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In Baden-Württemberg sind in dem 30-jährigen Zeitraum einschließlich dervorliegenden insgesamt fünf Fassungen der Roten Liste der gefährdeten Vogelarten erschienen, die jeweils auf den neuesten Stand der Erforschung der Vogelwelt Baden-Württembergs gebracht wurden. Die einzelnen Fassungen der Roten Liste sind 1973 (1. Fassung, Berthold, Ertel & Hölzinger 1974, 1975), 1977 (2. Fassung, Berthold, Ertel, Hölzinger, Kalchreuter & Ruge 1977), 1981 (3. Fassung, Hölzinger, Berthold, Kroymann & Ruge 1981), 1996 (4. Fassung, Hölzinger, Berthold, König & Mahler 1996) und 2007 (5., vorliegende Fassung) herausgegeben worden. In diesem über 30-jährigen Zeitraum wurden die Kriterien für die Roten Listen entsprechend dem Fortschritt der ornithologischen Forschung zunehmend mehr auf quantitative Grundlagen gestellt. Die Roten Listen waren und sind das Ergebnis systematischer und programmatisch orientierter Bestandsaufnahmen der Vogelwelt abseits emotionaler und naturschutzpolitischer Beurteilung.
Die 4. Fassung der Roten Liste der Brutvögel Deutschlands wurde durch das "Nationale Gremium Rote Liste Vögel" erarbeitet, in dem die wissenschaftlichen Institutionen der Ornithologie und Avifaunistik in Deutschland vertreten sind. Die Rote Liste ersetzt die 3. Fassung aus dem Jahr 2002 (BAUER et al. 2002); sie wurde erstmalig nach dem für alle Tier- und Pflanzenartengruppen sowie den Pilzen in Deutschland entwickelten Kriterienschema (5. LUDWIG et al. 2007) erarbeitet. Somit wird ein direkter Vergleich der Gefährdungssituation zwischen diesen Gruppen ermöglicht. Bestandsgröße, kurzfristiger (25 Jahre) und langfristiger (50-150 Jahre) Bestandstrend sind die wichtigsten Parameter zur Gefahrdungseinstufung der einzelnen Arten. Zusätzlich wurde jeweils die Wirksamkeit von Risikofaktoren artspezifisch identifiziert und berücksichtigt. Alle Einstufungen werden transparent vorgenommen und in der Anhangsliste publiziert. Der Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) hat zur Erstellung der Datengrundlagen mit Stand 2005 für die Gefahrdungseinstufung ein neues Abfrageschema entwickelt, in dem die relevanten Informationen aus den nationalen Vogelmonitoring-Programmen aufgearbeitet und als Hintergrunddaten für die Einschätzungen von Bestandstrend und -größe auf Landesebene bereitgestellt wurden. Dadurch gewinnen die Einstufungen an Verlässlichkeit und Nachvollziehbarkeit. Der langfristige Trend wurde vom "Nationalen Gremium Rote Liste Vogel" ermittelt. Vor der Einstufung der Brutvogelarten wurde je Art eine Statuszuordnung vorgenommen, von denen nur die regelmäßig brütenden einheimischen Arten den weiteren Weg der Rote Liste-Erstellung durchlaufen. In der Roten Liste 2007 werden insgesamt 260 regelmäßige einheimische Brutvogelarten in Deutschland berücksichtigt, 25 weitere Arten brüteten nur unregelmäßig ('vermehrungsgäste': Status II), zudem wurden 29 Neozoen-Arten ermittelt (Status III), von denen 20 regelmäßig brüten. Dies ergibt zusammen 314 Arten, die höchste Zahl an Brutvogelarten, die je für eine Rote Liste zu Grunde gelegt wurde. Insgesamt befinden sich 110 regelmäßige Brutvogelarten in den Kategorien der Roten Liste 2007 (0 = ausgestorben, 1 = vom Aussterben bedroht, 2 :: stark gefährdet, 3 :: gefährdet und R = extrem selten), das entspricht 42,3 % der Arten, was einer minimal geringeren Gefahrdungsquote gegenüber der Vorgängerliste entspricht. Erfreulich ist, dass mit dem Bruchwasserläufer und dem Steinrötel zwei ehemals in Deutschland ausgestorbene Arten zwischen 2000 und 2005 wieder regelmäßig gebrütet haben. Dem entgegen ist mit der Blauracke eine weitere Art ausgestorben. Schwarzstorch, Wanderfalke, Seeadler und Uhu sind hier erstmals seit der ersten deutschen Roten Liste 1971 nicht mehr aufgeführt - ein Erfolg jahrzehntelanger direkter Schutzmaßnahmen