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Die amerikanische Hardcore Punk Szene wird bis heute als eine antirassistische Rebellion gegen das Wiedererstarken konservativer Wertvorstellungen wahrgenommen. Hardcore Punk entwickelte sich in den USA aus der Stilrichtung des Punkrock und hatte seinen Höhepunkt in den 1980er Jahren. Dabei wurde sowohl der lyrische Inhalt als auch die musikalische Form des ursprünglichen Genres radikalisiert und die subkulturelle Identität maßgeblich über körperbetonte und expressive Bühnenauftritte konstituiert. Die Hardcore Punk Szene inszenierte sich vornehmlich als prekäre und stigmatisierte Gesellschaftsschicht, um von dieser Position aus eine vermeintlich antirassistische Grundhaltung zu propagieren. Die Tatsache, dass diese Szene jedoch fast ausschließlich aus weißen, männlichen und der Mittelschicht zugehörigen Jugendlichen bestand, wirft Fragen hinsichtlich der etablierten, politisch eindeutigen Verortung als subversiver Bewegung auf.
Den 'Kampf der Kulturen' ein weiteres Mal genauer zu betrachten lohnt also der Mühe, wird doch auf diese Weise der Blick auf Thematiken gelenkt, die gegenwärtig in der Diskussion sind. Dabei ist insbesondere an Momente der Verbindung von (Neo-)Nationalismus und einem "Rassismus ohne 'Rassen'", an Fragen der Identitätskonstruktion sowie an die Huntington'schen Haupt- Konfliktparteien Westen und Islam zu denken. Fragen der räumlich-geographischen Verortung des Subjekts sind gerade in 'Migrationsdebatten' entscheidend und spielen ebenso in rassistischen Konstruktionen des 'Anderen' eine existentielle Rolle; auch – und das ist ausschlaggebend – für die gegenwärtige politische und gesellschaftliche Situation über den Rahmen der Hauptlinien, die Huntington aufzeichnet, hinaus.
Transkulturalität ist in den Nullerjahren zu einem zentralen Begriff der Kulturwissenschaften für die Beschreibung von Migrations- und Globalisierungsprozessen avanciert. Dabei eint die Transkulturalität mit ihren Vorgängermodellen der Inter- und Multikulturalität eine binäre konzeptuelle Ausrichtung: Zum einen wollen sie als Deskriptionsinstrumente der sich zunehmend kulturell vernetzenden Weltgesellschaft heuristisch angemessen begegnen. Zum anderen geht in ihnen ein normativer Impetus auf, indem sie Identitätsmodelle formulieren, die gegen Ressentiments und antimigrantische Narrative in Stellung gebracht werden. Immer richten sich diese 'Kulturalitätskonzepte' gegen ein bestehendes Defizit im gesellschaftlichen Wissen um Migrations-prozesse und treten mit ihren implizierten Visionen einer sich entwickelnden Einwanderungsgesellschaft als 'Hoffnungsträger' in den öffentlichen und wissenschaftlichen Debatten auf.
Auch wenn der hier vorgenommene Vergleich die gegensätzlichen Erinnerungsentwürfe der Romane besonders betont hat, ist es doch beeindruckend, von welcher Komplementarität beide Texte im Hinblick auf die von ihnen erzählten Geschichten und ihren Einsatz der Familie sind. Während die Erinnerungsarbeit Austerlitz' an der Unerzählbarkeit des Traumas einer verlorenen Vergangenheit scheitert und damit den Bruch des 'post-memory' markiert, gelingt Wackwitz nicht nur die Herstellung einer Kontinuität der Erinnerung als 'trans-memory', sondern letztlich auch die Verschiebung ihres 'Ursprungsortes'. Mithilfe eines 'erschriebenen' 'transmemory' gelingt es in 'Ein unsichtbares Land' durch den Entwurf einer männlich codierten Genealogie, die Mitläuferschaft des Großvaters in die eigene Herkunftsgeschichte zu integrieren. Dabei bedingt Wackwitz' 'Herkunftssehnsucht' seine Erkenntnisbedingungen, Gegenläufiges und Widersprüchliches muss ausgeklammert bleiben. Im Vergleich mit Austerlitz offenbart sich dabei eine hermeneutische Sehnsucht, die die Brüche zu den Erinnerungen der anderen, die auch die Erinnerungen der Opfer sind, systematisch übergeht. Ganz anders Sebalds Roman, in dem sich die Vergangenheits- und Zukunftslosigkeit der Figur Austerlitz jeder Kontinuität der Erinnerung verweigert.
Trans_Konzepte dienen der Beschreibung kultureller Formationen, die gegen binäre oder dichotomisierende Ordnungsstrukturen Offenheit, Vernetzung und Prozesshaftigkeit setzen. Ein großer Vorteil dieses methodischen Zugriffs liegt darin, dass das Untersuchungsfeld des ›Trans_‹ weder kulturhistorisch noch geopolitisch gebunden ist und somit auch einen innovativen Zugang zu historischen und längst kanonisierten Texten eröffnet – oder aber bereits beobachtete, textinterne Bewegungen beschreibbar macht. So lässt sich auch Ovids 'Narcissus et Echo' als Szenario der Trans_Geschlechtlichkeit lesen. Sobald man den Fokus der Lektüre nicht auf die Autoerotisierung der Hauptfigur legt, sondern den Text von seinem Ausgangspunkt her – der Vergewaltigung von Liriope durch ihren Vater – begreift, werden weitere textimmanente Prozesse sichtbar, die eine Bewegung des ›Trans_‹ abbilden. So lässt sich Narziss als eine psychische Auslagerung seiner Mutter verstehen, die sich nach dem gewaltsamen Zugriff auf ihren Körper im geschlechtlich Polyvalenten einen neuen Existenz- und Wahrnehmungsraum schafft. Narziss erscheint darin als geschlechtlich entortet und anhand mehrerer Spiegelungen nicht auf eine eindeutige 'Substanz' oder 'Natur' zurückführbar.
Erich Amborns 'Und dennoch Ja zum Leben' zeichnet das Leben eines_r Protagonist_ in nach, dessen Geschlechtsidentität immer wieder infrage gestellt wird. Das Buch erschien 1981 unter einem Pseudonym und erzählt von Ereignissen, die von 1914 bis 1933 stattfanden. Gattungsspezifisch ist der Text weder der Autobiographie noch dem Roman eindeutig zuzuordnen. Mal aus der Ich- Perspektive, mal mithilfe einer auktorialen Erzählinstanz werden die Geschehnisse aus dem Leben von Martina erzählt. Bei der Geburt im ausgehenden 19. Jahrhundert wird Martina dem weiblichen Geschlecht zugeordnet. Später jedoch nimmt sie – nun als ›er‹ – den Namen Martin, dann den Namen Toni an. Im Berlin der 1920er Jahre unterzieht er sich schließlich experimentellen chirurgischen Eingriffen zur Anpassung des Geschlechts. Anhand dieses Textes untersucht dieser Beitrag welche gesetzlichen und zugleich symbolischen und performativen Legitimationsmechanismen zur Regulierung von Transgeschlechtlichkeit im Text thematisiert werden, und wie sich diese Regulierungen auf den sozialen Status des_r transgeschlechtlichen Protagonist_ in auswirken. Von besonderer Bedeutung wird hier die Vergabe oder Aberkennung des Namens hervorgehoben, durch den die enge Verflechtung von Körperlichkeit und Geschlechtsidentität zementiert beziehungsweise erodiert werden kann.
Traditionell beziehen sich Kulturgeschichten auf Länder beziehungsweise Kulturräume, zum Beispiel Europa, jedenfalls zumeist auf das feste Land mit seiner Geschichte und seinen wechselhaften Grenzziehungen.1 Kaum gibt es aber Kulturgeschichten der Wassergebiete der Erde, obwohl diese über siebzig Prozent der Erdoberfläche ausmachen. Zumeist gelten Meere, Seen, Flüsse als Hindernisse oder Verbindungswege zwischen den Landmassen oder ganz einfach als Grenzen, die jedoch per se immer auch ihre Überschreitung verlangen. Aber findet Kulturgeschichte nur auf dem Lande statt? Oder impliziert das Wasser samt seiner Fluidität auch ein Problem für unsere Art der Geschichtsschreibung und die dahinterstehende Erkenntnistheorie?
Literatur und Kunst sind schon immer ein Barometer des Kultur- und Mentalitätswandels in der Gesellschaft gewesen. Auch heute reagieren Künstler_innen auf Veränderungen in der 'postmodernen' Welt, die sich auf solche Stichpunkte bringen lassen wie Globalisierung, Migration, Grenzüberschreitungen zwischen Nationen, Kulturen und Sprachen, Auflösung fester Identitäten. Mit künstlerischen Mitteln wird zudem – affirmativ, kritisch, ironisch – auf theoretische Konzepte Bezug genommen, mit denen Kulturwissenschaftler_innen die neuen sozialen, kulturellen und ökonomischen Lebensformen beschreiben. Zu diesen Konzepten gehört die auf Welsch zurückgehende Transkulturalität. Die damit eingeführte neue Sicht auf Kulturkontakte löst seit den 1990er Jahren zunehmend die Idee der Interkulturalität und die Prämissen der post-colonial studies ab, ganz zu schweigen von der überholten und politisch gescheiterten Multikulturalität.
Ilija Trojanow gelingt es in seinem Roman 'Der Weltensammler' mit der Reflexion der wandelbaren Identität des Briten Richard Burton bewusst zu machen, dass sich die Identität von Kulturen im globalen Raum durch interkulturelle Interaktionen, Assimilation und Integration ausbildet, auch wenn dies im 19. Jahrhundert noch ein Vorrecht des Westens zu sein scheint. Heute ist es für beide Seiten – sowohl für Europäer als auch für Nichteuropäer – unumgänglich, die Rolle des 'Anderen' einzunehmen, um ein Bewusstsein von Identität zu entfalten, das der Dynamik und Flexibilität der heutigen kulturellen Bewegungen von Menschen und Gesellschaften im Kontext von Globalisierung entspricht. Trojanow wollte mit seinem Roman 'Der Weltensammler' ein Buch schreiben, "ein Buch über die Möglichkeiten kulturellen Verstehens und die Möglichkeiten, eine dynamische kulturelle Identität zu leben." (Trojanow 2006) Er wollte aber auch durch die intensive Beschäftigung mit der historischen Figur Richard Burton darauf aufmerksam machen, dass er durch das Schreiben und in der Rekonstruktion der Persönlichkeit Richard Burtons zu einer neuen Selbsterkenntnis gelangt ist: "Je mehr ich recherchiere, desto mehr interessiert mich die Wirklichkeit von anderen. Ich bin fasziniert, wie das Schreiben mir hilft, eigene Vorurteile und Verengungen zu überwinden, wie sehr der kreative Prozeß mich selber in Frage stellt." (Trojanow 2008: 94)
'Arbeit und Müßiggang' in der Literatur? Die Berechtigung der Themenstellung scheint evident, denn schon ein flüchtiger Blick in die Initialtexte der abendländischen Tradition erweist, wie sehr das westliche Denken von seinen Anfängen her über den Binarismus von Arbeit und Müßiggang gesteuert worden ist. Dies gilt zunächst für die jüdisch-christliche Schöpfungsmythe, welche den nachparadiesischen Menschen nicht nur zur Arbeit verdammt ("Verflucht sey der Acker vmb · deinen willen/ mit kummer soltu dich drauff neeren dein Leben lang / Dorn vnd Disteln sol er dir tragen / vnd solt das Kraut auff dem felde essen. Jm schweis deines Angesichts solm dein Brot essen" [Gen 3,17-19]), sondern ihm zudem abverlangt, die Mühsal des Broterwerbs in dem Bewusstsein zu verrichten, dass sie eine Strafe für die Übertretung der göttlichen Ordnung darstellt. Denn das Vermögen zur Unterscheidung von 'Gut und Böse' ist es ja, das der Mensch durch die Übertretung des göttlichen Gebotes erwirbt ("Da sprach die Schlang zum Weibe / Jr werdet mit nicht des tods sterben / Sondern Gott weis / das / welchs tags jr da von esset / so werden ewre augen auff gethan / vnd werdet sein wie Gott / vnd wissen was gut vnd böse ist" [Gen 3,4f.]). Wer nachparadiesisch müßig geht, wird nicht nur darben, sondern verstößt gegen das über den Menschen verhängte Arbeitsgebot und missachtet damit, zum zweiten Mal, die Autorität des die Ordnung der Welt setzenden Schöpfergottes. Wer hingegen arbeitet, der akzeptiert die über das Menschengeschlecht verhängte Strafe und bejaht, den ursprünglichen Verstoß bereuend, die Schöpfungsordnung. So ist mit der Vetreibung des Menschen aus dem Paradies nicht nur die Mühsal der Arbeit gesetzt, sondern ebenso der Binarismus von Arbeit und Müßiggang als ein den abendländischen Diskurs prägendes Unterscheidungswissen von einem gottgefälligen und einem gotteslästerlichen Leben.
