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In den "Empfindungen vor Friedrichs Seelandschaft" von Brentano und Kleist läßt sich ein wahrnehmungsgeschichtlich signifikanter Bruch nachweisen. Geht Brentano von der romantischen Konzeption der Sehnsucht aus, so stehen hinter dem Text Kleists die Theorie des Erhabenen und die Assoziation des Panoramas. Diese konkurrierenden Positionen gründen in unterschiedlichen Begriffen vom Subjekt.
Es gehört wohl zu den wichtigsten Leistungen der jüngeren Romantikforschung, die starre Grenze zwischen Aufklärung und Romantik geschleift zu haben. Wo sich früher zwei monolithische Einheiten gegenüberstanden, zeigen sich inzwischen, ohne daß dadurch der Epochencharakter beider prinzipiell verabschiedet würde, gemeinsame Problemlagen, Kontinuitäten, Übergänge und Transformationen. Dieser Befund bewahrheitet sich, wenn man den herkömmlichen Fragenkreis der Literaturwissenschaft in Richtung einer sozialhistorisch fundierten Geschichte des Subjekts, des Ichs, der Seele erweitert. Die Romantik, hat Hartmut Böhme geschrieben, formuliere "das Unbewußte der Aufklärung. Sie ist nicht deren Opposition, sondern die Komplettierung der bürgerlichen Subjektproduktion [...]". Tatsächlich spielt die Literatur seit der Frühromantik eine durchaus avantgardistische Rolle bei der "Entdeckung des Unbewußten", die in den letzten Jahren anhand vorwiegend theoretischer Texte rekonstruiert worden ist. [...] Ludwig Tiecks Märchenerzählung "Der getreue Eckart und der Tannenhäuser" von 1799 [...], die die Germanistik zumeist in einer Mischung aus Hilflosigkeit und Geringschätzung links liegen gelassen hat, schreitet in einem mythisierenden Szenarium von hoher Raffinesse die Sehnsüchte und inneren Zwänge aus, die sich am Ende der bürgerlichen Aufklärung ausgebildet haben. Er macht auf diese Weise nicht weniger als eine neue psychische Struktur, das Resultat lang- wie kurzfristiger sozialer Prozesse, sichtbar, und zwar in einem doppelten Sinn: Denn diese ist nicht nur auf Inhaltsebene Gegenstand der Erzählung, sondern schreibt sich strukturbildend dem Text selbst ein. In psychogenetischer Perspektive wird erkennbar, daß sich die Romantik, selbst wo sie es will, nicht von dem befreien kann, was ihr die Aufklärung hinterlassen hat.
Goethes Römische Elegien und Venezianische Epigramme entfalten eine "Poiesis des Körpers" in einem doppelten Sinn. In ihren selbstreflexiven poetologischen Passagen zeigen sie Liebe und Sexualität als die Affektbasis der Hervorbringung von Kunst, die sich selbst erotisch auflädt. Sie entwerfen damit eine Anthropologie des künstlerischen Prozesses in nuce. Damit verzahnt ist die Arbeit an einem neuen Blick auf den weiblichen Körper und an der Konstitution eines spezifischen Geschlechtskörpers des Künstlers selbst. Dieser Vorgang beinhaltet zugleich eine Verschiebung und Umformierung der Sexualität. Diese Aspekte werden in Zusammenhang gebracht 1. mit epochenspezifischen kulturhistorischen Phänomenen (Attitude und Tableau vivant; Blick auf die antiken Statuen; Konjunktur des Pygmalionmythos) 2. mit Goethes ästhetischen Reflexionen. Im Zusammenhang mit der Bestimmung des ambivalenten Verhältnisses von Kunst und Natur entwerfen diese eine Ästhetik des lebendigen Kunstwerks: Kunst wird in Natur verankert und in Analogie zum natürlichen Leben - so die Leitmetaphorik - "gezeugt" und "geboren". Diese Gesichtspunkte umreißen eine Art Biologie der Kunst, in die sich die erotische Dichtung nahtlos einfügt, indem sie Kunstschöpfung auf Sexualität bezieht.