der ehrenamtlichen und amtlichen Vogelschützer und gleichzeitig ein Beweis, dass sich Vogelschutz bei stark gefährdeten Arten lohnen kann. Andererseits sind mit Schreiadler, Zwergseeschwalbe oder Großem Brachvogel Alien in die höchste Gefährdungskategorie eingestuft worden, die zwar auch im Fokus des Vogelschutzes standen und stehen, bei denen aber bislang Maßnahmen nicht ausreichend erfolgreich umgesetzt werden konnten. Gerade die Kategorie "vom Aussterben bedroht" umfasst mit nunmehr 30 Arten den höchsten Wert seit Erscheinen der gesamtdeutschen Roten Liste. Der Analyse der aktuellen deutschen Brutvogelfauna zufolge sind die Boden brütenden Vogelarten, Großinsektenfresser und Langstreckenzieher am stärksten von Gefährdungen betroffen. Vogelgruppen mit einem hohen Anteil gefährdeter Arten sind demzufolge Hühnervögel, Rallen, Limikolen und Würger, während Eulen und Schnäpperverwandte derzeit vergleichsweise wenig gefährdet sind. Zudem erfolgt deutschlandweit ein weiteres Ausdünnen der typischen Vögel in der Normallandschaft, was sich vor allem in den Trendanalysen manifestiert, aber in der Roten Liste noch nicht sehr stark zum Ausdruck kommt. Die Nutzungsintensivierungen von Land- und Forstwirtschaft in jüngster Zeit geben hier großen Anlass zur Sorge in diesen Großlebensräumen. Diese Rote Liste stellt erneut ein kritisches Zeugnis über den Zustand der deutschen Vogelwelt aus. Aufgrund der in jüngster Zeit stark ausgeweiteten Monitoringprogramme wird es in Deutschland zukünftig noch besser möglich sein, die Gefahrdung aufzuzeigen. Um den dauerhaften Rückgang der Vogelbestände zu stoppen oder wenigstens zu verlangsamen, müssen die wirksamen Gefahrdungsfaktoren reduziert und minimiert werden. Dem gezielten Vogelartenschutz stellen sich dabei folgende vordringliche Aufgaben: Erhaltung der offenen Kulturlandschaft, Erhaltung strukturreicher Walder, Erhaltung nährstoffarmer Lebensräume, Sicherung der Schutzgebiete - insbesondere Natura 2000, Stärkung der internationalen Zusammenarbeit im Vogelschutz, Reduktion der Populationsverluste durch Unfälle und menschliche Verfolgung sowie Förderung des vogelkundlichen Nachwuchses.
Dies ist der erste Bericht der Projektgruppe Neozoen der DO-G. Er beinhaltet eine Zusammestellung aller bisher bekannt gewordenen Vorkommen von nichtheimischen Vogelarten in Deutschland und fasst unsere Kenntnisse über Auftreten, Brutbestand, Bestandstrend und Status (in definierten Statuskategorien) zusammen. Bis 2007 wurden in Deutschland 341 nichtheimische Vogelarten festgestellt, von denen 251 wohl nicht im Freiland gebrütet haben und nach derzeitigem Kenntnisstand keine biologische Relevanz für die heimischen Artengemeinschaft haben. Andererseits haben 90 Neozoenarten mindestens einmal in Deutschland gebrütet, und ihr derzeitiger Brutstatus wird (+/-) ausführlich beschrieben. Eine Reihe dieser Arten haben sich inzwischen in Deutschland fest etabliert (Kategorie C), weil sie seit mindestens 25 Jahren und mindestens drei Generationen hier brüten (C1); dies sind Kanadagans, Rostgans, Mandarinente, Jagdfasan, Straßentaube und Halsbandsittich. Bei zwei weiteren Arten werden die Kriterien für die Etablierung in wenigen Jahren erfüllt sein: Alexandersittich und Gelbkopfamazone. Bei mehreren Arten existieren neben den Wildvogelpopulationen auch Brutbestände von Neozoen (sowie Mischbestände), u.a. Höckerschwan, Graugans, Weißwangengans und Stockente. Die Nilgans hat den Etablierungsstatus C1 zwar in Deutschland noch nicht erreicht, jedoch in einigen Nachbarländern, und wird daher in der Kategorie C5 als etabliert geführt, bis eine Überführung in Kategorie C1 als voll etabliert im Jahr 2009 möglich ist. Angesichts derzeitiger Entwicklungen in Handel und Haltung exotischer Vögel ist mit einer anhaltenden Zunahme des Auftretens und der Etablierung von Neozoen in unserem Raum zu rechnen.