In diesem Beitrag möchte ich den Zusammenhang von Lebendigkeit und Unsterblichkeit in den Weltvorstellungen und Kunstwerken der frühen russischen Avantgarde in St. Petersburg genauer betrachten. Künstlerinnen und Künstler wie Pavel Filonov, Elena Guro, Nikolaj Kul'bin und Michail Matjušin teilten die Überzeugung, dass die Kunst ein Medium sein könne, die Strukturen des Kosmos in seinen sichtbaren materiellen wie seinen unsichtbaren nichtmateriellen und energetischen Aspekten zu enthüllen. Diese Künstler machten die Entwicklungsprozesse, Kräfte und Formen der Natur zum Modell ihres künstlerischen Schaffens; ihre organische Ästhetik wurde von ihren pantheistischen, neovitalistischen oder monistischen Anschauungen und vom Evolutionsgedanken beeinflusst. Sie verbanden unmittelbare Naturbeobachtung mit wissenschaftlichem Denken und mit einem starken Interesse an der Natur der menschlichen Seele sowie an psychophysiologischen Fragestellungen. Künstler wie Filonov, Guro, Kul'bin und Matjušin betrachteten den Menschen als integralen Bestandteil der Natur; sie waren überzeugt, dass das menschliche Dasein den Gesetzen der Natur unterworfen sei und sich ihre künstlerische Tätigkeit an den Gesetzen der Natur ausrichten müsse.
Auch wenn die Immortalisten von Gavdos in ihrer Konzeptualisierung des Todesproblems insofern eine skeptische Haltung gegenüber der biologischen bzw. medizinisch-technischen Modellierung der Unsterblichkeitsproblematik beziehen, als sie den Tod nicht über den Funktionsverlust einzelner Bestandteile des Körpers, sondern über seine physiologische Bedeutung hinaus als gesellschaftliches und das heißt auch zwischenmenschliches Phänomen wieder in den Fokus rücken, sind auch sie nicht frei vom Pathos der Idee eines Neuen Menschen. Dass in ihren Texten die Frage nach der Unsterblichkeit die Konturen einer gemeinschaftlichen Praxis bekommt, sollte nicht den Blick auf die Tatsache verstellen, dass die 'Rückbesinnung' der Immortalisten von Gavdos auf die antiken Wurzeln des Unsterblichkeitsglaubens in erster Linie eine geradezu mythopoietische Konstruktionsleistung darstellt, an deren Ende die schöpferische Erfindung und nicht das Auffinden einer antiken Unsterblichkeitstradition steht: Die Besinnung auf das 'Ursprüngliche' wird hier zum Modus der Gegenwartsbewältigung verklärt, die Vergangenheit des europäischen Homo immortalis zur Zukunft der Menschheit erklärt.
In seiner programmatischen Schrift 'Cybernetics: Or Control and Communication in the Animal and the Machine' von 1948 äußerte Norbert Wiener die Überzeugung, dass sich organische Systeme in kybernetisch-technische Prinzipien übertragen ließen. Biologie sei letztlich Code und Information, der Mensch ein Informationssystem. Vor dem Hintergrund dieser Grundannahme der Kybernetik, der Theorie und Modellierung von Regelungs- und Steuerungsvorgängen komplexer Systeme, wurden in der Folge auch verschiedene Wege zur Unsterblichkeit thematisiert und in trans- und posthumanistischen Unsterblichkeitsutopien zugespitzt, die sich im Wesentlichen zwei Teilbereichen der Biokybernetik zuordnen lassen: der medizinischen Kybernetik und der Neurokybernetik.
Der Golem ist keine Prager Figur, sondern eine verbreitete jüdische Legende. Dennoch sind die Stadt und der Golem nirgends so miteinander verwachsen wie in Prag. "Golem-City" nennt denn auch Louis Armand 2016 in seinem Roman The Combinations die böhmische Metropole. Diese Verschmelzung von Raum und Figur zur 'Golem-City' möchte ich am Prager Underground zeigen. Dabei handelt es sich um eine vielgestaltige, in der ČSSR weitgehend verbotene, poetologisch durchaus inhomogene Kunstrichtung der 1980er Jahre.
[Ich] will [...] im Folgenden zwei weniger bekannte dys-/utopische Prosatexte miteinander vergleichen, und zwar Prazdnik bessmertija (1912; Tag der Unsterblichkeit) von Aleksandr Bogdanov und Pronalazak Athanatika (1957/1975; Die Erfindung des Athanatik) von Vladan Desnica. Bogdanov gilt als Pionier der modernen Science- Fiction-Literatur in Russland, Desnicas intellektuelle Prosa, die eng mit der kulturellen Tradition Dalmatiens verbunden und überdies in verschiedene psychologische Diskurse eingebettet ist, nimmt ihrerseits einen festen Platz in der jugoslawischen Literatur ein. Die beiden Werke eignen sich für eine komparatistische Analyse insbesondere deshalb, weil sie frühe Beispiele für den Unsterblichkeitstopos in der Science-Fiction-Literatur darstellen.
Konstantin Ėduardovič Ciolkovskij (1857–1935), ein menschenscheuer, fast tauber Sonderling aus der Provinzstadt Kaluga, der als Lehrer für Mathematik und Physik an einer Realschule sein bescheidenes Auskommen fand, gilt als 'Großvater' des sowjetischen Raumfahrtprogramms. Seit den späten 1870er Jahren suchte er nach Wegen, wie der Mensch die Gravitation überwinden und in den 'freien Raum' gelangen könne. Zunächst dachte er daran, die Fliehkraft zu nutzen, doch erkannte er 1896, dass zum Vordringen in den Weltraum nur ein Flugapparat mit Rückstoßantrieb geeignet sein werde. Im selben Jahr schlug er in einem Zeitungsartikel vor, mit den Bewohnern anderer Planeten Kontakt aufzunehmen. Zu Ciolkovskijs wegweisenden Raumfahrtideen gehören die Entwürfe mehrstufiger Raketen ('Raketen-Züge') mit flüssigem Treibstoff, die Pläne bemannter autarker Raumstationen ('Kosmokolonien') sowie die Beschreibung der Überlebensbedingungen in Raumfahrzeugen.
Die biopolitischen Projekte der Lebensverlängerung und Todesüberwindung im Kontext der russischen Moderne legen geradezu nahe, sie unter dem Label einer 'Fortschrittsutopie' zu subsumieren. Es ist ein in der Kultur- und Wissenschaftsgeschichte regelmäßig wiederkehrender Tenor, die Hoffnung auf die Erlangung der Unsterblichkeit mit wissenschaftlich-technischen Methoden als Inbegriff und Gipfel des maßlosen Fortschrittsglaubens der Neuzeit zu betrachten. Dabei gelten Russland und erst recht das sowjetische Imperium als Brutstätte und Experimentierfeld utopischen Denkens. In der Tat verband sich mit dem kommunistischen Projekt des Neuen Menschen eine quasi-eschatologische Verheißung der diesseitigen Erlösung. Dabei richteten sich anfangs alle Erwartungen darauf, dass die medizinische Wissenschaft Pathologien, Leiden und selbst den (vorzeitigen) Tod ein für alle Mal verschwinden lassen werde. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass die parteioffizielle Ideologie ein ambivalentes Verhältnis zur Idee der Unsterblichkeit hatte und der sogenannte wissenschaftliche Immortalismus in der Sowjetunion nie wirklich Fuß fassen konnte. Diesen Ambivalenzen widmet sich der vorliegende Beitrag aus wissenschaftshistorischer Perspektive.
Der epistemologische Wandel in der Biologie Mitte des 19. Jahrhunderts brachte das Postulat einer "potentiellen Unsterblichkeit" physischer Lebewesen hervor. Dieses komplementierte nicht nur vielfältige metaphysische und religiöse Vorstellungen seit der Antike, sondern verunsicherte einmal mehr die Begriffe vom Leben und vom Tod. Es traten Organismen in den Fokus der Aufmerksamkeit, die sich vollständig selbst regenerieren oder extreme Lebensumstände durch Anabiose überdauern konnten, nicht alterten, durch Teilung ewig fortlebten und keine Leiche hinterließen, kurzum: bei denen nicht mehr von einem natürlichen Tod die Rede sein konnte. Ergründet wurde, warum bei komplex strukturierten Organismen anders als bei einfachen das genetische Programm der Zellen deren Altern und Absterben bestimmt – eine Funktion, die sich als eng an die zweigeschlechtliche Fortpflanzung geknüpft erwies –, und warum die Verlängerung der Fortpflanzungsperiode Langlebigkeit hervorrief. In diesem Kontext wurde ein neuer Topos geschaffen: der Tod als Krankheit bzw. Defekt des Menschen, den es zu heilen und zu beheben galt. Und zugleich stellte sich die Frage nach einer Übertragung biologischer 'Unsterblichkeitstechniken' auf den nach Optimierung und Vervollkommnung strebenden Menschen.
Die Geschichte der europäischen Integration wird in der Regel als Erfolgsgeschichte erzählt, vor allem als wirtschaftliche Erfolgsgeschichte, die sich in Folge kluger und aus historischer Erfahrung getroffener Entscheidungen ergeben habe (vgl. Loth 2014; vgl. auch Mittag 2008). Der Zweite Weltkrieg habe endgültig gezeigt, dass das durch zahlreiche Nationalstaaten gekennzeichnete Europa, sollte es nicht zusammenarbeiten, zu verheerenden Konflikten neige. Und die Zusammenarbeit sei nicht nur politisch klug; sie zahle sich zusätzlich wirtschaftlich aus. So seien allen Teilnehmerstaaten auch in einem ganz ordinär materiellen Sinne Profiteure der europäischen Einigung, die in dieser Logik dann auch gar nicht weit genug gehen kann, bedingen sich hiernach doch das politisch Sinnvolle und das ökonomisch Erfolgreiche gegenseitig – und zwar genau in der Form der supranationalen Organisation, die die Europäische Union mittlerweile angenommen hat. Liest man einen Satz der Bundeskanzlerin Angela Merkel so, dann ist die europäische Integration nach Brüsseler Art deshalb alternativlos, weil es kein vergleichbares Erfolgsmodell gibt. Aus der zunächst durch das Leid des Krieges geprägten Bereitschaft zur Zusammenarbeit ist unter der Hand eine Art Sachzwang geworden, denn von der einmal eingeschlagenen Straße der Integration kann man in dieser Sicht nur unter erheblichen Wohlstandsverlusten und politischen Risiken abweichen.
In dieser Sachzwanglogik war allerdings die Euro-Krise nicht vorgesehen. Sie konnte im strengen Sinne auch gar nicht passieren, war doch die weitere Vertiefung der europäischen Union zur Währungsunion in den 1990er Jahren gerade damit begründet worden, dass derartige Krisen zukünftig ausgeschlossen seien (vgl. Tietmeyer 2005). Dass die Politik auf sie zunächst überrascht, fast panisch und dann durch konsequentes Vorantreiben der institutionellen und finanziellen Integration reagiert hat, zeigt auch, dass hier ein Denken vorherrscht, das nach dem Motto funktioniert, es könne doch nicht sein, was nicht sein dürfe. ...
Students of computer science studies enter university education with very different competencies, experience and knowledge. 145 datasets collected of freshmen computer science students by learning management systems in relation to exam outcomes and learning dispositions data (e. g. student dispositions, previous experiences and attitudes measured through self-reported surveys) has been exploited to identify indicators as predictors of academic success and hence make effective interventions to deal with an extremely heterogeneous group of students.
