungsstand erläutert werden, stehen in der Folge zwei literarische Beispiele im Zentrum, an denen gezeigt wird, welche Fragen sich mit literarischen Dingen stellen. Ludwig Tiecks 'Des Lebens Überfluß' (1838) und Ilija Trojanows 'Auf der Flucht' (2017) entstammen ganz unterschiedlichen Epochen und Kontexten, deshalb lässt sich an ihnen auch eine Bandbreite von Fragestellungen aufzeigen.
Rezension zu Edgar Pankow/Günter Peters (Hg.): Prometheus. Mythos der Kultur. München (Wilhelm Fink Verlag) 1999. (= Literatur und andere Künste). 248 Seiten.
Wenn der vorliegende Band Beiträge aus verschiedenen kulturwissenschaftlichen Disziplinen versammelt, so entspricht dies der Schlüsselrolle, welche die Gestalt Prometheus (oder vielmehr: die durch diesen Namen aufgerufene, verschieden konnotierbare Leerstelle) auf den verschiedenen diskursiven Territorien der abendländischen Kultur spielt. Das Projekt Prometheus vereint in diesem Fall Vertreter der Philosophie, Klassischen Philologie, Literaturwissenschaft, Musikwissenschaft, Filmwissenschaft und Kunstgeschichte.
Rezension zu Wolfgang Albrecht/Hans-Joachim Kertscher (Hg.): Wanderzwang - Wanderlust. Formen der Raum- und SozialerJahrung zwischen Aufklärung und Frühindustrialisierung. Tübingen (Niemeyer) 1999 (= Hallesche Beiträge zur europäischen Aufklärung; Bd. 11). VIII, 314 Seiten.
Durch die Erforschung der Geschichte des Reisens und der Reiseliteratur ist auch die Fußreise, das Wandern, wieder zum Gegenstand wissenschaftlicher Bemühungen geworden.
[Rezension zu:] Alfred Messerli/Roger Chartier (Hg.): Lesen und Schreiben in Europa 1500-1900
(2002)
Rezension zu Alfred Messerli/Roger Chartier (Hg.): Lesen und Schreiben in Europa 1500-1900. Vergleichende Perspektiven/Perspectives comparées/ Perspettive comparate. Basel (Schwabe-Verlag) 2000. 652 Seiten.
Der Band versammelt Referate und Diskussionsbeiträge einer Tagung zum Thema "Lesepraktiken und Schreibpraktiken in Europa, 1500-1900", die 1996 in Ascona, sinnigerweise auf dem Monte Verità, stattfand.
Rezension zu Peter-Andre Alt: Der Schlaf der Vernunft. Literatur und Traum in der Kulturgeschichte der Neuzeit, München (c. H. Beck) 2002. 464 Seiten.
Mit Peter-Andre Alts Monographie über die Beziehungen zwischen Literatur und Traum in der Neuzeit geht es um die Entwirrung jenes "dichten Geflecht[s] kultureller Deutungsentwürfe", welches sich gerade in der Neuzeit in dauernder Veränderung begriffen ist (9).
[Rezension zu:] Sabine Coelsch-Foisner u. Dorothea Flothow: High Culture and/versus Popular Culture
(2011)
Rezension zu Sabine Coelsch-Foisner u. Dorothea Flothow: High Culture and/versus Popular Culture. Heidelberg (Universitätsverlag Winter) 2009 (= Wissenschaft und Kunst; Bd. 12). 208 S.
Das Verhältnis von Hoch- und Populärkultur beschäftigt weder die Literaturwissenschaft noch die Kulturtheorie erst seit jüngster Zeit. Doch jenseits einer Wertungskritik a la Killy, Broch oder Adorno/Horkheimer einerseits und eines die Grenzüberwindung postulierenden Kulturoptimismus' im Sinne Susan Sontags oder Umberto Ecos Rechtfertigung der Massenkultur andererseits, bietet diese Distinktion immer noch genug Anlaß zur Diskussion und Auseinandersetzung, wie der die Beiträge der im Jahr 2007 in Salzburg stattgefundenen 18. 'British Cultural Studies Conference' in Auswahl umfassende Band belegt. Ziel der Konferenz war es, so die Herausgeberinnen, "to explore the relationship between high culture and popular culture in terms of dynamic processes." Im Band wird dieses Vorhaben mehr oder minder eingelöst durch 13 insgesamt recht blasse Fallstudien, denen zwei theoretische Beiträge vorangestellt sind.
