Jahrbuch des Bochumer Botanischen Vereins für das Jahr 2009 - Band 1 (2010)
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Im Folgenden werden für den Bochum-Herner Raum bemerkenswerte Pflanzenfunde aus dem Jahr 2009 aufgeführt. Zur besseren Auswertung wurden hinter den Fundorten die MTB-Angaben
(Topographische Karte 1:25.000) angegeben und ggf. eine Bewertung des
floristischen Status sowie eine Bewertung des Fundes für den hiesigen Raum.
Das Untersuchungsgebiet wurde ausgewählt, da die Harpener Teiche eine lokale Kuriosität darstellen. Sie wurden einst als Klärteiche für die Bergbauabwässer der nahegelegenen Zeche Robert Müser genutzt. Heute dient der Schacht der zentralen Wasserhaltung. Hier wird Grubenwasser gehoben und in die Harpener Teiche geleitet, damit die Grubenbaue der weit entfernten Zechen, in denen heute noch Kohle gefördert wird, nicht unkontrolliert voll laufen. Das Grubenwasser enthält gelöste Mineralien, welche die grauweißen Ablagerungen im Bereich des Ausflusses bilden und das Wasser türkisblau färben.
Die Einleitung des salzhaltigen Wassers bedingte früher das Auftreten einiger Halophyten (salztolerante Pflanzenarten, vgl. GALHOFF & KAPLAN 1983), die aber heute aufgrund von Sukzession (natürliche Entwicklung) verschwunden sind. Die direkte Umgebung der Harpener Teiche zeichnet sich außerdem durch verschiedene heimische und gebietsfremde Gehölzarten auf. Die Nähe zum Siedlungsbereich führt zum Auftreten einiger interessanter, nicht einheimischer Pflanzen, die durch den Menschen eingeführt bzw. abgelagert wurden (Adventivarten, Gartenmüll). Zu diesem engeren Untersuchungsgebiet (Gebiet 1), in dem auch die zentrale Anlaufstation bzw. der Infostand eingerichtet wurde, wurde außerdem aus Gründen der Strukturvielfalt die Industriebrache der ehmaligen Zeche Robert Müser (Gebiet 2) und der Bereich der Halde mit einem Teil des Geländes der ehemaligen Zeche Amalie (Gebiet 3) miteinbezogen.
In Gartencentern findet man im Herbst und Winter manchmal die Knollen der Eidechsenwurz (Sauromatum venosum = S. guttatum, gelegentlich als "Arum cornutum" angeboten). Man kann diese Knollen so, wie sie sind, auf die Fensterbank legen. Im Frühjahr erscheint dann eine außergewöhnliche "Blüte". Aufgrund dieser ungewöhnlichen Kultur wird die Eidechsenwurz auch "Wunderblume" genannt. Neben dem spektakulären Blütenstand wird die Art aber auch wegen ihrer ungewöhnlichen, fußförmigen Blätter kultiviert. Die Stiele der Blätter sind etwa 50 bis 75 cm lang und gepunktet, die Blattspreite wird bis 50 cm breit. In Nordrhein-Westfalen wurde im Jahre 2008 erstmals ein verwildertes Vorkommen der Eidechsenwurz nachgewiesen.
Das Durchwachsenblättrige oder Durchwachsene Laichkraut (Potamogeton perfoliatus) ist eine Wasserpflanze (Hydrophyt) aus der Gruppe der einkeimblättrigen Pflanzen (Monocotyledonae). Es gehört zur Familie der Laichkrautgewächse (Potamogetonaceae) und ist eine Art mit weiter ökologischer Amplitude, die sowohl in stehenden als auch fließenden Gewässern vorkommt und bisweilen auch starke Strömung oder Wellenschlag ertragen kann. Schwerpunktvorkommen liegen in basenreichen, mäßig nährstoff- bis nährstoffreichen Gewässern wie Seen, Weihern, Altwasserarmen und Flüssen. In allzu eutrophen Gewässern ist jedoch ein starker Rückgang von Individuen zu verzeichnen, so dass die Art mittlerweile vielerorts im Rückgang begriffen ist und regional sogar auf der Roten-Liste der gefährdeten Gefäßpflanzen steht. Im Ruhrgebiet sind im Jahr 2003 individuenreiche Populationen des Durchwachsenen Laichkrautes im Rhein-Herne-Kanal zwischen Duisburg-Ruhrort und Herne durch Untersuchungen im Rahmen der Diplom-Arbeit von MELANIE HENTSCH bekannt geworden. Da es sowohl für Nordrhein-Westfalen als auch für das Ruhrgebiet in der Roten-Liste mit "stark gefährdet" angegeben wird (WOLFF-STRAUB & al 1999), sind diese Vorkommen im Rhein-Herne-Kanal aus Sicht des Artenschutzes von großer Bedeutung.