Integrationskomik : "Odyssee" und "Wilhelm Tell" in C. F. Meyers Novelle "Der Schuss von der Kanzel"
(2016)
Für die Integrationskomik der Novelle ist das Zusammenspiel von Figuren- und Textebene ausschlaggebend. Die als fremd dargestellten, orientalisierten Figuren im Gefolge des Generals Wertmüller werden durch die Sprachkomik misslingender Kommunikation integriert (Hassan) oder aber zu imaginären Projektionen, die am realen Erscheinen der Figur vorbeigehen: Anstelle 'der Türkin' sind nur "orientalische Schemen" am Werk. Auch der General ist Gegenstand solcher Projektionen des Fremden, zugleich aber eine handlungsmächtige Mittlerfigur sowohl zwischen der sozialen Gemeinschaft von Mythikon und deren vorgestellten Fremden als auch zwischen der Figuren- und der Textebene der Integration. Über ihn läuft das Verfügbarwerden der Gründungserzählung in Mythikon; der antike Mythos, um den es dabei geht, wird speziell akzentuiert. Als Inbegriff der Reise, der Begegnung mit fremden Welten und der Heimkehr hat die 'Odyssee' einen Helden, der am Ende als Gast am eigenen Herd auftritt. So eine Gastfigur ist und bleibt auch Wertmüller, während Pfannenstiel heimisch wird. Am Ende nutzt die Erzählung die Attribute des Dunklen und Unheimlichen, mit denen die realistische Novellistik typischerweise fahrende Fremde markiert, um ihre integrative Schlüsselfigur dezidiert auszugrenzen.
The erroneous translation of Aristotle's Poetics by the famous Andalusi philosopher Averroes seems to be one the fundamental reasons why an autochthon Arab theater appeared quite late, namely after the Napoleonic campaign of 1798 in Egypt which started an extensive process of acculturation between the Arab countries and the West. Our contribution will explore the first theatrical experience in the Arab world, that of the Lebanese Mārūn Naqqāš (1817-1855): as every initial experiment, his attempt is inevitably voted to errors and misunderstandings. The analysis of errors will allow us to reflect on the new readings and interpretations of Western theatrical heritage made by the first Arabic drama.
EINKANTER, un des derniers poèmes de Paul Celan, se penche sur Rembrandt et traduit sensiblement non seulement les traits visibles, mais également les effets et la signification de sa remarquable peinture. Les stratégies rhétoriques et poétiques de son poème répondent aux exigeances du genre de l'Ekphrasis, mais elles poursuivent en même temps le développement de sa poétique. Selon Celan, le but suprême de la poésie est de rendre possible le mystère d'une recontre avec autrui. En parlant simultanément de l'oeuvre du peintre et du poème lui-même, EINKANTER est la réalisation parfaite de cette rencontre, c'est-à-dire entre la peinture de Rembrandt et la poésie de Celan. L'article est une lecture précise du poème qui révèle les différentes procédures linguistiques de l'Ekphrasis et les conditions dans lesquelles le mystère de cette rencontre se produit.
Am 6. Juli 1916 notierte Ludwig Wittgenstein in seinem Tagebuch: "Und insofern hat wohl auch Dostojewskij recht, wenn er sagt, dass der, welcher glücklich ist, den Zweck des Daseins erfüllt." Diese Aussage ist eingebettet in Überlegungen zur Beziehung von Ethik und Ästhetik in seinem Tagebuch, die später in den 'Tractatus logicophilosophicus' einfliessen (ab Satz 6.42). Die Figur Dostojewskijs, die am explizitesten solche Sätze aussprach, wie den oben zitierten, ist der Starez Sosima aus den 'Brüdern Karamasow'. Wittgenstein hat diesen Roman so oft gelesen, dass er ihn nahezu auswendig konnte, insbesondere die Reden des Starez Sosima. Obwohl Wittgenstein darauf bestand, dass Ethik "unaussprechbar" ist, deutet er an, dass Literatur das gute Leben "zeigen" kann. Somit überschreitet er die Grenzen der frühen analytischen Philosophie, die sich an mathematischen Wissenschaften orientierte und sich möglichst von der Kunst abzugrenzen suchte.
Le miroir intermédial : "Sneewittchen" des Grimm et "Blancanieves" de Pablo Berger en comparaison
(2017)
Contemporary studies about film adaptations of literary texts face many obstacles when it comes to compare two different media. They either tend to establish how faithful the film adaptation is to its textual source or they consider the literary text as canonical, which as such cannot be transposed to any other form. This contribution aims to cross the borders of 'adaptation studies' and offers an intermedial comparison between the Grimms' tale 'Sneewittchen', first published in 1812, and 'Blancanieves', a black and white silent movie directed by Pablo Berger and released in 2012. Regarding 'Blancanieves' not only as an adaptation of the Grimms' text(s), but also and above all as a reconfiguration of numerous media forms (film, photography, opera, among others), reveals how the Spanish director differentiates himself from the German tale and creates a new story with renewed meanings which echo the current social, economical and political situation of Spain.
Robert Walser's text "The Walk" enacts a narrative that is genuinely describable as one 'on the border' to non-narrativity. This paper takes a look at how "The Walk" uses indicators of narrativity / narrativeness in order to subvert them, especially by dissolving narrative times. This leads to narrative performativity. Its narrative techniques are mirrored in the very Walserian self-description of eating a meal. In the central episode of the "The Walk" the protagonist eats "pieces" (German "Stücke"), what in Walser's terminology means both sweets and narratives ("Prosastückli"). This leads to a circle of intertextuality, in which the writer reads his own text and re-writes it at the same time. Nonetheless, "The Walk" is not a pure manifestation of self-reflexivity because its non-systematic narration is undeniable. Walser's "The Walk" formulates and follows a poetics of "narrating-as-writing" which highlights both performativity and materiality of the act of narration.
Through the influence of postcolonial studies one tried to cross borders by alleviating all kind of differences such as the experience of strangeness. However, these differences still exist as we can come to know in everyday life. Andrea Leskovec insists on this experience of strangeness as basis for her "Alternativer hermeneutischer Ansatz für eine interkulturell ausgerichtete Literaturwissenschaft" (2009, 2011) based on the ideas of Bernhard Waldenfels. This approach combined with Lösch' and Breinig' theory of transdifference permits a well-founded literary analysis in consideration of current experiences. The exemplary analysis of "Nur Gute kommt ins Himmel" by D. Rajčić provides a first insight into the range of this approach. This includes the terminology for describing phenomena of strangeness in literary textes such as the appropriateness of this approach considering the plurality and diversity of (literary) reality.
Some errors are simply annoying, others are productive. Errors are productive when they function as triggers for processes that let the mistake appear as a chance to discover new perspectives or approaches to a solution. Productive errors suggest that the criteria for judging what seems right or wrong themselves should and have to be understood as mutable, since cultural processes of development cannot be thought in any other way. The article investigates what the productivity of errors can imply in the field of literature. Both literary examples discussed (Benjamin, Guggenmos) make recourse to the idea of a childhood of language: What might appear as an error to adults can indicate the beginning of a productive, linguistically sensitive engagement with the world for children (or for adults who can carry their minds back to that condition).
Depuis 2012, le programme doctoral CUS/CRUS (désormais Swissuniversities) de littérature générale et comparée s'efforce d'offrir un lieu et un réseau d'échanges et de pensée aux jeunes chercheurs de la littérature comparée et des différentes langues et littératures étudiées dans les universités suisses. L'orientation de ce programme le place doublement en position de transgression. D'une part, la littérature comparée est par essence une science du dépassement; la comparaison, la mise en réseau et l'éclairage croisé des langues et des littératures vont de pair avec l' "au-delà" d'un sujet préalablement circonscrit; comparer suppose la mesure d'un espace, l'expérience de ses limites et leur franchissement. D'autre part, l'invention d'un cadre réunissant à la fois des doctorants, des chercheurs plus confirmés et des professeurs, où puissent se discuter aussi bien des questions théoriques que les problèmes concrets auxquels la recherche expose les uns et les autres, invitait à ne pas se priver d'un questionnement croisant plusieurs approches. Nous avons donc imaginé un programme ouvert autant aux questions esthétiques et littéraires (les représentations des frontières et de leur transgression, la forme que ces représentations pouvaient adopter) qu'aux sujets engageant une métaréflexion sur les limites de nos outils de recherche et les conditions réelles d'une transdisciplinarité qui serait plus que programmatique (une théorie et une pratique de la transgression des limites).
De la productivité de l'erreur en contexte pédagogique 'kairos', abduction et poétique du cours
(2017)
In this paper we shall examine how error can constitute an occasion of improving the context of learning. Taking error into account, trying to understand and follow the way that led the student to make it, the Professor betters his empathy. Hence, thanks to this mimicry, the Professor enters into the student's process of thinking and the poetics of the course becomes more inclusive. Turning error into "kairos", the course truly becomes a moment of collective individuation.
This article analyzes some cases of lack of understanding as well as of misunderstandings and errors, voluntary or otherwise, which punctuate the sessions of French- Russian Studio, an important place of intellectual and cultural exchanges between Russian émigrés and French intellectuals between the Wars. These errors and misunderstandings turn out to be rather productive ones, leading sometimes to lively discussions. Two notions, humanism and intellectualism, become a real stumbling block to debates: being regularly referred to at the sessions devoted to Gide, Valéry, Proust and Descartes, they are differently interpreted by Russian and French debators. This reflects not only the explicit difficulties in translation of philosophical and cultural notions but also some implicit discrepancies in production of meaning.
Etymology plays a central role for Charles Olson's poetics. Based on the assumption that language precedes individual speakers and thereby always carries its long history and the traces of those who spoke it before with it, Olson's approach to it is archeological. At the same time, his work as a poet is directed towards to the future: he writes at the avant-gardist Black Mountain College and demands a new American poetry, designated as "projective verse". Conjoining these two temporal directions, Olson claims "I am an archeologist of morning". One way of paving the way for a 'poetry of morning' is uncovering the origins of words and going back to their etymological roots. Thereby, it is important to note that Olson's etymologies are mostly faulty or simplified. Often, they turn out to be quotes he found in other works. By integrating the fishy etymologies in his own writing and handling them creatively, Olson endows the words' supposed history with something new and readers who trace the wrong etymological tracks are encouraged to capture an immediate impetus of language in action. Thus, Olson's 'etymons' go hand in hand with the poetological implications of projective verse.
German underwent a typological change from a syllable language in Old High German towards a word language today (Szczepaniak 2007). Proper names followed this development until the last century (cf. Christel, Gertrud, Klaus, Wolfgang). Some of the most popular German first names from 2010, however, such as Mia, Lea, Leon, Noah, show completely different structures compared to common nouns. In sharp contrast to common nouns, first names dispose of CV-structures, full vowels in unstressed syllables and different accent positions. Thus, there must have been a deep-rooted onomastic change. The most frequent baby names of 1945 were still in harmony with the usual word structures. This article shows that the decrease of transgenerational transmission of first names led to a departure fom native phonological structures. The following factors are analyzed: the number of syllables; accent position; and the number of consonant clusters, hiatuses, schwa and unstressed full vowels. It will be demonstrated that the phonological distance between first names (particularly female names) and common nouns has increased over time and that there is an increasing tendency for names to contain syllable language structures. Thus, a typological difference developed between these two nominal classes. The reason behind this change can be found in the individualizing function of proper names and social individualization over time.
In German, female and male first names are strictly segregated: there are two big inventories with the only purpose to separate women and men. Unisex names are extremely seldom. If they are chosen, they have to be followed by a sex-specific middle name (e.g. Kim Uwe, Kim Annette). If we look at the phonological components of first names, i.e. at their sounds, we can state that male and female names became more similar over the last decades. Whereas in the 1950's, typical first names such as Katharina and Rolf diverged considering their phonic inventory considerably, today, many girls are named Leah and Lara and many boys Noah and Luca. These names share nearly the same sounds, they consist of two syllables and are stressed on the first one. If we look behind the scenes, it becomes clear that the officially required onomastic separation of the two sexes is undermined. In this paper, I will present a socalled phonetic gender score for German first names for the first time (see also Schmidt-Jüngst in this volume). It allows for measuring a degree of femaleness and maleness of names. In a second step, it will be asked whether unofficial names such as pet names, which are not obliged to mark sex also tend to be gendered or if they disobey the gender barrier. It will be shown that the most intimate names are not interested in stressing the denoted person's sex. In contrast to first names, pet names tend to be maximally de-gendered.
Viele gegenwartssprachliche Grammatiken sprechen nicht mehr von starken Verben, sondern von unregelmäßigen. Diese Verben werden denn auch nicht mehr in Ablautreihen ("AR") oder, genauer, in Alternanzmuster eingeordnet, sondern alphabetisch aufgelistet. Types und Tokens kommen damit in Deckung, jedes Verb scheint ein eigener Type zu sein. Zumindest interessiert es nicht mehr, ob es hier übergreifende Muster gibt. Das hat gravierende Folgen: Die starken Verben werden als letzte erratische Brocken eines einstigen Gebirges begriffen, die ungeordnet in der Landschaft herumliegen und noch nicht von der Welle der (regelmäßigen) schwachen Verben erfasst wurden, dem aber entgegenblicken. Klassenstatus erlangen nur die schwachen Verben, allenfalls noch die Modalverben.
