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Goethe und Göttingen, insbesondere Goethe und die Göttinger Universitätsbibliothek - Bemerkungen zu diesem Thema werden sicher von einem Referenten aus Weimar erwartet. Ich kann das nicht versuchen ohne den sofortigen Hinweis auf die respektablen Arbeiten und Veröffentlichungen von Elmar Mittler und seinen Mitarbeitern im Goethe-Jubiläumsjahr 1999. Mit einer Ausstellung, einem Ausstellungskatalog und einem Studienband wurden diese Beziehungen vorzüglich aufgearbeitet und analysiert; all das kann und muss hier nicht wiederholt werden. So bleibt uns in Weimar und Jena vor allem, auf dieser Grundlage den übergreifenden Kontext für den Bibliothekstheoretiker und -praktiker Goethe und in diesem Zusammenhang besonders die Wirkungen und Folgen, die das Göttinger Erlebnis von 1801 für Goethe hatte, zu beschreiben und möglichst neue Erkenntnisse hinzuzufügen. Ich gehe dabei von Goethes bekanntem Satz über die Göttinger Bibliothek aus, den ich aber einmal anders, nämlich in seiner Textgenese, vorstellen möchte. Wie dieser Satz bezeugt, war das Göttinger Bibliothekserlebnis nicht nur von herausragender Bedeutung für Goethe, es hat auch nachhaltig gewirkt. Dies soll mit einigen Streiflichtern zu Goethes bibliothekarischem Wirken nach 1801, insbesondere im Zusammenhang mit der Erneuerung der Jenaer Universitätsbibliothek, erläutert werden.
Der Beitrag ventiliert das Verhältnis von Performanz und Komik anhand einiger Szenen aus Grimmelshausens Simplicissimus -wobei es insbesondere um das Phänomen körpergebundener Vielstimmigkeit geht. Komik entsteht durch ein Verunglücken von Sprechhandlungen, ein Scheitern von Inszenierungen oder eine 'performative Aufwandsdifferenz' beim Verkörpern von Zeichen. Im Simplicissimus manifestiert sich dies als Wechselspiel zwischen 'excess of utterance' und 'pleasure in scandal'. Dabei lassen sich zwei Modi des Verunglückens ausmachen. Zum einen das Verunglücken beim Verkörpern von sprachlichen Äußerungen, zum anderen das Verunglücken des Körpers bei Lebensäußerungen.
Der folgende Beitrag stellt kein GIP-Projekt vor, das Projekt hat aber doch Einfluss auf die GIP Bochum-Ulan Ude genommen, die sich seit langem mit Multimediaaspekten im DaF-Unterricht beschäftigt. So werden etwa einige der im Folgenden beschriebenen Erfahrungen genutzt, um für das landeskundlich orientierte Lehrwerk Burjatien im Deutschunterricht (2005) eine multimediale Ergänzung zu schaffen.
Eine Auslandsgermanistik ist von vornherein auf so genannte inlandsgermanistische Musterbeispiele angewiesen und eingestellt. Darin liegt eine allgemeine Regel, der auch die russische Germanistik nolens volens folgt, wenn sie sich anschickt, die kulturwissenschaftliche Wende mitzumachen. Davon zeugen etwa die sich mehrenden Versuche, neue kulturell bedeutungsvolle Themen in wohlbekannten Texten aufzuspüren oder vermeintlich nichtliterarische Texte im Hinblick auf ihre Literarizität zu lesen.
Lässt sich, wie Heidemarie Uhl fragt, »die österreichisch-ungarische Doppelmonarchie [...] nicht als ein quasi-kolonialer Herrschaftskomplex begreifen, in dem die hegemoniale Kultur sich beständig durch Grenzziehungen zu ihrem kulturell-zivilisatorischen ›Anderen‹ legitimiert [...]«? Und welche Resonanz haben die vielfältigen Herrschaftsformen im habsburgischen Zentraleuropa in literarischen Texten gefunden? Eben einem solchen literarischen Text, der dieser Monarchie, diesem ›quasi-kolonialen Herrschaftskomplex‹ entsprang und in dem das kulturell-zivilisatorisch ›Andere‹, das ›Orientalische‹, eine bedeutende Rolle spielt, widmet sich meine Lektüre. Die für mich zentrale theoretische Fragestellung ist, ob neben dem expliziten kolonialen Gehalt des Textes auch seine impliziten kolonialen oder postkolonialen Strukturen lesbar und exponierbar werden oder immer schon exponiert sind. Die Möglichkeit einer postkolonialen Lesart würde bedeuten, dass es sich um einen Text handelt, in dem vielfältige, prozesshafte Identitätskonzepte lesbar sind, in dem binäre Oppositionsstrukturen unterlaufen werden und in dem sich Räume der Hybridität eröffnen, wie sie u.a. mit Homi Bhabhas Konzept des ›Dritten Raumes‹ beschreibbar sind.