Rezension zu Eva Blome: Reinheit und Vermischung. Literarisch-kulturelle Entwürfe von "Rasse" und Sexualität (1900-1930). Köln (Böhlau) 2011. 354 S.
Zentral für die am Konstanzer Graduiertenkolleg 'Die Figur des Dritten' entstandene Dissertation ist die um 1900 von der Eugenik aufgeworfene Frage, ob der 'Neue Mensch' eher 'gemischtrassig' oder 'rassenrein' sein soll.
Rezension zu Jörn Steigerwald u. Rudolf Behrens (Hg.): Räume des Subjekts um 1800. Zur imaginativen Selbstverortung des Individuums zwischen Spätaufklärung und Romantik. Wiesbaden (Harrassowitz) 2010. 286 S.
Der aus der gleichnamigen Tagung 2007 in Bochum hervorgegangene Sammelband zu Subjektentwürfen und deren Raumbezug respektive dessen Erfahrung und Konzeptionierung versammelt mit romanistischem Schwerpunkt zwölf einander ergänzende Beiträge.
Sammelrezension zu Konrad Gross, Wolfgang Klooß u. Reingard M. Nischik (Hg.): Kanadische Literaturgeschichte. Unter Mitarbeit von Heinz Antor, Doris Eibl, Klaus-Dieter Ertler, Albert-Reiner Glaap, Paul Goetsch, Fritz Peter Kirsch, Martin Kuester, Rolf Lohse, Hartmut Lutz, Ursula Mathis-Moser, Markus M. Müller, Andrea Oberhuber, Caroline Rosenthal, Dorothee Scholl und Waldemar Zacharasiewicz. Stuttgart, Weimar (Metzler) 2005. 446 S.
Ingo Kolboom u. Roberto Mann: Akadien: ein französischer Traum in Amerika. Vier Jahrhunderte Geschichte und Literatur der Akadier. Mit Gastbeiträgen von Maurice Basque, Sandra Eulitz, Jacques Gauthier, Ingrid Neumann-Holzschuh und Thomas Scheufler sowie einer CD-ROM mit Materialien und Dokumenten und einer DVD mit dem Film 'Die Akadier - Odyssee eines Volkes' von Eva und Georg Bense. Heidelberg (Synchron) 2005. 1014 S.
Um Verkehrungen zwischen Natur und Gesellschaft plastisch auf den Punkt zu bringen, paraphrasiert Karl Marx im Fetischkapitels des Kapitals einen Vers aus Shakespeares 'Viel Lärm um nichts' (3. Aufzug,3. Szene): "Ein gut aussehender Mann zu sein, ist eine Gabe der Umstände, aber lesen und schreiben zu können, kommt von Natur." Konnte Marx für das Publikum des 19. Jahrhunderts, auch indem er Shakespeares 'fortune' durch das zeitgenössisch eher sozial konnotierte 'Umstände' und 'Physiognomie' durch 'Aussehen' übersetzte, die Evidenz der Differenz von Natürlichem und Gesellschaftlichem noch sicher als rhetorische Schlusspointe für die Verkehrung der dinglich-natürlichen Gebrauchswerte und der gesellschaftlichen Tauschwerte einsetzen, so haben solche Unterscheidungen, vielleicht nicht zuletzt gerade auch aufgrund der von ihm selbst beschriebenen Vergesellschaftungsprozesse ihre unmittelbare Evidenz verloren. Denn wie manche Kognitionswissenschaftler und Linguisten heute die Sprachentwicklung am liebsten durch bildliche Darstellung aktivierter Hirnareale 'biologisch-hirnphysiologisch' fassen, so ist umgekehrt das natürliche physiognomisch Aussehen längst zu einem 'kulturell' konstruierbarem Artefakt geworden. Die vorliegende, aus einer Kooperation zwischen der von Clemens Knobloch geleiteten Siegener Forschergruppe 'Die Kulturkritik des Neoevolutionismus' und Mitarbeitern des 'Zentrums für Literatur- und Kulturforschung' (Berlin) entstandene Ausgabe des e-Journals wendet sich solchen semantischen Verschiebungen zu, wobei zudem der primäre Oppositionsbegriff zu Natur heute nicht Gesellschaft, sondern Kultur ist. Die interdisziplinären Begriffsgeschichten behandeln dabei Begriffe wie 'Kultur' und 'Natur', 'Evolution' und 'Geschichte'‚ 'Fortschritt' sowie 'survival of the fittest'.