Die Studie "Beziehung überschreibt Geschlecht. Zum Genderindex von Ruf- und Kosenamen" betrifft zum Teil den Beziehungstyp der Liebesbeziehung. Sie fragt danach, ob und wie die Geschlechtszugehörigkeit in Kosenamen - Namen, die eine Beziehung kodieren und Nähe signalisieren - markiert wird. Mit einem Genderindex, der auf Basis der statistisch relevanten phonologischen Unterschiede zwischen den 100 häufigsten Frauen- und Männerrufnamen der deutschen Bevölkerung gebildet wurde, reanalysiert sie eine vorhandene Erhebung von Kosenamen und kommt zu dem Ergebnis, dass Kosenamen auf der Basis von Rufnamen deutlich weniger geschlechtsmarkiert sind als die zugrunde liegenden Rufnamen. Dies interpretiert sie vorrangig als Zeichen einer besonders persönlichen, individualisierenden und dabei auch genderabstraktiven Wahrnehmung der benannten Person.
"Naming Gender" von Susanne Oelkers (2003) ist die erste Studie, die sich eingehend mit der Geschlechtskennzeichnung von Rufnamen befasst. Für die Herstellung und Darstellung von Geschlecht stellt nicht nur Sprache generell, sondern zuvörderst das Namensystem ein zentrales Zeichensystem zur Verfügung. Namen haben damit beträchtlichen Anteil an Ordnungsstiftung und Komplexitätsreduktion. Die deutsche Onomastik hat sich bis 2003 kaum für die soziale Differenz Gender interessiert, sie hat die linguistische und soziologische Genderforschung nicht rezipiert. Umgekehrt haben auch Genderlinguistik und Soziologie die Personennamen weitgehend übersehen (von Lindemann 1996 und Gerhards 2003 abgesehen). Dies steht der Relevanz entgegen, die Namen für die Etablierung und Prozessierung der Geschlechterordnung haben. Selbst Sprachen ohne jegliche grammatische Genus- oder Gendermarkierung können mit ihren Rufnamen Geschlecht indizieren (z.B. Finnisch und Estnisch, die nicht einmal bei den Personalpronomen der 3. Person Geschlecht markieren).
Le présent article est consacré à la controverse sur la composition des pantoufles dans le conte Cendrillon ou la petite pantoufle de verre de Charles Perrault. A l'origine de cette controverse, Balzac fait parler un de ses personnages (un pelletier) qui propose de remplacer "verre" par "vair " (petit-gris, écureuil) et qui pense ainsi corriger ce qui lui semble être une erreur. La présente contribution propose une lecture qui permet de déceler une logique de substitution dans le texte de Perrault, logique qui suit le long des deux chaînes sémantiques "mère (morte) – cendre – vair" et "verre – grâce – marraine".
Des critiques et écrivains de nouvelles ont défendu l'idée que la brieveté et un unique moment de clarté sont les éléments essentiels du format court typique de la nouvelle. Cependant, la nouvelle postcoloniale est plurielle, polyphonique et versatile, et elle a tendance à s'appuyer sur le désaccord culturel, social, et linguistique. Ce chapitre examine la traduction et l'échec de celle-ci dans l'oeuvre de deux nouvellistes prolifiques qui viennent des deux différentes traditions postcoloniales : Nadine Gordimer et Anita Desai. La prémisse de mon argument est que les nouvelles de ces écrivains ont pour la plupart lieu dans des espaces périphériques, par exemple des villages et des avant-postes. Elles dramatisent une forme de processus postcolonial de désengagement des centres de pouvoir en explorant et en remettant en question des hiérarchies discursives. Cette renégociation implique la présence de perspectives multiples et de subjectivités plurielles, de même qu'elle insiste sur des traductions problématiques et des malentendus surgissant en leur sein. Par l'étude de textes de Gordimer et Desai, ce chapitre considère plusieurs formes de malentendus – fausses représentations, mécompréhension, traductions erronées et obstructions linguistiques – qui ses présentent dans deux nouvelles. Il ressort de cette analyse que les malentendus sont susceptibles de devenir les instruments de l'expression d'une résistance dans les sites hégémoniques de la langue et du pouvoir.
Seit 20 Jahren schreibt Philippe Forest, Literaturprofessor und Schriftsteller, an einem Werk, das die Grenzen zwischen Autofiktion, Essay und literaturwissenschaftlichen Texten verwischt. Innerhalb dieser Produktion versucht er am Beispiel von Marcel Proust und in der japanischen Tradition eine Poetik der Fehldeutung zu grunden. Dabei verweist er einerseits auf die Aussage vom Autor der Recherche, man konne von schonen Buchern nur schone Fehlinterpretationen machen, andererseits auf ein Missverstandnis im Kulturtransfer zwischen Europa und Japan, das ihm ruckwirkend erlaubt, die Autofiktion als Genre fur sich und sein Werk neu zu definieren. Als Autorenpoetik funktioniert diese Asthetik der Fehldeutung, die ausserdem eine Analogie zwischen Traumarbeit und Literaturkritik fundiert, ohne grossere Probleme. Als wissenschaftliches Instrument eines Literaturprofessors ruttelt sie jedoch an den etablierten Regeln der Universitat und der Literaturwissenschaft.
The notion of world literature is often understood as a global distribution of literary forms and structures from Europe to the rest of the globe. Under the premise that non- European literatures don't just reproduce European forms, but reinterpret and change them in the process of adaptation, world literature can be defined as a "productive misunderstanding". This article attempts to show that Orhan Pamuk's novel "Masumiyet Müzesi" ("Museum of Innocence") is in this sense a productive appropriation of European forms of the novel. Pamuk's novel is a narration about the modernization of Turkey in the 20th century, which is depicted as a chain of faulty imitation that nevertheless creates something new. Similarly, the "Museum of Innocence" is characterized by an abundance of intertextual relations to the tradition of European novel (e. g., to Proust's texts), which, however creates a "productive misunderstanding".
Cet article examine le rôle souvent occulté et pourtant essentiel de la traduction comme source d'innovation et de créativité dans l'histoire littéraire et la théorie. Il s'appuie sur plusieurs exemples allant du fameux épisode de la création d'Ève à partir de la "côte d'Adam" dans la Bible de Jérôme, basée sur la traduction fautive du mot hébreu "qaran" en latin et reflétant le biais patriarcal de Jérôme, à la traduction, tronquée du Deuxième Sexe de Simone de Beauvoir (1946) par le zoologiste retraité Howard M. Parshley qui allait néanmoins inspirer des études marquantes de la seconde vague féministe américaine telles que "The Feminine Mystique" (1963) de Betty Friedan et "Sexual Politics" (1970) de Kate Millett. L'exemple le plus développé retrace l'interaction productive de la traduction et de la réécriture dans la fiction d'Angela Carter, de "The Fairy Tales of Charles Perrault" (1977) jusqu'à ses célèbres "stories about fairy stories" recueillies dans "The Bloody Chamber and Other Stories" (1979) et "American Ghosts and Old World Wonders" (1992). Je propose de lire les variations de Carter sur "Aschenputtel" dans "Ashputtle or The Mother's Ghost" comme un correctif à sa traduction de la morale de "Cendrillon ou la Petite Pantoufle de Verre" de Perrault. La poétique traductive (translational poetics) de Carter démontre ainsi l'impact crucial de la traduction – y compris des erreurs – sur la démarche de l'écrivain, qui associe la (re)lecture créative inhérente à l'activité de traduction au travail de (ré)écriture jusqu'à en faire la matrice à partir de laquelle elle a élaboré son oeuvre singulière.
Experimentation with forgeries in art and literature as a deliberate renunciation of authenticity and originality was practiced long before postmodern times. The following article shows a network of literary forgers playing around with apocryphal constructs. It monitors a chain reaction from the pioneer Cervantes in his meta-fictional second part of 'Don Quixote' to Jorge Luis Borges' "Pierre Menard" rewriting one chapter of Cervantes' classic and Umberto Eco's postmodern construction of Borges' invented character Bustos Domecq ending up at Pablo Katchadjian's "Aleph gaining weight". Radical appropriation between artistic resource and informal practice contributes to dismantled orthodoxy, subverted values, and attacked conventions. Plagiarism loses its harming effect; instead, authors celebrate different types of forgeries by simulation, bluff, lies, manipulation, or camouflage. Ultimately, by these artistic devices, they shed light on the affinity to processes of fictionalization itself.
Les études de la relation de Borges à Proust se divisent, pour l'instant, entre celles qui proposent une analyse des lectures et des influences (Craig et Marter) et celles qui font des deux auteurs les représentants de différents paradigmes poétologiques de la littérature moderne (Conley et Ventarola). A la croisée de ces deux approches se trouvent les questions de l'imitation de l'autre et de la lecture : dans quelle mesure leurs idées à ces sujets nous permettent-ils de comprendre le décalage des deux auteurs? En effet, la catégorie de l'ascèse et celle de la réception dessinent une image de l'auteur qui se trouve, chez Borges, à l'opposé de Proust. Tandis que le "moi" de Proust, moulé sur le moi empirique de sa propre personne, se présente comme le sujet d'une imitation créatrice, Borges s'éloigne de ce pilier porteur du texte pour proposer un "moi" fictif et métaphysique au lecteur ; un moi qui se multiplie selon les principes de la fiction et selon le pluralisme de la réception. Le fait que Borges ne paraît pas "avoir lu" Proust est un résultat de cette nouvelle perspective que Borges ouvre sur l'imitation et sur la lecture. En vue de celle-ci, l'oeuvre de Proust n’est plus une référence très utile pour les fictions d'un auteur qui, tourné vers la fonction du lecteur potentiel, efface sa propre identité empirique.
"Wie der Geist zum Kamele ward" : Zu einem Leitmotiv in Jonas Lüschers 'Frühling der Barbaren'
(2016)
This paper deals with the semantics of 'barbarism' in Jonas Lüscher's novella "Frühling der Barbaren" (2013). It aims to show that the text incorporates the concept of 'barbarism' into what Lüscher himself calls a "narratology of social complexity": a narrative mode that enables literary texts to serve as platforms for the reflection of moral problems. Lüscher achieves this by referring to specific intertexts by Friedrich Nietzsche and Ingeborg Bachmann while subtly modifying and distorting them. In doing so, "Frühling der Barbaren" acquires a diagnostic and genuinely critical quality: with this sleight of hand, which could be considered a prime example of 'barbarian theorizing' (Walter Mignolo, Maria Boletsi), the novella evokes existing narratives only to recode them into a sardonic critique of global capitalism.
A closer look at the literary works, essays, letters and diaries of important German exile writers and anti-Nazi dissidents during National Socialism leads to an important observation: that is the increase of references to classical topoi of the Barbarian. Since at least 1933 and the traumatic Nazi book burnings, in German (exile) literature does not only occur a political actualization but also an emphatical radicalization of the reactivated dichotomies of 'civilization/culture' vs. 'the Barbarian' and sometimes more specific of 'the Hellenes' vs. 'the Persians'. Even though numerous literary texts display these dichotomies, in literary criticism a systematic analysis of their semantic implications and their function is still lacking. This study thus aims to present a first overview and interpretation of this noticeable actualization of the above mentioned topoi in German exile literature, particularly in the works of Klaus Mann.
Le poète, philosophe et helléniste Vjačeslav Ivanov (1866-1949) est considéré comme l'un des représentants les plus importants du symbolisme russe et comme une des grandes figures intellectuelles et artistiques de la Russie du début du xxe siècle. Il a été influencé aussi bien par les idées de Nietzsche que par celles des slavophiles. C'est en combinant ces deux traditions qu'il forme sa conception du dionysien. Cette dernière fait partie intégrante de son concept de "'idée russe" et joue un rôle important dans la mise en place de sa doctrine de la sobornost'. Chez Ivanov, le dionysien trouve sa réalisation dans les Scythes. Cette identification reprend la conception classique des "Scythes comme barbares russes", mais assume également l’idée nietzschéenne du dionysien comme moment barbare. On a donc affaire à une réinterprétation créative du Dionysos nietzschéen dans l'esprit de la renaissance slave. Sur la base de trois oeuvres d'Ivanov datant de périodes différentes, l'article met en évidence comment Ivanov construit la figure du Scythe et les raisons pour lesquelles son symbolisme prend la forme d'un discours de la totalité aux ambiguïtés parfois proches du totalitarisme.