Das im Titel aufgerissene Problemfeld des Projekts hat drei Dimensionen, (1) ästhetisch-poetologische Aspekte, (2) Funktionsformen der Grenze in den Sprachen der Kunst, (3) Grenzerfahrung und das Problem der Sprache der Grenzerfahrung. Von dieser Problemstellung aus werden verschiedene literarische Erscheinungen untersucht – die Werke von Franz Grillparzer, Thomas Mann, Hermann Broch, Ernst Jünger, Ernst Jandl, Johannes Bobrowski, Wolfgang Borchert, Thomas Bernhard, Peter Handke, Elfriede Jelinek, auch die Sprachen der Musik – von Bach, Mozart, Beethoven, Liszt, Wagner. Obwohl alle drei Dimensionen miteinander innerlich verbunden sind, werden sie im Rahmen dieses Forschungsberichtes der Reihe nach knapp erläutert.
Queertheorie bestimmt sich über Vorläufigkeit, die sich nicht als fixiertes System versteht, sondern als eines, das lediglich ein Instrumentarium zur Verfügung stellt, um die Logik der Spezifität von Machtbeziehungen und Machtkämpfen, etwa in literarischen Texten, zu analysieren. Insofern jeder kritischen Theorie die Verpflichtung aufgegeben ist, kritisch gegen sich selbst gewendet, auch die Möglichkeit zu denken, dass sie nicht immer da sein wird, gilt es, sich nicht im eigenen Moment einzurichten. So möchte ich im Sinne einer vorläufigen und zugleich einer strategischen Kanonisierung vorschlagen: Die germanistische Literaturwissenschaft sowohl mit postkolonialen Theorien als auch mit Gender- und Queertheorien momenthaft und gleichsam verschränkt zu perspektivieren, um dadurch neue Realisationen von Texten zum Entstehen zu bringen.
Modern memory theories conceptualize literature as a medium of cultural memory. Yet, the following article challenges this conceptualization, arguing that ascribing a memory function to literature undermines the de-pragmatization of literature in modernity. Through a poetological reading of Ralf Rothmann's novel "Milch und Kohle" (2000) the article then investigates in which way a memory function could be ascribed to modern literature without undermining the latter's status as a de-pragmatized system.
Seit einem Jahrzehnt zählt Russisch zu den häufig gesprochenen Migrationssprachen an deutschen Schulen und rückt nun als weitere Lernersprache in den Fokus der linguistischen Migrationsforschung. Russischsprachige Schüler und Schülerinnen, die als Aussiedler vornehmlich aus Russland und Kasachstan immigrieren, bilden seit Beginn der 90er Jahre die bedeutendste Gruppe jugendlicher Einwanderer nach Deutschland. Aussiedlerjugendliche erhalten zwar in den meisten Fällen kurz nach ihrer Einreise die deutsche Staatsangehörigkeit, diese ist jedoch längst kein Garant mehr für eine reibungslose Integration. Neuere Befunde zeigen, dass eine wachsende Zahl junger AussiedlerInnen aus den GUS-Staaten Gefahr läuft, den Anschluss an eine adäquate schulische und berufliche Ausbildung zu verpassen (vgl. Dietz/Roll 1998, Strobl/Kühnel 2000). Ihre Bildungsbeteiligung hat sich der benachteiligten Bildungssituation anderer Immigrantenjugendlicher angenähert.
