BDSL-Klassifikation: 10.00.00 16. Jahrhundert > 10.07.00 Studien
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Adam Bernd (1676 - 1748), der nach der Publikation zweier Traktate, die den Unwillen der Amtskirche hervorriefen, von seinem Amt als Prediger an der Leipziger Peterskirche resignierte, scheint mit seiner Klage recht zu haben: Zwar gehört der Selbstmörder seit der Antike zum Bild des Melancholikers, doch sind die Erklärungen der Zusammenhänge bis heute spärlich geblieben.
Das unter ästhetischen Gesichtspunkten nach wie vor als kulturelle Abstrusität rubrizierte Bemühen der Meistersinger, literarische Leistung zu quantifizieren, erscheint in worthistorischer Perspektive und dabei insbesondere im Hinblick auf die Tabulaturen des späten 15. und frühen 16. Jahrhunderts als ein durchaus fortschrittliches Phänomen. Obschon die Texte sowohl pragmatisch - durch die Bindung an den Vortrag vor Anwesenden - als auch ihrem Selbstverständnis nach an mittelalterliche Literaturtraditionen gebunden bleiben, verfügen die Meistersinger im Kontext ihrer Aufführung doch nun über einen umfangreichen Katalog poetologischer Begriffe, die in diskursiver Form verschriftlich vorliegen.
Die folgenden Ausführungen knüpfen an eine These an, die an anderer Stelle eher von kodikologischen wie überlieferungs- und textgeschichtlichen Befunden ausgehend formuliert wurde. Danach kann die Gemerk-Interaktion der Meistersinger als ,Aufführung einer Aufführung' verstanden werden, d. h. als Folge einer sehr besonderen Rezeption von Wettstreit- und Fürwurfliedern, die anonyme Fremdtonverwender bereits in einer Spätphase der Sangspruchdichtung nach Frauenlob verfasst haben. In ihnen ist im Rahmen einer ausgiebig ausgebeuteten Turnier- und Wettkampfmetaphorik auf Schritt und Tritt von Dichten und Singen die Rede und so haben sich dann später die Meistersänger aus diesen Liedern ihre eigenen Vorstellungen von der Kunstpraxis der von ihnen geachteten alten Meister gebildet.