The barbarian is a construct of the Other which can be distinguished from the "savage" through a certain degree of social organization and from the monstrous through its more realistic-historic outlook. Still, these categories are fuzzy and fantastic fiction – understood in a broad sense – makes new use of the barbarian people motif in a manner which makes the ideological undertones more visible despite an increased freedom from historical references. The " mob" (das Gesindel) getting out of the forests to devastate the civilized order, in 'Auf den Marmorklippen', embodies abjection in its clearest form, a violent return of the dark violent repressed. On the contrary, in the cycle of 'Dune, the Fremens' are 'barbarian' only in the eyes of the corrupt totalitarian elite of the Imperium. Despite their rough way of life, they represent a cultural order much closer to ecological harmony, which constitutes a major theme in Frank Herbert's saga. Borges' perspective, in 'The Story of the Warrior and the Female Prisoner', is not so much ethical/political as it is philosophical : the mutual fascination between the 'civilized' and the 'barbarians' is tantamount to magnetic opposites, border-crossing and meaningful otherness. These three visions of the 'barbarian' can be distinguished not only through their ideological underpinnings, but also through their narrative techniques.
When Gorki wrote his play "The Barbarians" (1906), he probably did not intend to raise such an intricate problem as the relationship between the barbarian, the savage and the civilized. Neither did he envisage talking about this triadic relation in reference to its political, historical and philosophical meaning. He proceeded as a writer and managed to construct a peculiar literary figure of the "barbarian" in its multiple aspects, and as related to other figures, such as the savage, in the first place. In this paper I argue that Gorki's intrinsically literary venture consisted in trying to make collide two categories that never normally enter in a dual relationship, but are always mediated by the category of the "civilized". The objective of this paper is to examine the consequences of this forced dualism, which without imposing any idea of civilization, however, ends up by setting it as a problem for further meditation and, without giving any solution, invites the reader to pursue his reflection.
For Baudelaire, the barbarian is a figure of predilection. At first, it is a literary character that he got acquainted with through the works of Chateaubriand and E. A. Poe. The barbarian is linked to poetry as well; he brings to mind the condition of the exiled, the solitary figure far away from his homeland (such as in Delacroix's Ovid among the Scythians). But, most of all, the barbarian gives the opportunity to Baudelaire to refine his idea of Beauty: at the 1855 Universal Exhibition, he confronts himself for the first time to Chinese art – labelled "barbarian art" back then. Far from agreeing with this description, Baudelaire refutes it and forces himself to shift his critical perspective: his challenge will be to adapt himself, accommodate his taste and become "as barbarian" as the works he beholds in order to appreciate one of these "specimen of universal beauty". This reflexion shall continue in his essay, 'The Painter of Modern Life' (1863), in which he describes Constantin Guys' way of drawing as being moved by an "inevitable barbarousness". In this article, our aim will be to trace the evolution of Baudelaire's conception and different uses of the term "barbarian" through his aesthetical, poetical and literary writings.
The notion of the barbarian has been crucial in the development of the intellectual shifts spurred on by thinkers who shaped the culture of the Enlightenment. Asking what a barbarian might be had quite different meanings in the early 16th and in the late 18th century. An anthropological approach to the very different populations that had come to be known in Europe since the 16th century as well as the secularization of the historical vision contributed to the emergence of a more objectified connotation of barbarism. Among others, Montaigne, Montesquieu, Gibbon, Voltaire, d’Holbach commented extensively on barbarism as characterizing different stages in human civilization. Volney (Constantin-François de Chassebeuf, 1757-1820), who travelled to Egypt and Syria in the early 1780s, was familiar with the French works of the Enlightenment and applied their concepts of barbarism to the observation of the different Muslim populations he encountered. Later, after experiencing the turmoil of the French Revolution, he became interested in the United States. During his stay in America from 1795 to 1798, he investigated the American Indians who represented a different form of barbarism. Volney stands out as a thinker who knew the classics of the Enlightenment and who creatively compared theoretical speculations with his first-hand empirical observations.
The article examines the role of the "natural law of nations" in Vico's philosophy of culture. The focal point of this inquiry is the notion of 'barbarism' in the New Science. While Vico's influential conception of the 'barbarism of reflection' has attracted a lot of attention, the multiplicity of tropes of barbarism in the New Science has not been sufficiently recognized. The article argues that while Vico takes civil law, the Roman ius gentium, as a model for his conception of culture, the trope of the warring barbarian figures prominently in key moments of his philosophy of history (e. g. in transitional moments between two historical ages) when issues of modern international law (asylum, declaration of war, piracy) are at stake.
"Du musst das Leben nicht verstehen, dann wird es werden wie ein Fest." In seinem Gedichtband "Mir zur Feier" (1897/98) fordert Rainer Maria Rilke, das Leben zu feiern anstatt es zu verstehen. Diejenigen, die verstehen wollen, haben nichts zu lachen. Stimmungstöter, die das Fest des Lebens stören. Verstehen oder Feiern? So einfach ist es wohl nicht. Zunächst wäre zu klären, was man unter Verstehen versteht: Verstandesmäßiges Erkennen. Sinnliches Erfassen. Existenzielles Ergründen. Rilkes Aversion richtet sich vor allem gegen das Streben, durch rational-wissenschaftliche Analyse das große Rätsel der Existenz lösen zu wollen. Davon unbenommen kreist er selbst lebenslang jenes Rätsel ein, versucht schreibend, das Leben nicht nur zu feiern, sondern auch seinen Sinn zu verstehen, zu erfassen – in poetischer Form.
Wenn Echo spricht, so tut sie dies in und nach Ovids 'Metamorphosen' tropisch, in einer Rede-Figur der Wiederholung, die die Arbitrarität der Rede vorstellt. Diese artikuliert sich in der Trope, als die das Echo sich zeigt, und sie manifestiert sich in Echo als Figur des Gedächtnisses, als die Echo auf Fama, Ruf und Gerücht, hin auslegbar wurde. Echo und ihre Echos figurieren die Bezogenheit auf, genauer die Abhängigkeit jeder Rede von vorausgehender Rede, von den Reden der anderen, die wieder- und weitergesprochen werden.
Nicht von einer "Nähe" der Literatur "zum Ritual" [...] gehen die folgenden Überlegungen aus. Wenn als "Definitionsmerkmale des Rituals" "Wiederholung einer Handlung, Inszeniertheit, ästhetische Elaboriertheit, Selbstbezüglichkeit, Expressivität und Symbolizität" angeführt werden, dann stellt sich gerade die Frage, inwiefern ein literarischer Text Handlung 'ist', nicht aber nur ein Ritual oder eine Wiederholung einer Handlung thematisiert oder erzählt. [...] Das Verhältnis von Ritual und literarischem Text wird allein von deren Ferne und Entferntheit her gedacht werden können und damit erst die Versuche und die Notwendigkeit der literarischen Texte, im Verhältnis zum Ritual ihre eigene Performativität zu bestimmen.
Im Folgenden möchte ich das gerade angedeutete Spannungsfeld zwischen Kopie und Original unter medien- und kulturhistorischen Vorzeichen thematisieren. Meine Hypothese ist, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen dem 'Copy and Paste' respektive 'Cut and Paste' als einer Strategie der Texterzeugung und der Kulturtechnik der Pfropfung: einem ursprünglich botanischen Verfahren, bei dem Praktiken des Schneidens, Klebens und Kopierens eine wesentliche Rolle spielen. Dabei möchte ich insbesondere zeigen, wie sich das 'Prinzip Pfropfung' in der Interaktion mit den 'Trägermedien' von Originalen und Kopien realisiert – vor allem mit Blick auf jene 'Papierpraktiken', die mit den Kunst-Strategien der klassischen 'Avantgarde'-Strategien reüssieren: der Collage, der Montage, der Assemblage; Praktiken, die, glaubt man Antoine Compagnon, Echos einer "geste archaïque du découper-coller" sind, die der Logik des 'Cut and Paste' folgen.
FRAUEN.SCHREIBEN. So hieß das Thema des Symposiums, in dessen Zusammenhang dieser Text entstand. Die Frage, wie "Frau" in Texten von Schriftstellerinnen aus Österreich und China "geschrieben" wird, sollte dabei in den Blick genommen werden - Elfriede Jelinek stand dabei mit im Fokus der Analysen und ist auch meine Wahl im nachfolgenden Text. Diese Frage, nach dem "Wie-Frauen-Schreiben", die zunächst scheinbar recht simpel und unproblematisch gestellt werden kann, evoziert eine komplexe Auseinandersetzung mit Themen und Problemen, die der Literaturwissenschaft und Literaturtheorie konstitutiv zugrunde liegen - Fragen etwa nach einer potentiellen ('weiblichen') Autorschaft, einer 'weiblichen' Ästhetik, Fragen der Repräsentation 'von Frauen', hier im Besonderen 'in Texten von Frauen'.
Marie Wrona präsentiert in ihrem Beitrag "Ist das ein Komma oder kann das weg? - Topologische Felder und Kommasetzung. Erste empirische Befunde" ein Experiment zur Kommadidaktik. Sie untersucht, inwiefern sich die Kommasetzungskompetenz von SchülerInnen verbessert, wenn diese mithilfe des topologischen Feldermodells vermittelt wird, das auf der Verbklammer im Deutschen aufbaut, anstatt wie bei traditionellen Ansätzen mithilfe von Signalwörtern wie Subjunktionen. Die SchülerInnen lernten, das finite Verb zu bestimmen und so zu entscheiden, ob ein Komma gesetzt werden muss oder nicht. Nach der Unterrichtseinheit setzten die SchülerInnen v.a. deutlich weniger falsche Kommata
Johanna Hartwig beschäftigt sich mit der Deklination entlehnter Farbadjektive wie lila, orange und rosa ("Gibt es denn jetzt lilane Kühe oder nicht? - Einflussfaktoren auf den Gebrauch indeklinabler Farbadjektive"). Diese Adjektive wurden ursprünglich nicht flektiert (das lila/rosa Haus). Hartwig führt ein Produktionsexperiment durch, um zu überprüfen, inwiefern die Frequenz und die Endung eines Adjektivs Einfluss auf dessen Flexion nehmen. Dabei stellt sie fest, dass frequente Adjektive zur Flexion neigen, jedoch auch die Endung eine Rolle spielt. So bleiben Adjektive auf [a] wie bspw. lila trotz hoher Frequenz unflektiert. Adjektive auf Frikativ weisen hingegen umso mehr Flexion auf, je frequenter sie sind. Für seltene Adjektive (creme) konnte Hartwig eine Vermeidungsstrategie feststellen: Creme wurde in ihrem Experiment am häufigsten in ein Derivat (cremefarben) umgewandelt, das eine Flexion des Adjektivs ermöglicht (das cremefarbene Haus).
Wie Hashtags bei Twitter als Teile von Komposita verwendet werden, zeigt Markus Majewski in seinem Beitrag #Erdogan-Diktatur - Hashtags als Elemente von Substantivkomposita in politischen Tweets. Als Grundlage dient ihm das Korpus aus Tweets von SpitzenpolitikerInnen der großen Parteien während des Wahlkampfs, in dem er alle Substantivkomposita mit einem Hashtag als Bestandteil wie #Energiewende auf funktionale, graphematische und strukturelle Aspekte untersucht. Insbesondere bei der Schreibung der Komposita zeigt sich eine große Kreativität. Zudem lassen sich Twitter-spezifische Kommunikationsfunktionen der Hashtag-Erstglieder beobachten.
Für den Wandel und die Variation der Präposition wegen interessieren sich Lea Heese und Fabiola Kaiser in ihrem Beitrag "Die menschliche Zunge ist faul. Assoziationen zu der Verwendungsweise der Präposition wegen mit dem Genitiv und dem Dativ". Wegen schwankt im Standard-deutschen zwischen Genitiv- und Dativrektion. Obwohl sie seit langem existiert, wird die Dativvariante von SprecherInnen oftmals als Zeichen für Sprachverfall gedeutet. Heese und Kaiser erhoben mithilfe einer Onlineumfrage Daten zum Gebrauch der Präposition in informellen und formellen Registern sowie Assoziationen zu den beiden Varianten. Wie bereits das Titelzitat des Beitrags zeigt, wird der Dativ unter anderem als Zeichen für Nachlässigkeit interpretiert.
Carlotta J. Hübener diskutiert in ihrem Beitrag "Nicht/keinen/kein Fußball spielen? - Inkorporationsprozesse in Substantiv-Verb-Verbindungen" Inkorporationprozesse bei Substantiv-Verb-Verbindungen wie bspw. Fußball spielen. Hierbei fokussiert sie auf die Negation: Während kein(en) Fußball spielen einen Hinweis darauf gibt, dass Fußball noch als eigenständiges Substantiv interpretiert wird, ist nicht Fußball spielen ein Indiz dafür, dass Fußball und spielen als eine konzeptionelle Einheit wahrgenommen werden. Kein negiert nämlich Nomen (Ich mag keinen Spinat), während nicht Verben negiert (Ich hab‘ noch nicht gegessen). Hübener überprüft in ihrem Beitrag anhand des Deutschen Referenzkorpus, inwiefern Frequenz, Idiomatik und Individuiertheit Einfluss auf die Negation von Substativ-Verb-Verbindungen nehmen können.
