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Die Paarverteilungsfunktion (PDF) beschreibt die Wahrscheinlichkeit, zwei Atome eines Materials in einem Abstand r voneinander zu finden. Diese Methode bewährt sich seit längerer Zeit zur Untersuchung von Gläsern, Flüssigkeiten, amorphen, stark fehlgeordneten und nanokristallinen anorganischen Substanzen. Die Anwendung für organische Substanzen ist jedoch relativ neu, mit etwa 20 Veröffentlichungen und Patenten insgesamt.
Im Rahmen dieser Dissertation wurden zwei Methoden zur Strukturverfeinerung und Strukturlösung organischer Substanzen anhand von PDF-Daten erfolgreich entwickelt und an diversen Beispielen validiert. Als erster Schritt hierzu wurde eine Methodenverbesserung vorgenommen. Hierbei handelte es sich um eine Verbesserung der Simulation der PDF-Kurven organischer Verbindungen anhand eines gegebenen Strukturmodells. Mit Hilfe der bisherigen Methoden können die PDF-Kurven anorganischer Substanzen erfolgreich simuliert werden. Für organische Substanzen werden bei Anwendung der bisherigen Methode die Signalbreiten der intramolekularen und intermolekularen Beiträge zu der PDF-Kurve falsch wiedergegeben, dies führt zu einer schlechten Anpassung der simulierten PDF-Daten and die experimentellen PDF-Daten. Deshalb wurde ein neuer Ansatz entwickelt, in welchem für die Berechnung der intramolekularen Beiträge zum PDF-Signal ein anderer isotroper Auslenkungsparameter verwendet wurde, als bei der Berechnung der intermolekularen Beiträge zum PDF-Signal. Mit diesem Ansatz konnte eine sehr gute Simulation der PDF-Kurve für alle Testbeispiele erzielt werden. Zur Strukturverfeinerung organischer Substanzen anhand von PDF-Daten wurden zwei Ansätze entwickelt: der Rigid-Body-Ansatz zur Behandlung starrer organischer Moleküle und der Restraint-Ansatz zur Behandlung flexibler organischer Moleküle.
Neben methodischen Entwicklungen wurden in dieser Arbeit zwei weitere Untersuchungen organischer Verbindungen mittels PDF-Analyse durchgeführt.
Es wurden drei, auf unterschiedliche Weise hergestellte, amorphe Proben des Wirkstoffes Telmisartan untersucht. Des Weiteren wurde mittels PDF-Analyse eine pharmazeutische Nanosuspension untersucht.
Die chemischen und physikalischen Eigenschaften eines Festkörpers sind vom inneren Aufbau des Festkörpers abhängig. Die Methode der Wahl zur Bestimmung von Kristallstrukturen sind Beugungsexperimente. Fehlordnungen in den Kristallstrukturen werden mit Beugungsexperimenten häufig nur unzureichend ausgewertet oder ignoriert. In dieser Arbeit wurden die (möglichen) Stapelfehlordnungen der Aminosäuren DL-Norleucin und DL-Methionin, sowie von Chloro (phthalocyaninato)aluminium(III) untersucht. Dazu wurden Gitterenergieminimierungen mit Kraftfeld- und quantenchemischen Methoden an einem Satz geordneter Modellstrukturen durchgeführt.
In den Kristallstrukturen der α- und β-Phasen von DL-Norleucin ordnen sich die Moleküle in Doppelschichten an und bilden jeweils eine Schichtstruktur mit unterschiedlicher Stapelsequenz. Röntgenbeugungsexperimente an Kristallen dieser Verbindung zeigen charakteristische diffuse Streuung. Die durchgeführten Gitterenergieminimierungen reproduzieren die experimentelle Stabilitätenreihenfolge der beiden Polymorphe von DL-Norleucin. Die berechneten Gitterenergien zeigen, dass es für DL-Norleucin bevorzugte Stapelsequenzen gibt. Die Gitterenergien und Molekülstrukturen einer einzelnen Doppelschicht sind dabei von der Anordnung benachbarter Doppelschichten abhängig. Zudem wurden Strukturmodelle mit Stapelsequenzen aufgebaut, die aus kristallographischer Sicht möglich sind, jedoch experimentell nicht beobachtet wurden, und deren Gitterenergie berechnet. Diese Stapelsequenzen liefern im Vergleich zu den energetisch günstigsten Stapelsequenzen einen signifikanten Energieverlust und treten daher selten auf. Ausgehend von den Ergebnissen der Gitterenergieminimierungen mit DFT-D-Methoden wurden Stapelwahrscheinlichkeiten mit Hilfe der Boltzmann-Statistik berechnet. Es wurde ein großes geordnetes Modell mit einer Stapelsequenz gemäß der Stapelwahrscheinlichkeiten aufgebaut. Dieses Modell wurde verwendet, um Beugungsexperimente zu simulieren und mit experimentellen Daten zu vergleichen. Die theoretischen und experimentellen Beugungsdaten waren in guter Übereinstimmung.