Neben Goethes – hier freilich nur sehr grob umrissener – nüchterner Bewertung der historischen Rolle Deutschlands und Europas nimmt sich der "Europa" überschriebene, im Herbst 1799 entstandene Aufsatz Friedrich von Hardenbergs, genannt Novalis, geradezu als das andere Ende eines Spektrums von Standpunkten aus, die das Thema »Europa in Weimar« um 1800 ausmessen. Der Text hat bei den zeitge-nössischen Lesern in Novalis’ romantischem Jenaer Freundeskreis, besonders aber bei Schelling, für Irritation gesorgt. Goethe, der von August Wilhelm Schlegel um eine Stellungnahme gebeten worden war, sprach sich gegen die Absicht der Herausgeber aus, die "Europa"-Rede aus romantischer »Philironie« heraus zusammen mit Schellings polemischer Entgegnung "Epikurisch Glaubensbekenntniß Heinz Widerporstens" im "Athenäum" abzudrucken; eine Begründung seiner Entscheidung ist freilich nicht überliefert. Auch die spätere Rezeption der "Europa" blieb nicht selten von Verständ-nislosigkeit und Befremden geprägt.
Die deutsch-russischen Wissenschaftsbeziehungen sind historisch in einer Weise fundiert, die bis heute ihre Wirkungsmacht bewahrt hat. Als Peter der Große in Russland nicht nur ein Fenster nach Europa öffnete, sondern seinem Land eine Modernisierungsrevolution von oben nach westeuropäischen Mustern auferlegte, waren es auch und vor allem Deutsche, die er ins Land holte, um das Bildungsund Wissenschaftssystem der europäischen Neuzeit zu importieren. Deutsche waren es, die ganz wesentlich an der Konzeption und ab 1724 am Aufbau der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg beteiligt waren, das deutsche Universitätssystem stand Pate, als 1755 in Moskau die erste Universität unter anderem durch den in Marburg ausgebildeten Michail Lomonosov gegründet wurde. Mag es auch in der Geschichtswissenschaft umstritten sein, ob der Anteil der Deutschen am Aufbau des Wissenschafts- und Bildungssystems so extraordinär war, wie es in der Überlieferung oft behauptet wird, in jedem Fall ist diese Frage im kollektiven historischen Gedächtnis zugunsten der Deutschen fest entschieden.
Es liegt nahe, in dieser ebenso kurz wie prägnant auftretenden literarischen Figur der "Wahlverwandtschaften" ein konkretes historisches Vorbild zu vermuten. Bereits im 1916 veröffentlichten Registerband der Weimarer Ausgabe wurde sie mit dem Engländer Charles Gore identifiziert, eine Annahme, die seitdem mehrfach wiederholt wurde, freilich ohne auf ihren Erkenntnisgehalt hin geprüft worden zu sein. Gore, ein kultivierter Privatier, Schiffskonstrukteur und begabter Amateurzeichner, lebte mit seinen beiden Töchtern Eliza und Emilie von 1791 bis zu seinem Tode 1807 in Weimar und pflegte engen Kontakt zu dessen Gesellschaft. Vorausgegangen war ein fast zwanzigjähriges Reise leben, das 1773 mit einem durch den angeschlagenen Gesundheitszustand der Gattin bedingten mehrmonatigen Aufenthalt in Lissabon begonnen und die Familie seitdem durch weite Teile des europäischen Kontinentes geführt hatte. Die Konvergenz beider Figuren ist in der Tat höchst bemerkenswert. Sie soll im Folgenden näher untersucht werden, wobei vor allem der ästhetische wie pädagogische Nutzen ihres Wirkens herauszuarbeiten sein wird. Ein Verfahren, das den literarischen Text und den historischen Sachverhalt gleichermaßen in den Blick nimmt – wohlgemerkt unter Voraussetzung der jeweiligen Eigengesetzlichkeiten –, erlaubt dabei zweierlei: zum einen Einsicht in die Werkstatt des Dichters, der, vom Eindruck einer zeitgenössischen Persönlichkeit ausgehend, diese literarisch verarbeitet. Zum anderen vermag eine quellengestützte Untersuchung jene faszinierende Wirkung zu rekonstruieren, von der in den "Wahlverwandtschaften" nur eher andeutungsweise die Rede ist, erlaubt mithin eine kommentierende Deutung des Textes. Wie zu zeigen sein wird, vermögen beide Perspektiven das Phänomen ›Gore‹ auf aufschlussreiche Weise zu konturieren.