Brit Schwerin nimmt sich in ihrem Artikel "die bisher jedermann unbekannt gewesen [ist/war/sei/wäre] -Zum Rückgang des ersparten Finitums in Nebensätzen des frühen Neuhochdeutsch" des Phänomens der afiniten Nebensätze an, die in der Frühen Neuzeit im deutschen Sprachraum weit verbreitet waren. Ihre Analyse von Nebensätzen mit und ohne finites Verb in Texten aus dem 17. und 18. Jh. ergibt, dass der Rückgang der afiniten Konstruktionen in Verbindung mit dem Bedürfnis nach eindeutiger Markierung grammatischer Kategorien wie Tempus und Modus steht. Die diachronen Studien decken somit Sprachwandel auf verschiedenen Ebenen ab.
Wie sich Konzessivkonnektoren im 18. und 19. Jh. entwickelt haben, untersuchen Lisa Bürgerhoff, Jana Giesenschlag, Linda Kunow und Alexandra Kern für ihren Beitrag "Von ob ich schon wanderte zu obschon ich wanderte?! - Eine Korpusuntersuchung zur Konzessivität von 1700-1900". Ihre Untersuchungen im Deutschen Textarchiv zeigen unter anderem einen Zusammenhang zwischen der Zusammenschreibung der Konnektoren und einer eindeutig konzessiven Lesart, der für obschon, obgleich, obwohl und obzwar allerdings unterschiedlich stark ist. Auch die Faktizität der Teilsätze und das Auftreten verstärkender Partikeln sind für die Entwicklung der ob-Gruppe von Bedeutung. Als eindeutigste und frequenteste Konzessivkonnektoren stellen sich insgesamt obwohl und vor allem obzwar heraus.
Mit der mittelhochdeutschen Nebensilbenabschwächung beschäftigt sich Tanja Stevanovićs Beitrag "Wo sind die vollen Vokale geblieben? Eine Untersuchung möglicher Einflussfaktoren auf die Nebensilbenabschwächung". Dafür hat sie in einer Korpusuntersuchung im Referenzkorpus Mittelhochdeutsch schwache Verben analysiert, die trotz der fortschreitenden Nebensilbenabschwächung noch im Mittelhochdeutschen Vollvokale in Endsilben aufweisen.
Lena Schnee analysiert in ihrem Beitrag "Eingenordet - Morphologische Assimilation mittelniederdeutscher Lehnwörter im Altnordischen" die Liste mittelniederdeutscher Entlehnungen im Altnordischen Etymologischen Wörterbuch und zeigt, wie die mittelniederdeutschen Wörter, die in der Hansezeit in die skandinavischen Sprachen entlehnt wurden, an das Altnordische angepasst wurden. Dabei wendet sie ein Transderivationsmodell an, um die morphologische Assimilation nicht nur von ganzen Lexemen, sondern auch von Affixen und Wortstämmen nachzuvollziehen. Schnees Untersuchung ergibt, dass bei der Entlehnung in das Altnordische hauptsächlich die Affixe adaptiert wurden. Die mittelniederdeutschen Affixe wurden überwiegend durch native oder entlehnte altnordische ersetzt, was darauf hinweist, dass die Morphemgrenzen und Wortbildungselemente bei der Entlehnung als solche erkannt wurden. Als Erklärung hierfür führt Schnee die typologische Ähnlichkeit der beiden Sprachen an.
Dinge, die warten
(2018)
Das Wort 'warten' gehört zu den Verben, die wir ohne Probleme allem anhängen können. Die Menschen können nicht nur den Menschen, sondern auch den Dingen jederzeit ein Warten unterschieben und allem, was dazwischen ist, sowieso. Die Raubtiere warten darauf, gefüttert zu werden; die berühmte Zecke wartet, bis etwas vorbeikommt; die Pflanzen warten auf den Regen. Vor dem Gewitter scheint die Natur auf etwas zu warten. All das sagt sich so: Diese Worte warten darauf, ausgesprochen zu werden. Hier geht es nicht bloß um die Banalität, dass wir den Dingen mit unseren Worten unablässig Tätigkeiten anhängen, die ihnen im wörtlichen Sinne nicht zukommen. Der Versuch, eine Grenze zu ziehen zwischen einer eigentlichen und einer uneigentlichen - also metaphorischen - Verwendung des Wortes warten, würde das Problem lediglich zudecken.
Es ist oft gesagt worden: Das Komische ist das Eigene des Menschen, nur der Mensch - und kein anderes Wesen - lacht. Begründet wurde dies häufig durch die Kennzeichnung des Menschen als Doppelwesen, das sich selbst widersprechen kann. Der Mensch gilt als Wesen, das gleichermaßen über einen Körper und einen Geist verfügt, als Wesen, das vom Zufall heimgesucht wird, aber auch zum Erhabenen fähig ist, oder als Wesen, das durch eine "individuelle[ ]" und eine "soziale[ ] Existenz" ausgezeichnet ist und deshalb "mit irgendeiner Norm" in Konflikt geraten kann. Jeweils ist es die Kollision der beiden Seiten, die nach den verschiedenen theoretischen Ansätzen zur Hervorbringung des komischen Phänomens führt und so - als Reaktion auf die Wahrnehmung des komischen Phänomens - das Lachen verursacht.
Stumme Diener, menschliche wie nichtmenschliche, sind entgegen ihrer Bezeichnung "things that talk", Stumme Diener können gar nicht anders, als doch zu reden. Ihre abgewandten, verstellten Stimmen, ihr Flüstern und Murmeln bei halbgeöffnetem Mund gilt es zu vernehmen. Nicht nur der Subalterne spricht, auch die Dinge. Sie können gar nicht anders als im Modus des Stummgeschaltet-Seins dennoch mitzureden mit Hilfe der um sie herumgelagerten Geschichten. Stumme Diener sind Medien, die Sprechen machen.
Die Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) zählt nicht nur humane Akteure - im Fall der Literatur: Figuren - zu Handlungsträgern. Auch Dinge handeln, weshalb Bruno Latour sie mit dem Semiotiker Algirdas Greimas als 'Aktanten' bezeichnet. Die ANT versucht, das Zusammenwirken humaner wie nichthumaner Aktanten zu beschreiben. Akteur-Netzwerk-Soziolog_innen erstellen hierfür einen Bericht von dem, was Latour in Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie das 'Soziale Nr. 2' oder das 'Soziale der Assoziationen' nennt, die Verbindungen und Zwischenwirkungen der Aktanten, die in der Soziologie unbeachtet geblieben seien. Die Soziolog_innen sollen dabei den Dingen 'kurzsichtig' folgen und deren Handlungsvermögen (agency) weniger "steif" und "hölzern" darstellen, sondern sich in ihren Berichten die Literatur zum Vorbild nehmen.
"Wir wissen nichts vom Sozialen, was nicht durch unser Wissen vom Natürlichen definiert wäre und umgekehrt." Was Bruno Latour für die Soziologie der modernen Wissenschaften formuliert, gilt, seit ihren Anfängen, für die von Übertragungen und Analogieschlüssen bestimmte Begriffsgeschichte der Naturlehre überhaupt: Die 'Ordnung der Dinge' in der Natur und gemäß ihrer jeweiligen Natur entspringt dem Ordnungsdenken sozialer Wesen, die ihre eigenen Belange in Orientierung an Konzeptionen der Natur zu regeln versuchen. Ein solches Denken der menschlichen in Analogie oder Kontrast zu den nichtmenschlichen Dingen setzt die kategoriale Geschiedenheit zweier Sphären voraus, deren Ordnungsmuster einander nun wechselseitig konturieren und stabilisieren.
Menschliches Leben vollzieht sich notwendigerweise mit Hilfe des Gebrauchs von Dingen. Versteht man unter Dingen - in bewusster Umgehung aller definitorischen und philosophischen Abgrenzungsprobleme - alle natürlichen und artifiziellen Entitäten, die unbelebt, sprachlos und mobil sind, dann kann man insgesamt vier Bereiche von Dingen identifizieren, die für menschliche Handlungen zentral sind: 1. der Bereich des Körpers (hierher gehören die Unterbereiche von Wohnen, Kleiden, Essen und Sport mit Dingen wie Möbeln, Essgeschirr und etwa Schlägern und Bällen), 2. Kommunikation und Verkehr (hierher gehören neben Autos, Telefonen und Büchern auch Spiele, Musikinstrumente, Bilder und Kunst), 3. Krieg (Waffen) und 4. schließlich die Arbeit (mit der ganzen Fülle von Instrumenten und Werkzeugen). Selbstverständlich gibt es Mischformen, Steine etwa können zum Wohnen gehören, wenn aus ihnen die Wände der Häuser gebaut werden, zum Krieg, wenn eine Steinschleuder zum Einsatz kommt, oder zur Arbeit, wenn Mauern oder Pyramiden gebaut werden oder einfach alle Werkzeuge aus Stein sind, wie in der Steinzeit.
Der Artikel diskutiert die Arbeit von Paläopathologen, die diverse Krankheiten von Menschen der Vormoderne mittels mikroskopischer Untersuchungen an ihren Skeletten nachweisen können. Anhand der Befunde eines 4300 Jahre alten Skelettes erzählt die SZ-Autorin eine überraschend detaillierte, wenn auch knappe Lebensgeschichte eines Menschen - sie bettet die wissenschaftlichen Ergebnisse in ein Narrativ ein.
Was versteht man gemeinhin unter Indizien? Indizien (indicium: An-Zeichen) beweisen ja vermeintlich keine Tat oder Schuld, sondern verweisen nur auf diese - eine spekulative, geradezu dubiose Uneindeutigkeit wird mit dem Indiz assoziiert. Dieses noch heute verbreitete Indizienverständnis resultiert historisch aus einer strafrechtlichen Debatte, die im 18. Jahrhundert den Status von Indizien äußerst konträr diskutiert, wobei deren - vermeintliche - Objektivität (Tatsache, Faktum) gegen einen - fehleranfälligen - Interpretationsspielraum (Zeichen, Denkschluss) in Anschlag gebracht wird.
Lexika wie Zedlers Universal-Lexicon gehen von einer scharfen Trennung zwischen Objekt und Subjekt aus, Schreibwerkzeuge werden darin immer auf die Objektseite geschlagen. Sprechende und damit subjektivierte Federn gibt es hingegen schon, seit Federn in Gebrauch sind. Sie tun dies vor allem in literarischen Texten, wo sie als dingliche Objekte Subjektstatus einnehmen und dadurch die Dichotomie von Subjekt und Objekt unterlaufen. Wenn die Feder zum sprechenden Subjekt wird, werden die von ihr beschriebenen Menschen zum Objekt, wobei sich die Feder dann für Benachteiligte und Unterdrückte einsetzt und dadurch diese wiederum zu Subjekten erhebt. Innerhalb der It-Narratives nehmen erzählende Federn eine Sonderstellung ein, weil sie erstens die materielle Vorbedingung des Schreibens sind, weil sie zweitens den Schwellenraum von Mündlichkeit und Schriftlichkeit besetzen, indem sie paradoxerweise das, was sie sprechen, auch gleichzeitig ins Schriftliche transponieren und dort festschreiben, sowie weil sie drittens poetologisch das hinterfragen, was geschrieben wird und werden soll
Die Hölle ist - nimmt man Hieronymus Boschs Triptychon Der Garten der Lüste (um 1500) und darin insbesondere die 'Musikalische Hölle' in den Blick - vor allem ein Ort der unheilvollen Dinge. Diese stehen in Boschs Darstellung allerdings nicht lediglich symbolisch für Laster und Sündhaftigkeit, sondern setzen zugleich die Strafen für diese Sünden ebenso verstörend wie ästhetisch in Szene. Was den Menschen in diese Hölle bringt, beschreibt die 1587 erschienene Historia von D. Johann Fausten. Es ist, wie im Folgenden gezeigt werden soll, das Begehren, über die Dinge und das Materielle zu herrschen. Dabei wird sich erweisen, wie der Teufel nicht nur die Konzentration auf die Oberfläche der Dinge befördert, sondern auch, wie er die Verunsicherung der Relation von verba und res sowie die Veruneindeutigung der Relation der res zur Realität einsetzt, um der Seele des Protagonisten habhaft zu werden. Dem sogenannten Schwankteil sowie dem Schluss der Historia soll hierbei besondere Aufmerksamkeit zukommen.
