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Hintergrund: Die Einnahme vieler Antidepressiva und Antipsychotika in der frühen Schwangerschaft kann nach aktuellem Forschungsstand als sicher bezüglich des Risikos für Fehlbildungen erachtet werden. Daten hinsichtlich der Sicherheit einer Psychopharmakotherapie während der Stillperiode sind hingegen rar. Die meisten Betroffenen würden einerseits gerne ihre Kinder stillen, andererseits wollen sie aber auch sicher sein, dass sie ihrem Nachwuchs dadurch nicht schaden.
Ziele: Unser Ziel war es herauszufinden ob eine Korrelation zwischen der Tagesdosis der Psychopharmaka und der Medikamentenkonzentration im Serum sowie in der Muttermilch (MM) besteht. Weiterhin untersuchten wir, ob es eine allgemeingültige Regeln gibt, wie sich Muttermilchmedikamentenkonzentrationen im Tagesverlauf verhalten. Außerdem wollten wir herausfinden ob die Medikamentenexposition in der Schwangerschaft und/oder Stillperiode einen Einfluss auf die Entwicklung des Kindes in den ersten zwölf Lebensmonaten hat.
Methoden: Wir untersuchten therapeutische Medikamentenspiegel parallel in Serum und MM zu verschiedenen Zeitpunkten um herauszufinden wann die höchsten/niedrigsten Konzentrationen ermittelt werden konnten. Neben dem Talspiegel, nach 12 h oder 24 h (T1), sammelten wir Proben 4 h (T5) und 8 h (T6) nach der Medikamenteneinnahme sowie direkt nach der Medikamenteneinnahme (T2), 1 h nach T2 (T3) und direkt beim nächsten Stillen (T4). Die Messungen wurden im TDM Labor im Zentrum für psychsiche Gesundheit, Universitätsklinikum Würzburg mittels isokratischer reversed-phase high performance liquid Chromatographie durchgeführt. Wir rekrutierten 25 Patientinnen, die in der ambulanten Spezialsprechstunde für psychiatrische Erkrankungen in Schwangerschaft und Stillzeit behandelt wurden. 68% der Patientinnen nahmen in der Schwangerschaft schon ein Psychopharmakon ein. Die Patientinnen litten an unipolaren Depressionen (n = 15), bipolaren Störungen (n = 2), schizoaffektiven Störungen (n = 2) sowie Angst- (n = 4) und Zwangsstörungen (n = 2). Das Spektrum von Antidepressiva und Antipsychotika erstreckte sich von Amitriptylin/Nortriptylin, Clomipramin/N-Desmethyl-Clomipramin, Mirtazapin, Escitalopram, Citalopram, Sertralin, Venlafaxin/ O-Desmethyl-Venlafaxin bis hin zu Lamotrigin und Quetiapin. Weiterhin erfassten wir ob es postnatale Auffälligkeiten sowie im Verlauf Entwicklungsauffälligkeiten bei den exponierten Kinder gab (Daten aus den routinemäßigen U-Untersuchungen der ersten 12 Lebensmonate). Um mehr Daten zur Kindesentwicklung zu sammeln, interviewten wir in einem retrospektiven Unterprojekt 14 weitere Patientinnen, die in der Vergangenheit von der Thematik betroffen waren.
Ergebnisse: Die parallel bestimmten Talspiegel in Serum und MM korrelierten nicht signifikant bei der Analyse aller Medikamente zusammen oder bei der Analyse der einzelnen Medikamente (Spearman Rho Korrelation, p > 0,05). Die Talspiegel im Serum korrelierten weder signifikant mit den Muttermilchkonzentration nach 4 h (T5), noch mit denen nach 8 h (T6) (Spearman Rho Korrelation, p = 0,46; p = 0,08). Die Tagesdosis korrelierte signifikant mit dem Talspiegel im Serum (p = 0,001), jedoch nicht mit den gleichzeitig bestimmten Muttermilchkonzentrationen (p = 0,88). Die Konzentrationen von Venlafaxin in der MM fielen relativ hoch aus. Es zeigte sich eine große interindividuelle Variation der Konzentrationen der unterschiedlichen Medikamente zu verschiedenen Zeitpunkten. Clomipramin und Quetiapin konnten gar nicht oder nur in sehr niedrigen Konzentrationen in der MM gemessen werden (n = 2, n = 4) wie auch Sertralin (ohne Ausreißer-Werte) und Escitalopram. Auch konnte Quetiapin nicht im Serum eines gestillten Kindes nachgewiesen werden, bei dem wir Blutproben gewinnen konnten (n = 1). Keines der gestillten Kinder zeigte negative Auswirkungen aufgrund der Medikation. Die höchste „concentration-bydose-ratio“ (C/D) in der MM wurden für Venlafaxin (n = 4, C/D MM = 5,11) und Lamotrigin (n = 1, C/D MM = 10,0) errechnet, während Clomipramin (n = 2, C/D MM = 0,0), Quetiapin (n = 4, C/D MM = 0,02) und Sertralin (n = 3, C/D MM = 0,03) die niedrigsten Quotienten zeigten. Wir kalkulierten die höchste „milk-to-plasma-ratio“ (M/P) für Mirtazapin (n = 3, M/P = 3,92) und Venlafaxin (n = 2, M/P = 2,4) sowie die niedrigsten für Clomipramin (n = 2, M/P = 0), Quetiapin (n = 3, M/P = 0,03) und Sertralin (n = 3, M/P = 0,08), was für ein niedriges Eindringungsvermögen vom Serum in die MM spricht.