Meine Überlegungen auf diesen Seiten drehen sich um ein von Walter Benjamin handbeschriebenes Blatt Papier, an dem sich die "performative" Dimension von Benjamins Poetik paradigmatisch illustrieren lässt. Das Manuskriptblatt (Benjamin-Archiv Ms 931) wurde von Gershom Scholem auf ca. 1935 datiert und gehört thematisch in den Umkreis des etwa zwei Jahre vorher verfassten sprachtheoretischen Essays "Lehre vom Ähnlichen". Dort heißt es, dass die "Einsicht in die Bereiche des 'Ähnlichen' [...] weniger im Aufweis angetroffener Ähnlichkeiten [zu gewinnen sei] als durch die Wiedergabe von Prozessen, die solche Ähnlichkeiten erzeugen" (GS II, 204). In Benjamins Beschriftung von Ms 931 wird dies in die Tat umgesetzt: wir können uns den Schreibprozess, dem sich der handschriftliche Text auf jenem Blatt verdankt, als Selbsterforschung eines solchen Prozesses denken. In dem vorliegenden Versuch scheint jedoch, neben der Erzeugung von Ähnlichkeiten, die "Überwindung des Mythos" (Ms 931) als zweiter Pol am Horizont auf. Zusammen stecken jene beiden Pole ein dialektisches Spannungsfeld ab, in welchem sich sowohl Benjamins Schreibprozess als auch der meinige bewegen, und dessen Gesetzlichkeit das eigentliche Objekt dieser Überlegungen ausmacht. ...
Dass ich Franz Hessel und Walter Benjamin hier als Flaneure in einen Zusammenhang bringe, mag nicht weiter verwundern. Beide verfolgten ein gemeinsames literarisches Projekt, dessen Titel für sich selbst spricht: „Passagen“. Beide haben nicht nur diese Miniatur über Paris verfasst, sie haben auch ihr je eigenes Bild von Berlin gezeichnet. Aber auch ihre Lebensläufe kreuzen sich in Berlin und Paris als den Orten hauptstädtischer Weltläufigkeit, in die Flaneure gehören. Hessel und Benjamin verbindet nicht nur, dass der bürgerliche Alte Westen Berlins zwischen Landwehrkanal und Tiergarten Ort der Kindheit ist, beide zieht es auch in die Wahlheimat Paris, die sich allerdings nach 1933 in einen Fluchtort wandelt.
Im Sommersemester 2001 begann auf Initiative des Goethe-Instituts Warschau ein langfristig angelegtes Projekt zur deutschen Gegenwartsliteratur nach 1989. Ein zentrales Ziel bestand darin, neueren Entwicklungen nachzugehen und neben herausragenden Texten der 1990er Jahre vor allem auch eine junge Autorengeneration in den Blick zu bekommen. In diesem Rahmen waren neue Stoffe und Themen der älteren, mittleren wie jungen Autorengeneration in den 1990er Jahren Gegenstand der Diskussion.
This study is an electropalatographic investigation of clusters composed of /n/ or /l/ followed by the (alveolo)palatal consonants /ʎ, ɲ/ or by dental /t/ in three Catalan dialects, i.e., Majorcan, Valencian and Eastern. Data show that articulatory blending through superposition occurs in the palatalizing environment except when C1 is highly constrained (e.g., dark /l/) or C2 is purely palatal and therefore, produced at a distant articulatory location from C1. Contrary to previous descriptions in the literature, data for /nt, lt/ reveal that blending through superposition rather than assimilation is at work. The implications of these data for theories of speech production are discussed.
Russland und Dadaismus, Russland und Dada – auf den ersten Blick scheint es, als seien dies zwei ganz unvereinbare Dinge, schon deshalb, weil „Dada“ außerordentlich negative, destruktive Energien vertritt, während es im Russischen die zweifache Bestätigung „Ja, ja!“ bedeutet. Man wird zugeben müssen: Dieses Wort passt nicht als „Etikett“ für eine avantgardistische Bewegung oder Strömung in Russland, da es mit einer ganz bestimmten Bedeutung behaftet ist. Es hat allerdings in anderen als der russischen Sprache, vor allem in westeuropäischen Sprachen Wurzeln schlagen können, weil es dort jeglichen Sinnes entbehrte.