Objektiviertes Begehren : zur Funktion und Bedeutung von Gegenständen in mittelhochdeutschen Mären
(2018)
Die in Mären dargestellten Handlungen konzentrieren sich auf einen spezifischen, außerordentlichen und in sich geschlossenen Fall, der sowohl Vorfall wie auch Zufall oder Rechtsfall sein kann. Didaktisches Substrat, schwankhaftes Erzählen und Exempelliteratur verschmelzen in dieser paargereimten Erzählform.
Dinge, denen besondere Eigenschaften oder Wirkungsweisen zugeschrieben werden, tauchen in der mittelalterlichen Literatur allenthalben auf. Sei es, dass sie einem anderweltlichen Bereich entstammen wie Siegfrieds Tarnkappe im Nibelungenlied oder der Paradiesstein im Alexanderroman, sei es, dass eigentlich 'gewöhnliche' Dinge in den Fokus der Erzählung rücken wie der Schmuck der Jeschute in Wolframs Parzival oder Brünhilds Gürtel - in bestimmten Konstellationen werden Dinge zu 'Mitspielern', deren handlungsdeterminierende Macht derjenigen der menschlichen Protagonisten um nichts nachsteht. Dass Dinge 'handeln', ist in den Texten des Mittelalters keine Seltenheit.
Was macht eine höfisch kultivierte Dame oder einen höfischen Ritter aus? Die mittelalterliche, von Frankreich ausgehende Artusepik antwortet auf diese Frage unter Bezug auf drei Komponenten, nämlich eine edle Abkunft (Geburtsadel), eine edle Gesinnung (Tugendadel) und einen gewissen höfischen Lebensstil, zu dem, ganz zentral, auch höfische Luxus- und Repräsentationsobjekte gehören, so etwa ritterliche Bewaffnung und kostbare Kleidung. Was passiert, wenn es an einer Harmonie von innen und außen öffentlich sichtbar mangelt und die Wirkungseinheit von Mensch und Repräsentationsobjekt zu Bruch geht, zeigt uns die mittelalterliche Erzählung vom schlecht geschnittenen Mantel, altfranzösisch: du mantel mautaillé. Sie nimmt in Frankreich des 13. Jahrhunderts (zwischen 1200 und 1210) ihren Anfang, und zwar in Gestalt des Lais (Le lay du cort mantel), einer kurzen Verserzählung keltischer Stoffe (lai narratif ), und verbreitet sich rasch in Europa.
Vor rund 25 Jahren bemerkte David Wells in einem Aufsatz, in dem er die mittelalterliche Literatur hinsichtlich allegorischer Verfahren untersuchte, der Löwe in Hartmanns von Aue Iwein brülle geradezu nach seiner Interpretation. Ausführlich verzeichnet er die zuvor versuchten Deutungen, die sich bis zum Erscheinen des Aufsatzes im Jahre 1992 auf knapp 20 belaufen. Seine kleine Anmerkung illustriert die große Unsicherheit im interpretativen Umgang mit Dingen in der mittelalterlichen Literatur, aber ebenso ihr großes interpretatorisches Potential.
Die Beziehung von res und verba ist ihrem Grunde nach eine sprachphilosophische. Sie handelt von jenen Dingen, die überhaupt der Sprache zugänglich sind, bzw. von jenen Gegenständen, welche durch ihre Artikulation erst zu Dingen der Sprache werden. Der Fokus der Überlegungen konzentriert sich auf die Organisation des Verhältnisses von res und verba, für das über Jahrtausende hinweg in erster Linie die Rhetorik zuständig gewesen ist. Diesem liegen allerdings tatsächlich zwei sprachphilosophische Annahmen zugrunde, die von gegensätzlichen Voraussetzungen ausgehen.
Dinge in Texten haben maßgeblich an der Konstruktion imaginärer Welten teil. Sie kommen zu allen Zeiten und in allen literarischen Gattungen vor, in der Heldenepik ebenso wie in Aphorismen, im Mittelalter wie in der Moderne. Dinge treiben Handlungen voran, stören, wenn sie nicht funktionieren, und sie schaffen und zerstören Ordnungen - auch solche der Worte. Im Gegensatz zur Ethnologie oder Museologie hat es die Literaturwissenschaft stets mit Zeichen zu tun - es stellt sich also die Frage, wie das Verhältnis von res und verba analysiert und beschrieben werden kann. Der vorliegende Band versammelt Beiträge, die sich, angefangen bei der antiken Rhetorik über mittelalterliche Literatur bis hin zum 20. Jahrhundert, mit Dingen in und neben Texten beschäftigen.
Wenn man etwas lernt oder lernen will, geht es immer besser, wenn es Spaß macht. Dieser Beitrag möchte zeigen, dass eine witzige Situation oder Witze als Textsorte nicht nur als Motivation zum Lernen, sondern auch als ein fester Bestandteil des DaF-Unterrichts dienen können. Als ein Argument, das sich wie ein roter Faden durch diesen Text zieht und das diese Behauptung unterstützt, bietet sich die pragmatisch verankerte Perspektive an. Der Beitrag stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, ob die Witze beim Vermitteln der pragmatischen Kompetenz im Rahmen des DaF-Unterrichts behilflich sein können und ob diese daher von der Peripherie näher ins Zentrum des DaF-Unterrichts geraten sollten. Auch wenn die Argumentationslinie dieses Beitrags die Rolle der Witze im Unterricht unterstützen will, wird hier diese Richtung keinesfalls überschätzt. So wie die pragmatische Kompetenz sollte auch der Witz ein Teilchen des sprachdidaktischen Mosaiks darstellen, das nicht unbedingt in dessen Zentrum liegen muss.
In den schriftlichen Äußerungen der Wirtschaftsstudenten kommen wiederholt lexikalische Fehler vor. Sie werden im vorliegenden Artikel zusammengefasst, kommentiert und analysiert. Sie gehen größtenteils auf die Interferenz des Tschechischen zurück. Sie kommen vor allem bei polysemen Wörtern im Tschechischen, bei Wörtern mit unterschiedlicher semantischer Kombinierbarkeit in beiden Sprachen, festen Wortverbindungen, präpositionalen Wendungen und Fremdwörtern vor. Dabei konzentrieren wir uns auf Fehler, die mehrfach festgestellt wurden. Weniger häufig oder gelegentlich vorkommende Fehler, die der Peripherie unseres Corpus angehören, wurden außer Acht gelassen.
Eine Einführung in die Didaktik nicht-linguistischer Disziplinen im DaF-Unterricht lässt es notwendig erscheinen, sich zunächst der Frage nach der Legitimation und dem Stellenwert von Landeskunde, Literatur, Musik und Kunst im Fremdsprachenunterricht im Allgemeinen zuzuwenden. Der Einsatz von Musik ist nichts Neues im DaF-Unterricht, denn schon immer wurden und werden Lieder beim Erlernen fremder Sprachen eingesetzt. Trotzdem steht gerade die Musik an der Peripherie der Fremdsprachendidaktik, obwohl es sehr wichtig scheint, die Musik im Fremdsprachenunterricht einzusetzen. Der Beitrag widmet sich dem Thema Musik im DaF-Unterricht, und anhand der Ergebnisse einer im Jahre 2016 durchgeführten Fallstudie wird die Realität in der Unterrichtspraxis an den tschechischen Schulen dargestellt, d. h. wie die Lehrer mit Musik im Fremdsprachenunterricht (künftig: FSU) umgehen.
In dem Beitrag wird die Vermittlung sachbezogenen Wissens im Wirtschaftsdeutschunterricht thematisiert. Hierbei geht es um die Frage, wie wichtig wirtschaftsbezogene Inhalte im Sprachunterricht in der Germanistik sein können: Ist der Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten, die man später im Berufsleben anwenden kann, hier nur ein peripherer Bereich? An zwei Fachbereichen, der Touristik und der Logistik, wird gezeigt, dass man auch an der philologischen Fakultät erfolgreich sachbezogenen Fremdsprachenunterricht einsetzen kann. Ein solcher Unterricht, in dem konkrete Inhalte vermittelt und praktische Skills trainiert werden, erfreut sich bei den Studenten eines großen Interesses. Gerade Kursprogramme, die sich mit wirtschaftlichen Aspekten befassen, scheinen aufgrund der direkten Bezüge zum Arbeitsmarkt sehr begehrt. Wie aus den Erfahrungen mit den Studenten des Germanistikstudiums hervorgeht, sind Veranstaltungen, die mehr lehren, als lediglich den perfekten Umgang mit der Fremdsprache, besonders gefragt. So ist es die Rolle des Dozenten, nicht nur die Sprache zu unterrichten, sondern auch Wirtschaftswissen zu vermitteln. Ist etwa eine Neuorientierung des Sprachunterrichts an den philologischen Fakultäten im Gange? Diese Frage wird hier bejaht. Im praktisch angelegten Deutschunterricht rückt Wirtschaftsdeutsch immer mehr von der Peripherie ins Zentrum.
Die Phraseologie - und dazu gehören auch die einzelsprachspezifischen Kollokationen - gilt zuweilen als Sahnehäubchen auf den Höhen der Sprachkompetenz. Für die (angehenden) vereidigten Übersetzer stellen Kollokationen eine besondere Herausforderung dar, da die Rechtssprache ihre eigenen Formulierungsmuster aufweist, deren Beherrschung eine Schlüsselrolle in der Fachkommunikation spielt. Im Zentrum der Leistungskontrolle bei Übersetzungsaufträgen sollten nach Nord (2006, S. 18) Übersetzungsfehler stehen, die es von sprachlichen Verstößen strikt zu trennen gilt. Obwohl kollokative Fehler bei der Dichotomie zwischen Sprach- und Übersetzungsfehlern auf den ersten Blick in den ersten Bereich zu fallen scheinen, verweist der Beitrag darauf, dass Kollokationsfehler durchaus eine Affinität zu Nords pragmatischen, konventionsbezogenen und sprachenpaarspezifischen Übersetzungsfehlern zeigen und somit keinen peripheren, sondern zentralen Status bei der Bewertung der Übersetzungsleistung genießen sollten.
Unter den in Polen herausgegebenen deutschen Minderheitenzeitschriften gibt es einige, die sich in erster Linie an Jugendliche richten und deren Texte hauptsächlich von Jugendlichen geschrieben werden, welche die deutsche Sprache nicht als Erst-, sondern als Zweitsprache neben dem Polnischen beherrschen. Dies kann als Grund für die in den Texten vorkommenden Fehler angesehen werden, aber gehen sie tatsächlich alle auf diese Ursache zurück oder lassen sich auch andere Gründe für die hier auftretenden Normwidrigkeiten erkennen? Sind es nur rein sprachliche Mängel, die das Lesen der Texte erschweren? Und wie sind die Letzteren im Kontext der Sprachnorm zu beurteilen? Dies sind die Fragen, auf die in dem Beitrag vor dem Hintergrund einer empirischen, induktiven und korpusbasierten Untersuchung anhand zahlreicher Belege aus der Zeitschrift Antidotum eine Antwort gesucht wird.
Das Thema eines spezifischen Projektes an der Pädagogischen Fakultät der Universität Hradec Králové war die Erstellung einer elektronischen Datenbank der schriftlichen Arbeiten der Bachelorstudenten am Ende ihres Studiums. Diese Datenbank basiert auf der Software Atlas.ti und ermöglicht die Analyse der häufigsten und typischen Fehler. In diesem Projekt wurden Bachelorarbeiten aller Studierenden des Lehramts der deutschen Sprache analysiert, die in den Jahren 2011 - 2015 (d. h. während der Realisierung des strukturierten Studiums 3 + 2 am Lehrstuhl Deutsche Sprache und Literatur der Pädagogischen Fakultät Hradec Králové) geschrieben wurden. Die Resultate können zur Diskussion über die Angemessenheit der Strukturierung des Studiums für Fremdsprachenlehrer beitragen.
Der Artikel befasst sich mit der Fehleranalyse mit einem Schwerpunkt auf den Fehlern der tschechischen Schüler an Gymnasien in Schlesien. Der Begriff Fehler wird erklärt, und es wird versucht, eine neue Typologie der Fehler zu finden. Das Ergebnis der Fehleranalyse wird vorgestellt. Die Untersuchung setzt sich zum Ziel, zuerst die Fehler in schriftlichen Arbeiten zu klassifizieren und die häufigsten Fehlertypen zu finden. Der Beitrag erläutert, womit die Schüler die meisten Probleme haben.