The bond of shame
(2010)
A long time ago I suddenly realized that the country one belongs to is not, as the usual rhetoric goes, the one you love but the one you are ashamed of. Shame can be a stronger bond than love. I repeatedly tested my discovery with friends from different countries: they all reacted the same way - with surprise immediately followed by full agreement, as if my suggestion was a self-evident truth. I am not claiming that the burden of shame is always the same; in fact, it varies immensely among countries. But the bond of shame - shame as a bond - invariably works, for a larger or smaller number of individuals. Aristotle listed "shame" ('aidos') among the passions, pointing out that "it is not a virtue" ('Nicomachaean Ethics' 1108 a 30-31). This definition still makes sense. Shame is definitely not a matter of choice: it falls upon us, invading us - our bodies, our feelings, our thoughts - as a sudden illness. It is a passion placed at the intersection between biology and history: the domain which Sigrid Weigel made so distinctively her own.
In diesem Beitrag werde ich versuchen, zwei auf den ersten Blick recht disparate Stränge des 'Kultur'-Diskurses miteinander in Beziehung zu setzen: den politisch-interdiskursiven Gebrauch von 'Kultur' und den begriffspolitisch interessanten Versuch populärer Evolutionsbiologen, den Kulturbegriff biologisch zu erden bzw. umzudefinieren. Beide Stränge partizipieren hierzulande nolens volens an den konnotativen Ladungen, die 'Kultur' angesammelt hat, und beide Stränge sind dabei, Gewicht und Verteilung dieser Ladungen erheblich zu verändern.
Paul Kammerer, der 1919 sein Buch 'Das Gesetz der Serie' publizierte - das wohl ehrgeizigste und umfangreichste Buch dieser Art, das je veröffentlicht wurde - gehört in die Reihe der leidenschaftlichen Sammler von Zufällen. Und er bestätigt die schon bei Wilhelm von Scholz bemerkte Neigung, die Welt der Zufälle zur Konkurrentin der Normalität kausalen Denkens zu machen und aus dem scheinbar Zufälligen eine Welt zu konstruieren, die von der Normalerfahrung verdeckt ist - eine Welt der ungestörten Bedeutsamkeit. Die Zufälle, die der Biologe Kammerer viele Jahre hindurch in seine Merkbücher eintrug, werden schließlich durch seine Theorie verwandelt in Erscheinungen der Serialität, von Wiederholung und Periodizität, wodurch das Tor aufgestoßen werde zu einer neuen Gesetzlichkeit. Wo Kausalität war, sollte Serialität werden. Das scheint der Sinn des Buchtitels 'Das Gesetz der Serie' zu sein, das in gewisser Weise ein Gegenprogramm zu Freuds: "Wo Es war, soll Ich werden" formuliert. Denn es soll eben nicht der 'subjektive' Zufall sein, die in die kausalgesetzliche Naturordnung eingewobene Zufälligkeit. Daneben soll vielmehr eine zweite Ordnung aufscheinen, die nicht weniger regelmäßig ist. Man muss sich vor Augen halten, dass Paul Kammerer nicht eigentlich ein Buch über, sondern eines gegen den Zufall geschrieben hat, über den er nur mit Herablassung oder Verachtung spricht. Von Zufall dürfe, erklärt er, keinesfalls geredet werden: "Ganz abgesehen davon, dass die Erklärung einer Begebenheit durch 'Zufall' ein grober Missbrauch ist und in keiner wissenschaftlichen Begründung geduldet werden sollte." Der Zufall dient ihm nur dazu, das Tor zum Gebiet seiner Serialitätsforschung abzustecken, das er mit keinem geringerem wissenschaftlichen Ernst ins Auge fasst als Sigmund Freud die Träume und pathologischen Phänomene des Alltags.