Angesichts der Vielfalt der unterschiedlichen Beiträge zum Thema der Liminalität stellt sich zugleich die Frage nach der theoretischen Grundlegung des Begriffes im Zwischenraum von Ethnologie und Diskursanalyse. Der vorliegende Beitrag knüpft an mögliche Erweiterungen des Liminalitätsbegriffes in anderen Disziplinen an, möchte im Blick auf den Zusammenhang von Liminalität und Literalität jedoch zugleich den Akzent verschieben, indem er Freuds Psychoanalyse zum Gegenstand der Diskussion nimmt. Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen ist nicht nur die Tatsache, dass sich im Denken Freuds auch in seinen unterschiedlichen Phasen immer wieder die Auseinandersetzung mit liminalen Phänomenen beobachten lässt, sondern zugleich der eigentümliche Ort von Freuds eigenem Schreiben im Zwischenraum von Wissenschaft und Fiktion. Das gilt für die frühe, gemeinsam mit Fließ entwickelte Theorie von der grundsätzlichen Bisexualität des menschlichen Wesens wie für die Auseinandersetzung mit dem Phänomen des Traums als einem Übergangsstadium zwischen Schlaf und Erwachen. Eine besondere Bedeutung gewinnen Theorie und Schreiben der Liminalität bei Freud in seinen späten Ausführungen zur Ich-Theorie, in denen die frühe Unterscheidung von Bewusstem und Unbewusstem eine Revision erfährt, die zugleich zu der Begründung eines Oberflächenmodells führt, in dem das Phänomen der Liminalität neu fundiert wird. Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich nach einem kurzen Seitenblick auf die Bedeutung der Liminalität für das Denken Walter Benjamins daher auf zwei zentrale Schriften Freuds, "Die Traumdeutung" und "Das Ich und das Es".
Fußball ist ohne Zweifel das weltweit populärste Mannschaftsspiel. Nicht zu Unrecht wird es daher seit Jahrzehnten als „König“ metaphorisiert. Nach allem, was heute bekannt ist, wurde eine Urform in China schon vor 5000 Jahren gespielt. In Europa soll seit dem 12. Jahrhundert vor allem im nördlichen Frankreich und in England ein fußballähnliches Spiel betrieben worden sein, und in Florenz und anderen norditalienischen Städten war seit dem 15. Jahrhundert das noch recht urwüchsige calcio sehr beliebt, bei dem je 27 Spieler darum kämpften, den Ball mit Faust oder Fuß über die Begrenzung der gegnerischen Schmalseite des Spielfeldes zu schlagen und so ein „Mal“ zu erzielen.
Anrufbeantworter und Online-Chat sind zwei telekommunikative Phänomene unseres hoch-technisierten Alltags, die auf eigentümliche Weise zwischen Stimme und Schrift changieren. Der Anrufbeantworter dient – wie die Mailbox des Handys – der Aufzeichnung von gesprochenen, flüchtigen Äußerungen. Aufgrund ihrer Wiederholbarkeit gewinnen diese Äußerungen einen gewissen Schriftcharakter – sie befinden sich sozusagen im Übergang zwischen "medialer Mündlichkeit" und "konzeptioneller Schriftlichkeit". Der Online-Chat stellt das Komplementärphänomen zum Anrufbeantworter dar: Er ist eine Kommunikationsform zwischen vernetzten Computern, die schriftlich erfolgt, aber den Charakter von mündlichen Äußerungen hat, da die Kommunikation synchron verläuft. Der Online-Chat befindet sich so besehen im Übergang zwischen medialer Schriftlichkeit und konzeptioneller Mündlichkeit. Die Besonderheit von Anrufbeantworter und Online-Chat liegt aber nicht nur in der spezifischen Art, wie Mündlichkeit und Schriftlichkeit interferieren, sondern darin, daß diese Interferenz unter dem Vorzeichen der Telekommunikation steht. Wodurch zeichnet sich Telekommunikation aus? Durch den wunderbaren Moment der Verbindung. Dieser Moment wird im folgenden der Bezugspunkt meiner Überlegungen zum Verhältnis von Stimme und Schrift sein.