Seit fünf Jahren wird aufgrund der Initiative des Botanischen Sondergartens Wandsbek (Hamburg) eine "Giftpflanze des Jahres" ausgerufen. Hiermit will man auf giftige Pflanzen aufmerksam machen, die in Haus und Garten wachsen und deren Giftigkeit in der Öffentlichkeit häufig nicht (genügend) bekannt ist. Aus unserer Sicht etwas unglücklich ist die Wahl im Jahr 2009 auf Tabak (Nicotiana spec., ohne Festlegung auf eine Art) gefallen. Unglücklich deshalb, weil es in Deutschland wohl kaum überhaupt mal eine Vergiftung durch die (lebende) Pflanze gegeben hat. Einerseits wird Tabak nämlich in weiten Teilen Deutschland gar nicht angebaut und tritt nur gelegentlich in Form von Ziertabak (s. u.) in Gärten auf, andererseits verführt die Pflanze nicht zum Verzehr. Gefährlich für den Menschen sind eher die Giftpflanzen, die lecker aussehende Früchte ausbilden wie z. B. Tollkirsche (Atropa belladonna) oder Lorbeerkirsche (Prunus laurocerasus). Auch die Blätter des Aronstabs verführen zum Probieren, weil sie schon sehr früh im Jahr erscheinen und nach Sauerampfer schmecken (aber eben hochgiftig sind). Es sind diese Arten, die regelmäßig zu Vergiftungen führen, insbesondere bei Kindern. Hier ist eine intensive Aufklärung nötig. So wurde sinnvollerweise als Giftpflanze des Jahres 2008 der Riesen- Bärenklau (Heracleum mantegazzianum) gewählt, der durch seine Phytotoxizität bei Berührung eine wirkliche Gefährdung darstellt. Anders als die anderen "Titelträger der Natur des Jahres" (Blume des Jahres, Baum des Jahres, etc.) wird die Giftpflanze des Jahres nicht ernannt, sondern per Abstimmung aus vier vorgegebenen Kandidaten gewählt. Hierbei kann jeder teilnehmen. So hat in diesem Jahr der Tabak die bei uns als Giftpflanzen deutlich relevanteren Arten Aronstab, Efeu und Lebensbaum auf die Plätze verwiesen. Die Wahl dürfte sicherlich durch die anhaltenden Diskussionen um das Rauchverbot im Jahr 2008 beeinflusst worden sein und somit eher eine politisch-soziologische darstellen. Jedenfalls ist die Tabakpflanze in der Tat eine Giftpflanze von globaler Bedeutung, sie dürfte heute die am weitesten verbreitete Giftpflanze überhaupt sein. Das Produkt, der Tabak, ist hochgiftig und wirkt in Anwendung als Genussmittel bei übermäßiger Anwendung krebserregend. Schon seine "Entdeckungsgeschichte" und die weltweite Erfolgsgeschichte sind interessant genug, dass wir ihn hier gerne vorstellen möchten.
Früh im Jahr blühen die Magnolien und zwar die meisten von ihnen schon vor der Blattentwicklung. Da sie außerdem große auffällige Blüten haben, zählen die Magnolien zu den prachtvollsten Blütenbäumen, die bei uns gepflanzt werden. Die Gattung Magnolia gehört, wie auch der nahe verwandte Tulpenbaum (Liriodendron tulipifera), zur Familie der Magnoliengewächse (Magnoliaceae). Sie wurde nach dem französischen Arzt und Botaniker PIERRE MAGNOL (1638-1715) benannt. Weltweit werden derzeit etwa 125 Magnolien-Arten unterschieden, bei uns in Kultur sind es aber erheblich weniger, weil nur wenige Arten genügend winterhart sind.
