BDSL-Klassifikation: 13.00.00 Goethezeit > 13.14.00 Zu einzelnen Autoren
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The article engages in a close reading of Goethe's sonnet "Mächtiges Überraschen", published in the sonnet cycle of 1807. In it the poetic voice evokes a mountain river whose course is suddenly interrupted by the limiting force of a dam. Paradoxically, however, the effect of this is not stagnation, but the emergence and celebration of a "new life". This paradox will be illuminated by a discussion of Goethe's "Morphologie" as a universal scientific method. Morphology studies the infinite variety of (natural) forms while also insisting on their individual limitation. Goethe's understanding of life lingers on the co-presence of "coined form" and "living development" as he formulates it in "Urworte. Orphisch". "Mächtiges Überraschen" is read as a poem that embodies this fundamental polarity. The sonnet refers time and again to the borders and limitations of both the natural image it evokes and its own poetic properties. Simultaneously, it suggests the transgression of these limitations on both a formal (or structural) and a metaphorical level. As a poetological sonnet, "Mächtiges Überraschen" unifies the representation (of a natural event) with a reflection on representation as such. The announcement of a "new life" in the last stanza of the poem is thus read as an announcement of its own coming-into-being.
Friedrich August Wolf posits in his "Prolegomena ad Homerum" that, from the time of the first transcription of Homer's epics around 700 BC to the time of the Alexandrian editions, the Iliad and Odyssey underwent repeated revisions by a multitude of poets and critics. According to Wolf, the "unified" works that we know are the products of emendations by Alexandrian critics who attempted to homogenize the style of the epics and to return them to their "original" form. This paper argues that Wolf's narration of the history of these texts relies on and produces aesthetic claims, not historical ones. Wolf determines the dates and origins of passages based on intuitive judgments of style for which he cannot provide linguistic or historical evidence. And his conclusions that the "Iliad" and "Odyssey" were not written by Homer, but rather by a history of emendations and revisions, enthrones his work — the work of philologists — in place of the literary genius Homer. Thus philology becomes for Wolf an aesthetic discipline that produces canonical and beautiful works of literature. This aesthetic task is essential for philology to fulfill its educational and political responsibilities.
Im Rahmen dieses Vortrages, anlässlich von Herders 200. Todesjahr und der Buchveröffentlichung gleichnamigen Titels, soll nicht die Vita von Johann Gottfried Herder nachgezeichnet werden, vielmehr sollen einige resümierende Gedanken Michael Zarembas jahrzehntelanger Beschäftigung mit Leben und Werk des Predigers der Humanität vorgetragen werden.
1787 erschien in Berlin ein schmales Schriftstück und erregte Aufsehen: "Nachricht von des berüchtigsten Cagliostro Aufenthalt in Mitau im Jahre 1779 und von dessen magischen Operationen. Von Charlotta Elisabeth Konstantia von der Recke, geborene Gräfin von Medem. An meine Freunde und Freundinnen in Kurland und Deutschland." So hieß es auf der Titelseite. Es handelte sich um die Entlarvung des Cagliostro als "ein grober Betrüger", "der nach den Charakteren, mit denen er zu tun habe, die Schwachheit und Neigung der Menschen mit schlauer List zu benutzen, und seine Rolle nach Umständen zwar ziemlich plump, aber doch auch sehr verschmitzt zu spielen wisse." (Träger, 397) Der Name der Verfasserin, Elisa von der Recke (1754-1833), sagt dem heutigen Leser wohl kaum etwas. Sie wurde 1754 als Tochter des kurländischen Hochadels Friedrich von Medem (1722-1785) geboren und 17jährig mit Georg Peter Magnus von der Recke (1739-1795), dem Neffen ihrer zweiten Stiefmutter verheiratet. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Schrift war sie allerdings schon seit sechs Jahren geschieden. 1778 hatte sie zum ersten Mal unter dem Namen "Elisa von der Recke" einen dünnen Gedichtband pietistisch-religiösen Inhalts veröffentlicht. Später reiste sie viel durch Europa und hinterließ vier Bände Reisetagebücher. Ihren literarischen Ruhm verdankt sie allerdings einzig der oben genannten Entlarvungsschrift, die auch die russische Kaiserin Katharina mit Interesse las und wegen ihrer aufklärerischen Bedeutung auch ins Russische übersetzen ließ.