Multilevel-Untersuchung des nitrinergen Systems bei affektiven Störungen und schizophrenen Psychosen
(2023)
Das nitrinerge System und damit auch NOx als Neurotransmitter werden mit der Entstehung verschiedener psychischer Erkrankungen in Verbindung gebracht. Die genaue Rolle des Botenstoffs ist jedoch nicht ausreichend geklärt und auch die Frage, ob dieser als diagnostischer oder prädiktiver Biomarker nützlich sein könnte, ist unbeantwortet. In der vorliegenden Arbeit wurde folglich untersucht, ob es Unterschiede zwischen den Diagnosegruppen MDD, BIP, SCZ und der Kontrollgruppe bezüglich peripherer NOx- Konzentrationen gibt. Darüber hinaus wurden Unterschiede innerhalb der Diagnosegruppen im Krankheitsverlauf im Sinne von Phasenunterschieden mittels zweier Messzeitpunkte untersucht und analysiert, ob es Korrelationen mit genetischen Variationen in NOS-Genabschnitten gibt. Insgesamt wurden 185 Probanden in die Studie mitaufgenommen: 52 gesunde CTRL, 43 Patienten mit MDD, 41 Patienten mit BIP und 49 Patienten mit SCZ. Biochemische, genetische und klinische Daten wurden bei Aufnahme und Entlassung in der psychiatrischen Abteilung des Universitätsklinikums Frankfurt erhoben. Klinische Daten, die den Symptomverlauf 90 und die Erkrankungsschwere beurteilten, nutzten dazu standardisierte teilstrukturierte klinische Interviews. Biochemische Daten wurden mittels im Serum gemessener NOx- Spiegel quantifiziert. Bezüglich der Untersuchung der Risikogenvarianten wurden Probanden anhand des NOS1 ex1f-VNTR-Polymorphismus sowie SNPs in den Genen NOS1, NOS3 und NOS1AP genotypisiert. Bei Aufnahme wiesen SCZ-Patienten im Vergleich zu CTRL-, MDD- und BIP-Gruppen signifikant höhere NOx- Konzentrationen auf. Während NOx- Spiegel im Behandlungsverlauf bei MDD- und BIP-Patienten signifikant zunahmen, konnte dies bei SCZ-Patienten nicht beobachtet werden. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass Patienten, deren depressive Beschwerden nicht relevant zurückgingen, bei Entlassung signifikant höhere NOx- Konzentrationen aufwiesen, was durch die Beobachtung einer signifikant positiven Korrelation zwischen NOx- Serumspiegeln und depressiven Symptomen bei Entlassung unterstützt wurde. Bei der genetischen Untersuchung der Daten fiel auf, dass homozygote Träger des kurzen VNTR-Allels signifikant erhöhte NOx- Konzentrationen besaßen. Diese Ergebnisse blieben bei jenen Trägern auch nach Entlassung signifikant. Insgesamt gibt es Hinweise darauf, dass erhöhte periphere NOx- Metabolitkonzentrationen mit einer Zunahme der Psychopathologie bzw. der Erkrankungsschwere einhergehen könnten, was möglicherweise auf den NOS1 ex1f-VNRT-Polymorphismus zurückzuführen ist. Außerdem zeigten zwei SNPs, welche beide im NOS1AP-Gen lokalisiert sind, bei BIP Patienten signifikant gesteigerte NOx- Werte. Die vorliegenden Ergebnisse deuten darauf hin, dass NO-Signalübertragung und NOS-Genotypen in der Pathogenese psychischer Erkrankungen eine Rolle spielen könnten. Ob diese Veränderungen allerdings kausal mit Krankheitsprozessen zu tun haben oder ob es eher Epiphänomene der Erkrankungen sind, kann mit dieser Studie nicht geklärt werden. Die Genvarianten könnten wiederum bei der Regulierung von peripheren NOx- Konzentrationen von Bedeutung sein. Die Arbeit liefert zudem Hinweise, die Verwendung von NOx als möglichen peripheren Biomarker weiter zu verfeinern und zu untersuchen. Zukünftige Studien, die die Wirksamkeit von NOx- modulierenden Pharmaka untersuchen, könnten davon profitieren, Diagnosegruppen nach Subgruppen einzuteilen, die sowohl NOS Risikogenvarianten als auch periphere NOx- Spiegel im Sinne eines Biomarker beachten.