Durch die auffällig aufgewölbten, mehr oder weniger halbkugeligen, im feuchten Zustand etwas glänzend hell bläulich-grünen Polster, die sich bei Trockenheit weiß färben (deutscher und wissenschaftlicher [Gattungs-]Name!) und im unteren Teil abgestorben gelblich-bräunlich sind, ist dieses Moos eine der bekanntesten Laubmoosarten, auch wenn seine Einzelstämmchen für sich betrachtet gar nicht so spektakulär wirken. Aber sie sind lang: Im Durchschnitt erreichen sie 10 cm, aber können unter günstigen Bedingungen problemlos doppelt so lang werden - und entsprechend hoch sind dann die Polster. Diese liegen oft isoliert oder in kleinen Gruppen auf dem Waldboden - wie abgefallen oder weggeworfen zwischen Laub und geraten schnell wegen ihrer Form und Farbe ins Blickfeld.
Eines der markantesten Symbole der Advents- und Weihnachtszeit sind die in unterschiedlichsten Farben, Formen und sogar Düften angebotenen Kerzen. Ihr Licht gibt der Jahreszeit eine besondere Atmosphäre, sie unterstützen neben anderen Dekorationsartikeln die erwünschte besinnliche Stimmung. Kerzen stehen traditionell sinnbildlich für Licht, Wärme und Reinheit und symbolisieren damit im Christentum das Lebenslicht des Menschen und Christus als das Licht der Welt. Man könnte nun meinen, dass Kerzen auf den Seiten des Bochumer Botanischen Vereins nichts zu suchen haben, sondern eher dem Bereich Chemie (Stearin) oder Zoologie (Bienenwachs) zugeordnet werden sollten. Aber die Botanik hat auch hier schon immer eine wesentliche Rolle gespielt und steht auch heute noch im wörtlichen Sinne im Zentrum jeder Kerze, denn Wachs brennt ohne sie nicht: die Kerzendochte. Dabei ist die Erfindung des Dochtes weitaus älter als die der Kerzen. Bei den alten Griechen z. B. waren Kerzen noch weitestgehend unbekannt, man verwendete Öllampen, die einen (meist) pflanzlichen Docht enthielten.
Hopfen und Malz
(2009)
Im Jahre 1516 wurde in Deutschland das Reinheitsgebot eingeführt, welches besagt, dass Bier nur aus Hopfen, Malz und Wasser zubereitet werden darf. Seine Aufstellung war unter anderem eine Reaktion auf die damals geläufige Beimischung verschiedener psychoaktiv wirkender Pflanzen z. B. Stechapfel (Datura stramonium, Solanaceae). Auch wenn dieses alte Gesetz die tatsächliche aktuelle Rechtsgrundlage nur teilweise wiedergibt, ist es doch noch heute eine der bekanntesten Lebensmittelregelungen und einer der Gründe für die weltweite Prominenz deutscher Biersorten. Die Gattung Humulus aus der Familie der Hanfgewächse (Cannabaceae) umfasst nur drei Arten, von denen zwei ausschließlich in Asien vorkommen. Das Verbreitungsgebiet unseres heimischen Hopfens dehnt sich von Eurasien bis Nordamerika aus. Die krautige Liane (Kletterpflanze) windet sich im Uhrzeigersinn um ihre Unterlage, was bemerkenswert ist, weil die meisten Ranken linkswindend sind. Widerhakige Haare am rankenden Spross dienen dabei zur Befestigung und als Kletterhilfe. Die äußerst dekorativen Blätter des Hopfens sind, je nach Blattalter, (0)3-7(9)-lappig, werden bis 20 cm lang und sind am Rand gesägt. Hopfenpflanzen können ein Alter von bis zu 50 Jahren erreichen.