"Goethe meint, dass es mein bestes Werk sei", schreibt Schiller an Körner am 13. Mai 1801. Bezeugt sind zudem die, vor allem von der studentischen Jugend, begeistert und bejubelt aufgenommenen ersten Aufführungen 1801 in Leipzig. Heute dürfte die Jungfrau eher zu den weniger oft aufgeführten Dramen Schillers gehören. Schließlich handelt es sich auf einen ersten unbefragten Blick um sein befremdlichstes, um ein bizarres und mysteriöses Stück. Warum beschäftigt sich der Aufklärer und Klassiker mit einer mythisch-mystischen Hexe und Heiligen (denn sie ist beides in der Geschichte) in einer romantischen Tragödie? Von den Romantikern sind wir allerhand Spuk- und Gespenstergeschichten gewöhnt und Zauberbäume und sprechende Heiligenbilder überraschen uns nicht. Aber Schiller? Schiller ist doch, so verstehe ich ihn jedenfalls, ein politischer Dichter. Und da liegt auch schon die Antwort: eben deshalb.
Nähert man sich dem gewaltigen Werk Titan von Jean Paul ganz arglos und unvorbereitet, so begreift man rasch zweierlei: einmal, daß hier in schöner Hemmungslosigkeit das ganze romantische Inventar in Szene gesetzt wird, das bis hin zum Schauerroman hinlänglich bekannt ist, also Geister, Mönche, Geheimnisse, enigmatische Anweisungen, Testamente, Prophezeihungen, Verwechslungen, Liebes- und Todesdramatik usw., zum anderen, daß hier eine schier unerträgliche Spannung zwischen Natur und Künstlichkeit, zwischen Seelenphatos und Theaterwelt aufgebaut wird und daß die Grenzen zwischen diesen Bereichen immer wieder verschwimmen, sich auflösen, ineinanderlaufen, so daß es bis zum Ende hin schwer bleibt, sie voneinander zu scheiden. Das liegt nicht zuletzt an der Substanz, die gleichsam die heimliche ‚Heldin‘ des Romans ist: das Wasser; genauer: das Liquide, die Flüssigkeit, der ganz besondere Saft, der nicht nur das Blut (aber doch auch) als vielmehr die Tränen sind. Es wird viel geweint in diesem Buch, sei’s aus Kummer, sei’s vor Glück, sei‘s vor Lachen, und während man sich noch ratlos all die verweinten Gesichter vorzustellen sucht, die jede Gefühlsbewegung begleiten, versteht man, daß auch innerhalb dieses idealistischen Mediums der Tränen das Gleiche doch nicht dasselbe ist. Im unendlichen (Ver-)Wechselspiel von echten und unechten Doppelgängern, von scheinbaren und wirklichen Blutsverwandten, von himmlischer und irdischer Liebe oder gelebter und fantasierter Freundschaft verändern sich über mehr als 700 Seiten hin die Positionen immer wieder so unerwartet, so dramatisch bis hin zum Tragischen, so komisch bis zur Groteske und so geheimnisvoll einem unsichtbaren Ariadnefaden der inneren Psycho-Logik folgend, daß erst vom Fluchtpunkt der letzten Seite aus das ganze Gemälde überschaubar erscheint und alles in die rechte Perspektive rückt.
Der Begründer der Neuen Phänomenologie, Hermann Schmitz, rückt anläßlich einer Erläuterung des für ihn zentralen Begriffs der "implantierenden Situation" Goethes Gedicht Über allen Gipfeln ist Ruh ... in die Nähe der Haiku-Lyrik. Das von Schmitz nur beiläufig Konstellierte erweist sich bei näherem Hinsehen als aufschlußreich für das Verständnis der Naturlyrik aus Goethes erstem Weimarer Jahrzehnt. Denn es ist in der Tat die Haiku-Tradition, an der wir unseren Blick für manche Eigenheiten der lyrischen Sprache Goethes in jener Werkphase schulen können – einer Werkphase, die ich als "vorkritisch" bezeichne, da sie noch nicht unter dem Einfluß der kritischen Philosophie Kants steht und daher noch frei ist vom didaktisierenden Zug transzendentaler Subjektivität. Der japanische Blick auf den "vorkritischen" Goethe ist nicht nur von philologischem Interesse. Er zeigt uns, sehr viel weiter reichend, die Möglichkeit eines Sprechens über Phänomene, bei dem es kein die Erfahrung begleitendes und in seine Gewalt bringendes "Ich denke" zu geben scheint. ...
Ich stelle fest – und mich zumindest erstaunte das –, dass es zwischen Literaturwissenschaft und Biotechnologie in einem wirklich zentralen Bereich interdisziplinäre Berührungspunkte gibt. Dass auch die Frage nach dem gelingende oder scheiternde Symbolgebrauch hier hinzugehört, werde ich im Folgenden zu zeigen versuchen. Ich befasse mich zu diesem Zweck mit der Schaffung von künstlichen Menschen in der fiktionalen Literatur und frage, welche Rolle der Symbolgebrauch und die Erzeugung semantischer Information in diesem Vorgang jeweils spielt. Im Speziellen wird es gehen um die Entzifferung von Lebensschrift bei GOETHE, ARNIM und MEYRINK.