Im Beitrag wird gezeigt, dass sich mündliche Kommunikation im Zentrum sprachlicher Fehlertoleranz bewegt, während schriftliche Texte an seiner Peripherie verortet sind. Übersetzungen hingegen basieren auf Fehler-Intoleranz. Jede Übersetzung in die Fremdsprache, die ohne Rücksprache mit einem linguistisch geschulten und translatorisch erfahrenen Muttersprachler der Zielsprache in den Druck gegeben wird, weist ihren Urheber als unprofessionellen Einzelkämpfer aus, der respektlos gegenüber dem Autor des Originals, geringschätzig gegenüber seinem Auftraggeber, zynisch gegenüber dem Leser seiner Übersetzung und leichtfertig gegenüber seinen Landsleuten handelt, weil er das Scheitern internationaler Kommunikation billigend in Kauf nimmt. Indessen minimieren Übersetzungsteams aus Muttersprachlern der Ausgangs- und der Zielsprache, die eng mit dem Auftraggeber, dem Autor und ggf. mit den entsprechenden Fachleuten zusammenarbeiten, sprachliche und inhaltliche Fehler und dokumentieren dadurch ihren tiefen Respekt und ihre aktive und kreative Toleranz gegenüber dem anderen Land, seinen Menschen, Sprachen und Kulturen.
Interkulturelle Kommunikation, interkulturelle Kompetenz und (soziale) Interaktion sind längst zu Schlagworten geworden, mit denen moderne Gesellschaften zentrale praktische Herausforderungen und wichtige Aspekte ihres Selbstverständnisses auf den Begriff zu bringen versuchen. Der Terminus interkulturelle Kommunikation steht dabei oft auch für Verständigungsschwierigkeiten, die in ganz verschiedenen Lebensbereichen und Berufsfeldern kontinuierlich zunehmen (vgl. Straub / Weidemann, 2007, S. 1). Kulturelle Differenzen gelten in dieser Hinsicht als beinahe unerschöpfliche Quelle von potentiellen Problemen der kommunikativen Verständigung. Im folgenden Beitrag werden vor allem Spezifika der interkulturellen Kommunikation im Allgemeinen und die soziale Interaktion der Akteure (Interaktionspartner) in der Kommunikation im Besonderen behandelt. Das Thema fokussiert in diesem Zusammenhang die Faktoren, die in der gegenseitigen Interaktion zwischen miteinander kommunizierenden Akteuren auftreten können bzw., welche Fragen in diesem Zusammenhang im Zentrum des Interesses stehen und was eher an der Peripherie (nebensächlich) ist.
Die Verfasserin plädiert für einen Kanon 'erinnerungswürdiger Texte' im Deutschunterricht sowie im universitären germanistischen Curriculum, der zur Identitätsbildung in einer Kulturnation unentbehrlich ist, aber in Anbetracht permanenter Gleichsetzung von Bildung und Ausbildung geringgeschätzt wird. Zusätzlich verhindert der deutsche Bildungsföderalismus, sich bereits in der Schule einen Kanon von fiktionalen Texten anzueignen, der als Fundus für identitätsstiftende Diskurse dient, die zum kulturellen Zusammenhalt einer Nation beitragen. Der aktuell zu beobachtenden Xenophobie hat fiktionale Literatur etwas entgegenzusetzen, indem sie Bilder vom eigenen und dem fremden Land in der Literatur vermittelt (Imagologie).
Die Sprache ist ein variables, sich ständig entwickelndes Phänomen, weshalb es schwierig ist, eine endgültige Norm festzusetzen. Noch schwieriger kann es sein, wenn man eine Fremdsprache mit ihren oft schwankenden Normen erlernen möchte und dabei keine Möglichkeit hat, sich bei der Kommunikation auf seine sprachlichen, in der Kindheit erworbenen Erfahrungen zu verlassen wie Muttersprachler/innen. Die Fremdsprachenlerner sind also davon abhängig, was alles ihnen von der jeweiligen Sprache präsentiert wird. Damit wird umso mehr Verantwortung in die Hand der Lehrer/innen und Lehrwerksentwickler/innen gelegt, denn sie entscheiden, welche Aspekte der Sprache und welche 'Norm' die Schüler/innen kennen lernen. Im Beitrag wird deswegen der Frage nachgegangen, wie sich Lehrwerke am Beispiel 'Deutsch als Fremdsprache' mit sprachlichen Normen und den Abweichungen von der sprachlichen Norm bzw. Besonderheiten der Sprache auseinandersetzen. Die Aufmerksamkeit konzentriert sich vor allem auf drei Aspekte dieser Problematik: Ausgewählte Typen von Abweichungen und Unregelmäßigkeiten der Sprache aus den Bereichen Grammatik, Wortschatz und Phonetik, Art und Weise von deren Präsentationen aus der Perspektive der Verständlichkeit und deren Bewertung als zentral oder als abweichend bzw. peripher. Nach diesem Kriterium werden Unterschiede zwischen neueren und älteren Lehrwerken und zwischen Lehrwerken deutscher und tschechischer Autor/innen thematisiert.
Seit den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts läuft in der jetzigen Tschechischen Republik eine Reformdiskussion, die Anfang des neuen Jahrhunderts zu einer Schulreform führte. Die Studie behandelt die Veränderungen des Curriculums in der Tschechischen Republik. Ihr Ziel ist es, die Meinungen der Lehrer über die neuen Curricula mit dem Fokus auf die Fremdsprachen zu thematisieren. In diesem Zusammenhang spricht man über die heutige Curriculumsreform, die mit der Einführung der Rahmencurricula zusammenhängt. Der Text ist in vier Teile gegliedert. Im ersten Teil werden die Begriffe Curriculum und Lehrplan und eine kurze Analyse der Dokumente der Reform vorgestellt. Im folgenden Teil wird kurz die Geschichte der Curricula skizziert. Im dritten Teil werden die Ergebnisse der Forschung präsentiert, die die Ansichten einiger Akteure auf dem Gebiet der schulischen Bildung, vor allem Direktoren und Lehrer, über die Reform und die Veränderungen der Zahl der Schüler, die eine Fremdsprache lernen, analysiert. Im letzten Abschnitt werden die größten Probleme der Reform thematisiert und Schlussfolgerungen gezogen.
Polen als Niemandsland? Deutschland als Wunderland? In der zweisprachigen Anthologie Kindheit in Polen - Kindheit in Deutschland erzählen deutsche und polnische AutorInnen - aufgewachsen in Polen, in der DDR, in Westdeutschland - aus ihrer Kindheit. In ihren Texten spiegeln sich gesellschaftliche Umbrüche, Familie und Liebe, Flucht und Vertreibung, Religion und Ideologie, inter- und transkulturelle Erfahrungen sowie die Heimatsuche der Flüchtlingskinder. Die Erzählungen, Gedichte und Erinnerungen zeigen Unterschiedliches und Gemeinsames, sie fördern den Austausch über Grenzen hinweg. Die Auseinandersetzung mit Zentrum und Peripherie bezieht sich nicht nur auf Grenzregionen, sondern betrifft auch kulturelles und literarisches Erbe. Die gegenwärtige deutsche und polnische Literatur bewegt sich in Richtung unterschiedlicher Zentren, und ihre Autoren scheinen irgendwie 'zwischen' zwei oder sogar mehreren Sprachen und Kulturen zu leben. Die im vorliegenden Beitrag analysierte Anthologie scheint ein Buch der deutsch-polnischen Begegnungen zu sein. Sie baut eine Brücke für ein gegenseitiges Verstehen unserer Vergangenheit und Gegenwart.
Im heutigen Deutschland lebt eine große Gruppe von Einwanderern türkischer Herkunft und ihren Nachfahren. In der Literatur und Publizistik dominierten bis vor kurzem sehr kritische Narrative über sie, insbesondere über die Frauen und ihre Rolle in den Gemeinschaften, die diese Gruppen bildeten. Hatice Akyün, eine junge deutsche Journalistin und Autorin türkischer Herkunft, versucht in vielen Publikationen dieses Bild zu entzaubern. Dem Beispiel ihres eigenen Lebens folgend, beschreibt sie den Alltag einer türkischen Familie aus einer neuen Perspektive. Sie ist gut integriert und erfolgreich tätig in beiden Kulturen, der deutschen und der türkischen, und sie zeigt es zum Beispiel in ihrem Text Einmal Hans mit scharfer Soße mit einem starken Sinn für Humor. Im folgenden Artikel versucht die Verfasserin, den langen imaginären Weg von Hatice aus der Peripherie der deutschen Gesellschaft in ihre Mitte vorzustellen. Die Analyse zielt darauf ab, die Vorurteile über Minderheiten von Einwanderern mit der Realität zu konfrontieren, die aus einer neuen unüblichen Perspektive dargestellt wurde.
In dem vorliegenden Beitrag wird das Augenmerk der Verfasserin auf das publizistische Werk Artur Beckers, eines aus Polen stammenden, hauptsächlich auf Deutsch schreibenden Autors gerichtet. An Hand seiner journalistischen Arbeiten sowie der vor kurzem erschienenen Essaysammlung Kosmopolen soll das Bild einer modernen transkulturellen Identität rekonstruiert werden. Ausgehend von der Lebensgeschichte des Autors werden zunächst seine Wahrnehmung als Schriftsteller in der Öffentlichkeit, sein eigenes Selbstbild sowie sein Umgang mit Sprachen (der Muttersprache Polnisch und der Literatursprache Deutsch) thematisiert. Im Hinblick auf die zunehmende Relevanz der sogenannten interkulturellen Literatur im deutschsprachigen Raum - von der peripheren Stellung der Gastarbeiterliteratur bis zur Begeisterung für Werke der mit dem Adelbert-von-Chamisso-Preis ausgezeichneten Autoren - wird Becker in dem Polysystem der deutschen Nationalliteratur zentral verortet. Anschließend wird seine aktuelle mediale Präsenz in einen Zusammenhang mit den Termini Transkulturalität und Transnationalität gebracht. In seinen neuesten Pressetexten nimmt der Schriftsteller Stellung zu aktuellen innenpolitischen Problemen in Polen und in Deutschland, thematisiert seine persönlichen Erinnerungen und Erlebnisse und rezensiert literarische Neuerscheinungen anderer polnischer Autoren. Im Gegensatz zu seinen literarischen Werken, die von Becker seit 1989 ausschließlich auf Deutsch verfasst werden, beginnt der Autor in der letzten Zeit seine publizistischen Texte auch in der polnischen Sprache zu schreiben. Diesen erneuten Sprachwechsel nach über 20 Jahren reflektiert er selbst als ein großes Ereignis. Im folgenden Teil des Beitrags wird der von Becker aufgegriffene und weiter entwickelte Begriff 'Kosmopolen' rekonstruiert, der nach Ansicht des Autors einerseits für eine bestimmte, von der Nationalzugehörigkeit und dem momentanen Wohnort unabhängige Haltung, andererseits aber auch für einen offenen grenzübergreifenden Raum steht. Indem Becker die Perspektive des Außenbeobachters mit einer Innenansicht einnimmt, erhebt er den Anspruch, als eine objektive Stimme der Vernunft zu gelten. In diesem Zusammenhang wird die vielfältige, transkulturell geprägte Problematik des Essaybandes erörtert.
Im Mittelpunkt des Beitrages stehen Werke von Autoren aus dem ehemaligen Ostdeutschland, denen es dank der Nominierungen auf den zwei wichtigsten Buchmessen in Deutschland gelungen ist, von der Peripherie ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken. Die anderen Erfahrungen aus dem Leben in der DDR ermöglichen Autoren aus den neuen Bundesländern eine unterschiedliche Sicht auf die deutsche Geschichte. Untersucht wird die Themenwahl der Werke, die sich aus der Vergangenheit im geteilten Deutschland ergibt. In den nominierten Romanen nach dem Jahre 2000 lassen sich folgende Themen finden: Geschichte, Privatsphäre und aktuelle Themen. Die deutsche Geschichte des 'kurzen zwanzigsten Jahrhunderts' wird in den Familienromanen vorgestellt. Gleichzeitig besteht Interesse an den Ereignissen der Wendezeit sowie der Zeiten davor und danach. Die lang erwartete und trotzdem plötzlich kommende Wende mündete in Ratlosigkeit, Entfremdung und Unsicherheit. Großer Beliebtheit erfreuen sich auch das Thema Privatleben sowie die Themen Kindheit, Jugend in der DDR vor und nach der Wende, aber auch zwischenmenschliche Beziehungen zwischen den einzelnen Generationen, die auf die gesellschaftlichen Ereignisse reagieren, womit sich beide zuerst genannten Hauptthemen vermischen. Nicht zuletzt werden in den nominierten Romanen aktuelle Gegenwartsthemen wie Terrorismus oder Flüchtlinge reflektiert, die anhand konkreter Geschichten erzählt werden.