Die Moleküle in den Kristallstrukturen der α- und β-Phasen von DL-Methionin bilden Doppelschichten. Die beiden Phasen unterscheiden sich in der Stapelung der Doppelschichten und der Molekülkonformation. Es wurden Gitterenergieminimierungen sowohl mit Kraftfeld-Methoden als auch mit DFT-DMethoden an geordneten Modellen mit unterschiedlichen Stapelsequenzendurchgeführt. Die experimentell bestimmte Stabilitätenreihenfolge der Polymorphe von DL-Methionin bei tiefen Temperaturen wurde durch die Ergebnisse der kraftfeldbasierten Rechnungen reproduziert. Die Modellstrukturen wurden während den Rechnungen moderat verzerrt. Die Bandbreite der relativen Energien aller Modelle ist relativ gering, sodass eine Stapelfehlordnung aus thermodynamischer Sicht nicht ausgeschlossen werden kann. In der Regel liefern Gitterenergieminimierungen mit DFT-D Methoden genauere Ergebnisse. Die Modellstrukturen wurden während den Rechnungen nur leicht verzerrt. Allerdings unterscheidet sich das Energieranking zwischen den Kraftfeld- und DFT-D-Methoden deutlich. Die experimentell bestimmte Stabilitätenreihenfolge der Polymorphe von DL-Methionin wurde mit DFT-D-Methoden nicht reproduziert. Die Energieunterschiede zwischen den beiden Polymorphen (ΔE = 1,60 kJ∙mol−1 (DFT-D2) bzw. ΔE = 0,83 kJ∙mol−1 (DFT-D3)) sind relativ gering und liegen im Fehlerbereich der Methode. Die Bandbreite der relativen Energien aller Strukturmodelle beträgt nur etwa 1,8 kJ∙mol−1. Auf dieser Grundlage ist eine Stapelfehlordnung in den Kristallstrukturen von DL-Methionin möglich, jedoch nicht experimentell beobachtet. Nicht nur die Kraftfeld-,sondern auch die DFT-D-Methoden scheinen für die Berechnung der Gitterenergien für das System DL-Methionin nicht genügend genau zu sein. Die erhaltenen relativen Energien sollten daher mit Vorsicht betrachtet werden.
Chloro(phthalocyaninato)aluminium(III) (AlPcCl) bildet eine Schichtstruktur, in der sich die Moleküle zu Doppelschichten zusammenlagern. Die 1984 durchgeführte Kristallstrukturbestimmung [98] lieferte auf Grund der schlechten Datenqualität nur eine ungenaue Kristallstruktur. Die asymmetrische Einheit enthält zwei Moleküle, von denen das eine Molekül geordnet, das andere fehlgeordnet ist. Die Kristallstruktur von AlPcCl ist fehlgeordnet, weil eine einzelne Doppelschicht von Molekülen eine tetragonale P4/n-Symmetrie aufweist, die vier symmetrieäquivalente Möglichkeiten bietet, eine zweite Doppelschicht auf einer ersten Doppelschicht zu platzieren. Mit Hilfe der OD-Theorie wurde ein Satz geordneter Modelle mit verschiedenen Stapelsequenzen aufgestellt und die Gitterenergie zunächst mit Kraftfeld-Methoden und anschließend mit DFT-DMethoden berechnet. Auf Grund unzureichender Parametrisierung, musste das Kraftfeld an das System AlPcCl angepasst werden. Die Modellstrukturen werden während den Kraftfeld-Rechnungen nur leicht verzerrt. Die berechneten Gitterenergien hängen allerdings stark von der verwendeten Parametrisierung und den Atomladungen ab und sollten daher mit Vorsicht betrachtet werden. Genauere Ergebnisse erzielten Gitterenergieminimierungen mit DFT-D-Methoden. Die verschiedenen Stapelsequenzen haben eine ähnliche Energie, was die Stapelfehlordnung in der Kristallstruktur von AlPcCl erklärt. Die Überlagerung der vier energetisch günstigsten geordneten Stapelsequenzen führt zu einer gemittelten Struktur, die sehr gut die fehlgeordnete experimentelle Kristallstruktur von AlPcCl erklärt.