Auch wenn die Zukunft dem Menschen nicht bekannt ist, gehört sie zu den Aspekten, die den Horizont für Bildung ausmachen. Kinder und Jugendliche sollen sich so bilden, dass sie zukunftsfähig werden. Selbst wenn sich nicht genau angeben lässt, was zu einer zukunftsfähigen Bildung gehört, besteht kein Zweifel darüber, dass Frieden, Umgang mit kultureller Diversität und Nachhaltigkeit zu 'den' Bedingungen zukunftsfähiger Bildung gehören. Alle drei Bereiche sind miteinander verschränkt. Wenn Fragen des Friedens bearbeitet werden, spielen Probleme der kulturellen Vielfalt und der Nachhaltigkeit eine Rolle. Eine Erziehung zur Nachhaltigkeit ist ohne Berücksichtigung kultureller Vielfalt und sozialer Gerechtigkeit nicht möglich. Dass alle drei Aufgabenfelder von höchster Aktualität sind, ist offensichtlich. Es gilt eine 'Kultur des Friedens, der kulturellen Vielfalt' und 'der Nachhaltigkeit' zu entwickeln. Damit sind grundlegende gesellschaftliche Veränderungen impliziert, bei deren Realisierung dem Bereich der Erziehung und Bildung und insbesondere der Schule eine wichtige Aufgabe zukommt. Im Weiteren möchte ich drei zentrale Aufgabenfelder einer zukunftsfähigen Bildung skizzieren. Dabei werde ich zunächst bei meinen Ausführungen zur Friedenserziehung auf Diskussionen zurückgreifen, die in den 1970er Jahren begonnen wurden, aber bis heute nichts an Aktualität verloren haben.
Vom Überleben des Wunsches als Todestrieb : Nachträglichkeit, Subjekt und Geschichte bei Freud
(2011)
Es ist nahe liegend, sich zum Thema 'Überleben' mit Freuds Schrift 'Jenseits des Lustprinzips' von 1920 zu beschäftigen, mit der traumatischen Neurose und mit Freuds Diktum, dass das Ziel des Lebens der Tod sei. Beginnt Freud doch damit, dass er gerade durch das Leiden derer, die den Krieg (oder einen schweren Unfall) überlebt haben, dazu kommt, ein Jenseits des Lustprinzips zu postulieren, einen Todestrieb einzuführen, da der traumatische Wiederholungszwang dem Lustprinzip so sehr zu widersprechen scheint, geht es doch um die Perpetuierung des Leidens, um die Wiederholung von etwas Schrecklichem. Ich möchte jedoch im Folgenden einen Umweg beschreiten und mit einer Konstellation aus den Anfängen der Psychoanalyse beginnen, von der sich ebenfalls sagen lässt, dass sie das Überleben behandelt, allerdings in einem gänzlich anderen Kontext, dem der Konstitution des Psychischen. Die Rede ist vom Befriedigungserlebnis und dem unbewussten Wunsch - zwei Konzepte, die für Freuds Denken um 1900 zentral sind.
Wem es an eigener Erfahrung oder Anschauung mangelt, der kann sich u.a. von Theweleit darüber belehren lassen, dass beim Fußball viel gelitten wird. Auch der Fan ist alles andere als ein 'standhafter Zuschauer ästhetischer Leiden', denn er leidet wahrhaftig und sozusagen leibhaft mit. Darin ist und bleibt, mit Verlaub, auch der moderne Fußball ein so archaisches Phänomen wie, sagen wir, die sophokleische Tragödie, in der auch viel gelitten wird und die auch keine Zuschauer, sondern ausschließlich Ritualteilnehmer kennt. Mit dem Leidensbegriff, den die moderne Kultur ausgebildet hat, hat der Fußball nichts zu tun, eher schon fungiert er als Gegengift für Kulturleidende. Man kann sich kaum vorstellen, dass Adorno von diesem Mittel Gebrauch gemacht haben sollte. O-Ton Youtube: "[M]an muß […] daran erinnern, daß die Menschen, die also auf dem Sportfeld zuschauen und zwar in allen Ländern […], gegen die Fremdgruppe, also gegen das ausländische Team, sich in einer Weise benehmen, die den einfachsten Anforderungen der Gastfreundschaft [...] aufs Krasseste widerspricht." Nun ja; Adorno war eben Theoretiker von "Gruppenverhalten" und als Fußball-Fan ist er so schwer vorstellbar wie als Spieler. Oder doch? Gibt es vielleicht auch bei ihm Rudimente eines Fan-Begehrens, die nicht in der Analyse von Gruppenverhalten aufgehen und theorieimmanente Selbst-Widerstände artikulieren? Dagegen spricht vorläufig die übermächtige Tradition des Leidens an der Kultur, der Adorno ganz ohne Zweifel verhaftet ist, eben weil er ihr Fan nicht sein konnte oder wollte.