Deutschsprachige und bilinguale Studiengänge : eine Chance für Deutsch als Fremdsprache in Russland
(2008)
Der Bericht der Ständigen Arbeitsgruppe Deutsch als Fremdsprache (2006) für das Jahr 2005 zeigt, dass Russland, trotz eines Rückgangs der Lernerzahlen, immer noch das Land mit den meisten Deutschlernern (mehr als 3,3 Millionen) und mit dem größten Deutschlernangebot an den Schulen und den Universitäten (ca. 1000 Hochschulen) ist. Bei einer Umfrage unter 1025 Personen in den Städten Jakutsk, Kaliningrad, Moskau, Saratov und St. Petersburg waren 100 % der Befragten der Meinung, dass Englisch für die beruflichen Aussichten die wichtigste Sprache sei, aber 89 % schätzten die Kenntnis des Deutschen für ebenso wichtig ein und 95 % waren sogar der Meinung, dass durch ein sehr gutes Erlernen der deutschen Sprache im bilingualen Unterricht an Schulen sich die Berufschancen der Lerner erheblich verbessern (vgl. Baur 2005).
»Medium«, so lesen wir im Vorwort des ‚Kursbuchs Medienkultur’, »heißt Mitte und Mittler, Vermittlung und Vermittler und appelliert an die Frage, wie die Rolle, die Tätigkeit und das Material dieses Dazwischen genauer beschaffen sei«. Damit ist die Frage »Was istein Medium?« offensichtlich an die Frage »Wie ist ein Medium?« gekoppelt. Was macht ein Medium in diesem Dazwischen? Wenn man der Ansicht zustimmt, dass es Medien in einem »substantiell und historisch stabilen Sinn« nicht gibt, da »[w]eder materielle Träger noch Symbolsysteme oder Techniken der Distribution« hinreichen, um den Begriff des Mediums zu explizieren, dann tritt an die Stelle einer substantiellen Antwort auf die Was-ist-ein-Medium-Frage eine Das-macht-das-Medium-These: die These nämlich, dass Medien das, was sie vermitteln, verarbeiten oder speichern, »unter Bedingungen stellen, die sie selbst schaffen und sind«. Medien sind, mit anderen Worten, Rahmenbedingungen, die konstitutiv auf das, was sie vermitteln, einwirken. Diese eigentümliche Dynamik der medialen Rahmung fasst die Mediologie im Ausgang von Regis Debrayals System Dispositiv – Träger – Prozeß: ein System, das die Verfahren der Übertragung determiniert; in die gleiche Richtung zielt Sybille Krämer, wenn sie feststellt, dass Medien »im Akt der Übertragung dasjenige, was sie übertragen, zugleich mitbedingen und prägen«.
In unserem Beitrag möchten wir die Besonderheiten des systemhaften Aufbaus der funktional-semantischen Kategorien der Modalität und Aspektualität zeigen, und zwar anhand der Konstruktion können + Infinitiv im Deutschen und deren Äquivalente im Englischen. Unser Hauptanliegen ist es, die modalen Konstruktionen zu untersuchen, Unterschiede und Ähnlichkeiten in den beiden germanischen Sprachen zu systematisieren und Sprachmittel verschiedener Ebenen zu diskutieren, um festzustellen, wie diese Mittel bei der Formierung des Plans der Begrenztheit und Unbegrenztheit der Handlung und deren aktionalen Schattierungen funktionieren.
Die Grenzen der Welt
(2008)
Ein junger Dozent der Philosophie reist im Mai 1941 ins besetzte Paris. Eingeladen hat ihn die kulturpolitische Abteilung der deutschen Botschaft, das Deutsche Institut. Im Jahr darauf erscheint der Pariser Vortrag bei Vittorio Klostermann unter dem Titel Volk und Geschichte im Denken Herders. Man liest dort, Herder betreffend: »So sieht er (und nimmt darin eine Einsicht vorweg, die uns aus Nietzsches zweiter unzeitgemäßer Betrachtung über den »Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben« geläufig ist): jedes Leben hat einen geschlossenen Horizont, um in dieser »Mäßigung des menschlichen Blickes (die »Fühllosigkeit, Kälte und Blindheit« gegen das Ungleichartige und Fremde der Vergangenheit zur Folge hat) mir auf dem Mittelpunkte Genüge zu geben, der mich trägt.« In einem auf seine Vorurteilslosigkeit stolzen Jahrhundert erkennt Herder die Kraft des Vorurteils, glücklich zu machen, indem es »Völker in ihrem Mittelpunkte zusammendrängt«.