Analyse des starken Bestandsrückgangs beim Waldlaubsänger Phylloscopus sibilatrix im Bodenseegebiet
(2009)
In der Brutsaison 2003 wurden in 29 besetzten Revieren und
13 in früheren Jahren besetzten Revieren („verwaiste Reviere")
des Waldlaubsängers Vegetationsparameter der Kraut-,
Strauch- und Baumschicht erhoben, und der Bruterfolg von
zehn Brutpaaren kontrolliert. In zehn Revieren verpaarter
Männchen und zehn verwaisten Revieren wurde das Nahrungsangebot
abgeschätzt und Ellenbergsche Zeigerwerte
berechnet. Für den Waldlaubsänger wurde hiermit erstmals
ein Vergleich von besetzten und verwaisten Revieren durchgeführt,
um Einblicke in die Eignung der rezenten Lebensräume
als Bruthabitat zu bekommen.
Der festgestellte Bruterfolg (50 %) liegt im Rahmen entsprechender
Daten aus der Literatur. Auffällig ist die hohe Anzahl
unverpaarter Männchen (63 %). Es brütet nur ein kleiner Teil
der Population, und von diesen Bruten ist nur die Hälfte erfolgreich.
Der hohe Anteil unverpaarter Männchen ist möglicherweise
ein Hinweis darauf, dass die Habitate des Waldlaubsängers
im Untersuchungsgebiet fragmentiert sind.
Hinweise darauf, dass erhöhte Prädation an den Bestandsrückgängen
beteiligt ist, ergaben sich nicht.
Im Vergleich von besetzten und verwaisten Revieren des
Waldlaubsängers ergaben sich keine Unterschiede hinsichtlich
Nahrungsverfügbarkeit zur Nestlingszeit und am Neststandort.
Dies legt nahe, dass diese Faktoren nicht an den Bestandsrückgängen
im Untersuchungsgebiet beteiligt sind. Unterschiede
in besetzten und verwaisten Revieren ergaben sich in
strukturellen Parametern der Baumschicht. Verwaiste Reviere
haben einen älteren Baumbestand und wichtige strukturelle
Elemente, z. B. die Beastung von Bäumen unter 4 m, sind
dort in geringerem Ausmaß vorhanden. Da das Flächendurchschnittsalter
der Waldbestände in Deutschland und Mitteleuropa
höher wird, ist denkbar, dass sich die Habitatqualität
für den Waldlaubsänger weiter verschlechtert. Zur Zeit finden
aber vermutlich eher Verschiebungen innerhalb von Baumaltersklassen
statt, die noch für den Waldlaubsänger geeignet
sind. In Revieren verpaarter Männchen wurde öfter eine zusammenhängende
Grasfläche und mehr einzelne Grasbüschel
festgestellt als in Revieren unverpaarter Männchen und in
verwaisten Revieren. Sie sind im Zusammenhang mit dem
Neststandort wichtig und es ist denkbar, dass es an geeigneten
Nistplatzmöglichkeiten mangelt.
Die Bestandsrückgänge des Waldlaubsängers sind eine überregionale
Entwicklung und treffen zumindest auf das südliche
und westliche Mitteleuropa zu. Das Ausmaß des Bestandsrückganges
im Untersuchungsgebiet innerhalb von 20 Jahren
(Rückgang um 87 %) legt den Schluss nahe, dass neben der
Fragmentierung und Verschlechterung der Bruthabitate Ursachen
außerhalb des Untersuchungsgebietes in erheblichem
Maße an dem Populationsrückgang beteiligt sind. Am wahrscheinlichsten
sind Veränderungen in Rast- oder Überwinterungsquartieren
und/oder ein großräumiger Wandel im
Verbreitungsareal infolge klimatischer Veränderungen.