Die Lehre des leeren Grabes : Begründungen der deutschen Kulturnation nach 1871 und nach 1989
(2013)
Anders als im Falle der Anna-Amalia-Bibliothek, die bei einem Brand 2004 teilweise zerstört wurde und deren Wiedereröffnung nach nur drei Jahren vom damaligen Bundespräsidenten als "Freudentag der Kulturnation" gefeiert wurde, wird der Verlust von Schillers Schädel nicht ausgeglichen werden können, selbst nicht durch noch so viel Engagement und Spendenfreude. Der fehlende Schädel im Sarg der Fürstengruft, die zu DDR-Zeiten den Namen Goethe- und Schiller-Gruft trug, ist ebenso Symbol wie die Stätte der Aufstellung selbst. So, wie die Aufstellung der zwei Dichter-Särge in der von Anna Amalias Sohn, dem Großherzog Carl August, erbauten Fürstengruft, das Sinnbild einer für die deutsche Geschichte spezifischen Verbindung zwischen dynastischem Totenkult und dem Kult nationaler Geistesheroen ist, symbolisiert Schillers Sarg heute das leere Grab der Kulturnation. Während sich die Spuren seiner Gebeine im Laufe zweier Jahrhunderte im Grund jenes Leichengewölbes der Weimarer Landschaftskasse, das damals für adlige und bürgerliche Verstorbene ohne eigenes Erbbegräbnis reserviert war, verloren haben, stehen Sarg und Marmorbüste an ihrer Statt in der Fürstengruft; sie sind Monumente einer Tradition, die jüngst erneut auf den Begriff der Kulturnation gebracht worden ist.
Seit 2005 bestehen zwischen Angehörigen der Institute bzw. Abteilungen für Germanistik der Universitäten Prešov und Trier lebhafte Kontakte, die zu einer 2006 und 2007 abgehaltenen Vortragsreihe führten. In dem vorliegenden Sammelband haben diese sichtbaren Ausdruck gefunden. Die Beiträgerinnen und Beiträger beschäftigen sich mit Themen verschiedener Gebiete der Germanistik und angrenzender Disziplinen wie Philosophie, Geschichte, Landeskunde und vermitteln so einen guten Eindruck in die Arbeitsgebiete der beteiligten Lehrenden und Studierenden. Zur Zielsetzung der Vortragsreihe gehört es, auch fortgeschrittene Studierende zu Wort kommen zu lassen. Dass sich deren Beiträge von denen der wissenschaftlich stärker profilierten Germanistinnen und Germanisten mehr oder weniger stark unterscheiden, liegt auf der Hand. Ein Verzeichnis der Mitwirkenden sowie eine Übersicht über die bisherigen Aktivitäten bieten die Möglichkeit, sich über die Personalia zu informieren.
Die Monographie Severské literatúry v slovenskej kultúre (Nordische Literaturen in der slowakischen Kultur) ist Ergebnis einer langjährigen Beschäftigung Milan Žitnýs mit den Literaturen Nordeuropas und ihren Beziehungen zur mitteleuropäischen Region. Sie gibt Aufschluss über ausgewählte Aspekte der Werke bedeutender Vertreter der nordischen Kultur, Philosophie und Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts und skizziert die literarischen und historischen Aspekte der slowakischen Rezeption der nordischen Literatur seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, besonders der Werke von Søren Kierkegaard, Hans Christian Andersen und Selma Lagerlöf. Der Fokus wird vor allem auf Übersetzungen nordischer Literatur ins Slowakische gerichtet. Milan Žitný untersucht insbesondere die ersten Übersetzungen der Dramen von Henrik Ibsen und die Rezeption des Werks von Bjørnstjerne Bjørnson, der sich aktiv für die Rechte der Slowaken vor dem Ersten Weltkrieg einsetzte. Žitný widmet ensprechende Aufmerksamkeit auch der Entwicklung der Skandinavistik in der Slowakei. In diesem Zusammenhang muss es aber gesagt werden, dass der Autor der Monographie kein Außenseiter ist, der die Rezeption der nordischen Literaturen nur als Literaturhistoriker verfolgt. Žitný beteiligt sich aktiv an der Vermittlung der nordischen Literaturen der slowakischen Leserschaft.