Ziel dieser Doktorarbeit war es, die Bedeutung der Kristallstrukturbestimmung aus Pulverdaten (SDPD) herauszuarbeiten und etwaige Grenzen durch neue Methodenentwicklungen zu erweitern, insbesondere bei Analyse der Paarverteilungsfunktion (PDF).
Die Effizienz der SDPD konnte anhand der erfolgreich gelösten Kristallstruktur von Carmustin (1,3 Bis-2-chlorethyl-1-nitrosoharnstoff, C5H9Cl2N3O2) aufgezeigt werden. [CS01]
Die Grenzen der SDPD wurden ausgelotet und erfolgreich erweitert. Nach weit verbreiteter kristallographischer Meinung ist die Strukturlösung mittels des simulierten Temperns (simulated annealing, SA) bei mehr als 25 zu bestimmenden Parametern problematisch oder unmöglich. Die pharmazeutischen Salze Lamivudin-Camphersulfonat (LC) und Aminogluthethimid-Camphersulfonat (AC) konnten, trotz ihrer hohen Anzahl an Freiheitsgraden von 31 für LC bzw. 37 für AC erfolgreich bestimmt werden. Die Strukturlösung von AC war herausfordernd und nicht direkt bei Anwendung der SA-Methode möglich. Nach einer intensiven Fehleranalyse stellte sich heraus, dass nicht die Grenzen der SA-Methode ausschlaggebend für das anfängliche Scheitern der Strukturlösung waren, sondern falsch extrahierte Intensitäten des vorangegangenen Pawley-Fits. Nach Behebung dieser Fehlerquelle war die Strukturlösung von AC problemlos. [CS02]
Mittels SDPD kann die absolute Konfiguration chiraler Verbindungen nicht direkt bestimmt werden. Durch Kristallisation der zu bestimmenden chiralen Verbindung mit einem chiralen Gegenion bekannter Konformation in einer simplen Säure-Base-Reaktion zu einem diastereomeren Salz und nachfolgender SDPD konnte eine neue Methode entwickelt werden, um die Konfigurationsbestimmung aus Pulverdaten zu ermöglichen. Diese Methode wurde anhand der drei pharmazeutischen Salze (R)-Flurbiprofen-(R)-Chinin (FQ), (2R5S)-Lamivudin-(R)-Camphersulfonat (LC) und (R)-Aminogluthethimid-(R)-Camphersulfonat (AC) aufgezeigt: In allen drei Fällen konnte die korrekte Konfiguration des pharmazeutischen Wirkstoffes mit den hierfür entwickelten Kriterien erfolgreich bestimmt werden. [CS03, CS04]
Durch Kombination der klassischen SDPD mit neuen methodischen Ansätzen konnten die Kristallstrukturen der schlecht kristallinen organischen Pigmente 2-Monomethylchinacridon (MMC, C21H14N2O2) und 4,11-Difluorchinacridon (DFC, C20H10N2O2F2) bestimmt werden, obwohl aufgrund ihrer geringen Kristallqualität keine sinnvolle Indizierung möglich war.