Ein Spaziergang im Wald: Die Baumkronen wiegen sich im Sommerwind, unser Weg ist in ein animierendes Wechselspiel von Licht und Schatten getaucht, dazu zwitschern die Vögel. Hier und dort treffen wir auf andere Spaziergänger, die ebenfalls der Stadt entflohen sind – zum Familien-Picknick in Waldlichtungen, zum verliebten Zwiegespräch, zum einsamen Grübeln. Auf unseren Gruß reagieren manche freundlich und offen, andere unwirsch. Hier werden wir zum Wein geladen und zum Versteckspiel mit den Kindern, dort fühlt man sich gestört, ja einmal werden wir sogar bedroht, weil man unsere Kontaktaufnahme als Einmischung in fremde Angelegenheiten mißversteht. ...
Die Sehnsucht nach wahren Geschichten : Mittelalter-Rezeption in der deutschen Gegenwartsliteratur
(2008)
In einer Zeit, in der einerseits die Vermittlung der zentralen Mythen und Texte des europäischen Abendlandes – der Antike ebenso wie des Mittelalters – immer stärker aus dem kanonischen Inhalten der Bildungsinstitutionen (...) verdrängt wird, (...) sind es nicht zuletzt die Autorinnen und Autoren der Gegenwartsliteratur, denen das Verdienst zukommt, die Werke ihrer mittelalterlichen Vorgänger wieder in das ‚kulturelle Gedächtnis’ der Jetztzeit einzuschreiben. Eben deshalb verdient diese Spurensuche mediävistisches Interesse (...)
Ich möchte mit einer einfachen Frage beginnen, die aber natürlich keine einfache Frage ist: Wie und unter welchen Bedingungen kommt es zu geistesgeschichtlichen Umbrüchen, speziell zum Epochenumbruch um 1800 in der Ästhetik, also dem Beginn der ästhetischen Moderne? Ich verbinde also die Frage auch mit der Frage nach einer angemessenen Theorie der Genese der ästhetischen Moderne.
The article analyzes the system of focus-sensitive particles and, to a lesser extent, clefts in Vietnamese. EVEN/ALSO/ONLY foci are discussed across syntactic categories, and Vietnamese is found to organize its system of focus-sensitive particles along three dimensions of classification: (i) EVEN vs. ALSO vs. ONLY; (ii) particles c-commanding foci vs. particles c-commanding backgrounds; (iii) adverbial focus-sensitive particles vs. particles c-commanding argument foci only. Towards the end of the paper, free-choice constructions and additional sentence-final particles conveying ONLY and ALSO semantics are briefly discussed. The peculiar Vietnamese system reflects core properties of the analogous empirical domain in Chinese, a known source of borrowings into Vietnamese over the millennia.
It has been established since Kanerva’s work that focus conditions phrasing – directly or indirectly – in several other Bantu languages, e.g. Chimwiini (Kisseberth 2007, Downing 2002, Kisseberth & Abasheikh 2004), Xhosa (Jokweni 1995, Zerbian 2004), Chitumbuka (Downing 2006, 2007), Zulu (Cheng & Downing 2006, Downing 2007), Bemba (Kula 2007), etc.
In this paper, I will argue that focus also conditions phrasing in Shingazidja, a Bantu language3 spoken on Grande Comore (or Ngazidja, the largest island of the Comoros).
Many works have been dedicated to the tonology of Shingazidja. The bases of the system were firstly identified by Tucker & Bryan (1970) and reanalyzed by Philippson (1988). Later, Cassimjee & Kisseberth (1989, 1992, 1993, 1998) provide a very convincing analysis of the whole system of the language, and my own research (Patin 2007a) shows a great correspondence with their results. However, little attention has been paid by these authors or others (Jouannet 1989, Rey 1990, Philippson 2005) to the phonology-pragmatics interface, especially on the relation between focus and phrasing. This paper thus proposes to explore this question. It will be claimed that focus, beside syntax, has an influence on phrasing in Shingazidja.
Much work on the interaction of prosody and focus assumes that, crosslinguistically, there is a necessary correlation between the position of main sentence stress (or accent) and focus, and that an intonational pitch change on the focused element is a primary correlate of focus. In this paper, I discuss primary data from three Bantu languages – Chichewa, Durban Zulu and Chitumbuka – and show that in all three languages phonological re-phrasing, not stress, is the main prosodic correlate of focus and that lengthening, not pitch movement, is the main prosodic correlate of phrasing. This result is of interest for the typology of intonation in illustrating languages where intonation has limited use and where, notably, intonation does not highlight focused information in the way we might expect from European stress languages.