"An die Grenzen des Erzählbaren", so wird es gedeutet, gelangt Josef Winkler in seinem Roman "Friedhof der bitteren Orangen" (Harig 144-45). Mit drastischen Formulierungen wie "Horrortrip" und ''Höllenfahrt'' wird diesem Text die bittere Note in der Lektüre und Interpretation immer wieder neu zu- und eingeschrieben. Zur bitteren Note des Geschriebenen gesellt sich in den Lesarten signifikant der biografische Bezug auf die sexuelle Orientierung und wird mit dieser intrinsisch korreliert. Tendenziell ist von einem Text die Rede, indem sich "der Homosexuelle [in heiliger Obszönität] zu seinem Kreuzweg [bekennt]" (145). In der hier angebotenen Lektüre Winklers werden jedoch Fragen der Repräsentation eines schwulen Lebensentwurfs oder schwuler Erfahrungen keine Rolle spielen. Auch die Beziehung von Homosexualität und Literatur, also die Beziehung zwischen der sexuellen Orientierung Winklers und seinem Text, liegt nicht im Fokus des Interesses – was allerdings nicht bedeutet, dass jegliche Form von Wirkkraft aus dieser Orientierung komplett verneint werden soll; sie wird aber nicht Teil des hier angebotenen Arguments sein.
Argumentiert wird hier aus dem theoretischen Horizont der Queer Studies – präziser noch der Postcolonial Queer Studies – heraus, wobei die vorliegende Analyse "quer" zu einer solchen Interpretation steht. Queere und postkoloniale Terminologie überschneiden sich in diesem Unterfangen. Sowohl das queere als auch das postkoloniale Projekt zielen darauf ab, binäre Oppositionsstrukturen zu unterlaufen und zu entkräften, für Offenheit, Hybridität und Polyvalenz zu plädieren und Räume zu eröffnen, in denen vielfältige, prozesshafte Identitätskonzepte denkbar und lebbar werden.
"Offenbar muß jeder Versuch, Fest und Feier zu definieren, scheitern" (S . 96). Das Buch, aus dem dieser Satz stammt, ist jedoch keineswegs von Resignation gezeichnet. Die Autoren gehen vielmehr davon aus, daß es durchaus sinnvoll ist, die vorhandene Masse von Festtheorien zu referieren, kritisch zu sichten, zu integrieren und vor allem auf ihre Handhabung und Anwendbarkeit hin zu überprüfen. "Fest" ist ein paradigmatisch kulturwissenschaftliches Thema, das sich nun in einem multidisziplinären Rahmen erschließt. Nachdem sich die Spezialisten fürs Allgemeine (Ethnologen, Psychoanalytiker, Philosophen) geäußert haben, sind nun die Historiker, Soziologen und Theologen an der Reihe. Sie ziehen im vorliegenden Band eine Bilanz und zeigen, in welche neuen Richtungen sich die Festforschung entwickeln könnte.
Die Erinnerungsikonen sind datierbare Erinnerungsakte in der Geschichte, doch erzählen sie selbst keine Geschichte. Die vielen besonderen Geschichten, die sich einst um jedes konkrete Leben rankten und nach dem Tode der Person auch noch eine Weile im kommunikativen Gedächtnis der Familie, der Nachbarschaft und des Dorfes erzählt wurden, sind alle längst vergessen. Dieses Schicksal trifft über 90 Prozent unserer materiellen Hinterlassenschaften, von denen sich die Gesellschaft in periodischen Ausscheidungsprozessen trennt, ohne dabei je zu einem Thema zu machen, „wie wenig wir festhalten können, was alles und wie viel ständig in Vergessenheit gerät, mit jedem ausgelöschten Leben, wie die Welt sich sozusagen von selber ausleert, indem die Geschichten, die an ungezählten Orten und Gegenständen haften, von niemandem je gehört, aufgezeichnet oder weitererzählt werden (…).“ Dieses Universalgesetz des Vergessens gilt aber nicht nur für Hausrat und beiläufig Angesammeltes, sondern paradoxerweise auch für die Erinnerungsikonen, deren liebevolle und kostbare materielle Ausformung ihren Gedächtniswert noch eigens ausstellt. Ohne eine Sammlerin, die diesen Gegenständen nachträglich einen neuen historischen Wert zuschreibt, und ein Museum, das sie unter ihr schützendes Dach aufnimmt, würde die Nachwelt von dem Brauchtum, auf das diese stummen Zeugen verweisen, heute nichts mehr wissen.