Für die Kristallstrukturbestimmung von DFC lieferte der neu entwickelte Global-Fit des Programms FIDEL mögliche Strukturmodelle mit ähnlich guter Übereinstimmung an das experimentelle Pulverdiagramm. Die Rietveld-Verfeinerung der Strukturmodelle in Kombination mit der Anpassung der Kristallstruktur an die PDF-Daten und kraftfeldbasierter Gitterenergieminimierung konnte einen geeigneten Strukturrepräsentanten von DFC liefern. [CS05, CS06]
Im Fall von MMC war eine Kombination der Methoden von Rietveld-Verfeinerung, Verfeinerung an die PDF-Daten und Gitterenergieminimierung zielführend zur Bestimmung der Orientierungs-Fehlordnung von MMC im Kristall. MMC ist hierbei die erste organische Verbindung, deren Fehlordnung durch Anpassung an die PDF bestimmt werden konnte. [CS07]
Große Erfolge konnten bei der Methodenentwicklung der PDF-Analyse erzielt werden. Die Bestimmung von Kristallstruktur organischer Verbindungen durch Anpassung an die PDF ohne vorherige Kenntnis der Gitterparameter oder Raumgruppe wurde durch die Entwicklung des PDF-Global-Fits erreicht. Lediglich die PDF-Kurve und eine Molekülstruktur werden als Input benötigt. Die Strukturlösung beruht auf einem globalen Optimierungs-Ansatz, bei welchem in ausgewählten Raumgruppen Zufallsstrukturen erzeugt werden. Die Zufallsstrukturen werden mit den experi¬mentellen Daten verglichen und entsprechend ihres Ähnlichkeitsindexes, basierend auf der Kreuz-Korrelation, sortiert. [CS08, CS09] Die vielversprechendsten Kandidaten werden in einem einge¬schränkten simulierten annealing-Ansatz an die experimentelle PDF angepasst. Eine nachfolgende Strukturverfeinerung der besten Strukturmodelle liefert die korrekte Kristallstruktur. Der Erfolg des PDF-Global-Fits wurde am Beispiel der Barbitursäure aufgezeigt: Ausgehend von 300 000 Zufallsstrukturen konnte die korrekte Kristallstruktur von Barbitursäure bestimmt werden. Barbitursäure ist hierdurch die erste organische Verbindung, deren Lokalstruktur durch Anpassung an die PDF bestimmt wurde, ohne Input oder Vorgabe von Gitterparametern oder Raumgruppe.[CS10]
Die Biosynthese der Fettsäuren (FS) ist in Eukaryoten und Bakterien ein hochkonserviert zentraler Stoffwechselweg, der in zwei strukturell verschiedenen Systemen ausgeführt wird. Die meisten Bakterien, Parasiten, Pflanzen und Mitochondrien nutzen ein Fettsäuresesynthase Typ-II (FAS-II) System. Bei FAS II Systemen sind alle katalytischen Domänen separate lösliche Proteine. In Eukaryoten wie auch den Bakterien Corynebakteria, Mycobakteria, Nocardia (Klasse der CMN Bakterien) liegen die katalytischen Domänen fusioniert auf einer Polypeptidkette vor, die zu einem Multienzymkomplex der Fettsäuresynthase Typ I (FAS-I) assemblieren. Die Architektur der FAS-I zeigt große Unterschiede; die X förmige Säuger-FAS-I (Maier et al., 2006), sowie die fassartigen Enzyme der Pilz FAS-I (Jenni et al., 2007; Leibundgut et al., 2007; Lomakin et al., 2007; Johansson et al., 2008) und der bakteriellen FAS-I (Boehringer et al., 2013; Ciccarelli et al., 2013). Zwischen Pilz- und bakterieller FAS-I gibt es trotz des ähnlichen Aufbaus bedeutende Unterschiede. Mycobakterium tuberculosis, der Auslöser von Tuberkulose (TB), an der jährlich über eine Million Menschen weltweit sterben (WHO, 2014), synthetisiert durch eine Symbiose von FAS-I, FAS-II und der Polyketidsynthase-13 Mykolsäuren. Durch die Mykolsäuren ist M. tuberculosis resistent gegen äußere Einflüsse. FAS-I ist in die Synthese der Vorstufen der Mykolsäuren involviert. Sie stellt im Kampf gegen TB ein potentielles Inhibierungstarget dar.
Strukturell war die bakterielle FAS-I beim Beginn der vorliegenden Arbeit, nur durch negative-stain-Elektronenmikroskopie (EM) Aufnahmen aus dem Jahr 1982 charakterisiert (Morishima et al., 1982). In dieser Arbeit konnte die bakteriellen FAS I aus M. tuberculosis (MtFAS), sowie Corynebacterium ammoniagenes (CaFAS) und Corynebacterium efficiens (CeFAS) strukturell untersucht werden. Dies geschah mit den Methoden negative-stain-EM, Einzelmolekül-Cryo-EM (Cryo-EM), Cryo EM Tomographie (CET) und Röntgenkristallographie.
Anhand von CeFAS-Kristallen konnte erstmals durch Röntgenkristallographie die Struktur einer bakteriellen FAS-I bestimmt werden. Zudem wurde die hohe konformationelle Flexibilität der bakteriellen FAS-I mit mehreren Methoden gezeigt. Für die CaFAS konnte mit Cryo-EM initiale Prozesse der Proteinkristallbildung abgebildet werden.