Focus asymmetries in Bura
(2008)
This article presents the central aspects of the focus system of Bura (Chadic), which exhibits a number of asymmetries: Grammatical focus marking is obligatory only with focused subjects, where focus is marked by the particle án following the subject. Focused subjects remain in situ and the complement of án is a regular VP. With nonsubject foci, án appears in a cleft-structure between the fronted focus constituent and a relative clause. We present a semantically unified analysis of focus marking in Bura that treats the particle as a focusmarking copula in T that takes a property-denoting expression (the background) and an individual-denoting expression (the focus) as arguments. The article also investigates the realization of predicate and polarity focus, which are almost never marked. The upshot of the discussion is that Bura shares many characteristic traits of focus marking with other Chadic languages, but it crucially differs in exhibiting a structural difference in the marking of focus on subjects and non-subject constituents.
[...] der Chor ist einerseits in seiner dramatischen Funktion gleichsam im Dienst seines jeweiligen Herrn Partei; – er ist andererseits, von Herkunft und Tradition her gebunden, episch betrachtend und urteilend ausgerichtet. Man hat Schillers Tragödie viel zu sehr menschheitsgeschichtlich abstrakt interpretiert; stattdessen ist sein dramatisches Stück kulturgeschichtlich präzis "geerdet". Sein Rückgriff auf die formale Simplizität antiker Tragödienelemente ist nicht historistisch gedacht, sondern experimentell. Aus heutiger Sichtweise kann dieser Rückgriff begrifflich beschrieben werden als "Komplexitätsreduktion" zum Zwecke einer "Komplexitätssteigerung".
Der Lehrstuhl für Deutsche Philologie als selbständige Institution an der Philologischen Fakultät der Staatlichen Universität St. Petersburg besteht schon mehr als 80 Jahre. Um die Bedeutung des Lehrstuhls in der Geschichte der russischen Germanistik zu verdeutlichen, möchte ich einige Namen hervorragender Germanisten nennen, die in verschiedenen Perioden des 20. Jahrhunderts den Lehrstuhl geleitet haben und die auch in Deutschland weit bekannt sind.
Wenn wie im Falle des Instituts für Angewandte Linguistik und Translatologie der Universität Leipzig eine mehr als zehnjährige Germanistische Institutspartnerschaft mit gleich zwei russischen Partnern – den Übersetzer-Fakultäten der Linguistischen Universitäten Moskau und Pjatigorsk – nunmehr ihren Abschluss findet, so bietet es sich natürlich an zu fragen, was die GIP-Langzeitkooperation beiden Seiten an messbaren wissenschaftlichen, wissenschaftsmethodischen und curricularen Ergebnissen, an „Zuwächsen“ im Sinne der Nachwuchsförderung, des Austauschs von Dozenten und Studierenden gebracht hat. Die Bilanz – von uns dargelegt im Jubiläumsband 52 der Dokumente & Materialien des Deutschen Akademischen Austausch Dienstes – kann sich durchaus sehen lassen und rechtfertigt nicht nur die aufgewandten Mittel, sondern auch die kontinuierliche Arbeit, den nachhaltigen Einsatz und die vielfältigen Initiativen der zahlreichen Beteiligten auf beiden Seiten.
Das Ziel der vorliegenden Untersuchung besteht nicht darin, verschiedene Varianten der Übersetzungen von Novalis’ Lyrik ausführlich zu analysieren und zu vergleichen (die russische Übersetzung von Vladimir Mikuševič wurde deshalb gewählt, weil sie einfach als die „neueste“ gilt) oder über theoretische Fragen der Übersetzung zu diskutieren und „bessere“ Varianten vorzuschlagen. Die Aufgabe der Arbeit besteht vielmehr darin, an einzelnen konkreten Beispielen aus den Hymnen an die Nacht und den Geistlichen Liedern zu veranschaulichen, dass bei einer Übersetzung unvermeidlich die Semantik von vielen Wörtern, die im Deutschen nicht nur eine bestimmte Bedeutung haben, sondern auch den Leser auf ein bestimmtes Feld von kulturellen Parallelen und Assoziationen führen, verlorengeht. Es geht also um solche Ausdrücke, die selbst im Deutschen eines Kommentares, einer Erläuterung bedürfen.