Jüdische Studien - Literatur
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Die Bibliographie nennt alle in der Deutschen Nationalbibliothek vorhandenen Bücher Grete Fischers. Die Titel wurden mit Ausnahme der drei 1945/46 in Glasgow erschienenen Bücher autoptisch überprüft. Als Verlagslektorin hat sie durch mehrere Jahrzehnte an deutschen und englischen Übersetzungen mitgewirkt, die sich bisher jedoch bibliographisch nicht nachweisen ließen.
This paper is an attempt to peel out the core of historical and autobiographical reality in Klara Blumʼs poems, to show their militant character and ideological limits, and to analyze them as contemporary documents whose relevance lies less in the originality of their language than in the consistency of their historical and intellectual substance.
Als der jiddische Dichter Abraham Sutzkever 1943 im Ghetto von Wilna sein Gedicht "unter dayne vayse shtern" ("Unter deinen weißen Sternen") schrieb, hatte er bereits die Ermordung der Hälfte aller jüdischen Einwohner der litauischen Hauptstadt, darunter seine Mutter und sein neugeborenes Kind, erlebt. Er selbst überlebte die Vernichtung zunächst in der durch die Deutschen besetzten Stadt - bis dahin auch "Yerushalyim de Lite" genannt -, dann im Ghetto und später als Partisan in den Naroczer Wäldern, von wo aus er noch während des Krieges nach Moskau gelangte. Nachdem er bei den Nürnberger Prozessen als Zeuge ausgesagt hatte, emigrierte er schließlich 1947 über Polen und Frankreich nach Erez Israel, wo er bis zu seinem Tod 2010 lebte und schrieb. So wendungsreich sein Lebensweg war, so vielschichtig sind seine lyrischen Texte. Immer neu kreisen sie um das Gedenken an die Ermordeten und versuchen, dem drohenden Abbruch jüdischer Gedächtnisgenealogie zu begegnen. [...] Sutzkevers bekannteste Ghetto-Dichtung, vertont von Avrom Brudno und vermutlich uraufgeführt in einer Revue des Ghetto-Theaters, thematisiert das Rätsel des verborgenen göttlichen Antlitzes.
Neugründung: Buber-Rosenzweig-Institut als zentrale Forschungsstätte zum Judentum der Moderne
(2021)
Rezension zu Gabriele von Glasenapp, Hans Otto Horch: Ghettoliteratur. Eine Dokumentation zur deutsch-jüdischen Literaturgeschichte des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Teil I: Rezeptionsdokumente (1), Rezeptionsdokumente (2), Teil II: Autoren und Werke der Ghettoliteratur. Conditio Judaica 53-55. Studien und Quellen zur deutsch-jüdischen Literatur- und Kulturgeschichte. Hg. von Hans Otto Horch in Verbindung mit Alfred Bodenheimer, Mark H. Gelber und Jakob Hessing. Tübingen: Max Niemeyer Verlag, 2005, XV, 1162 Seiten.
Kunz
(2018)
Die Verkäufer der Obdachlosenzeitschrift "Hinz&Kunzt" gehören auf Hamburgs Straßen wie Blechmusikanten in den Berliner Untergrund. [...] Die Verschmelzung von Kunz, dem austauschbaren Jedermann, und der Kunst als vielgestaltiger Vermittlerin von Freude und Leben, erzeugt durch das schlichte Anhängen eines Buchstabens, verweist auf mehr als ein phonetisches Wortspiel. Was aber macht die semantische Nähe dieser beiden Vokabeln aus? Aufschluss gibt womöglich ein drittes Wort, ein jiddisches Fremdwort, das, ganz egal, in welcher Sprache es gebraucht wird, unübersetzt bleibt und damit seine Fremdheit beibehält: 'kunz', genauer 'di kunz'. Herkommend vom deutschen "Kunst", bedeutet es keinesfalls "Kunst", sondern so viel wie "Trick", "Kunststück" oder "Einfallsreichtum" - etwas, was potenziell jeder hat oder kann.
Alin Bashja Lea Zinner fokussiert in ihrem Aufsatz ein Tabu innerhalb der literarischen Aufarbeitungsgeschichte der NS-Verbrechen. In "Das Tabu der sexuellen Gewalt in der Holocaust-Literatur" stehen die literarischen Werke des Holocaust-Überlebenden Yehiel DiNur im Zentrum der Aufmerksamkeit, die mit einem Vexierspiel aus Faktualität und Fiktionalität die sexuelle Ausbeutung von Häftlingen entlarven und sich aufgrund dessen in ihrer Rezeptionsgeschichte Anfeindungen und Vorwürfen der pornographischen Ausschlachtung und Proftigier ausgesetzt sahen.
Nicolas Berg wirft einen Blick auf die intensive und facettenreiche Goethe-Verehrung deutsch-jüdischer Milieus um 1900. Mit Goethe habe sich im deutschen Judentum grundsätzlich die Hoffnung auf eine Anverwandlung "universeller Werte der Kultur" verbunden, und die Beschäftigung mit Goethes Leben und Werk sei aus diesem Grund weder mit bloßer "Klassikerbeflissenheit" noch mit gängigem "Kulturnationalismus" zu verwechseln. Dies erkenne man nicht zuletzt daran, dass jüdische Spielarten der Goethe-Aneignung eine wissenschaftliche Beschäftigung mit Goethe keineswegs ausgeschlossen hätten. Berg erinnert an die Fülle philologischer, philosophischer wie populärwissenschaftlicher Goethe-Arbeiten von jüdischen Autoren. Von besonderer Attraktivität sei dabei oft der Goethe'sche Bildungsgedanke gewesen, da dieser die Überwindung "beruflicher Barrieren" wenigstens im Imaginären zugelassen habe. Das Bedürfnis nach einem Ausweis deutsch-jüdischer Affinitäten zeige sich darüber hinaus an der Behauptung einer inneren Verwandtschaft v. a. zwischen Spinoza und Goethe, die spätestens um 1900 zum Topos aufsteige. Der Blick auf die gesellschaftspolitischen Realitäten der Zeit drohe freilich, die gesamte Konstellation als traurige "Phantasmagorie" offenzulegen.