Um molekulare Mechanismen in biologischen Prozessen zu verstehen, ist es unerlässlich biologisch aktive Verbindungen zu kontrollieren. Dabei spielt besonders die Aktivierung bzw. Desaktivierung von Genabschnitten eine zentrale Rolle in der gegenwärtigen chemischen, biologischen und medizinischen Forschung. Nukleinsäuren sind dabei offenkundige Zielmoleküle, da sie die Genexpression auf unterster Ebene regulieren und auf vielfältige Art und Weise an biologischen Prozessen beteiligt sind. Um solch eine genaue Steuerung zu erreichen, werden Nukleinsäuren häufig photolabil modifiziert und unter die Kontrolle von Licht gebracht. Da hochentwickelte Technologien es erlauben Photonen bestimmter Energie unter präziser räumlicher und zeitlicher Auflösung zu dosieren, ist Licht als nicht invasives Triggersignal ein besonders geeignetes Werkzeug um molekulare Prozesse zu kontrollieren.
Die Verwendung photolabiler Schutzgruppen („cage“) ermöglicht es, diese lichtaktivierbaren Nukleinsäuren („caged compound“) herzustellen. Üblicherweise werden Oligonukleotide damit an funktionsbestimmenden Stellen versehen, woraufhin die Funktion der Oligonukleotide unterdrückt wird. Die biologische Aktivität kann durch Bestrahlung mit Licht wieder hergestellt werden, da die photolabile Schutzgruppe durch den Lichtimpuls abgespalten wird. Neben der zeitweiligen Maskierung der Nukleinsäureaktivität existiert auch eine Methode, die als „photoaktivierbarer Strangbruch“ (‘‘caged strand break‘‘) bezeichnet wird. Dabei werden mit Hilfe von photolabilen Linkern (‘‘Verknüpfer‘‘) lichtinduzierte Strangbrüche in Oligonukleotiden ausgelöst, um so beispielsweise die Struktur eines Nukleinsäurestrangs zu zerstören. Die Idee der photoaktivierbaren Strangbrüche ist nicht neu, dennoch werden photolabile Schutzgruppen überwiegend nach der erstgenannten Strategie verwendet. Im Rahmen dieses Promotionsvorhabens wurden neue photosensitive Linkerbausteine für Oligonukleotide entwickelt und hergestellt, welche sich vor allem im Hinblick auf die Anwendbarkeit in lebenden biologischen Systemen von den bisherigen photolabilen Linkern unterscheiden.
Im ersten Projekt wurde ein nicht-nukleosidischer, photolabiler Linker, basierend auf dem Cumaringrundgerüst, entwickelt. Das Ziel war hier, vor allem, einen zweiphotonenaktiven Linker für biologische Anwendungen und Zweiphotonen-Fragestellungen nutzbar zu machen. Bisherige Zweiphotonen-Linker konnten hauptsächlich nur für Proteinverknüpfungen bzw. Neurotransmitter verwendet werden oder mussten chemisch umständlich (z.B. Click-Chemie) und postsynthetisch in Oligonukleotide eingeführt werden. Der neu entwickelte Zweiphotonen-Linker wurde als Phosphoramiditbaustein für die Oligonukelotid-Festphasensynthese synthetisiert, was einen problemlosen und automatisierten Einbau garantiert. Mit einem modifizierten Oligonukleotid konnten die photochemischen Eigenschaften des Linkers bestimmt und mit Hilfe eines fluoreszenzbasierten Verdrängungsassays und Lasertechniken der Zweiphotonen-Effekt visualisiert werden. Dazu wurde ein Hairpin-DNA-Strang hergestellt, welcher eine Linkermodifikation im Bereich der Loopregion enthält. Durch eine Thiolmodifikation am 5‘-Ende des Oligonukleotidstranges war es möglich, diesen in einem Maleimid-funktionalisierten Hydrogel zu fixieren. Ein DNA-Duplex mit einem Fluorophor/Quencherpaar und einer korrespondierenden Sequenz zum modifizierten Hairpin-Strang wurde ebenfalls dem System zugegeben, allerdings wurde dieser nicht fixiert, um Diffusion zu ermöglichen. Durch die räumliche Nähe des Fluorophors zum Quencher konnte im unbelichteten Zustand zunächst keine Fluoreszenz gemessen werden. Mit einem (Femtosekunden-)gepulsten Laser und dem damit verbundenen Bindungsbruch im Hairpin-Strang durch Zweiphotonen-Effekte wurde es dem fluoreszierenden Strang des DNA-Duplex ermöglicht, sich vom Quencher-Strang zu lösen und an den fixierten Strang zu hybridisieren. Das Photolyse-Ereignis konnte so in ein lokales Fluoreszenzsignal übersetzt und detektiert werden.
