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Von einer Ballade wie Schillers Bürgschaft den Inhalt wiederzugeben, scheint eine unproblematische Aufgabe zu sein. Führt man sie kritisch und sachgenau aus, wie Schüler ja sollen, so können sich jedoch Fragen ergeben. die durchaus heikel sind. Es kann sich dann nämlich herausstellen, daß die drei lebensbedrohenden Prüfungen, die der zu Dionys, dem Tyrannen, zurückeilende Damon zu bestehen hat, für seine Freundestreue zwar ein leuchtendes, aber durchaus nicht auch ein einleuchtendes Zeugnis sind. Der 'unendliche Regen', der herniederzuströmen beginnt, bald nachdem er sich am dritten und letzten Tag von der Schwester, der nun ehelich versorgten, verabschiedet und den Rückweg angetreten hat, mag in seinen Folgen noch hingehen: der zu überquerende Fluß schwillt binnen kurzem so an, daß die einzige Brücke weggerissen und der zur Eile Verpflichtete jäh aufgehalten wird. Aber warum tut er nun nichts anderes, als hilflos am Ufer auf und ab zu laufen und über den tosenden Strom hinweg nach einem Fährmann zu rufen? 'Stunde an Stunde' läßt er so verrinnen, obwohl er sieht, daß das Wasser ständig ansteigt, bis daß er sich endlich - es ist längst Nachmittag - ein Herz faßt und den mittlerweile zum 'Meer' gewordenen Fluß mit 'gewaltigen Armen' durchschwimmt. Warum dann also nicht gleich?
Manchmal bedeutet schon das Vorbringen einer Frage, sich in ein polemisches Verhältnis zu bestimmten Vorstellungen zu setzen, auch wenn man das nicht will und es für das eigene Überlegen als einen Nachteil ansieht, daß da eine Welt von Widerspruch zu gewärtigen ist. Die Frage nach der Bedeutung des tatsächlich stimmenden Details für die Literatur ist eine solche Frage, scheint es doch - wie lange schon? - eine gesicherte Überzeugung zu sein, daß die Übereinstimmung des literarischen Werkes mit wie immer beglaubigten Tatsachen nichts zu bedeuten hat, nichts jedenfalls für dessen Kunstcharakter, oder wenn doch, dann nichts Gutes. Wie also beginnen, ohne sogleich den gesammelten Zorn auf diese Frage zu ziehen? Versuchen wir es an dem Punkt, an dem die wissenschaftliche Diskussion selber offenbar noch am ehesten Mühe gehabt hat, dieser Auffassung Geltung zu verschaffen: in der Auseinandersetzung mit der Literatur des Realismus und mit dem Realismusbegriff überhaupt.