Der eindeutige Beweis, dass es sich tatsächlich um ein Zweiphotonen-induziertes Ereignis handelt, konnte durch die dreidimensional aufgelöste Photolyse und über die quadratische Anhängigkeit des Fluoreszenzsignals von der eingestrahlten Laserleistung erbracht werden.
Die generelle Kompatibilität des Cumarin-Linkers mit biologischen Systemen konnte in Zellkulturexperimenten gezeigt werden. Dazu wurde eine Transkriptionsfaktor-DNA Decoy-Strategie entwickelt, in der Linker-modifizierte DNA Decoys an regulatorische Transkriptionsfaktoren binden und diese aber auch photochemisch wieder freisetzen können („catch and release-Strategie“). Zellkulturexperimente, um mit dieser Methode das Transkriptionsfaktor-gesteuerte und endogene Gen für Cyclooxygenase-2 (COX2) zu regulieren, lieferten keine aussagekräftigen Ergebnisse. Daher wurden die verwendeten Zellen dahingehend manipuliert, sodass sie das Protein GFP (grün fluoreszierendes Protein) in Abhängigkeit von der Anwesenheit eines Transkriptionsfaktors exprimieren. Das so durch die Zellen verursachte Fluoreszenzsignal steht in direkter Abhängigkeit zur Decoy-Aktivität. Mit Hilfe modifizierter GFP-Decoys konnte hierbei eine Regulation auf Transkriptionsebene in biologischen Organismen erreicht werden. Mit dem Electrophoretic Mobility Shift Assay (EMSA), einer molekularbiologischen in vitro-Analysetechnik, wurden die Interaktionen zwischen modifizierten Decoys und dem Transkriptionsfaktor untersucht.
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Fettsäuresynthasen vom Typ I (FAS I), hier bezeichnet als Fettsäuremegasynthasen,sind Multienzymkomplexe, in denen sämtliche funktionellen Domänen für die de-novo-Synthese von Fettsäuren einen strukturellen Verbund eingehen. Auch das für den Transport von Edukten und Intermediaten nötige Acyl Carrier Protein (ACP) ist kovalent gebundener Teil dieses Komplexes, der so zu einer hocheffizienten molekularen Maschine zur Massenproduktion dieser grundlegend essentiellen Zellbausteine wird. Die FAS I aus Pilzen (fFAS), als Gegenstand dieser Arbeit, mit einer Masse von bis zu 2,7 MDa ist heute in ihrer Struktur durch Röntgenkristallographische sowie elektronenmikroskopische Methoden gut charakterisiert. 48 funktionelle Domänen sind zu einem geschlossenen Reaktionskörper angeordnet, indem sie in einer strukturgebenden Matrix aus Expansionen und Insertionen bzgl. der enzymatischen Kerndomänen eingebettet sind, die 50% des gesamten Proteins ausmacht. Neben den zahlreichen strukturellen Informationen über fFAS ist jedoch noch wenig über ihre Assemblierung verstanden. Dabei ist sie nicht nur als ein Beispiel für das generelle Verständnis von Assemblierungsmechanismen von Multienzymkomplexen interessant, sondern wird hier auch als Ziel eines inhibitorischen Eingriffs betrachtet, um eine neue antimykotische Wirkstrategie abseits des Ausschaltens aktiver Zentren zu evaluieren. Nur wenn die Mechanismen und Wechselwirkungen im Assemblierungsprozess offen gelegt sind, lassen sie sich später gezielt attackieren. Essentielle Sekundärstrukturmotive müssen identifiziert und bewertet werden, um sie einer weiteren Evaluation als Drug-Target-Kandidaten zugänglich zu machen. In dieser Arbeit werden Resultate aus in-vivo-Experimenten an rational mutierten fFAS-Konstrukten unter Zuhilfenahme einer evolutionären Betrachtung der fFAS gemeinsam mit Erkenntnissen aus andernorts geleisteten in-vitro-Experimenten an fFAS-Fragmenten zu einem geordneten Assemblierungsweg der fFAS zusammengeführt. Dabei werden Evidenzen aus den Kausaltäten zentraler Anforderungen an einen Assemblierungsmechanismus der fFAS zu drei konsequenten Schlüsselschritten verdichtet, die (i) eine frühe Interaktion zweier komplementärer Polypeptidketten zu einer Pseudo-Einzelkette, (ii) eine posttranslationale Modifikation von ACP und (iii) die geordnete Reifung zum fertigen Komplex durch Selbstassemblierung der beteiligten Domänen umfassen. Durch rationale Mutationen an den Schnittstellenmotiven für die Pseudo-Einzelkettenbildung, werden diese als Schwachstelle der Assemblierung unterschiedlicher fFAS-Typen charakterisiert, wobei für S. cerevisiae nicht weniger als zwei gezielte Punktmutationen ausreichen, um die Assemblierung des gesamten Komplexes zu verhindern. Darüber hinaus zeigen Experimente mit fFAS-Konstrukten, deren Schnittstellenmotive einer intramolekular kompetitiven Wechselwirkung ausgesetzt sind, prinzipiell die Möglichkeit zur Inhibierung der fFAS-Assemblierung durch Störung der Pseudo-Einzelkettenbildung.
Ziel dieser Arbeit war es zum einen Informationen über den Mechanismus in Dodecinproteinen zu gewinnen, der zu der effizienten Fluoreszenzlöschung von gebundenem Riboflavin und einer deutlichen Verlängerung der Lebendsdauer des Chromophors unter Lichteinwirkung führt. Zum anderen sollte mit Hilfe eines kurzen Modellpeptids, das eine Azobenzoleinheit als Photoschalter in seinem Peptidrückgrat enthielt, erste Schritte der Peptidfaltung untersucht werden.
Die Untersuchungen an Dodecinproteinen konzentrierten sich hauptsächlich auf archaeales Dodecin aus Halobacterium salinarum (HsDod). Eine Besonderheit der Dodecinproteine ist, dass sie im Gegensatz zu anderen Flavinbindeproteinen zwei Flavinmoleküle in jeder ihrer sechs identischen Bindetaschen einbauen können. Kurzzeitspektroskopische Untersuchungen im UV/vis-Spektralbereich zeigen, dass nach Photoanregung eines gebundenen Riboflavinmoleküls nach etwa 10 ps der Ausgangszustand wieder erreicht wird. Weiterhin zeigt das Fehlen der stimulierten Emission in den transienten Daten, dass bereits innerhalb der Zeitauflösung des Experiments, in weniger als 150 fs, der erste angeregte Zustand des Riboflavins entvölkert wird. Dies verhindert unerwünschte Reaktionen des Riboflavins und stellt eine Versorgung der Zelle mit diesem wichtigen Baustein für die Biosynthese von FMN und FAD sicher. Die Ergebnisse zeigen außerdem, dass zwei Spezies mit unterschiedlichen spektralen Signaturen und Lebensdauern an dem Löschungsmechanismus und der Wiedererlangung des Ausgangszustands beteiligt sind. Der Vergleich von HsDod-Proteinen in nicht-deuteriertem und deuteriertem Lösungsmittel sowie die spektrale Signatur der Spezies, die mit einer Zeitkonstante von etwa 800 fs zerfällt deuten an, dass ein Elektronen- sowie ein Protonentransfer Teil des Mechanismus sind. Mit Hilfe von HsDod-Proteinen, bei denen der Asparaginsäurerest unterhalb der Bindetasche, der für das Binden eines wasserkoordinierten Magnesiumions verantwortlich ist, gegen Serin (D41S) oder Glutaminsäure (D41E) ausgetauscht war, konnte gezeigt werden, dass das wasserkoordinierte Magnesiumion nicht relevant für den Löschungsmechanismus ist. Dennoch konnte eine Beteiligung von Wassermolekülen nicht ausgeschlossen werden. Die Beteiligung eines Elektronentransfers von einem Tryptophanrest in der Bindetasche auf das photoangeregte Flavin konnte durch Messungen an Dodecinproteinen mit Tryptophan-Derivaten mit unterschiedlichen Ionisationsenergien bestätigt werden.
Die Spezies, die mit einer Zeitkonstante von etwa 5 ps zerfällt, die ebenfalls zu einer Wiederbesetzung des Ausgangszustands führt, konnte nicht eindeutig identifiziert werden. Die spektrale Signatur des zerfallassoziierten Spektrums könnte neben einer neutralen Tryptophanspezies und einem kationischen Riboflavinradikal auch durch schwingungsangeregte Riboflavinmoleküle verursacht werden.
Eine Beteiligung der Ribitylkette am Mechanismus kann aufgrund der Ergebnisse von HsDod-gebundenem Lumiflavin ausgeschlossen werden. Weiterhin konnte anhand der Ergebnisse für HsDod-gebundenes FAD, das in seiner geschlossenen Konformation gebunden wird, wobei der Adeninrest die zweite Position in der Bindetasche besetzt, eine Beteiligung des zweiten Flavins in der Bindetasche am Löschungsmechanismus sowie ein Beitrag zu den Differenzspektren ausgeschlossen werden. Somit dient die Besetzung einer Bindetasche mit zwei Flavinmolekülen vermutlich lediglich der Maximierung der Flavinbeladung. Nicht eindeutig geklärt werden konnte die Frage, ob es sich um einen sequentiellen oder parallelen Mechanismus handelt.
Neben archaealem wurde auch bakterielles Dodecin mittels transienter UV/vis-Spektroskopie untersucht. Für Dodecin aus Halorhodospira halophila (HhDod) konnte ebenfalls eine sehr schnelle Wiedererlangung des Ausgangszustands nach Photoanregung des gebundenen Riboflavins beobachtet werden. Allerdings spiegeln einige Unterschiede in den transienten Daten die Unterschiede in den Bindetaschen von archaealem und bakteriellem Dodecin wider und geben Hinweise darauf, dass die Funktionen in der Zelle für die Dodecine unterschiedlich sind. Diese Hypothese wird durch verschiedene Cofaktoren, Riboflavin und Lumichrom für HsDod und FMN für HhDod, in vivo unterstützt. Die ermittelten Zeitkonstanten sind für das bakterielle Dodecin etwas länger als für das archaeale und die transienten Daten weisen in den spektralen Signaturen der Differenzsignale sowohl Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten auf.
Im zweiten Teil dieser Arbeit wurden erste Schritte der Peptidfaltung mit Hilfe eines wasserlöslichen bizyklischen Modellpeptids, das den Photoschalter 4(4’-Aminomethylphenylazo)benzoesäure (AMPB) enthält, untersucht. Hierfür wurden Kurzzeitspektroskopische Messungen im mittleren infraroten Spektralbereich für den Schaltvorgang von der cis-Form des Azopeptids in die trans-Form durchgeführt. Diese Methode erlaubt es, transiente Konformationsänderungen des Peptidrückgrats zu verfolgen. In der cis-Form kann das Peptid mehrere unterschiedliche Konformationen einnehmen, während der Konformationsraum für die trans-Form deutlich eingeschränkt ist. Nach der Photoanregung im Bereich der n-pi*-Bande der Azobenzoleinheit finden die grundlegenden konformationellen Änderungen innerhalb der ersten 10-20 ps statt. Dies wurde durch polarisationsabhängige Messungen bestätigt.
Auf dieser Zeitskala finden die größten Änderungen in den transienten Differenzspektren statt, die auf Konformationsänderungen sowie Kühlprozesse zurückzuführen sind. Diese Prozesse konnten mit einer Zeitkonstanten von 5 ps zusammengefasst werden. Auf längeren Zeitskalen finden weitere Reorganisationsprozesse statt, die mit einer Zeitkonstante von 300 ps zusammengefasst werden können. Bei maximaler Verzögerungszeit des Experiments (1,8 ns) ist der Gleichgewichtszustand noch nicht erreicht und es finden weitere Prozesse auf längeren Zeitskalen statt. Im Vergleich zu einem ähnlichen bereits untersuchten DMSOlöslichen bizyklischen AMPB-Peptid konnte keine schnellere Dynamik durch den Einsatz von Wasser als Lösemittel festgestellt werden, wie es vorangegangene transiente Experimente im UV/vis-Spektralbereich an wasser- und DMSO-löslichen bizyklischen Azopeptiden angedeutet hatten. Die Ergebnisse der transienten Messungen zeigen gute Übereinstimmungen mit molekulardynamischen Rechnungen. Das so gewonnene Modell von den Prozessen nach der Isomerisierung des Photoschalters erlaubt Einblicke in erste Schritte bei der Faltung von Peptiden in ihrem natürlichen Lösungsmittel Wasser und die Zeitskalen der entsprechenden Prozesse.